Wenn guten Menschen Böses widerfährt
Kann ich glauben, auch wenn mir Schlimmes widerfahren ist?
- Trost und Hilfe von einem, der ein Tal voller Tränen durchwandert hat
- Eine glaubwürdige Anregung, Gott auch im Leid als gütig und gerecht anzunehmen
Wie kann Gott es...
- Trost und Hilfe von einem, der ein Tal voller Tränen durchwandert hat
- Eine glaubwürdige Anregung, Gott auch im Leid als gütig und gerecht anzunehmen
Wie kann Gott es...
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Produktinformationen zu „Wenn guten Menschen Böses widerfährt “
Kann ich glauben, auch wenn mir Schlimmes widerfahren ist?
- Trost und Hilfe von einem, der ein Tal voller Tränen durchwandert hat
- Eine glaubwürdige Anregung, Gott auch im Leid als gütig und gerecht anzunehmen
Wie kann Gott es zulassen, dass Menschen, die an ihn glauben und ihr Leben an ihm ausrichten, von schweren Schicksalsschlägen getroffen werden? Harald Kushner schrieb dieses Buch aus Anlass der Krankheit und des Todes seines Sohnes. Er gibt hier Anregungen, wie Betroffene mit dem menschlichen Leid und der damit verbundenen Frage nach der Gerechtigkeit Gottes umgehen können. Für sich beantwortet Kushner die Frage der Theodizee, indem er Gott seine Allmacht abspricht und sagt, dass Gott nicht die Quelle des Leids ist und es auch nicht verhindern kann. Dieses Buch bietet von Leid betroffenen Menschen Trost und wirkliche Hilfe.
- Trost und Hilfe von einem, der ein Tal voller Tränen durchwandert hat
- Eine glaubwürdige Anregung, Gott auch im Leid als gütig und gerecht anzunehmen
Wie kann Gott es zulassen, dass Menschen, die an ihn glauben und ihr Leben an ihm ausrichten, von schweren Schicksalsschlägen getroffen werden? Harald Kushner schrieb dieses Buch aus Anlass der Krankheit und des Todes seines Sohnes. Er gibt hier Anregungen, wie Betroffene mit dem menschlichen Leid und der damit verbundenen Frage nach der Gerechtigkeit Gottes umgehen können. Für sich beantwortet Kushner die Frage der Theodizee, indem er Gott seine Allmacht abspricht und sagt, dass Gott nicht die Quelle des Leids ist und es auch nicht verhindern kann. Dieses Buch bietet von Leid betroffenen Menschen Trost und wirkliche Hilfe.
Klappentext zu „Wenn guten Menschen Böses widerfährt “
Kann ich glauben, auch wenn mir Schlimmes widerfahren ist?- Trost und Hilfe von einem, der ein Tal voller Tränen durchwandert hat
- Eine glaubwürdige Anregung, Gott auch im Leid als gütig und gerecht anzunehmen
Wie kann Gott es zulassen, dass Menschen, die an ihn glauben und ihr Leben an ihm ausrichten, von schweren Schicksalsschlägen getroffen werden? Harald Kushner schrieb dieses Buch aus Anlass der Krankheit und des Todes seines Sohnes. Er gibt hier Anregungen, wie Betroffene mit dem menschlichen Leid und der damit verbundenen Frage nach der Gerechtigkeit Gottes umgehen können. Für sich beantwortet Kushner die Frage der Theodizee, indem er Gott seine Allmacht abspricht und sagt, dass Gott nicht die Quelle des Leids ist und es auch nicht verhindern kann. Dieses Buch bietet von Leid betroffenen Menschen Trost und wirkliche Hilfe.
Lese-Probe zu „Wenn guten Menschen Böses widerfährt “
Dies ist kein abstraktes Buch über Gott oder Theologie. Es versucht nicht etwa, mit großen Worten, glatten Wendungen und nichtssagenden Phrasen klarzumachen, dass unsere Probleme in Wirklichkeit gar keine sind, sondern dass wir nur meinen, sie wären es. Dies ist ein sehr persönliches Buch, geschrieben von einem, der an Gott glaubt und an die Güte dieser Welt - von einem, der die meiste Zeit seines Lebens mit dem Versuch zugebracht hat, auch anderen Leuten im Glauben zu helfen, und der durch eine ganz persönliche Tragik gezwungen wurde, alles neu zu überdenken, was ihn je über Gott und sein Wirken gelehrt worden war.Unser Sohn Aaron hatte gerade seinen dritten Geburtstag begangen, als unsere Tochter Ariel geboren wurde. Aaron war ein heiteres, glückliches Kind; er konnte schon, bevor er zwei Jahre alt war, ein Dutzend verschiedener Dinosaurier unterscheiden und erklärte den Erwachsenen geduldig, dass die Dinosaurier schon ausgestorben seien. Meine Frau und ich hatten uns Sorgen um seine Gesundheit gemacht, als er im Alter von nur acht Monaten aufhörte zu wachsen und seine Haare schon nach dem ersten Lebensjahr auszufallen begannen. Berühmte Ärzte hatten ihn sich angesehen, komplizierte Namen für seinen Zustand gefunden und uns versichert, er würde zwar nicht besonders groß, aber sonst in jeder Hinsicht normal werden.
Kurz vor der Geburt unserer Tochter zogen wir von New York in einen Vorort von Boston, wo ich Rabbiner der Ortsgemeinde wurde. Wir erfuhren, dass der dort ansässige Kinderarzt wissenschaftlich über kindliche Wachstumsprobleme arbeitete; wir konsultierten ihn wegen Aaron. Zwei Monate später - an dem Tag, als unsere Tochter geboren wurde - besuchte er meine Frau im Krankenhaus und erklärte uns, der Zustand unseres Sohnes würde "Progerie" (= schnelles Altern) genannt. Und er eröffnete uns, Aaron würde niemals größer als etwa einen Meter werden und keine Haare an Kopf und Körper haben. Er würde auch als Kind wie ein kleiner alter Mann aussehen und
... mehr
nicht viel älter als zehn, zwölf Jahre werden.
Wie ist jemandem zumute, wenn eine solche Nachricht über ihn hereinbricht? Ich war ein junger, unerfahrener Rabbiner, mit Kummer und Leid dieser Welt noch längst nicht so vertraut wie später. Was ich an jenem Tag am heftigsten verspürte, war ein tiefes, schmerzhaftes Gefühl der Ungerechtigkeit. Es war alles so sinnlos; ich war doch kein schlechter Mensch gewesen! Ich hatte zu tun versucht, was Gott wohlgefällig war. Mehr noch - ich führte ein Leben, das weit mehr an den Leitlinien unserer Religion ausgerichtet war als das von anderen Leuten - Leuten mit großen, glücklichen Familien. Ich glaubte, Gottes Wegen zu folgen und Sein Werk zu tun. Wie konnte gerade meiner Familie dies widerfahren? Wenn es Gott wirklich gab und Er nur im geringsten Gerechtigkeit übte - von Liebe und Vergebung ganz zu schweigen -, wie konnte Er mir das antun?
Und selbst wenn ich mich zu der Überzeugung hätte durchringen können, dass ich Strafe verdiente für irgendeine Sünde oder Nachlässigkeit, deren ich mir nicht bewusst war - aus welchem Grunde sollte Aaron so leiden müssen? Er war ein unschuldiges Kind, unbeschwert und gerade drei Jahre alt. Warum war es ihm bestimmt, physisch und psychisch solche Qualen zu erdulden, jeden Tag, den Gott werden ließ? Warum würde er es erleiden müssen, dass man, wo immer er sich befand, ihn anstarrte und mit dem Finger auf ihn wies? Warum müsste er später dazu verurteilt sein, niemals wie Jungen und Mädchen in seinem Alter Verabredungen treffen und eine Familie gründen zu können? Es schien mir einfach sinnlos.
Wie wohl die meisten Menschen waren meine Frau und ich aufgewachsen mit der Vorstellung Gottes als eines allweisen, allmächtigen Vaters, der uns so behandelte wie unsere irdischen Eltern oder sogar noch besser. Wenn wir folgsam waren, würde Er uns belohnen. Tanzten wir aus der Reihe, würde Er uns zur Ordnung rufen, nicht übermäßig streng, aber energisch. Er würde uns davor bewahren, dass uns jemand ein Leid antäte oder dass wir uns selbst ein Leid zufügten. Und Er würde darauf schauen, dass uns das zukäme, was wir im Leben verdient hätten.
Wie die meisten Menschen war auch ich mir bewusst, wie viele Tragödien das Leben verdüsterten. Wie oft hörte man davon, dass junge Leute Unfälle erlitten und als Krüppel dahinsiechten, dass Nachbarn behinderte oder geistig kranke Kinder hatten, über die man nur in gedämpftem Ton sprach. Doch das Bewusstsein all dessen hatte mich nie dazu verleitet, an Gottes Gerechtigkeit zu zweifeln oder gar Seine Gerechtigkeit infrage zu stellen. Ich nahm an, dass Er mehr von dieser Welt verstand als ich.
Dann aber kam der Tag im Krankenhaus, als der Arzt uns über Aaron aufklärte und uns auseinandersetzte, was die Krankheit "Progerie" bedeutet. Es schien allem Hohn zu sprechen, was man mich gelehrt hatte. Ich konnte nur wieder und wieder denken: "Das kann nicht sein! So darf es auf der Welt nicht zugehen!" Tragödien wie diese konnten vielleicht selbstsüchtigen, unredlichen Leuten zustoßen, die ich dann als Rabbiner zu trösten versuchte, indem ich sie Gottes verzeihender Liebe versicherte. Wie konnte das aber mir und meinem Sohn widerfahren, wenn das Bild der Wahrheit entsprach, das ich mir von dieser Welt gemacht hatte?
Ich las kürzlich über eine israelische Mutter, die jedes Jahr am Geburtstag ihres Sohnes seine Geburtstagsfeier verließ, sich in ihr Schlafzimmer zurückzog und bitterlich weinte, weil ihr Sohn dem Militärdienst wieder ein Jahr nähergerückt war. Weil er ein Jahr näher daran war, sein Leben in Gefahr zu bringen, vielleicht sogar ein Jahr näher daran, sie zu einer der Tausenden von Müttern Israels zu machen, die am Grab eines im Kampf gefallenen Sohnes stehen mussten. Auch meine Frau und ich würden Jahr um Jahr jeden Geburtstag von Aaron feiern. Wir würden uns über die Fortschritte seiner geistigen Entwicklung und seiner Fähigkeiten freuen. Aber gleichzeitig hielte uns das eiskalte Vorauswissen umklammert, dass uns jedes Jahr dem Tag näherbrachte, an dem er uns genommen werden würde.
Damals wurde mir klar, dass ich eines Tages dieses Buch schreiben müsste. Ich wollte es meinetwegen schreiben, um etwas von dem in Worte zu fassen, an das zu glauben oder das zu wissen ich mich durchgerungen hatte. Und ich wollte es schreiben, um anderen Menschen zu helfen, die vielleicht eines Tages mit einer ähnlichen Situation fertig werden mussten. Ich wollte es schreiben für alle, die weiter fest im Glauben bleiben wollten, aber deren Zorn gegen Gott es ihnen schwer machte, an diesem Glauben festzuhalten und Trost in der Religion zu finden. Und ich wollte es schreiben für alle, die sich aus Liebe und Verehrung für Gott Vorwürfe machten und sich einredeten, sie hätten ihr Leid verdient.
Als Aaron lebte und starb, konnten uns weder Menschen noch Bücher helfen. Freunde versuchten es zwar, aber was konnten sie schon tun? Und die von mir befragten Bücher befassten sich mehr mit der Verteidigung der Allmacht Gottes und mit logischen Beweisen, dass das vermeintlich Schlechte in Wirklichkeit gut sei. Das Böse sei notwendig, las ich, um dem Guten zum Sieg zu verhelfen. Keiner der Autoren bemühte sich, die Verstörtheit und die Qualen der Eltern eines sterbenden Kindes zu lindern. Sie gaben Antwort auf von ihnen selbst gestellte Fragen, aber sie hatten keine Antwort für mich.
Ich hoffe, mein Buch wird anders sein. Ich beabsichtige keineswegs, ein Buch zu schreiben, das Gott verteidigt oder erklären soll. Ein weiterer Versuch dieser Art ist unnötig. Selbst wenn es notwendig wäre - ich bin kein geschulter Philosoph. Ich bin ein zutiefst religiöser Mensch, vom Leben hart getroffen, und mein Wunsch war es, ein Buch zu schreiben, das man dem Menschen in die Hand geben kann, der ein ähnliches schweres Schicksal erleidet - durch Tod, durch Krankheit oder Ungerechtigkeit, durch Zurücksetzung oder Enttäuschung - und der tief im Herzen spürt, dass er es besser verdient hätte, gäbe es Gerechtigkeit auf dieser Welt. Was kann Gott so einem Menschen bedeuten? Wohin kann er sich wenden, um Kraft und Glauben wiederzufinden? Wenn Du so einer bist, der an Gottes Güte und Gerechtigkeit glauben möchte, es aber schwer findet wegen all der Dinge, die Dir und Menschen, die er liebt, zugestoßen sind, und Dir dieses Buch hilft, dann werden Aarons Leiden und Tränen ein wenig Segen gebracht haben.
Wenn mein Buch sich je in trockenen theologischen Ausführungen verlieren und sein eigentliches Thema, das menschliche Leid, nicht genügend berücksichtigen sollte, so hoffe ich, durch die Erinnerung an meine eigentliche Absicht wieder auf den richtigen Weg zu kommen.
Aaron starb zwei Tage nach seinem 14. Geburtstag. Dies ist sein Buch. Denn der Versuch, dem Leid und Elend dieser Welt einen Sinn beizumessen, bedeutet Erfolg oder Misserfolg dieses Buches, je nachdem, ob es eine annehmbare Antwort darauf geben kann, warum Aaron und wir das alles erleiden mussten. Und es ist sein Buch noch aus einem anderen Grund: weil es durch sein Leben möglich und durch seinen Tod notwendig wurde.
Warum müssen die Gerechten leiden?
Es gibt nur eine Frage, die wirkliches Gewicht hat: Warum widerfährt guten Menschen Böses? Jede andere Unterhaltung über theologische Fragen mag intellektuell anregend sein - irgendwie so, als rate man das Kreuzworträtsel in der Sonntagszeitung und fühle sich äußerst befriedigt, wenn die Wörter passen -, aber letztlich sind die Menschen an dieser Art von Diskussion nicht wirklich interessiert. Eigentlich jedes bedeutungsvolle Gespräch, das ich jemals über das Thema Gott und Religion führte, fing entweder mit dieser Frage an oder drehte sich bald um sie. Nicht nur der verstörte Mann oder die verzweifelte Frau, die mit einer niederschmetternden Diagnose aus der Arztpraxis zu mir kommen; nicht nur der Student, der mir erzählt, er habe für sich entschieden, dass es keinen Gott gebe; oder der mir völlig Fremde, der auf einer Party gerade in dem Augenblick auf mich zukommt, wenn ich die Gastgeberin um meinen Mantel bitten will, und zu mir sagt: "Ich höre gerade, dass Sie ein Rabbi sind; wie können Sie daran glauben, dass ..." - sie alle haben eines gemein: Sie regen sich über die ungerechte Verteilung des Leidens auf dieser Welt auf.
Die Unglücksfälle, die gute Menschen treffen, stellen nicht nur ein Problem für die Leidenden und ihre Familien dar. Sie sind auch ein Problem für jeden, der an eine gerechte, faire und lebenswerte Welt glauben möchte. So ist es unvermeidlich, dass sie die Frage nach der Güte, dem Wohlwollen, ja der Existenz Gottes aufwerfen.
Ich bin Rabbiner einer Gemeinde mit sechshundert Familien oder ungefähr 2500 Seelen. Ich besuche sie im Krankenhaus, ich amtiere auf ihren Beerdigungen, ich versuche ihnen beizustehen, wenn sie bei ihren Scheidungen die Trennung schmerzt, wenn ihre Geschäfte fehlschlagen, wenn sie ihrer Kinder wegen unglücklich sind. Ich setze mich zu ihnen und höre ihnen zu, wenn sie mir ihr Herz ausschütten und von dem unheilbar kranken Ehemann oder der unheilbar kranken Ehefrau erzählen, von senilen Eltern, für die ein langes Leben doch eher ein Fluch als ein Segen sei, von Menschen, die sie lieben und bei denen sie es kaum mitansehen können, wie sie sich vor Schmerz krümmen oder von Enttäuschungen niedergedrückt sind. Es fällt mir schwer, ihnen zu versichern, dass es im Leben gerecht zugeht, dass Gott den Menschen zuteilt, was sie verdienen und was ihnen dienlich ist. Wieder und wieder habe ich Familien, ja ganze Gemeinden im Gebet um die Rettung eines Kranken vereint gesehen und miterlebt, wie ihre Hoffnungen und Gebete enttäuscht wurden. Ich wurde Zeuge, wie die falschen Leute erkrankten, den falschen Leuten Schmerzen zugefügt wurden und die falschen Leute jung starben.
Wie jeder Leser dieses Buches nehme ich die Tageszeitung in die Hand, und weitere Herausforderungen für den Glauben an das Gute in der Welt beleidigen meine Augen: sinnlose Morde, üble Streiche, junge Leute getötet bei Autounfällen auf dem Weg zu ihrer Hochzeit oder auf dem Heimweg von einem Fest. Wenn ich diese Geschichten zu all den mir bekannten persönlichen Tragödien hinzuzähle, dann frage ich mich: Kann ich noch länger in gutem Glauben fortfahren, den Menschen zu lehren, dass die Welt gut ist und dass ein gütiger, liebender Gott dafür verantwortlich ist, was auf ihr passiert?
Die Leute müssen gar keine außergewöhnlich frommen menschlichen Wesen sein, um uns mit diesem Problem zu konfrontieren. Wir brauchen uns nicht oft darüber aufzuregen, "warum leiden völlig uneigennützige Leute, Menschen, die niemals etwas Unrechtes getan haben?", weil wir nur sehr wenige kennen lernen. Aber wir fragen uns oft, warum ganz gewöhnliche Leute, nette, liebenswürdige Nachbarn, weder außergewöhnlich gut noch außergewöhnlich schlecht, plötzlich mit der Marter von Schmerz und Trauer fertig werden müssen. Sie sind weder viel besser noch viel schlechter als die meisten Menschen, die wir kennen. Warum sollte ihr Leben um so vieles härter sein? Wenn wir fragen "Warum müssen die Gerechten leiden?" oder "Warum widerfährt guten Menschen Böses?", begrenzt das nicht etwa unser Interesse auf die Marterqualen der Heiligen und Weisen, es stellt vielmehr den Versuch dar, zu begreifen, wieso ganz gewöhnliche Leute wie wir selbst oder die Menschen um uns herum ungemein schwer an der Last von Kummer und Schmerz zu tragen haben.
Ich war ein junger Rabbiner, am Anfang meiner Berufslaufbahn, als ich zu einer Familie gerufen wurde, um ihr in einem unerwarteten Fall fast unvorstellbarer Tragik beizustehen. Die Eltern mittleren Alters hatten eine Tochter, ein heiteres 19-jähriges Mädchen, Studentin im 1. Semester an einem auswärtigen College. Eines Morgens beim Frühstück erhielten sie einen Telefonanruf aus dem Universitäts-Krankenhaus. "Schlechte Nachrichten für Sie. Ihre Tochter brach heute Morgen auf dem Weg zum Hörsaal zusammen. Es scheint, dass ein Blutgefäß im Hirn geplatzt ist. Sie starb, bevor wir irgendetwas tun konnten. Es tut uns entsetzlich leid." Völlig verzweifelt baten die Eltern einen Nachbarn, ihnen bei dem Entschluss zu helfen, was als Nächstes zu unternehmen sei. Der Nachbar benachrichtigte die Synagoge, und ich besuchte sie noch am selben Tag. Ich betrat ihr Haus im Bewusstsein meiner Unzulänglichkeit und mir fiel nichts, aber auch gar nichts ein, was geeignet gewesen wäre, ihren Schmerz zu lindern. Ich erwartete Wut, Entsetzen, Trauer, nicht aber, dass ihre ersten Worte sein würden: "Sie müssen wissen, Rabbi, dass wir beim letzten >Jom Kippur< die Fastengebote nicht eingehalten haben!"
Warum sagten sie mir das? Warum nahmen sie an, dass irgendjemand für diese Tragödie verantwortlich war? Wer lehrte sie, an einen Gott zu glauben, der eine attraktive, begabte junge Frau ohne Vorwarnung niederstreckte - als Strafe dafür, dass irgendjemand anderer die Gebote der Kirche übertreten hatte?
Menschen jeder Generation haben den Versuch unternommen, dem Leid auf dieser Welt einen Sinn zu geben, indem sie annahmen, dass wir das, was uns zustößt, auch verdient haben, dass unser Unglück irgendwie eine Bestrafung für unsere Sünden ist:
"Prediget von den Gerechten, dass sie es gut haben; denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen. Wehe aber den Gottlosen, denn sie sind boshaftig, und es wird ihnen vergolten werden, wie sie es verdienen." (Jesaja 3, 10-11) "Aber Ger (Judas erstgeborener Sohn) war böse vor dem Herrn; darum tötete ihn der Herr." (1. Mose 38, 7) "Es wird den Gerechten kein Leid geschehen; aber die Gottlosen werden voll Unglück sein." (Sprüche 12, 21) "Bedenke doch, wo ist ein Unschuldiger je umgekommen? Oder wo sind die Gerechten je vertilgt?" (Hiob 4, 7) Dies ist eine Einstellung, mit der wir uns später in diesem Buch beschäftigen werden, wenn wir die ganze Frage der Schuld diskutieren. Es ist ehrlich verlockend, daran zu glauben, dass Leuten Böses widerfährt (vornehmlich anderen), weil Gott ein gerechter Richter ist, der ihnen genau das zumisst, was sie verdienen. Indem wir daran glauben, können wir das Bild Gottes als eines Allmächtigen, All-Liebenden, Alles-Regierenden aufrechterhalten.
Wenn man die wahre menschliche Natur kennt und bedenkt, dass keiner von uns vollkommen ist, dass jeder von uns sich ohne allzu große Schwierigkeiten vorstellen kann, Dinge zu tun, die er nicht tun dürfte, lassen sich immer Gründe finden, das zu rechtfertigen, was uns widerfahren ist. Aber ist eine solche Antwort wirklich ein Trost und der Religion angemessen?
Die Eltern, die ihr einziges Kind völlig unerwartet im Alter von 19 Jahren verloren hatten, waren keine tiefreligiösen Leute. Sie waren in der Synagoge nicht aktiv, sie hatten im Jom Kippur nicht gefastet, eine Tradition, die selbst sonst nicht sehr orthodoxe Juden einhalten. Aber als diese Tragödie über sie hereinbrach, kehrten sie zu ihrem alten Glauben zurück, dass Gott die Menschen für ihre Sünden straft. Sie glaubten, ihrer Tochter Tod sei ihre Schuld; wären sie weniger egoistisch, weniger nachlässig gewesen, wäre ihre Tochter vielleicht noch am Leben.
Sie fühlten wohl Zorn gegen Gott, weil Er von ihnen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" gefordert hatte, aber sie verheimlichten ihren Zorn aus Furcht, Gott könnte sie noch einmal strafen. Das Leben hatte sie hart getroffen, die Religion bot keinen Trost für sie, sie machte ihnen sogar alles noch schwerer.
Der Glaube, Gott ließe den Menschen zukommen, was sie verdienen, unsere Missetaten seien Ursache unseres Unglücks, scheint eine verlockende Antwort auf die Frage nach dem Leid, das den Guten widerfährt. Aber dieser Glaube bringt die Menschen auch dazu, mit sich selbst zu hadern. Er führt zum Hass gegen Gott wie zum Hass gegen sich selbst. Und was das Schlimmste ist: Er stimmt nicht einmal.
Früher, vor dem Zeitalter der Massenkommunikation, in dem wir leben, war es leichter, im Glauben fest zu sein, wie es viele intelligente Menschen früherer Jahrhunderte waren. Man wusste viel weniger von dem Bösen, das guten Menschen widerfuhr. Wie kann aber jemand, der die Namen Auschwitz und My-Lai kennt, der durch die Flure von Krankenhäusern und Pflegeheimen geht, es wagen, auf die Frage nach dem Leid der Welt mit den Worten Jesajas zu antworten: "Sag dem Gerechten, dass sich ihm alles zum Besten wenden wird"?
Wer heutzutage daran glaubte, müsste entweder die Tatsachen ableugnen, mit denen er von allen Seiten konfrontiert wird, oder genau erklären, was er unter "den Gerechten" versteht, damit die unausweichlichen Fakten dazu passen. Wir müssten klar aussprechen, dass ein gerechter Mensch jemand wäre, der lange und gut lebte, egal, ob er ehrlich und barmherzig war, und dass ein verruchter Mensch jemand wäre, der leiden musste, auch wenn er ein lobenswertes Leben geführt hat.
Eine wahre Geschichte: Ein elfjähriger Junge aus meiner Bekanntschaft wurde in der Schule routinemäßig einer Augenuntersuchung unterzogen. Man stellte fest, er sei kurzsichtig genug, um ihm eine Brille zu verpassen. Niemand fand das besonders überraschend. Seine Eltern trugen beide Brillen, seine ältere Schwester auch. Aus irgendeinem Grunde aber regte sich der Junge selbst sehr darüber auf, ohne erklären zu können, warum. Als ihn seine Mutter eines Abends zu Bett brachte, kam die Wahrheit heraus. Eine Woche vor der Augenuntersuchung hatten der Junge und zwei ältere Freunde einen Stoß Altpapier durchsucht, den ein Nachbar zum Abholen auf die Straße gelegt hatte, und dabei hatten sie ein Heft des Magazins "Playboy" gefunden. In dem Bewusstsein, etwas Anstößiges zu tun, betrachteten sie einige Minuten die Fotos unbekleideter Frauen. Als der Junge ein paar Tage später den Augentest nicht bestand und eine Brille verschrieben bekam, verstieg er sich zu dem Schluss, Gott hätte mit dem Strafgericht gegen ihn begonnen und würde ihn mit Blindheit schlagen, weil er die unanständigen Fotos angesehen hatte.
Manchmal versuchen wir, die Prüfungen des Lebens sinnvoll zu finden, zumindest für eine bestimmte Zeit. Es kommt aber der Moment, wo das Leben doch ungerecht zu sein scheint, wenn wir sehen, wie unschuldige Menschen leiden müssen. Aber wenn wir nur lang genug warten - so glauben wir -, werden wir die Gerechtigkeit im Plan Gottes erkennen.
Wie ist jemandem zumute, wenn eine solche Nachricht über ihn hereinbricht? Ich war ein junger, unerfahrener Rabbiner, mit Kummer und Leid dieser Welt noch längst nicht so vertraut wie später. Was ich an jenem Tag am heftigsten verspürte, war ein tiefes, schmerzhaftes Gefühl der Ungerechtigkeit. Es war alles so sinnlos; ich war doch kein schlechter Mensch gewesen! Ich hatte zu tun versucht, was Gott wohlgefällig war. Mehr noch - ich führte ein Leben, das weit mehr an den Leitlinien unserer Religion ausgerichtet war als das von anderen Leuten - Leuten mit großen, glücklichen Familien. Ich glaubte, Gottes Wegen zu folgen und Sein Werk zu tun. Wie konnte gerade meiner Familie dies widerfahren? Wenn es Gott wirklich gab und Er nur im geringsten Gerechtigkeit übte - von Liebe und Vergebung ganz zu schweigen -, wie konnte Er mir das antun?
Und selbst wenn ich mich zu der Überzeugung hätte durchringen können, dass ich Strafe verdiente für irgendeine Sünde oder Nachlässigkeit, deren ich mir nicht bewusst war - aus welchem Grunde sollte Aaron so leiden müssen? Er war ein unschuldiges Kind, unbeschwert und gerade drei Jahre alt. Warum war es ihm bestimmt, physisch und psychisch solche Qualen zu erdulden, jeden Tag, den Gott werden ließ? Warum würde er es erleiden müssen, dass man, wo immer er sich befand, ihn anstarrte und mit dem Finger auf ihn wies? Warum müsste er später dazu verurteilt sein, niemals wie Jungen und Mädchen in seinem Alter Verabredungen treffen und eine Familie gründen zu können? Es schien mir einfach sinnlos.
Wie wohl die meisten Menschen waren meine Frau und ich aufgewachsen mit der Vorstellung Gottes als eines allweisen, allmächtigen Vaters, der uns so behandelte wie unsere irdischen Eltern oder sogar noch besser. Wenn wir folgsam waren, würde Er uns belohnen. Tanzten wir aus der Reihe, würde Er uns zur Ordnung rufen, nicht übermäßig streng, aber energisch. Er würde uns davor bewahren, dass uns jemand ein Leid antäte oder dass wir uns selbst ein Leid zufügten. Und Er würde darauf schauen, dass uns das zukäme, was wir im Leben verdient hätten.
Wie die meisten Menschen war auch ich mir bewusst, wie viele Tragödien das Leben verdüsterten. Wie oft hörte man davon, dass junge Leute Unfälle erlitten und als Krüppel dahinsiechten, dass Nachbarn behinderte oder geistig kranke Kinder hatten, über die man nur in gedämpftem Ton sprach. Doch das Bewusstsein all dessen hatte mich nie dazu verleitet, an Gottes Gerechtigkeit zu zweifeln oder gar Seine Gerechtigkeit infrage zu stellen. Ich nahm an, dass Er mehr von dieser Welt verstand als ich.
Dann aber kam der Tag im Krankenhaus, als der Arzt uns über Aaron aufklärte und uns auseinandersetzte, was die Krankheit "Progerie" bedeutet. Es schien allem Hohn zu sprechen, was man mich gelehrt hatte. Ich konnte nur wieder und wieder denken: "Das kann nicht sein! So darf es auf der Welt nicht zugehen!" Tragödien wie diese konnten vielleicht selbstsüchtigen, unredlichen Leuten zustoßen, die ich dann als Rabbiner zu trösten versuchte, indem ich sie Gottes verzeihender Liebe versicherte. Wie konnte das aber mir und meinem Sohn widerfahren, wenn das Bild der Wahrheit entsprach, das ich mir von dieser Welt gemacht hatte?
Ich las kürzlich über eine israelische Mutter, die jedes Jahr am Geburtstag ihres Sohnes seine Geburtstagsfeier verließ, sich in ihr Schlafzimmer zurückzog und bitterlich weinte, weil ihr Sohn dem Militärdienst wieder ein Jahr nähergerückt war. Weil er ein Jahr näher daran war, sein Leben in Gefahr zu bringen, vielleicht sogar ein Jahr näher daran, sie zu einer der Tausenden von Müttern Israels zu machen, die am Grab eines im Kampf gefallenen Sohnes stehen mussten. Auch meine Frau und ich würden Jahr um Jahr jeden Geburtstag von Aaron feiern. Wir würden uns über die Fortschritte seiner geistigen Entwicklung und seiner Fähigkeiten freuen. Aber gleichzeitig hielte uns das eiskalte Vorauswissen umklammert, dass uns jedes Jahr dem Tag näherbrachte, an dem er uns genommen werden würde.
Damals wurde mir klar, dass ich eines Tages dieses Buch schreiben müsste. Ich wollte es meinetwegen schreiben, um etwas von dem in Worte zu fassen, an das zu glauben oder das zu wissen ich mich durchgerungen hatte. Und ich wollte es schreiben, um anderen Menschen zu helfen, die vielleicht eines Tages mit einer ähnlichen Situation fertig werden mussten. Ich wollte es schreiben für alle, die weiter fest im Glauben bleiben wollten, aber deren Zorn gegen Gott es ihnen schwer machte, an diesem Glauben festzuhalten und Trost in der Religion zu finden. Und ich wollte es schreiben für alle, die sich aus Liebe und Verehrung für Gott Vorwürfe machten und sich einredeten, sie hätten ihr Leid verdient.
Als Aaron lebte und starb, konnten uns weder Menschen noch Bücher helfen. Freunde versuchten es zwar, aber was konnten sie schon tun? Und die von mir befragten Bücher befassten sich mehr mit der Verteidigung der Allmacht Gottes und mit logischen Beweisen, dass das vermeintlich Schlechte in Wirklichkeit gut sei. Das Böse sei notwendig, las ich, um dem Guten zum Sieg zu verhelfen. Keiner der Autoren bemühte sich, die Verstörtheit und die Qualen der Eltern eines sterbenden Kindes zu lindern. Sie gaben Antwort auf von ihnen selbst gestellte Fragen, aber sie hatten keine Antwort für mich.
Ich hoffe, mein Buch wird anders sein. Ich beabsichtige keineswegs, ein Buch zu schreiben, das Gott verteidigt oder erklären soll. Ein weiterer Versuch dieser Art ist unnötig. Selbst wenn es notwendig wäre - ich bin kein geschulter Philosoph. Ich bin ein zutiefst religiöser Mensch, vom Leben hart getroffen, und mein Wunsch war es, ein Buch zu schreiben, das man dem Menschen in die Hand geben kann, der ein ähnliches schweres Schicksal erleidet - durch Tod, durch Krankheit oder Ungerechtigkeit, durch Zurücksetzung oder Enttäuschung - und der tief im Herzen spürt, dass er es besser verdient hätte, gäbe es Gerechtigkeit auf dieser Welt. Was kann Gott so einem Menschen bedeuten? Wohin kann er sich wenden, um Kraft und Glauben wiederzufinden? Wenn Du so einer bist, der an Gottes Güte und Gerechtigkeit glauben möchte, es aber schwer findet wegen all der Dinge, die Dir und Menschen, die er liebt, zugestoßen sind, und Dir dieses Buch hilft, dann werden Aarons Leiden und Tränen ein wenig Segen gebracht haben.
Wenn mein Buch sich je in trockenen theologischen Ausführungen verlieren und sein eigentliches Thema, das menschliche Leid, nicht genügend berücksichtigen sollte, so hoffe ich, durch die Erinnerung an meine eigentliche Absicht wieder auf den richtigen Weg zu kommen.
Aaron starb zwei Tage nach seinem 14. Geburtstag. Dies ist sein Buch. Denn der Versuch, dem Leid und Elend dieser Welt einen Sinn beizumessen, bedeutet Erfolg oder Misserfolg dieses Buches, je nachdem, ob es eine annehmbare Antwort darauf geben kann, warum Aaron und wir das alles erleiden mussten. Und es ist sein Buch noch aus einem anderen Grund: weil es durch sein Leben möglich und durch seinen Tod notwendig wurde.
Warum müssen die Gerechten leiden?
Es gibt nur eine Frage, die wirkliches Gewicht hat: Warum widerfährt guten Menschen Böses? Jede andere Unterhaltung über theologische Fragen mag intellektuell anregend sein - irgendwie so, als rate man das Kreuzworträtsel in der Sonntagszeitung und fühle sich äußerst befriedigt, wenn die Wörter passen -, aber letztlich sind die Menschen an dieser Art von Diskussion nicht wirklich interessiert. Eigentlich jedes bedeutungsvolle Gespräch, das ich jemals über das Thema Gott und Religion führte, fing entweder mit dieser Frage an oder drehte sich bald um sie. Nicht nur der verstörte Mann oder die verzweifelte Frau, die mit einer niederschmetternden Diagnose aus der Arztpraxis zu mir kommen; nicht nur der Student, der mir erzählt, er habe für sich entschieden, dass es keinen Gott gebe; oder der mir völlig Fremde, der auf einer Party gerade in dem Augenblick auf mich zukommt, wenn ich die Gastgeberin um meinen Mantel bitten will, und zu mir sagt: "Ich höre gerade, dass Sie ein Rabbi sind; wie können Sie daran glauben, dass ..." - sie alle haben eines gemein: Sie regen sich über die ungerechte Verteilung des Leidens auf dieser Welt auf.
Die Unglücksfälle, die gute Menschen treffen, stellen nicht nur ein Problem für die Leidenden und ihre Familien dar. Sie sind auch ein Problem für jeden, der an eine gerechte, faire und lebenswerte Welt glauben möchte. So ist es unvermeidlich, dass sie die Frage nach der Güte, dem Wohlwollen, ja der Existenz Gottes aufwerfen.
Ich bin Rabbiner einer Gemeinde mit sechshundert Familien oder ungefähr 2500 Seelen. Ich besuche sie im Krankenhaus, ich amtiere auf ihren Beerdigungen, ich versuche ihnen beizustehen, wenn sie bei ihren Scheidungen die Trennung schmerzt, wenn ihre Geschäfte fehlschlagen, wenn sie ihrer Kinder wegen unglücklich sind. Ich setze mich zu ihnen und höre ihnen zu, wenn sie mir ihr Herz ausschütten und von dem unheilbar kranken Ehemann oder der unheilbar kranken Ehefrau erzählen, von senilen Eltern, für die ein langes Leben doch eher ein Fluch als ein Segen sei, von Menschen, die sie lieben und bei denen sie es kaum mitansehen können, wie sie sich vor Schmerz krümmen oder von Enttäuschungen niedergedrückt sind. Es fällt mir schwer, ihnen zu versichern, dass es im Leben gerecht zugeht, dass Gott den Menschen zuteilt, was sie verdienen und was ihnen dienlich ist. Wieder und wieder habe ich Familien, ja ganze Gemeinden im Gebet um die Rettung eines Kranken vereint gesehen und miterlebt, wie ihre Hoffnungen und Gebete enttäuscht wurden. Ich wurde Zeuge, wie die falschen Leute erkrankten, den falschen Leuten Schmerzen zugefügt wurden und die falschen Leute jung starben.
Wie jeder Leser dieses Buches nehme ich die Tageszeitung in die Hand, und weitere Herausforderungen für den Glauben an das Gute in der Welt beleidigen meine Augen: sinnlose Morde, üble Streiche, junge Leute getötet bei Autounfällen auf dem Weg zu ihrer Hochzeit oder auf dem Heimweg von einem Fest. Wenn ich diese Geschichten zu all den mir bekannten persönlichen Tragödien hinzuzähle, dann frage ich mich: Kann ich noch länger in gutem Glauben fortfahren, den Menschen zu lehren, dass die Welt gut ist und dass ein gütiger, liebender Gott dafür verantwortlich ist, was auf ihr passiert?
Die Leute müssen gar keine außergewöhnlich frommen menschlichen Wesen sein, um uns mit diesem Problem zu konfrontieren. Wir brauchen uns nicht oft darüber aufzuregen, "warum leiden völlig uneigennützige Leute, Menschen, die niemals etwas Unrechtes getan haben?", weil wir nur sehr wenige kennen lernen. Aber wir fragen uns oft, warum ganz gewöhnliche Leute, nette, liebenswürdige Nachbarn, weder außergewöhnlich gut noch außergewöhnlich schlecht, plötzlich mit der Marter von Schmerz und Trauer fertig werden müssen. Sie sind weder viel besser noch viel schlechter als die meisten Menschen, die wir kennen. Warum sollte ihr Leben um so vieles härter sein? Wenn wir fragen "Warum müssen die Gerechten leiden?" oder "Warum widerfährt guten Menschen Böses?", begrenzt das nicht etwa unser Interesse auf die Marterqualen der Heiligen und Weisen, es stellt vielmehr den Versuch dar, zu begreifen, wieso ganz gewöhnliche Leute wie wir selbst oder die Menschen um uns herum ungemein schwer an der Last von Kummer und Schmerz zu tragen haben.
Ich war ein junger Rabbiner, am Anfang meiner Berufslaufbahn, als ich zu einer Familie gerufen wurde, um ihr in einem unerwarteten Fall fast unvorstellbarer Tragik beizustehen. Die Eltern mittleren Alters hatten eine Tochter, ein heiteres 19-jähriges Mädchen, Studentin im 1. Semester an einem auswärtigen College. Eines Morgens beim Frühstück erhielten sie einen Telefonanruf aus dem Universitäts-Krankenhaus. "Schlechte Nachrichten für Sie. Ihre Tochter brach heute Morgen auf dem Weg zum Hörsaal zusammen. Es scheint, dass ein Blutgefäß im Hirn geplatzt ist. Sie starb, bevor wir irgendetwas tun konnten. Es tut uns entsetzlich leid." Völlig verzweifelt baten die Eltern einen Nachbarn, ihnen bei dem Entschluss zu helfen, was als Nächstes zu unternehmen sei. Der Nachbar benachrichtigte die Synagoge, und ich besuchte sie noch am selben Tag. Ich betrat ihr Haus im Bewusstsein meiner Unzulänglichkeit und mir fiel nichts, aber auch gar nichts ein, was geeignet gewesen wäre, ihren Schmerz zu lindern. Ich erwartete Wut, Entsetzen, Trauer, nicht aber, dass ihre ersten Worte sein würden: "Sie müssen wissen, Rabbi, dass wir beim letzten >Jom Kippur< die Fastengebote nicht eingehalten haben!"
Warum sagten sie mir das? Warum nahmen sie an, dass irgendjemand für diese Tragödie verantwortlich war? Wer lehrte sie, an einen Gott zu glauben, der eine attraktive, begabte junge Frau ohne Vorwarnung niederstreckte - als Strafe dafür, dass irgendjemand anderer die Gebote der Kirche übertreten hatte?
Menschen jeder Generation haben den Versuch unternommen, dem Leid auf dieser Welt einen Sinn zu geben, indem sie annahmen, dass wir das, was uns zustößt, auch verdient haben, dass unser Unglück irgendwie eine Bestrafung für unsere Sünden ist:
"Prediget von den Gerechten, dass sie es gut haben; denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen. Wehe aber den Gottlosen, denn sie sind boshaftig, und es wird ihnen vergolten werden, wie sie es verdienen." (Jesaja 3, 10-11) "Aber Ger (Judas erstgeborener Sohn) war böse vor dem Herrn; darum tötete ihn der Herr." (1. Mose 38, 7) "Es wird den Gerechten kein Leid geschehen; aber die Gottlosen werden voll Unglück sein." (Sprüche 12, 21) "Bedenke doch, wo ist ein Unschuldiger je umgekommen? Oder wo sind die Gerechten je vertilgt?" (Hiob 4, 7) Dies ist eine Einstellung, mit der wir uns später in diesem Buch beschäftigen werden, wenn wir die ganze Frage der Schuld diskutieren. Es ist ehrlich verlockend, daran zu glauben, dass Leuten Böses widerfährt (vornehmlich anderen), weil Gott ein gerechter Richter ist, der ihnen genau das zumisst, was sie verdienen. Indem wir daran glauben, können wir das Bild Gottes als eines Allmächtigen, All-Liebenden, Alles-Regierenden aufrechterhalten.
Wenn man die wahre menschliche Natur kennt und bedenkt, dass keiner von uns vollkommen ist, dass jeder von uns sich ohne allzu große Schwierigkeiten vorstellen kann, Dinge zu tun, die er nicht tun dürfte, lassen sich immer Gründe finden, das zu rechtfertigen, was uns widerfahren ist. Aber ist eine solche Antwort wirklich ein Trost und der Religion angemessen?
Die Eltern, die ihr einziges Kind völlig unerwartet im Alter von 19 Jahren verloren hatten, waren keine tiefreligiösen Leute. Sie waren in der Synagoge nicht aktiv, sie hatten im Jom Kippur nicht gefastet, eine Tradition, die selbst sonst nicht sehr orthodoxe Juden einhalten. Aber als diese Tragödie über sie hereinbrach, kehrten sie zu ihrem alten Glauben zurück, dass Gott die Menschen für ihre Sünden straft. Sie glaubten, ihrer Tochter Tod sei ihre Schuld; wären sie weniger egoistisch, weniger nachlässig gewesen, wäre ihre Tochter vielleicht noch am Leben.
Sie fühlten wohl Zorn gegen Gott, weil Er von ihnen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" gefordert hatte, aber sie verheimlichten ihren Zorn aus Furcht, Gott könnte sie noch einmal strafen. Das Leben hatte sie hart getroffen, die Religion bot keinen Trost für sie, sie machte ihnen sogar alles noch schwerer.
Der Glaube, Gott ließe den Menschen zukommen, was sie verdienen, unsere Missetaten seien Ursache unseres Unglücks, scheint eine verlockende Antwort auf die Frage nach dem Leid, das den Guten widerfährt. Aber dieser Glaube bringt die Menschen auch dazu, mit sich selbst zu hadern. Er führt zum Hass gegen Gott wie zum Hass gegen sich selbst. Und was das Schlimmste ist: Er stimmt nicht einmal.
Früher, vor dem Zeitalter der Massenkommunikation, in dem wir leben, war es leichter, im Glauben fest zu sein, wie es viele intelligente Menschen früherer Jahrhunderte waren. Man wusste viel weniger von dem Bösen, das guten Menschen widerfuhr. Wie kann aber jemand, der die Namen Auschwitz und My-Lai kennt, der durch die Flure von Krankenhäusern und Pflegeheimen geht, es wagen, auf die Frage nach dem Leid der Welt mit den Worten Jesajas zu antworten: "Sag dem Gerechten, dass sich ihm alles zum Besten wenden wird"?
Wer heutzutage daran glaubte, müsste entweder die Tatsachen ableugnen, mit denen er von allen Seiten konfrontiert wird, oder genau erklären, was er unter "den Gerechten" versteht, damit die unausweichlichen Fakten dazu passen. Wir müssten klar aussprechen, dass ein gerechter Mensch jemand wäre, der lange und gut lebte, egal, ob er ehrlich und barmherzig war, und dass ein verruchter Mensch jemand wäre, der leiden musste, auch wenn er ein lobenswertes Leben geführt hat.
Eine wahre Geschichte: Ein elfjähriger Junge aus meiner Bekanntschaft wurde in der Schule routinemäßig einer Augenuntersuchung unterzogen. Man stellte fest, er sei kurzsichtig genug, um ihm eine Brille zu verpassen. Niemand fand das besonders überraschend. Seine Eltern trugen beide Brillen, seine ältere Schwester auch. Aus irgendeinem Grunde aber regte sich der Junge selbst sehr darüber auf, ohne erklären zu können, warum. Als ihn seine Mutter eines Abends zu Bett brachte, kam die Wahrheit heraus. Eine Woche vor der Augenuntersuchung hatten der Junge und zwei ältere Freunde einen Stoß Altpapier durchsucht, den ein Nachbar zum Abholen auf die Straße gelegt hatte, und dabei hatten sie ein Heft des Magazins "Playboy" gefunden. In dem Bewusstsein, etwas Anstößiges zu tun, betrachteten sie einige Minuten die Fotos unbekleideter Frauen. Als der Junge ein paar Tage später den Augentest nicht bestand und eine Brille verschrieben bekam, verstieg er sich zu dem Schluss, Gott hätte mit dem Strafgericht gegen ihn begonnen und würde ihn mit Blindheit schlagen, weil er die unanständigen Fotos angesehen hatte.
Manchmal versuchen wir, die Prüfungen des Lebens sinnvoll zu finden, zumindest für eine bestimmte Zeit. Es kommt aber der Moment, wo das Leben doch ungerecht zu sein scheint, wenn wir sehen, wie unschuldige Menschen leiden müssen. Aber wenn wir nur lang genug warten - so glauben wir -, werden wir die Gerechtigkeit im Plan Gottes erkennen.
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Autoren-Porträt von Harold S. Kushner
Harold S. Kushner, geboren 1935, seit 1966 Rabbiner einer jüdischen Gemeinde in Natick, Massachusetts. Er studierte an der Columbia und der Hebrew University of Jerusalem und unterrichtete an der Clark University und an der Rabbinical School of the Jewish Technological Seminary. Im amerikanischsprachigen Raum zählt er zu den profiliertesten spirituellen Schriftstellern.
Bibliographische Angaben
- Autor: Harold S. Kushner
- 2010, 12. Aufl., 160 Seiten, Maße: 13,3 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Ulla Galm-Frieboes
- Verlag: Gütersloher Verlagshaus
- ISBN-10: 3579065564
- ISBN-13: 9783579065564
- Erscheinungsdatum: 24.11.2010
Kommentar zu "Wenn guten Menschen Böses widerfährt"
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