Wie wir alle zu Lehrern und Lehrer zu Helden werden
Alternative Schulformen boomen. Die Unzufriedenheit mit bestehenden Bildungssystemen steigt. Notdürftige Reformen, etwa aufgrund der PISA-Ergebnisse, verfehlen ihr eigentliches Ziel, denn allzu häufig basieren sie auf rein politischen und kommerziellen...
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Klappentext zu „Wie wir alle zu Lehrern und Lehrer zu Helden werden “
Alternative Schulformen boomen. Die Unzufriedenheit mit bestehenden Bildungssystemen steigt. Notdürftige Reformen, etwa aufgrund der PISA-Ergebnisse, verfehlen ihr eigentliches Ziel, denn allzu häufig basieren sie auf rein politischen und kommerziellen Interessen. Das vermeintliche Erfolgsrezept dieser Tage: Assessment. Der Standardisierungsdruck fordert jedoch seinen Tribut. Stress- und Depressionserkrankungen unter Schülern nehmen zu, während Kreativität und freies Denken auf der Strecke bleiben. Als intelligent gilt nur, wer innerhalb des Systems glänzen kann. Andere Begabungen und Interessen sind da unwichtig - das hat gefährliche Konsequenzen. Denn was bleibt, ist eine homogene Gesellschaft, deren Mitglieder ihr wahres Potenzial nicht ausschöpfen können: "Ein Bildungssystem das auf Standardisierung und Gleichheit basiert, unterdrückt Individualität, Vorstellungsvermögen und Kreativität und man muss sich nicht wundern, wenn es genau das bei den Schülern anrichtet." Robinson lenkt den Blick anhand konkreter Beispiele hin zu einem neuen, ganzheitlichen Bildungskonzept, in dem Lehren als Kunst und Schüler als individuell begabte Lerner verstanden werden.
Lese-Probe zu „Wie wir alle zu Lehrern und Lehrer zu Helden werden “
Ken Robinson - Wie wir alle zu Lehrern und Lehrer zu Helden werdenNACH HAUSE IN DIE SCHULE
Wie sieht die optimale Zusammenarbeit zwischen Schule und
Eltern aus? Viele der bisherigen Beispiele zeigten gemeinsame
Projekte von Eltern oder anderen Erwachsenen und Schulen. Einige
werden von den Schulen initiiert, andere wiederum von außen.
Alle Projekte helfen, die herkömmliche Beziehung zwischen
Schulen und Familien neu zu gestalten.
In meinem Buch Out of our Minds beschreibe ich die innovative
Arbeit und das besondere Ethos der Blue School, einer Grundund
Mittelschule in Manhattan. Gegründet von der berühmten
Blue Man Group zielt die Schule darauf ab, „Bildung für eine sich
wandelnde Welt neu zu erfinden“. Der Ansatz dieser Institution
basiert auf zwei Fragen: „Was zählt in der Bildung, die dem Leben,
das unsere Kinder führen werden, und der Welt, in der wir leben
möchten, gerecht wird?“ Die Antwort von Blue School lautet:
„Gemeinschaft von kreativen, fröhlichen und mitfühlenden, mutig
denkenden und innovativen Schülern [zu fördern], mit dem
Ziel, eine harmonische und nachhaltige Welt zu erschaffen.“ Das
Vorgehen der Schule ist eine „heuristische Herangehensweise an
Bildung, die Kreativität und herausragende Leistungen auf akademischem
Gebiet fördert, menschliche Beziehungen entstehen
lässt und dazu inspiriert, mit wachsender Leidenschaft zu lernen.“
Die Schule hilft Kindern, sich zu entwickeln, indem „sie für
Gelegenheiten sorgt, in denen tiefgehende menschliche Kontakte
möglich sind, die alle Lebensbereiche betreffen. Unser Bildungsansatz
unterstützt Kinder dabei, Respekt für den anderen zu entwickeln
ebenso wie die Zusammenarbeit, Führungskompetenz,
Mentorenschaft, das Zuhören, persönliche Integrität, Wertschätzung
von
... mehr
Unterschieden und Lösen von Konflikten zu fördern.
Wir helfen den Kindern, die sozialen Kompetenzen zu entwi284
ckeln, die sie brauchen, um im Laufe ihres Lebens unterschiedliche
Beziehungen aufbauen zu können.“
Schulleiterin ist Alison Gaines Pell: „Was passiert, wenn eine
Schule, statt auf den Intellekt von Kindern herabzusehen, zu ihm
aufsieht? Was, wenn das Curriculum einer Schule auf den Fragen
der Kinder und ihren Gedanken, wie die Welt funktioniert,
auf unserem menschlichen und natürlichen Bedürfnis, etwas zu
erschaffen und zu tun, aufbaut? Was geschieht, wenn wir pädagogische
Maßnahmen entwickeln, die Kreativität und Innovation
fördern, anstatt sie zu unterdrücken?
Die Idee Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht bremst
Schulen und standardisierte Prüfungen lähmen den Diskurs und
die Praxis in diesem Land. Was passiert, wenn man die Schulen
von diesen Aspekten befreit? Es entsteht eine Schule, die Erfinder,
Künstler und Veränderer fördert, die in einer sich stets verändernden
Welt energisch und mutig handeln. Was ist, wenn wir die Schule
danach ausrichten, wie unsere Kinder später leben werden? Wenn
sie sich an der Art Leben, das wir ihnen wünschen, orientiert?“
Blue School ist ein Beweis für den unerschütterlichen Glauben
an die Partnerschaft von Familie und Schule bei der Erziehung
und der Ausbildung von Kindern. Während des Jahres sind
die Eltern stark in die Arbeit und in die Entwicklung der Schule
involviert – und zwar nicht nur als die Eltern eines Kindes, sondern
selbst als Lernende. Eltern, Schüler, Lehrer und weitere Angestellte
kommen zusammen, um zu lernen, knüpfen Kontakte
und spielen gemeinsam – es ist ein wichtiger Teil des Schullebens.
Zu den jährlichen Familienveranstaltungen gehören „Diskussionsrunden,
Treffen, aber auch formale Events …, um die Mission
und die Vision der Schule ebenso zu unterstützen, wie eine Verbindung
zwischen den Erwachsenen herzustellen und sie innerhalb
der lebendigen Gemeinschaft zu fördern.“
Im Laufe des Jahres werden die Eltern zu Podiumsdiskussionen
und anderen Veranstaltungen eingeladen – mit diesen Zielen:
• Unterstützung der Bildungszwecke und –ziele der Blue
School
• Stärkung der Verbindung von Elternhaus und Schule
• Hilfestellung, um die Eltern als aktive Teilnehmer in der
Schulgemeinschaft zu stärken
• Stärkung des Gemeinschaftssinns zwischen den Familien
• Förderung effektiver Kommunikation zwischen allen Mitgliedern
der Schulgemeinschaft
• Förderung eines besseren Verständnisses der pädagogischen
Ziele von Blue School.
Das Bemühen, Schule, Partner und Eltern zu verknüpfen, ist weder
eine Public-Relations-Aktivität noch Werbung. Es macht den
Kern der Schulphilosophie aus und bestimmt ihre Selbstdefinition.
Es gehört im Wesentlichen zum Erfolg der Blue School. Damit
ist sie nicht allein.
In den USA ist die National Parent Teacher Association, der
Verband von Eltern und Lehrern, die größte und älteste Organisation,
die sich für schulpflichtige Kinder einsetzt. Sie umfasst
Millionen von Familien, Pädagogen und Mitgliedern aus den Gemeinden.
Der Verband hat eine Reihe von Standards veröffentlicht,
die als Empfehlungen für das Engagement, das Schüler in
ihrer Entwicklung fördert, gelten:
1. Alle Familien in der Schulgemeinschaft willkommen
heißen: Familien sind aktive Teilnehmer des Schullebens.
Sie sind willkommen, werden wertgeschätzt, sind miteinander
und mit dem Lehrkörper vernetzt, haben Zugang
dazu, was die Schüler lernen und im Unterricht
machen.
2. Effektive Kommunikation: Familien und Lehrer kommunizieren
regelmäßig, beiderseitig und aussagekräftig darüber,
was und wie die Schüler lernen.
3. Erfolg der Schüler unterstützen: Familien und Lehrer arbeiten
ständig zusammen daran, das Lernen der Schüler
und deren gesunde Entwicklung zu unterstützen, sowohl
zu Hause als auch in der Schule. Sie bekommen regelmäßig
die Gelegenheit, sich weiterzubilden, um diese Aufgabe
effektiv erfüllen zu können.
4. Interessenvertretung für jedes Kind: Die Familien sind ermächtigt,
die Interessen ihres eigenen oder eines anderen
Kindes zu vertreten, um sicherzustellen, dass alle Schüler
fair behandelt werden und Lernchancen bekommen, die
zu ihrem Erfolg beitragen.
5. Einfluss teilen: Familien und Lehrer sind gleichberechtigte
Partner beim Treffen von Entscheidungen, die Kinder
wie Familien betreffen. Gemeinsam beeinflussen und gestalten
sie Richtlinien, deren Umsetzung und Programme.
6. Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit: Familien und
Lehrer arbeiten gemeinsam mit anderen Personen aus der
Öffentlichkeit, um Schüler, Familien und Lehrer miteinander
zu vernetzen und um ihnen Zugang zu erweiterten
Lernchancen, Dienstleistungen der Gemeinschaft und
Bürgerbeteiligung zu bieten.191
„Das Engagement der Familie ist nicht darauf beschränkt, den
Kindern beim Hausaufgabenmachen zu helfen, zu Schulversammlungen
zu gehen und mit Lehrern Gespräche zu führen“, so
die Präsidentin des National PTA, Otha Thornton. „Es geht auch
darum, sich bei den örtlichen Schulbezirken und bei der regionalen
wie nationalen Regierung einzusetzen, um sicherzustellen,
dass die Schulen die Ressourcen bekommen, die sie brauchen, um
jedem Schüler Bildung auf Weltklasseniveau zu bieten.“192
Auch das Bildungsministerium der USA äußerte sich zum
Thema Engagement der Eltern und veröffentlichte den Bericht
Partner in der Bildung: Ein Rahmen für die beiderseitige Stärkung
der Kapazitäten für die Partnerschaft von Familien und Schulen.193
Das Papier betont die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen
Familien und Schulen und listet eine Reihe von Bedingungen,
Zielen und Ergebnissen auf, die dem Ministerium zufolge Eltern
und Pädagogen zusammen anstreben sollten. Dieser Rahmen
zeigt den Weg auf, wie eine ineffektive Partnerschaft, in der es
weder vonseiten der Schule noch der der Eltern gelingt, zusammenzuarbeiten,
sich zu einer sinnvollen Partnerschaft entwickeln
kann. Mittels der Eckpunkte Kompetenzen, Verbindungen, Erkenntnis
und Zuversicht kann eine Zusammenarbeit entstehen,
die Schulen und Familien erlaubt, sich gemeinsam für den Erfolg
der Schüler einzusetzen.
Pädagogen bietet dieser Bericht die Gelegenheit, die Kompetenz
und die Zusammengehörigkeit der Familien anzuerkennen.
Ziel ist eine Kultur zu entwickeln, die familiäres Engagement
gern sieht und in der die Interaktion von Eltern und Schule auf
die Verbesserung des Lernens der Schüler ausgerichtet ist. Dieser
Rahmen bietet Familien „ungeachtet ihrer Rasse, ihrer Ethnie, ihres
Bildungshintergrunds, Geschlechts oder sozioökonomischen
Status’“ ein Umfeld, in dem sie ihre Kinder unterstützen, ermuntern
und sich für sie einsetzen können, während sie gleichzeitig
als Vorbild fürs Lernen dienen.194
Die Familien miteinzubeziehen ist wichtig, aber das ist nur
möglich, wenn Schulen solch eine Beteiligung ermöglichen. Häufig
müssen Schulen aktiv werden, um die Eltern mit ins Boot zu
holen. Sie müssen Workshops anbieten, die von Müttern oder Vä288
tern geleitet werden, regelmäßige persönliche Treffen einrichten
und eine vertrauensvolle Ebene der Zusammenarbeit von Lehrern,
Familien und der Öffentlichkeit schaffen.
Die von der George Lucas Bildungsstiftung initiierte
Non-Profit-Organisation Edutopia gibt Pädagogen zehn Hinweise,
wie Schulen sich den Eltern öffnen und ihnen helfen
können, ihre Beziehung zu den Schulen ihrer Kinder zu gestalten:
195
1. Gehen Sie dorthin, wo die Eltern sind. Nutzen Sie Social
Media, wie Facebook, Twitter und Pinterest, um die
Eltern auf dem Laufenden zu halten und mit ihnen ins
Gespräch zu kommen.
2. Heißen Sie jeden willkommen. Machen Sie sich klar,
dass bei vielen Familien in ihrem Stadtteil Englisch nicht
die Muttersprache ist und nutzen Sie technische Mittel,
um mit ihnen zu kommunizieren.
3. Seien Sie da – virtuell: Nutzen Sie internetbasierte Instrumente,
um ein „virtuelles Fenster zu Ihrem Klassenraum“
zu öffnen. Edutopia nutzt u.a. das Onlinenetzwerk
Edmodo und das Aufgabenverwaltungsprogramm
Blackboard Learn.
4. Schlaue Handys, schlaue Schulen: Edutopia fördert die
Nutzung von Smartphones, um Familien mithilfe von
Apps und Gruppen-Chats besser miteinzubeziehen.
5. Medien – Ergreifen Sie die Chance: Nutzen Sie aktuelle
Medien, wie jüngst erschienene Bücher oder Filme, als
Anregung für eine Debatte über Schulaktivitäten und die
Bildungsreform.
6. Machen Sie Lesen zur Familienangelegenheit: Nutzen
Sie Vorlesewettbewerbe, Lesefeste und Angebote der Literaturhäuser
für Kinder sowie lokale Initiativen196, um
289
Lesen zu einer Aktivität für die ganze Familie zu machen.
7. Holen Sie sich einen Lehrer ins Haus: Drehen Sie den
Elternsprechtag um und lassen Sie die Lehrer die Eltern
besuchen.
8. Schülermoderierter Elternsprechtag: Lassen Sie die
Schüler das Gespräch zwischen Eltern und Lehrer leiten
und geben Sie ihnen die Chance, ihre Arbeitsergebnisse,
Stärken, Schwächen und Ziele zu zeigen.
9. Bringen Sie Schwung in die Familie: Führen Sie Events
in der Schule durch, die Familien zu Bewegung und Spiel
einladen.
10. Initiieren Sie Partnerschaften mit den Eltern: Nutzen
Sie verschiedene Möglichkeiten, wie die Gründung einer
Eltern-Lesegruppe oder geben Sie den Schülern ein Elterninterview
als Hausaufgabe auf, um die Eltern aktiv in
die Arbeit mit einzubeziehen.
Ende der 90er-Jahre starteten die öffentlichen Schulen im Bezirk
Los Angeles eine Initiative, um die Schulen im Innenstadtbereich
umfassend zu verbessern. Eine wichtige Lehre aus diesem Prozess
war die immense Bedeutung, die engagierte Eltern haben. Dieses
Engagement zu erreichen, ist gerade für Schulen in Metropolen
eine besondere Herausforderung, weil in vielen Städten zahlreiche
Schüler aus Familien stammen, die die Sprache nicht sprechen
und mehrere Jobs haben, die ihnen für Schulaktivitäten oder Lehrergespräche
keine Zeit mehr lassen.
Darüber hinaus werden Eltern, die die Sprache nicht beherrschen,
häufig vom Schulsystem marginalisiert, ihnen wird gewissermaßen
zu verstehen gegeben, dass sie kein Mitspracherecht
bei der Erziehung ihrer Kinder hätten. Ergebnis dieser Initiative
war das Projekt „Familien in der Schule“, um Eltern, Schüler und
Pädagogen trotz dieser Hindernisse durch ein gemeinsames Ziel
zusammenzubringen.197
Oscar Cruz ist Vorsitzender der Gruppe Families in Schools.
„Wir sehen, wie wichtig es ist, dass Eltern sich engagieren und
ihre Kinder und deren Schulbildung unterstützen. Was wir weniger
verstanden haben ist, worin die Rolle der Schule bestand,
dies zu fördern. Das Engagement der Eltern wurde allein als deren
Verantwortung gesehen. Ein Elternteil wendet sich an die Schule
und bittet um Ressourcen. Aber dieser Elternteil spricht kein Englisch.
Die Lehrer sehen den Vater oder die Mutter an und sagen:
‚Schauen Sie, Sie sollten Englisch lernen. Lernen Sie erst einmal
Englisch, dann können wir Ihnen auch helfen.‘ Das ist ein Hindernis
für die Eltern. Um das Engagement der Eltern zu fördern,
ist es unsere Strategie, dass Lehrer eine Weiterbildung bekommen.
Damit wollen wir sicherstellen, dass jeder einzelne Elternteil, der
in die Schule kommt, sich willkommen und wertgeschätzt fühlt.
Sieht man sich genau an, wie das Bildungssystem die Eltern
behandelt, kommen sehr festverwurzelte Interessen zum Vorschein.
Würde eine Gewerkschaft es unterstützen, wenn das Feedback
von Eltern in die Evaluation der Lehrer einflöße? Würde
es eine Gewerkschaft unterstützen, wenn Eltern größeren Einfluss
auf die Verträge von Lehrpersonal hätten? Bürokratie ist sehr
mächtig und der Einfluss der Politik auf Bildung ist sehr stark und
häufig gerät das Interesse, Schüler zu guten Leistungen zu motivieren,
in den Hintergrund.
Wir haben schon immer gewusst, dass Eltern wichtig sind.
Die Frage lautet: Wie müssen sich die Bedingungen innerhalb
der Schulen verändern, damit Eltern sich und ihr Engagement
gewürdigt fühlen, besonders dort, wo die Familien einkommensschwach
sind?“, so Oscar Cruz.
Das Projekt Families in Schools geht das Problem auf drei
Ebenen an: Eine besteht darin, auf verschiedene Kulturen abgestimmte
Materialien zu erstellen, mit deren Hilfe die Eltern erfahren,
wie sie sich aktiv in der Schule ihres Kindes einbringen
können. Zweitens muss das Lehrerkollegium lernen, sich effektiv
mit den Eltern auseinanderzusetzen und drittens setzt sich das
Projekt dafür ein, dass auf Schulbezirksebene ein politischer Umschwung
geschieht, um für die ersten beiden Ziele Ressourcen zur
Verfügung zu stellen. Manchmal führt Families in Schools sogar
selbst Weiterbildungen für Lehrer durch, wenn die Schule solche
Maßnahmen nicht aus eigener Kraft finanzieren kann.
Cruz ist bewusst, dass der einzige Weg, mehr Eltern miteinzubeziehen,
darin besteht, sie dabei zu unterstützen, ihren Kindern
zu Hause beim Lernen zu helfen. Zu diesem Zweck wurden zwei
Projekte gestartet: Eines davon ist die 1-Million-Wörter-Challenge.
Hierbei finanziert die Organisation einen Wettbewerb unter
den Schulen in der Region Los Angeles, um das Lesen außerhalb
des Unterrichts zu fördern. Bei diesem Event ist die Mitwirkung
der Eltern wichtig, weil sie ihren Kindern helfen, über ihr
Lesepensum so etwas wie ein Tagebuch zu führen und die Protokolle,
die den Fortschritt dokumentieren, abzeichnen müssen.
Das zweite Projekt heißt Lies mit mir. Bei dieser Aktion verteilen
Leihbüchereien Tüten mit Büchern an Klassen. Die Schüler können
die Bücher mit nach Hause nehmen und dort mit ihren Familien
lesen. Da die Schüler nun problemlos Zugang zu Büchern
hatten, stieg die Lesezeit zu Hause auf 20 Minuten pro Tag.
„Immer häufiger wird über das Engagement von Eltern diskutiert“,
fasst Cruz zusammen. „Es läuft in den Nachrichten, wir
sehen es an den Entscheidungen auf der Ebene der Bundesstaaten.
Wir bekommen mit, dass Eltern mehr Kontrolle an Schulen
übernehmen und Veränderungen fordern. Da die Menschen
über mehr Informationen verfügen, handeln sie stärker proaktiv.
Ich halte es außerdem für positiv, dass mehr Latinos und andere
Migranten mehr Führungspositionen einnehmen. Sie kennen
und verstehen die Probleme und sie tragen zur Lösung bei.
So, wie das Engagement der Eltern in den Schulen aufgehängt
ist, haben Eltern in einem sehr formellen Rahmen die Möglichkeit,
ihre Meinung zu sagen. Vielleicht existiert ein Elternsprechtag,
ein Elternbeirat, aber es gibt bisher keine echte Vorstellung
davon, was eine demokratische Organisation ist, in der es einen
Informationsfluss gibt, der die Leute zu Entscheidungen ermächtigt,
dass es Partnerschaften gibt und ein gemeinsames Verständnis,
Respekt füreinander. Damit Eltern Partner sein können, müssen
sie gut informiert sein und das ist die Aufgabe der Schule.“
Oscar Cruz und die Mitarbeiter von Families in Schools setzen
sich für die Veränderung in den Schulen und für die Dynamik
zwischen Eltern und Lehrern ein. Ihr Beweggrund ist für alle gleichermaßen
wichtig: Ungeachtet der Tatsache, wo man wohnt und
wie die eigenen sozialen und ökonomischen Lebensumstände sein
mögen: Wenn Eltern sich aktiv für die Bildung ihres Kindes interessieren,
hat es eine viel bessere Chance auf Erfolg in der Schule.
TEACH YOUR CHILDREN WELL198
Am stärksten können sich Eltern bei der Bildung ihrer Kinder
einbringen, wenn sie sie zu Hause unterrichten, was in den letzten
Jahren in den USA zugenommen hat. Was früher als Spleen
von Exzentrikern galt, gehört allmählich zum Mainstream. Dem
US-Bildungsministerium zufolge wurden im Schuljahr 2011/12
3 Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter zu Hause unterrichtet.
199 Es gibt einige gute Gründe, sich für Heimunterricht zu
entscheiden. Erst einmal werden damit einige der hier bereits angesprochenen
Probleme des individualisierten Lernens gelöst, da
nicht auf standardisierte Tests hin gelernt wird und die Kinder
Raum bekommen, ihre eigenen Interessen und Leidenschaften
zu entdecken. Es gibt anscheinend Belege dafür, dass Schüler mit
Heimunterricht ihre Altersgenossen hinsichtlich der akademischen
Leistungen überholen, auch bei Tests wie dem SAT.
Quinn Cummings ist die Autorin von The Year of Learning
Dangerously, in dem sie ihre Erfahrungen mit dem Heimunterricht
ihrer Tochter Alice beschreibt:
Alices Vater und ich kannten unsere Tochter besser als jemand sonst
und es ließ sich nicht länger ignorieren, dass sie sich in der Schule
nicht sonderlich Mühe gab. Wie man so schön sagt: „Sie schöpfte ihr
Potenzial nicht völlig aus.“ Aber eigentlich bedeutet das, „sie ließ
sich hängen“. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass sie jedes Jahr mehr
Hausaufgaben aufbekommen würde und sie dadurch weniger Zeit
hätte, ihrer spontanen Neugier zu folgen, sich tiefer in ein x-beliebiges
Thema einzuarbeiten, sich einer sinnlosen Aktivität hinzugeben
oder einfach etwas zu basteln, weil die Muse sie küsste. Ich war
ehrgeizig. Ich wollte, dass sie sich intellektuell anstrengte und ihr
Selbstbewusstsein forderte, aber ich wollte auch, dass sie mit ihren
Freundinnen spielte, Bücher las, Musik hörte oder sich an einem
endlosen Nachmittag angenehmer Langeweile hingab, ohne dass sie
irgendwohin musste oder etwas zu tun hatte.200
Hier zielt Cummings auf eines der wichtigsten Argumente für Heimunterricht
ab: Er erlaubt einem, sein Kind dort zu fordern, wo es
Herausforderung braucht (beispielsweise gab Alice gern vor, sie könne
keine langen Brüche mit Restgliedern rechnen), ihm aber gleichzeitig
viel Raum für Improvisation und Entdeckungen zu lassen.
Diese Meinung wird auch von Logan LaPlante vertreten, der
seit der 4. Klasse Heimunterricht erhielt. Der Teenager glaubt, dass
diese Art der Vermittlung es ihm erlaubte, in bestimmte Themen
tief einzusteigen, während er dennoch eine Ausbildung auf breiter
Ebene bekam. „Ich konzentriere mich auf alle Fälle auf bestimmte
Sachen“, so sagte er mir, „aber das heißt nicht, dass ich andere Dinge
ignoriere. Ich lerne alle Fächer, die es auch in der Schule gibt; nur
mache ich es anders. Ich lerne Mathematik auf traditionelle Weise,
ich mach das online. Aber ich lerne Mathe auch, wenn ich mich
in meinen Praktika mit Design beschäftige. Wir machen all die Sachen,
die man in einer bestimmten Klassenstufe lernen muss.“201
Logan empfindet diesen Ansatz als wesentlich wertvoller als
die Erfahrungen, die seine Freunde, die ganz normal die Schule
besuchen, machen. „Meinen Freunden fällt es ziemlich schwer,
denn sie müssen einfach von Geschichte zu Mathe gehen, danach
gleich in den naturwissenschaftlichen Unterricht oder so. Und sie
tauchen in den Stunden nicht wirklich tief in die Themen ein. Sie
würden sie lieber eingehender erkunden und eher fächerübergreifend
lernen, wie ich das zum Thema Regierung in diesem Herbst
gemacht habe. Wir haben Informationen über die Regierung gelernt,
über die Geschichte bis zurück zum Bürgerkrieg und wir
haben Kunst gemacht – wir haben verschiedene Fächer in diesem
einen Thema integriert.“
Logan hielt 2013 einen Vortrag bei einer Veranstaltung von
TED-Talks an der University of Nevada. Dort beschrieb er, wie er
die Inhalte seines Unterrichts aus verschiedenen Quellen zusammenklaubte.
Aus den Möglichkeiten, die sich ihm boten, stellte er
ein Curriculum zusammen, das seiner Ansicht nach am besten
für ihn ist. „Ich nutze die Chancen, die ich in meiner Nachbarschaft
und durch das Netzwerk meiner Freunde und Familie habe.
Ich nutze die Gelegenheiten, was ich lerne auf praktische Weise
zu erfahren. Und ich habe keine Angst davor, nach Abkürzungen
oder Tricks zu suchen, um ein besseres und schnelleres Ergebnis
zu bekommen.“202
Während einige Eltern ihre Kinder zu Hause ganz allein unterrichten
oder öffentliche Onlinekurse, Tutorien oder Fortbildungsprogramme
zu Hilfe nehmen, nutzt LaPlante viele Lehrer,
die aus seinem Bekanntenkreis stammen. Er hat sich mit einer
Gruppe anderer Kinder zusammengeschlossen, die ebenfalls Heimunterricht
erhalten. „Einige von unseren Lehrern sind Chemieprofessoren
an der University of Nevada-Reno. Oder es sind ganz
einfach Mütter von Schulkollegen, die selbst Weiterbildungskurse
besuchen und uns dann unterrichten. Andere haben einen Universitätsabschluss
in Literatur, sie sind unsere Englischlehrer. Wir
treffen uns alle insgesamt ungefähr acht Wochen lang und machen
einen oder zwei Kurse pro Woche.“
Heimunterricht beinhaltet auch seine Herausforderungen.
Die National Education Association meldete sich kürzlich zu
Wort: Sie „glaubt nicht, dass Heimunterricht, der auf der Entscheidung
der Eltern basiert, einem Schüler eine umfassende Bildungserfahrung
bieten kann.“203 Andere Stimmen fürchten, dass Heimunterricht
die Sozialisation beeinträchtige. Und natürlich gibt
es noch den Kostenfaktor, denn Unterricht zu Hause kann jährlich
zwischen einigen Tausend und mehr als 10.000 Dollar kosten.
Schließlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass man jeden
Tag einige Stunden lang mit seinem Kind verbringt, was sich
nur wenige Leute vorstellen können. Keines dieser Probleme darf
auf die leichte Schulter genommen werden, aber für immer mehr
Eltern in den USA überwiegen die Vorteile. Viele, die ihre Kinder
selbst unterrichten, werden diese Punkte bestreiten, insbesondere,
weil immer mehr Netzwerke Familien und Gemeinschaften
miteinander verbinden. Sicherlich ist es schwer zu leugnen, dass
Heimunterricht die ultimative Form elterlichen Engagements bei
der individualisierten Ausbildung ist. Gleichgültig, ob zu Hause
oder in der Schule, es geht darum, den Unterricht persönlicher,
verbindlicher und befriedigender zu gestalten.
© Ecowin Verlag
Wir helfen den Kindern, die sozialen Kompetenzen zu entwi284
ckeln, die sie brauchen, um im Laufe ihres Lebens unterschiedliche
Beziehungen aufbauen zu können.“
Schulleiterin ist Alison Gaines Pell: „Was passiert, wenn eine
Schule, statt auf den Intellekt von Kindern herabzusehen, zu ihm
aufsieht? Was, wenn das Curriculum einer Schule auf den Fragen
der Kinder und ihren Gedanken, wie die Welt funktioniert,
auf unserem menschlichen und natürlichen Bedürfnis, etwas zu
erschaffen und zu tun, aufbaut? Was geschieht, wenn wir pädagogische
Maßnahmen entwickeln, die Kreativität und Innovation
fördern, anstatt sie zu unterdrücken?
Die Idee Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht bremst
Schulen und standardisierte Prüfungen lähmen den Diskurs und
die Praxis in diesem Land. Was passiert, wenn man die Schulen
von diesen Aspekten befreit? Es entsteht eine Schule, die Erfinder,
Künstler und Veränderer fördert, die in einer sich stets verändernden
Welt energisch und mutig handeln. Was ist, wenn wir die Schule
danach ausrichten, wie unsere Kinder später leben werden? Wenn
sie sich an der Art Leben, das wir ihnen wünschen, orientiert?“
Blue School ist ein Beweis für den unerschütterlichen Glauben
an die Partnerschaft von Familie und Schule bei der Erziehung
und der Ausbildung von Kindern. Während des Jahres sind
die Eltern stark in die Arbeit und in die Entwicklung der Schule
involviert – und zwar nicht nur als die Eltern eines Kindes, sondern
selbst als Lernende. Eltern, Schüler, Lehrer und weitere Angestellte
kommen zusammen, um zu lernen, knüpfen Kontakte
und spielen gemeinsam – es ist ein wichtiger Teil des Schullebens.
Zu den jährlichen Familienveranstaltungen gehören „Diskussionsrunden,
Treffen, aber auch formale Events …, um die Mission
und die Vision der Schule ebenso zu unterstützen, wie eine Verbindung
zwischen den Erwachsenen herzustellen und sie innerhalb
der lebendigen Gemeinschaft zu fördern.“
Im Laufe des Jahres werden die Eltern zu Podiumsdiskussionen
und anderen Veranstaltungen eingeladen – mit diesen Zielen:
• Unterstützung der Bildungszwecke und –ziele der Blue
School
• Stärkung der Verbindung von Elternhaus und Schule
• Hilfestellung, um die Eltern als aktive Teilnehmer in der
Schulgemeinschaft zu stärken
• Stärkung des Gemeinschaftssinns zwischen den Familien
• Förderung effektiver Kommunikation zwischen allen Mitgliedern
der Schulgemeinschaft
• Förderung eines besseren Verständnisses der pädagogischen
Ziele von Blue School.
Das Bemühen, Schule, Partner und Eltern zu verknüpfen, ist weder
eine Public-Relations-Aktivität noch Werbung. Es macht den
Kern der Schulphilosophie aus und bestimmt ihre Selbstdefinition.
Es gehört im Wesentlichen zum Erfolg der Blue School. Damit
ist sie nicht allein.
In den USA ist die National Parent Teacher Association, der
Verband von Eltern und Lehrern, die größte und älteste Organisation,
die sich für schulpflichtige Kinder einsetzt. Sie umfasst
Millionen von Familien, Pädagogen und Mitgliedern aus den Gemeinden.
Der Verband hat eine Reihe von Standards veröffentlicht,
die als Empfehlungen für das Engagement, das Schüler in
ihrer Entwicklung fördert, gelten:
1. Alle Familien in der Schulgemeinschaft willkommen
heißen: Familien sind aktive Teilnehmer des Schullebens.
Sie sind willkommen, werden wertgeschätzt, sind miteinander
und mit dem Lehrkörper vernetzt, haben Zugang
dazu, was die Schüler lernen und im Unterricht
machen.
2. Effektive Kommunikation: Familien und Lehrer kommunizieren
regelmäßig, beiderseitig und aussagekräftig darüber,
was und wie die Schüler lernen.
3. Erfolg der Schüler unterstützen: Familien und Lehrer arbeiten
ständig zusammen daran, das Lernen der Schüler
und deren gesunde Entwicklung zu unterstützen, sowohl
zu Hause als auch in der Schule. Sie bekommen regelmäßig
die Gelegenheit, sich weiterzubilden, um diese Aufgabe
effektiv erfüllen zu können.
4. Interessenvertretung für jedes Kind: Die Familien sind ermächtigt,
die Interessen ihres eigenen oder eines anderen
Kindes zu vertreten, um sicherzustellen, dass alle Schüler
fair behandelt werden und Lernchancen bekommen, die
zu ihrem Erfolg beitragen.
5. Einfluss teilen: Familien und Lehrer sind gleichberechtigte
Partner beim Treffen von Entscheidungen, die Kinder
wie Familien betreffen. Gemeinsam beeinflussen und gestalten
sie Richtlinien, deren Umsetzung und Programme.
6. Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit: Familien und
Lehrer arbeiten gemeinsam mit anderen Personen aus der
Öffentlichkeit, um Schüler, Familien und Lehrer miteinander
zu vernetzen und um ihnen Zugang zu erweiterten
Lernchancen, Dienstleistungen der Gemeinschaft und
Bürgerbeteiligung zu bieten.191
„Das Engagement der Familie ist nicht darauf beschränkt, den
Kindern beim Hausaufgabenmachen zu helfen, zu Schulversammlungen
zu gehen und mit Lehrern Gespräche zu führen“, so
die Präsidentin des National PTA, Otha Thornton. „Es geht auch
darum, sich bei den örtlichen Schulbezirken und bei der regionalen
wie nationalen Regierung einzusetzen, um sicherzustellen,
dass die Schulen die Ressourcen bekommen, die sie brauchen, um
jedem Schüler Bildung auf Weltklasseniveau zu bieten.“192
Auch das Bildungsministerium der USA äußerte sich zum
Thema Engagement der Eltern und veröffentlichte den Bericht
Partner in der Bildung: Ein Rahmen für die beiderseitige Stärkung
der Kapazitäten für die Partnerschaft von Familien und Schulen.193
Das Papier betont die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen
Familien und Schulen und listet eine Reihe von Bedingungen,
Zielen und Ergebnissen auf, die dem Ministerium zufolge Eltern
und Pädagogen zusammen anstreben sollten. Dieser Rahmen
zeigt den Weg auf, wie eine ineffektive Partnerschaft, in der es
weder vonseiten der Schule noch der der Eltern gelingt, zusammenzuarbeiten,
sich zu einer sinnvollen Partnerschaft entwickeln
kann. Mittels der Eckpunkte Kompetenzen, Verbindungen, Erkenntnis
und Zuversicht kann eine Zusammenarbeit entstehen,
die Schulen und Familien erlaubt, sich gemeinsam für den Erfolg
der Schüler einzusetzen.
Pädagogen bietet dieser Bericht die Gelegenheit, die Kompetenz
und die Zusammengehörigkeit der Familien anzuerkennen.
Ziel ist eine Kultur zu entwickeln, die familiäres Engagement
gern sieht und in der die Interaktion von Eltern und Schule auf
die Verbesserung des Lernens der Schüler ausgerichtet ist. Dieser
Rahmen bietet Familien „ungeachtet ihrer Rasse, ihrer Ethnie, ihres
Bildungshintergrunds, Geschlechts oder sozioökonomischen
Status’“ ein Umfeld, in dem sie ihre Kinder unterstützen, ermuntern
und sich für sie einsetzen können, während sie gleichzeitig
als Vorbild fürs Lernen dienen.194
Die Familien miteinzubeziehen ist wichtig, aber das ist nur
möglich, wenn Schulen solch eine Beteiligung ermöglichen. Häufig
müssen Schulen aktiv werden, um die Eltern mit ins Boot zu
holen. Sie müssen Workshops anbieten, die von Müttern oder Vä288
tern geleitet werden, regelmäßige persönliche Treffen einrichten
und eine vertrauensvolle Ebene der Zusammenarbeit von Lehrern,
Familien und der Öffentlichkeit schaffen.
Die von der George Lucas Bildungsstiftung initiierte
Non-Profit-Organisation Edutopia gibt Pädagogen zehn Hinweise,
wie Schulen sich den Eltern öffnen und ihnen helfen
können, ihre Beziehung zu den Schulen ihrer Kinder zu gestalten:
195
1. Gehen Sie dorthin, wo die Eltern sind. Nutzen Sie Social
Media, wie Facebook, Twitter und Pinterest, um die
Eltern auf dem Laufenden zu halten und mit ihnen ins
Gespräch zu kommen.
2. Heißen Sie jeden willkommen. Machen Sie sich klar,
dass bei vielen Familien in ihrem Stadtteil Englisch nicht
die Muttersprache ist und nutzen Sie technische Mittel,
um mit ihnen zu kommunizieren.
3. Seien Sie da – virtuell: Nutzen Sie internetbasierte Instrumente,
um ein „virtuelles Fenster zu Ihrem Klassenraum“
zu öffnen. Edutopia nutzt u.a. das Onlinenetzwerk
Edmodo und das Aufgabenverwaltungsprogramm
Blackboard Learn.
4. Schlaue Handys, schlaue Schulen: Edutopia fördert die
Nutzung von Smartphones, um Familien mithilfe von
Apps und Gruppen-Chats besser miteinzubeziehen.
5. Medien – Ergreifen Sie die Chance: Nutzen Sie aktuelle
Medien, wie jüngst erschienene Bücher oder Filme, als
Anregung für eine Debatte über Schulaktivitäten und die
Bildungsreform.
6. Machen Sie Lesen zur Familienangelegenheit: Nutzen
Sie Vorlesewettbewerbe, Lesefeste und Angebote der Literaturhäuser
für Kinder sowie lokale Initiativen196, um
289
Lesen zu einer Aktivität für die ganze Familie zu machen.
7. Holen Sie sich einen Lehrer ins Haus: Drehen Sie den
Elternsprechtag um und lassen Sie die Lehrer die Eltern
besuchen.
8. Schülermoderierter Elternsprechtag: Lassen Sie die
Schüler das Gespräch zwischen Eltern und Lehrer leiten
und geben Sie ihnen die Chance, ihre Arbeitsergebnisse,
Stärken, Schwächen und Ziele zu zeigen.
9. Bringen Sie Schwung in die Familie: Führen Sie Events
in der Schule durch, die Familien zu Bewegung und Spiel
einladen.
10. Initiieren Sie Partnerschaften mit den Eltern: Nutzen
Sie verschiedene Möglichkeiten, wie die Gründung einer
Eltern-Lesegruppe oder geben Sie den Schülern ein Elterninterview
als Hausaufgabe auf, um die Eltern aktiv in
die Arbeit mit einzubeziehen.
Ende der 90er-Jahre starteten die öffentlichen Schulen im Bezirk
Los Angeles eine Initiative, um die Schulen im Innenstadtbereich
umfassend zu verbessern. Eine wichtige Lehre aus diesem Prozess
war die immense Bedeutung, die engagierte Eltern haben. Dieses
Engagement zu erreichen, ist gerade für Schulen in Metropolen
eine besondere Herausforderung, weil in vielen Städten zahlreiche
Schüler aus Familien stammen, die die Sprache nicht sprechen
und mehrere Jobs haben, die ihnen für Schulaktivitäten oder Lehrergespräche
keine Zeit mehr lassen.
Darüber hinaus werden Eltern, die die Sprache nicht beherrschen,
häufig vom Schulsystem marginalisiert, ihnen wird gewissermaßen
zu verstehen gegeben, dass sie kein Mitspracherecht
bei der Erziehung ihrer Kinder hätten. Ergebnis dieser Initiative
war das Projekt „Familien in der Schule“, um Eltern, Schüler und
Pädagogen trotz dieser Hindernisse durch ein gemeinsames Ziel
zusammenzubringen.197
Oscar Cruz ist Vorsitzender der Gruppe Families in Schools.
„Wir sehen, wie wichtig es ist, dass Eltern sich engagieren und
ihre Kinder und deren Schulbildung unterstützen. Was wir weniger
verstanden haben ist, worin die Rolle der Schule bestand,
dies zu fördern. Das Engagement der Eltern wurde allein als deren
Verantwortung gesehen. Ein Elternteil wendet sich an die Schule
und bittet um Ressourcen. Aber dieser Elternteil spricht kein Englisch.
Die Lehrer sehen den Vater oder die Mutter an und sagen:
‚Schauen Sie, Sie sollten Englisch lernen. Lernen Sie erst einmal
Englisch, dann können wir Ihnen auch helfen.‘ Das ist ein Hindernis
für die Eltern. Um das Engagement der Eltern zu fördern,
ist es unsere Strategie, dass Lehrer eine Weiterbildung bekommen.
Damit wollen wir sicherstellen, dass jeder einzelne Elternteil, der
in die Schule kommt, sich willkommen und wertgeschätzt fühlt.
Sieht man sich genau an, wie das Bildungssystem die Eltern
behandelt, kommen sehr festverwurzelte Interessen zum Vorschein.
Würde eine Gewerkschaft es unterstützen, wenn das Feedback
von Eltern in die Evaluation der Lehrer einflöße? Würde
es eine Gewerkschaft unterstützen, wenn Eltern größeren Einfluss
auf die Verträge von Lehrpersonal hätten? Bürokratie ist sehr
mächtig und der Einfluss der Politik auf Bildung ist sehr stark und
häufig gerät das Interesse, Schüler zu guten Leistungen zu motivieren,
in den Hintergrund.
Wir haben schon immer gewusst, dass Eltern wichtig sind.
Die Frage lautet: Wie müssen sich die Bedingungen innerhalb
der Schulen verändern, damit Eltern sich und ihr Engagement
gewürdigt fühlen, besonders dort, wo die Familien einkommensschwach
sind?“, so Oscar Cruz.
Das Projekt Families in Schools geht das Problem auf drei
Ebenen an: Eine besteht darin, auf verschiedene Kulturen abgestimmte
Materialien zu erstellen, mit deren Hilfe die Eltern erfahren,
wie sie sich aktiv in der Schule ihres Kindes einbringen
können. Zweitens muss das Lehrerkollegium lernen, sich effektiv
mit den Eltern auseinanderzusetzen und drittens setzt sich das
Projekt dafür ein, dass auf Schulbezirksebene ein politischer Umschwung
geschieht, um für die ersten beiden Ziele Ressourcen zur
Verfügung zu stellen. Manchmal führt Families in Schools sogar
selbst Weiterbildungen für Lehrer durch, wenn die Schule solche
Maßnahmen nicht aus eigener Kraft finanzieren kann.
Cruz ist bewusst, dass der einzige Weg, mehr Eltern miteinzubeziehen,
darin besteht, sie dabei zu unterstützen, ihren Kindern
zu Hause beim Lernen zu helfen. Zu diesem Zweck wurden zwei
Projekte gestartet: Eines davon ist die 1-Million-Wörter-Challenge.
Hierbei finanziert die Organisation einen Wettbewerb unter
den Schulen in der Region Los Angeles, um das Lesen außerhalb
des Unterrichts zu fördern. Bei diesem Event ist die Mitwirkung
der Eltern wichtig, weil sie ihren Kindern helfen, über ihr
Lesepensum so etwas wie ein Tagebuch zu führen und die Protokolle,
die den Fortschritt dokumentieren, abzeichnen müssen.
Das zweite Projekt heißt Lies mit mir. Bei dieser Aktion verteilen
Leihbüchereien Tüten mit Büchern an Klassen. Die Schüler können
die Bücher mit nach Hause nehmen und dort mit ihren Familien
lesen. Da die Schüler nun problemlos Zugang zu Büchern
hatten, stieg die Lesezeit zu Hause auf 20 Minuten pro Tag.
„Immer häufiger wird über das Engagement von Eltern diskutiert“,
fasst Cruz zusammen. „Es läuft in den Nachrichten, wir
sehen es an den Entscheidungen auf der Ebene der Bundesstaaten.
Wir bekommen mit, dass Eltern mehr Kontrolle an Schulen
übernehmen und Veränderungen fordern. Da die Menschen
über mehr Informationen verfügen, handeln sie stärker proaktiv.
Ich halte es außerdem für positiv, dass mehr Latinos und andere
Migranten mehr Führungspositionen einnehmen. Sie kennen
und verstehen die Probleme und sie tragen zur Lösung bei.
So, wie das Engagement der Eltern in den Schulen aufgehängt
ist, haben Eltern in einem sehr formellen Rahmen die Möglichkeit,
ihre Meinung zu sagen. Vielleicht existiert ein Elternsprechtag,
ein Elternbeirat, aber es gibt bisher keine echte Vorstellung
davon, was eine demokratische Organisation ist, in der es einen
Informationsfluss gibt, der die Leute zu Entscheidungen ermächtigt,
dass es Partnerschaften gibt und ein gemeinsames Verständnis,
Respekt füreinander. Damit Eltern Partner sein können, müssen
sie gut informiert sein und das ist die Aufgabe der Schule.“
Oscar Cruz und die Mitarbeiter von Families in Schools setzen
sich für die Veränderung in den Schulen und für die Dynamik
zwischen Eltern und Lehrern ein. Ihr Beweggrund ist für alle gleichermaßen
wichtig: Ungeachtet der Tatsache, wo man wohnt und
wie die eigenen sozialen und ökonomischen Lebensumstände sein
mögen: Wenn Eltern sich aktiv für die Bildung ihres Kindes interessieren,
hat es eine viel bessere Chance auf Erfolg in der Schule.
TEACH YOUR CHILDREN WELL198
Am stärksten können sich Eltern bei der Bildung ihrer Kinder
einbringen, wenn sie sie zu Hause unterrichten, was in den letzten
Jahren in den USA zugenommen hat. Was früher als Spleen
von Exzentrikern galt, gehört allmählich zum Mainstream. Dem
US-Bildungsministerium zufolge wurden im Schuljahr 2011/12
3 Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter zu Hause unterrichtet.
199 Es gibt einige gute Gründe, sich für Heimunterricht zu
entscheiden. Erst einmal werden damit einige der hier bereits angesprochenen
Probleme des individualisierten Lernens gelöst, da
nicht auf standardisierte Tests hin gelernt wird und die Kinder
Raum bekommen, ihre eigenen Interessen und Leidenschaften
zu entdecken. Es gibt anscheinend Belege dafür, dass Schüler mit
Heimunterricht ihre Altersgenossen hinsichtlich der akademischen
Leistungen überholen, auch bei Tests wie dem SAT.
Quinn Cummings ist die Autorin von The Year of Learning
Dangerously, in dem sie ihre Erfahrungen mit dem Heimunterricht
ihrer Tochter Alice beschreibt:
Alices Vater und ich kannten unsere Tochter besser als jemand sonst
und es ließ sich nicht länger ignorieren, dass sie sich in der Schule
nicht sonderlich Mühe gab. Wie man so schön sagt: „Sie schöpfte ihr
Potenzial nicht völlig aus.“ Aber eigentlich bedeutet das, „sie ließ
sich hängen“. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass sie jedes Jahr mehr
Hausaufgaben aufbekommen würde und sie dadurch weniger Zeit
hätte, ihrer spontanen Neugier zu folgen, sich tiefer in ein x-beliebiges
Thema einzuarbeiten, sich einer sinnlosen Aktivität hinzugeben
oder einfach etwas zu basteln, weil die Muse sie küsste. Ich war
ehrgeizig. Ich wollte, dass sie sich intellektuell anstrengte und ihr
Selbstbewusstsein forderte, aber ich wollte auch, dass sie mit ihren
Freundinnen spielte, Bücher las, Musik hörte oder sich an einem
endlosen Nachmittag angenehmer Langeweile hingab, ohne dass sie
irgendwohin musste oder etwas zu tun hatte.200
Hier zielt Cummings auf eines der wichtigsten Argumente für Heimunterricht
ab: Er erlaubt einem, sein Kind dort zu fordern, wo es
Herausforderung braucht (beispielsweise gab Alice gern vor, sie könne
keine langen Brüche mit Restgliedern rechnen), ihm aber gleichzeitig
viel Raum für Improvisation und Entdeckungen zu lassen.
Diese Meinung wird auch von Logan LaPlante vertreten, der
seit der 4. Klasse Heimunterricht erhielt. Der Teenager glaubt, dass
diese Art der Vermittlung es ihm erlaubte, in bestimmte Themen
tief einzusteigen, während er dennoch eine Ausbildung auf breiter
Ebene bekam. „Ich konzentriere mich auf alle Fälle auf bestimmte
Sachen“, so sagte er mir, „aber das heißt nicht, dass ich andere Dinge
ignoriere. Ich lerne alle Fächer, die es auch in der Schule gibt; nur
mache ich es anders. Ich lerne Mathematik auf traditionelle Weise,
ich mach das online. Aber ich lerne Mathe auch, wenn ich mich
in meinen Praktika mit Design beschäftige. Wir machen all die Sachen,
die man in einer bestimmten Klassenstufe lernen muss.“201
Logan empfindet diesen Ansatz als wesentlich wertvoller als
die Erfahrungen, die seine Freunde, die ganz normal die Schule
besuchen, machen. „Meinen Freunden fällt es ziemlich schwer,
denn sie müssen einfach von Geschichte zu Mathe gehen, danach
gleich in den naturwissenschaftlichen Unterricht oder so. Und sie
tauchen in den Stunden nicht wirklich tief in die Themen ein. Sie
würden sie lieber eingehender erkunden und eher fächerübergreifend
lernen, wie ich das zum Thema Regierung in diesem Herbst
gemacht habe. Wir haben Informationen über die Regierung gelernt,
über die Geschichte bis zurück zum Bürgerkrieg und wir
haben Kunst gemacht – wir haben verschiedene Fächer in diesem
einen Thema integriert.“
Logan hielt 2013 einen Vortrag bei einer Veranstaltung von
TED-Talks an der University of Nevada. Dort beschrieb er, wie er
die Inhalte seines Unterrichts aus verschiedenen Quellen zusammenklaubte.
Aus den Möglichkeiten, die sich ihm boten, stellte er
ein Curriculum zusammen, das seiner Ansicht nach am besten
für ihn ist. „Ich nutze die Chancen, die ich in meiner Nachbarschaft
und durch das Netzwerk meiner Freunde und Familie habe.
Ich nutze die Gelegenheiten, was ich lerne auf praktische Weise
zu erfahren. Und ich habe keine Angst davor, nach Abkürzungen
oder Tricks zu suchen, um ein besseres und schnelleres Ergebnis
zu bekommen.“202
Während einige Eltern ihre Kinder zu Hause ganz allein unterrichten
oder öffentliche Onlinekurse, Tutorien oder Fortbildungsprogramme
zu Hilfe nehmen, nutzt LaPlante viele Lehrer,
die aus seinem Bekanntenkreis stammen. Er hat sich mit einer
Gruppe anderer Kinder zusammengeschlossen, die ebenfalls Heimunterricht
erhalten. „Einige von unseren Lehrern sind Chemieprofessoren
an der University of Nevada-Reno. Oder es sind ganz
einfach Mütter von Schulkollegen, die selbst Weiterbildungskurse
besuchen und uns dann unterrichten. Andere haben einen Universitätsabschluss
in Literatur, sie sind unsere Englischlehrer. Wir
treffen uns alle insgesamt ungefähr acht Wochen lang und machen
einen oder zwei Kurse pro Woche.“
Heimunterricht beinhaltet auch seine Herausforderungen.
Die National Education Association meldete sich kürzlich zu
Wort: Sie „glaubt nicht, dass Heimunterricht, der auf der Entscheidung
der Eltern basiert, einem Schüler eine umfassende Bildungserfahrung
bieten kann.“203 Andere Stimmen fürchten, dass Heimunterricht
die Sozialisation beeinträchtige. Und natürlich gibt
es noch den Kostenfaktor, denn Unterricht zu Hause kann jährlich
zwischen einigen Tausend und mehr als 10.000 Dollar kosten.
Schließlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass man jeden
Tag einige Stunden lang mit seinem Kind verbringt, was sich
nur wenige Leute vorstellen können. Keines dieser Probleme darf
auf die leichte Schulter genommen werden, aber für immer mehr
Eltern in den USA überwiegen die Vorteile. Viele, die ihre Kinder
selbst unterrichten, werden diese Punkte bestreiten, insbesondere,
weil immer mehr Netzwerke Familien und Gemeinschaften
miteinander verbinden. Sicherlich ist es schwer zu leugnen, dass
Heimunterricht die ultimative Form elterlichen Engagements bei
der individualisierten Ausbildung ist. Gleichgültig, ob zu Hause
oder in der Schule, es geht darum, den Unterricht persönlicher,
verbindlicher und befriedigender zu gestalten.
© Ecowin Verlag
... weniger
Autoren-Porträt von Ken Robinson
Ken Robinson, geboren 1950 in Liverpool, ist ein international renommierter Bildungsexperte. In Büchern und viel beachteten Vorträgen (TED Talks) thematisiert er Bildung, Kreativität und die Schulsysteme. Er steht Organisationen wie der UNESCO und dem Europarat mit Rat zur Seite. 2003 wurde er von Queen Elizabeth zum Ritter geschlagen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ken Robinson
- 2015, 376 Seiten, Maße: 15,4 x 21,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Mitarbeit: Aronica, Lou; Übersetzung: Moldenhauer, Friederike
- Übersetzer: Friederike Moldenhauer
- Verlag: ecoWing
- ISBN-10: 3711000754
- ISBN-13: 9783711000750
- Erscheinungsdatum: 05.05.2015
Kommentar zu "Wie wir alle zu Lehrern und Lehrer zu Helden werden"
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