Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft
Die Kraft der Intuition
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Produktinformationen zu „Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft “
Klappentext zu „Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft “
Schlummert in jedem von uns ein kleines Genie, begraben unter unserer viel beschworenen Vernunft? Wie können wir unsere ungenutzten kreativen Kräfte entdecken und nutzen?Basierend auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zeigt Bas Kast, Wissenschaftsjournalist und Autor den Bestsellers "Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt", wie sehr die Gefühle integraler Bestandteil unseres Denkens sind. Wenn wir unsere irrationalen Seiten kennen und zu Rate ziehen, kommen wir selbst bei komplexesten Entscheidungen zu guten Ergebnissen.
Lese-Probe zu „Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft “
Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft von Bas KastUnser allzu rationales Selbstbild
Dieses Buch möchte Sie zu einer Reise einladen. Einer Reise ins Ich.
Aber es soll nicht nur eine Reise ins Ich werden, sondern auch eine kleine Reise um die Welt, in die wissenschaftlichen Labors, in denen Forscher derzeit das bemerkenswerteste Phänomen ergründen, das es auf dieser Erde gibt: Sie.
Um es vorweg zu nehmen, und ich bin sicher, Sie haben es selbst schon gelegentlich festgestellt: Sie sind wirklich verdammt kompliziert. Das beginnt mit den 100 000 000 000 (100 Milliarden) Nervenzellen, den Neuronen, aus denen sich Ihr Gehirn zusammensetzt, sowie den etwa 100 000 000 000 000 (100 Billionen) Verbindungen zwischen ihnen. Jedes Neuron Ihrer Großhirnrinde steht in Kontakt mit 10 000 bis 20 000 seiner Kollegen, die sich über Dutzende von Botenstoffen ständig gegenseitig Nachrichten schicken.
Die Zahl der möglichen Zustände, die Ihr Gehirn annehmen kann, ist schier unbegrenzt. Sie übersteigt bei weitem die Zahl aller Atome des sichtbaren Weltalls, die man auf 10000000000000000000000000000000000000000000000 000000000000000000000000000000000 schätzt.
Wenn Sie jetzt meinen, dass sich das nach einer ganzen Menge anhört, dann könnte das nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass es eine ganze Menge ist.
Mit anderen Worten: Der Kosmos in Ihrem Kopf bietet sehr viel Raum für sehr viele Möglichkeiten. Ihr Ich besteht nicht aus einer Einheit, sondern aus einer Vielheit. Es setzt sich aus zahlreichen Schichten, Kräften und Gegenkräften zusammen. Diese »Kräfte« nennen wir »Verstand«, »Vernunft«, »Gefühl«, »Intuition«, »Unbewusstes« usw. Sie sind natürlich alle diese »Kräfte«. Darüber hinaus stehen Ihrem Ich viele Wege offen, sich auszudrücken:
... mehr
sprachliche, musikalische, malerische ...
Seit der Antike haben wir in unserer abendländischen Kultur vor allem zwei Schichten oder Kräfte in uns schätzen gelernt und an die Spitze unseres Ichs gesetzt. Sie haben das Sagen in uns oder sollten es zumindest haben. Diese zwei Instanzen sind: der Verstand und dessen Lieblingsinstrument, die Sprache.
Zugleich hielten viele Philosophen von Platon bis Immanuel Kant jene Kräfte in uns, die nicht rational denken und sprechen können, die »irrationalen« Kräfte, für bestenfalls zweitrangig. Manche gingen noch einen Schritt weiter und meinten: Die Gefühle und das Irrationale seien schlicht »Denkfehler«, die es auszumerzen gelte. Stattdessen beschworen sie die Vernunft, den Verstand und die rationale Sprache.
Nebenbei gesagt, es ist wohl kein Zufall, dass es sich bei all diesen Denkern um Männer handelte. Es waren Männer, die die Ratio – sprich: sich selbst – vergöttlichten, während sie die Frauen auf »Gefühlsduselei« und das Musische reduzierten und damit abwerteten.
Diese einseitige Sicht dominiert unsere Gesellschaft bis heute. Sie zieht sich bis in unseren Alltag hinein, in dem es darauf ankommt, stets ein verbales und logisch einwandfreies Argument für alles parat zu haben. Wenn man das hat, ist man aus dem Schneider. Wenn man uns fragt, warum wir uns so und so ver- halten haben, verlangt man ein rationales Argument. Auch wenn hinter unserem Verhalten eine Intuition oder widersprüchliche Gefühle stehen, die sich kaum in Worte, sondern vielleicht besser in einem Bild oder einer Musikkomposition fassen lassen – man würde uns wohl für verrückt halten, würden wir die Frage mit einer Klaviersonate in cis-Moll beantworten. Am Ende müssen wir unser Gefühl auf das Format der rationalen Sprache bringen. Das Buch, das Sie gerade in Ihren Händen halten, ist dafür nur ein weiteres Beispiel.
Auf dieser Sicht haben wir unser ganzes Erziehungs- und Bildungssystem aufgebaut.
Das fängt damit an, dass wir von unseren Kindern verlangen, ihre Bedürfnisse in Sprache auszudrücken. Ob die Sprache dafür überhaupt ein geeignetes Instrument ist, werden wir noch sehen. Als Nächstes schicken wir unsere Kinder in Schulen, in denen so gut wie alles darauf ausgerichtet ist, die rationale Schicht weiter auszubauen. An der Universität lernen wir mehr und mehr, wissenschaftlich zu denken. Wir lernen, unsere Aussagen abzusichern. Dasjenige, was sich nicht absichern, was sich nicht klar in Worte oder Zahlen fassen lässt, muss ausgeklammert werden.
So verbringen wir Jahre, Jahrzehnte, ja nicht selten unser ganzes Leben damit, unser Gehirn auf rationale Leistungsfähigkeit zu trimmen.
Und das tun wir nicht von ungefähr. Wir tun es ganz bewusst, ganz gezielt. Wir tun es in der Überzeugung, dass die rationale Schicht die Entscheidende ist, die Effektivste und Wertvollste von allen. Deshalb fixieren wir uns so auf sie und investieren Jahrzehnte, um sie zur Perfektion zu bringen. Wir haben uns zum wissenschaftlichen Menschen gemacht, und zwar freiwillig. Niemand hat uns dazu gezwungen. Wir haben es getan aufgrund eines Menschenbilds, das von Philosophen und Wissenschaftlern seit jeher vorangetrieben, verteidigt und immer wieder in ein modernes Gewand gekleidet wurde: das Bild vom Menschen als animal rationale.
Wer denken will, muss fühlen
Noch bis in die 1980er Jahre hinein war das Bild, das sich die Forscher von Ihrem Ich machten, auf die Ratio reduziert. Damals, inmitten der »kognitiven Wende«, hielten die meisten Wissenschaftler unser Gehirn für einen Computer. Man sprach von Hard- und Software, ohne mit der Wimper zu zucken, und das, obwohl es diese Trennung im Gehirn gar nicht gibt. Um uns selbst zu verstehen, hieß es, müssten wir nur den Computer verstehen!
Die Computermetapher nährte das ohnehin rationale Bild, das wir von uns selbst geschaffen hatten. Das, was einen Computer auszeichnet, sind schließlich nicht seine tief empfundenen Gefühle, sein Gespür, seine Intuitionen oder seine sonstigen, nicht vorhandenen irrationalen Kräfte, sondern genau umgekehrt: seine hochpräzisen, logischen Operationen.
Dann änderte sich etwas.
Allmählich standen den Forschern immer mächtigere Instrumente für ihren Vorstoß ins Ich zur Verfügung. Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre machten es die Apparate möglich, erstmals einen direkten Blick auf unsere »Festplatte« zu werfen. Mit Hirnscannern wie der funktionellen Magnetresonanztomographie ließ sich das menschliche Gehirn bei der Arbeit zusehen, haargenau, millimetergenau.
Und dabei offenbarte sich ein ganz anderes Bild als das, was sich die Wissenschaftler so lange von uns gemacht hatten. Überrascht stellten Hirnforscher fest, dass praktisch jeder Ge- danke, jede Wahrnehmung und jede Erinnerung von Gefühlen begleitet wird. Auf der Ebene des Gehirns lässt sich das Denken, Wahrnehmen und Erinnern – das, was man als »Kognition« bezeichnet – oft gar nicht vom Fühlen trennen. Die Computermetapher brach in sich zusammen. Die kognitive Wende machte Platz für eine »emotionale Wende«. Nun hieß es: Wer denken will, muss fühlen.
Die Hirnforschung ist längst nicht der einzige Wissenschaftszweig, der unsere Gefühle und unsere irrationale Seite systematisch erkundet. Was sich in den »Labors des Ich« vollzieht, gleicht vielmehr einer Revolution auf breiter Front:
Neurologen beschreiben Fallgeschichten von Menschen, die aufgrund eines Hirnschadens entweder generell nicht mehr fühlen können oder denen einzelne Emotionen, wie Angst- oder Ekelgefühle, abhanden gekommen sind. Wenn man sich die Schicksale dieser Menschen ansieht, wird einem die Bedeutung der Gefühle für unser Leben und Überleben schlagartig klar.
Roboterforscher dachten lange: Wer eine intelligente Maschine herstellen will, braucht keinen Körper, keine Sinnesorgane und keine Gefühle, sondern nur »nackte« Informationen und Regeln. Sehr weit ist man mit diesem Ansatz nicht gekommen, zumindest kam dabei nichts heraus, was wir als wirklich intelligent bezeichnen würden. Mittlerweile verfolgen viele Roboterforscher eine andere Strategie und statten ihre Maschinen mit »Augen«, »Ohren« und anderen »Sinnesorganen« aus, in der Hoffnung, sie über diesen Weg zur Intelligenz zu »erziehen«. Einer der Gründerväter der Künstlichen Intelligenz, Marvin Minsky vom MIT, ist neuerdings sogar zur Auffassung gekommen, dass die derzeitigen Maschinen deshalb nicht sonderlich kreativ denken können, weil sie keine Gefühle haben.
Psychologen hielten uns über weite Strecken des 20. Jahrhunderts für eine Art Reiz-Reaktions-Maschine, die sich beliebig programmieren lässt – wie ein Pawlow’scher Hund. Der »Behaviorismus« dominierte die akademische Psychologie. Da es noch keine Hirnscanner gab, galt das Gehirn als black box, als wissenschaftliches Sperrgebiet. Die Psychologie sollte methodisch ebenso rigoros vorgehen wie die Physik und sich auf das objektiv beobachtbare Verhalten (behavior) beschränken. Das Ich wurde zur No-Go-Area deklariert. Die Situation grenzte ans Absurde: Die Psychologie sollte sich möglichst nicht mit der Psyche, die sich ja nicht objektiv beobachten ließ, beschäftigen! Wer es als Forscher dennoch wagte, »unwissenschaftliche« Begriffe wie das »Ich«, das »Bewusstsein« oder das »Unbewusste« in den Mund zu nehmen, riskierte seine Karriere. Ich habe Anfang der 1990er Jahre Psychologie studiert, und auch wir wurden damals noch mehrere Semester mit dem Behaviorismus traktiert. Inzwischen haben sich die meisten Psychologen vom Behaviorismus verabschiedet und sich unserer Psyche zugewandt. Sie erforschen zwar nach wie vor unser Verhalten, greifen aber für die Erklärungen unseres Verhaltens auf unsere Innenwelt zurück, und zwar nicht nur auf unsere Kognitionen, sondern zunehmend auch auf unsere Emotionen.
Dazu ein kleines Beispiel. Die Recherchen zu diesem Buch führten mich – bevor ich mir in Sydney den Verstand abschalten ließ – auch in ein psychologisches Labor an der University of Chicago, wo mich eine Forscherin namens Sian Beilock mit ihren neuesten Studien vertraut machte. Während unseres Rundgangs durchs Labor eilte die junge, lebhafte Frau plötzlich zu einer Tafel und kritzelte darauf mit weißer Kreide zwei Buchstabenpaare: DK und FV. Völlig unvermittelt fragte sie mich, welches Paar mir besser gefällt.
Was meinen Sie? Was gefällt Ihnen besser: DK? Oder FV? Ich hatte keine Ahnung, worauf das Ganze hinauslief, antwortete aber spontan: DK. Ich weiß nicht warum. Ich mag die Buchstaben einfach lieber.
Die Forscherin hat den Versuch natürlich schon an Dutzenden von Testpersonen ausprobiert. Wie sich herausstellte, war meine Antwort nicht sehr originell: Die meisten Leute sagen DK.13
Und Sie? Gefällt Ihnen DK auch besser? Dann lassen Sie mich doch mal raten: Könnte es sein, dass Sie ziemlich gut tippen?
© Fischer Verlag
Seit der Antike haben wir in unserer abendländischen Kultur vor allem zwei Schichten oder Kräfte in uns schätzen gelernt und an die Spitze unseres Ichs gesetzt. Sie haben das Sagen in uns oder sollten es zumindest haben. Diese zwei Instanzen sind: der Verstand und dessen Lieblingsinstrument, die Sprache.
Zugleich hielten viele Philosophen von Platon bis Immanuel Kant jene Kräfte in uns, die nicht rational denken und sprechen können, die »irrationalen« Kräfte, für bestenfalls zweitrangig. Manche gingen noch einen Schritt weiter und meinten: Die Gefühle und das Irrationale seien schlicht »Denkfehler«, die es auszumerzen gelte. Stattdessen beschworen sie die Vernunft, den Verstand und die rationale Sprache.
Nebenbei gesagt, es ist wohl kein Zufall, dass es sich bei all diesen Denkern um Männer handelte. Es waren Männer, die die Ratio – sprich: sich selbst – vergöttlichten, während sie die Frauen auf »Gefühlsduselei« und das Musische reduzierten und damit abwerteten.
Diese einseitige Sicht dominiert unsere Gesellschaft bis heute. Sie zieht sich bis in unseren Alltag hinein, in dem es darauf ankommt, stets ein verbales und logisch einwandfreies Argument für alles parat zu haben. Wenn man das hat, ist man aus dem Schneider. Wenn man uns fragt, warum wir uns so und so ver- halten haben, verlangt man ein rationales Argument. Auch wenn hinter unserem Verhalten eine Intuition oder widersprüchliche Gefühle stehen, die sich kaum in Worte, sondern vielleicht besser in einem Bild oder einer Musikkomposition fassen lassen – man würde uns wohl für verrückt halten, würden wir die Frage mit einer Klaviersonate in cis-Moll beantworten. Am Ende müssen wir unser Gefühl auf das Format der rationalen Sprache bringen. Das Buch, das Sie gerade in Ihren Händen halten, ist dafür nur ein weiteres Beispiel.
Auf dieser Sicht haben wir unser ganzes Erziehungs- und Bildungssystem aufgebaut.
Das fängt damit an, dass wir von unseren Kindern verlangen, ihre Bedürfnisse in Sprache auszudrücken. Ob die Sprache dafür überhaupt ein geeignetes Instrument ist, werden wir noch sehen. Als Nächstes schicken wir unsere Kinder in Schulen, in denen so gut wie alles darauf ausgerichtet ist, die rationale Schicht weiter auszubauen. An der Universität lernen wir mehr und mehr, wissenschaftlich zu denken. Wir lernen, unsere Aussagen abzusichern. Dasjenige, was sich nicht absichern, was sich nicht klar in Worte oder Zahlen fassen lässt, muss ausgeklammert werden.
So verbringen wir Jahre, Jahrzehnte, ja nicht selten unser ganzes Leben damit, unser Gehirn auf rationale Leistungsfähigkeit zu trimmen.
Und das tun wir nicht von ungefähr. Wir tun es ganz bewusst, ganz gezielt. Wir tun es in der Überzeugung, dass die rationale Schicht die Entscheidende ist, die Effektivste und Wertvollste von allen. Deshalb fixieren wir uns so auf sie und investieren Jahrzehnte, um sie zur Perfektion zu bringen. Wir haben uns zum wissenschaftlichen Menschen gemacht, und zwar freiwillig. Niemand hat uns dazu gezwungen. Wir haben es getan aufgrund eines Menschenbilds, das von Philosophen und Wissenschaftlern seit jeher vorangetrieben, verteidigt und immer wieder in ein modernes Gewand gekleidet wurde: das Bild vom Menschen als animal rationale.
Wer denken will, muss fühlen
Noch bis in die 1980er Jahre hinein war das Bild, das sich die Forscher von Ihrem Ich machten, auf die Ratio reduziert. Damals, inmitten der »kognitiven Wende«, hielten die meisten Wissenschaftler unser Gehirn für einen Computer. Man sprach von Hard- und Software, ohne mit der Wimper zu zucken, und das, obwohl es diese Trennung im Gehirn gar nicht gibt. Um uns selbst zu verstehen, hieß es, müssten wir nur den Computer verstehen!
Die Computermetapher nährte das ohnehin rationale Bild, das wir von uns selbst geschaffen hatten. Das, was einen Computer auszeichnet, sind schließlich nicht seine tief empfundenen Gefühle, sein Gespür, seine Intuitionen oder seine sonstigen, nicht vorhandenen irrationalen Kräfte, sondern genau umgekehrt: seine hochpräzisen, logischen Operationen.
Dann änderte sich etwas.
Allmählich standen den Forschern immer mächtigere Instrumente für ihren Vorstoß ins Ich zur Verfügung. Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre machten es die Apparate möglich, erstmals einen direkten Blick auf unsere »Festplatte« zu werfen. Mit Hirnscannern wie der funktionellen Magnetresonanztomographie ließ sich das menschliche Gehirn bei der Arbeit zusehen, haargenau, millimetergenau.
Und dabei offenbarte sich ein ganz anderes Bild als das, was sich die Wissenschaftler so lange von uns gemacht hatten. Überrascht stellten Hirnforscher fest, dass praktisch jeder Ge- danke, jede Wahrnehmung und jede Erinnerung von Gefühlen begleitet wird. Auf der Ebene des Gehirns lässt sich das Denken, Wahrnehmen und Erinnern – das, was man als »Kognition« bezeichnet – oft gar nicht vom Fühlen trennen. Die Computermetapher brach in sich zusammen. Die kognitive Wende machte Platz für eine »emotionale Wende«. Nun hieß es: Wer denken will, muss fühlen.
Die Hirnforschung ist längst nicht der einzige Wissenschaftszweig, der unsere Gefühle und unsere irrationale Seite systematisch erkundet. Was sich in den »Labors des Ich« vollzieht, gleicht vielmehr einer Revolution auf breiter Front:
Neurologen beschreiben Fallgeschichten von Menschen, die aufgrund eines Hirnschadens entweder generell nicht mehr fühlen können oder denen einzelne Emotionen, wie Angst- oder Ekelgefühle, abhanden gekommen sind. Wenn man sich die Schicksale dieser Menschen ansieht, wird einem die Bedeutung der Gefühle für unser Leben und Überleben schlagartig klar.
Roboterforscher dachten lange: Wer eine intelligente Maschine herstellen will, braucht keinen Körper, keine Sinnesorgane und keine Gefühle, sondern nur »nackte« Informationen und Regeln. Sehr weit ist man mit diesem Ansatz nicht gekommen, zumindest kam dabei nichts heraus, was wir als wirklich intelligent bezeichnen würden. Mittlerweile verfolgen viele Roboterforscher eine andere Strategie und statten ihre Maschinen mit »Augen«, »Ohren« und anderen »Sinnesorganen« aus, in der Hoffnung, sie über diesen Weg zur Intelligenz zu »erziehen«. Einer der Gründerväter der Künstlichen Intelligenz, Marvin Minsky vom MIT, ist neuerdings sogar zur Auffassung gekommen, dass die derzeitigen Maschinen deshalb nicht sonderlich kreativ denken können, weil sie keine Gefühle haben.
Psychologen hielten uns über weite Strecken des 20. Jahrhunderts für eine Art Reiz-Reaktions-Maschine, die sich beliebig programmieren lässt – wie ein Pawlow’scher Hund. Der »Behaviorismus« dominierte die akademische Psychologie. Da es noch keine Hirnscanner gab, galt das Gehirn als black box, als wissenschaftliches Sperrgebiet. Die Psychologie sollte methodisch ebenso rigoros vorgehen wie die Physik und sich auf das objektiv beobachtbare Verhalten (behavior) beschränken. Das Ich wurde zur No-Go-Area deklariert. Die Situation grenzte ans Absurde: Die Psychologie sollte sich möglichst nicht mit der Psyche, die sich ja nicht objektiv beobachten ließ, beschäftigen! Wer es als Forscher dennoch wagte, »unwissenschaftliche« Begriffe wie das »Ich«, das »Bewusstsein« oder das »Unbewusste« in den Mund zu nehmen, riskierte seine Karriere. Ich habe Anfang der 1990er Jahre Psychologie studiert, und auch wir wurden damals noch mehrere Semester mit dem Behaviorismus traktiert. Inzwischen haben sich die meisten Psychologen vom Behaviorismus verabschiedet und sich unserer Psyche zugewandt. Sie erforschen zwar nach wie vor unser Verhalten, greifen aber für die Erklärungen unseres Verhaltens auf unsere Innenwelt zurück, und zwar nicht nur auf unsere Kognitionen, sondern zunehmend auch auf unsere Emotionen.
Dazu ein kleines Beispiel. Die Recherchen zu diesem Buch führten mich – bevor ich mir in Sydney den Verstand abschalten ließ – auch in ein psychologisches Labor an der University of Chicago, wo mich eine Forscherin namens Sian Beilock mit ihren neuesten Studien vertraut machte. Während unseres Rundgangs durchs Labor eilte die junge, lebhafte Frau plötzlich zu einer Tafel und kritzelte darauf mit weißer Kreide zwei Buchstabenpaare: DK und FV. Völlig unvermittelt fragte sie mich, welches Paar mir besser gefällt.
Was meinen Sie? Was gefällt Ihnen besser: DK? Oder FV? Ich hatte keine Ahnung, worauf das Ganze hinauslief, antwortete aber spontan: DK. Ich weiß nicht warum. Ich mag die Buchstaben einfach lieber.
Die Forscherin hat den Versuch natürlich schon an Dutzenden von Testpersonen ausprobiert. Wie sich herausstellte, war meine Antwort nicht sehr originell: Die meisten Leute sagen DK.13
Und Sie? Gefällt Ihnen DK auch besser? Dann lassen Sie mich doch mal raten: Könnte es sein, dass Sie ziemlich gut tippen?
© Fischer Verlag
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Autoren-Porträt von Bas Kast
Bas Kast, geboren 1973, studierte Psychologie und Biologie in Konstanz, Bochum und Boston. Eigentlich wollte er Hirnforscher werden, fand es dann aber doch verlockender, sein Leben dem Schreiben zu widmen. Er schrieb für »Geo«, »Nature« und für den »Tagesspiegel«, wo er bis 2008 Redakteur im Wissenschaftsressort war. 2004 erschien im S. Fischer Verlag sein internationaler Bestseller 'Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt'. 2007 folgte 'Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft. Die Kraft der Intuition', 2012 'Ich weiß nicht, was ich wollen soll. Warum wir uns so schwer entscheiden können und wo das Glück zu finden ist' und 2015 'Und plötzlich macht es KLICK! Das Handwerk der Kreativität oder Wie die guten Ideen in den Kopf kommen'. In seinen Büchern versucht Kast psychologische Menschheitsthemen wie Liebe, Intuition und Kreativität mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse neu zu beleuchten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bas Kast
- 2011, Nachdruck, 224 Seiten, 25 Abbildungen, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596174511
- ISBN-13: 9783596174515
- Erscheinungsdatum: 14.01.2009
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