Zukunftsmenü
Was ist uns unser Essen wert? - Gesund und nachhaltig genießen
Kaum ein Spitzenkoch nimmt es auf diesem Gebiet mit Sarah Wiener auf: Ihr Engagement für bodenständige und nachhaltige Nahrungsproduktion, für Achtsamkeit und Genuss beim Essen ist hochaktuell. Sie überzeugt durch ihr Wissen in Gesundheitsfragen sowie über...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Zukunftsmenü “
Klappentext zu „Zukunftsmenü “
Kaum ein Spitzenkoch nimmt es auf diesem Gebiet mit Sarah Wiener auf: Ihr Engagement für bodenständige und nachhaltige Nahrungsproduktion, für Achtsamkeit und Genuss beim Essen ist hochaktuell. Sie überzeugt durch ihr Wissen in Gesundheitsfragen sowie über die zerstörende Wirkung der Industrienahrung. Vor allem aber lässt ihr ausgeprägter Sinn für das Kostbare unserer heimischen Produkte, für frisch gekochte und gemeinsam verzehrte Mahlzeiten den Leser Kochkultur und Genuss wiederentdecken. Ein wertvoller und wichtiger Beitrag für mehr Lebensfreude und nachhaltiges Essen.Jetzt komplett aktualisiert und mit neuem Vorwort!
Ausstattung: 4-farbig, ca. 90 farbige Fotos und Abbildungen
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Zukunftsmenü “
Sarah Wiener -ZukunftsmenüGruß aus der Küche
Mein Lieblingsplatz auf meinem Bauernhof
in der Uckermark ist natürlich
die Küche, wie könnte es anders sein.
Und das nicht nur, weil ich leidenschaftlich
gern koche. Die Küche ist ein Ort,
an dem es nach Kuchen und Äpfeln duftet,
nach Safran und geröstetem Sesam,
an dem ich neugierig Rezepte erinde
und Kochutensilien ausprobiere. Gleich
neben der Küche ist ein Esszimmer, wo
ich gern mit Freunden sitze. An einem
langen Tisch, an dem wir debattieren
und ratschen, trinken und lachen -
manchmal nächtelang. Hier sitze ich
auch jetzt nach einer Kürbis-Ingwer-
Suppe und Milchrahmstrudel und
schreibe dieses Vorwort. Dort, wo ich
sonst auch lese - Bücher, Berichte und
Zeitschriften aller Art.
Ich lese,
• ... dass wir jedes Jahr deutschlandweit so viel Brot wegschmeißen,
dass das Land Niedersachsen bequem ein Jahr davon leben
könnte.
• ... dass die Ursachen für die zunehmende Fettleibigkeit bei
Menschen noch nicht hinreichend geklärt sind. Bewegungsmangel
und eine zu hohe Kalorienzufuhr sind es aber nicht allein.
•... dass es wohl unter anderem der Industriezucker ist, der uns
krank und dick macht.
• ... von Weichmachern in Plastikverpackungen, die Atembeschwerden,
Impotenz und Unfruchtbarkeit verursachen sollen.
• ... über Hybridgelügel, das sich nicht mehr selbst fortplanzen
kann.
• ... dass unseren Nutztieren weitaus mehr Antibiotika verabreicht
werden, als alle Menschen zusammen verbrauchen.
... mehr
Ich sitze da und frage mich: Warum essen wir lauter Dinge, von
denen wir nicht wissen, was drin ist? Warum essen wir plastikverpackte
Fertigprodukte, die uns und die Natur krank machen? Warum
essen wir Fleisch von Tieren, die ein Leben lang Stress hatten, weil
sie nicht artgerecht gehalten wurden? Wer will, dass die durch Massentierhaltung
auftretenden Krankheiten mit einer verantwortungslos
hohen Gabe von Antibiotika behandelt werden?
Es gibt wohl niemand, der sich
bewusst für krank machendes und
ethisch verantwortungsloses Essen
entscheidet. Liegt unser gedankenloses
Verhalten daran, dass wir
noch immer zu wenig über die
Herkunft von Lebensmitteln wissen?
Zu wenig darüber wissen,
wie unsere Ernährungsweise mit
den natürlichen Ressourcen und
unserer Gesundheit zusammenhängt?
Hat uns die Nahrungsmittelindustrie
mit ihrer die heile Welt
versprechenden Werbung den gesunden
Menschenverstand vernebelt?
Und ist uns darüber das Gespür
abhandengekommen für das,
was uns und unserem Körper guttut?
Für mich beginnt der Genuss eines Essens nicht beim Einkauf im
Supermarkt, sondern beim Ursprung der Nahrungsmittel. Ich möchte
gern wissen, was ich esse. Mir ist es nicht egal, ob das Fleisch, das
ich kaufe, von einem Tier stammt, das unter artgerechten Bedingungen
groß geworden ist, oder ob es in einem lichtlosen Stall auf ein
paar Quadratzentimetern dahinvegetiert hat. Ich will wissen, warum
im Supermarkt nur noch Apfelsorten wie Jonagold und Gala angeboten
werden, obwohl ich Renetteäpfel lieber mag. Ich frage mich, wo
die Tonnen an Giften landen, die wir sorglos auf unseren gesunden
Äckern und Böden versprühen und die wir Planzenschutzmittel nennen.
Ich möchte wissen, warum Nahrungsmittel für Kinder zu süß,
zu bunt, zu fett sind. Und vor allen Dingen frage ich mich, warum es
so viele stark verarbeitete Lebensmittel gibt.
Stark verarbeitete Lebensmittel werden aus billigen, ewig gleichen
chemischen Bausteinen zusammengesetzt, gefärbt, aromatisiert,
gesalzen, gezuckert, gepresst oder aufgebläht, konserviert und
dann in Plastik abgepackt. Ist es wirklich ein sinnliches Vergnügen,
solche Packungen aufzureißen und in die Mikrowelle oder den Ofen
zu stecken? Schmeckt Fastfood auch kalt oder wenn ich es langsam
esse? Ist diese Art von Essen wirklich ein Genuss? Fühle ich mich
danach besser? Gesättigt? Gestärkt? Verkörpert unsere Lebensmittelund
Agrarindustrie wirklich einen Fortschritt oder nicht eher ein
Fortschreiten, im Sinne von Wegschreiten?
Wir sind hier, in der sogenannten Ersten Welt, eingehüllt in einen
Nebel aus Reklameversprechen und Überluss. Wir können nicht
mehr erkennen, was wann warum auf unserem Tisch landet. Wir haben
unsere Neugier, unser Interesse verloren und greifen ohne nachzudenken
einfach zu dem, was man uns vorsetzt. Doch dieser Weg
endet zwangsläuig in der Sackgasse. Deshalb meine ich, ist es
höchste Zeit, den Schleier zu lüften. Um den Blick frei zu machen
auf das, was um uns herum geschieht, woher unser Essen kommt und
wie wir uns in Zukunft ernähren wollen und sollten.
Wir haben die Freiheit uns zu entscheiden, die Verantwortung für
unser eigenes Leben und das unserer Kinder zu übernehmen und
neue Wege zu gehen. Wir brauchen nicht bei Großkonzernen zu kaufen,
die ihre einzige Aufgabe darin sehen, ihren Proit zu maximieren
und weiter zu wachsen. Wir müssen keine Monopolisten unterstützen,
die kleinbäuerliche Vielfalt verhindern. Wir müssen keine Discounter
bestärken, die »billiger ist mehr« propagieren. Wir sollten
unsere Gier zügeln und nicht automatisch einen zweiten Kuchen
kaufen, ein zweites Paar Schuhe, weil es das dritte gratis dazu gibt.
So als wären der Herstellungsprozess und die Ressourcen nichts
wert. Als würde das einfache Mehr uns glücklich machen. Das macht
es nicht, wenn wir ehrlich sind. Zumindest nicht dauerhaft.
Wir sollten wieder selbst kochen und es unseren Kindern beibringen,
unseren Enkeln, Nachbarn und Freunden. Denn solange wir
unser Essen nicht selbst zubereiten können, sind wir von einer Lebensmittelindustrie
abhängig, die die Bezeichnung »Hersteller von
Lebensmitteln« nicht verdient, und besitzen keine Ernährungssouveränität
über unseren eigenen Körper. Schließlich gehört selbst zu kochen
und miteinander zu essen zu den schönsten und befriedigendsten
Dingen der Welt.
Wie wäre es, wenn wir kleine Anbieter unterstützen und versuchen
kleine Kreisläufe der regionalen Solidarität aufzubauen? Wie
wäre es, wenn wir unsere Ansprüche hinsichtlich der permanenten
Verfügbarkeit jeder Art von Wurst, frischer Brötchen um 7 Uhr
abends und Spargel im Winter beschränken? Und zwar ganz einfach
deshalb,
• weil die eigene sinnvolle Beschränkung Freude macht.
• weil wir dann nicht mehr Knecht unserer Gier sind, sondern
Herr unseres Genusses.
• weil wir dann nicht mehr dem Mehr und Billiger nachjagen und
uns hetzen, sondern genießen und unser eigenes kreatives Potenzial
wiederentdecken dürfen.
• weil wir mit einem neuen Bewusstsein und einem achtsamen
Umgang die weltweite Ernährungsgerechtigkeit unterstützen
und unsere Ressourcen schonen.
• weil wir als verantwortungsvolle Menschen endlich damit beginnen
wollen, den Preis für unser Verhalten und unsere Lebensweise selbst zu zahlen,
anstatt ihn auf die Natur und künftige
Generationen abzuwälzen.
• weil wir an unsere Mitmenschen denken. An unsere Familie.
Und an uns selbst.
• weil Qualität ihren Preis hat, haben darf und haben muss, wenn
sie nicht verschwinden soll.
Ein Blick über den Tellerrand
Wann genau ich aning, mich über das Kochen hinaus für die Herkunft
unseres Essens zu interessieren, kann ich nicht mehr genau
sagen. Aber jede Veränderung fängt ja mit dem Wahrnehmen an. Mit
der eigenen Aufmerksamkeit für all das, was einen umgibt. Mit der
Achtsamkeit für das, was man mit den Augen, Ohren, den Händen,
der Nase und dem Geschmackssinn spürt und erlebt.
Als ich noch zur Schule ging, habe ich einen Kochkurs gemacht,
ohne mich daran erinnern zu können, welche Motivation ich damals
hatte. Später war ich Küchenhilfe in den Restaurants meines Vaters,
weil ich Geld verdienen wollte und mir kein besserer Job angeboten
wurde.
Schnell war ich vom Backen und Kochen fasziniert und wollte
mehr darüber wissen. Und mich selbst ausprobieren. Ich wollte am
liebsten sofort alle Kochbuchtheorien in die Praxis umsetzen. Aber je
mehr ich über das Kochen begreifen wollte, desto mehr musste ich
über die Lebensmittel wissen, die ich verarbeitete. Damals beschränkte
sich für mich die Frage nach der Qualität auf die Frische,
die Reife und die Sorte des Produkts.
Dass verschiedene Mehle sich ganz unterschiedlich verhalten
konnten, erstaunte mich. Auch dass Kiwi die Milch gerinnen lässt
und Mayonnaise so einfach selbst zu machen ist, hatte ich vorher
nicht gewusst. Unmerklich hatte ich mich auf eine lange Reise ewigen
Lernens begeben, weil es mich faszinierte zu sehen, wie gute,
aber doch schlichte Grundnahrungsmittel mit einem Schnipp zu etwas
ganz Köstlichem werden konnten.
Ich habe schon immer frisch gekocht und meinen Gästen, den
Kunden genauso wie Freunden, nur das serviert, was ich selbst gerne
essen wollte. Denn ich habe das Nähren von anderen immer als eine
besondere, sehr verantwortungsvolle Aufgabe begriffen.
Früher habe ich intuitiv gekocht und intuitiv bestimmte Dinge abgelehnt,
wie zum Beispiel eine Mikrowelle, die »Arbeitserleichterung
« durch vorgeschälte oder geschwefelte Kartoffeln und diverse
»Küchenhelfer«, die einem die Arbeit abnehmen sollten. Was einem
tatsächlich abgenommen wird, ist die Verantwortung, das selbstständige
Denken und das Tun dessen, was man doch eigentlich gerne tut.
Ich möchte riechen, sehen und mit meinen Händen fühlen, was ich
zubereite. Erst dann fühle ich mich als Köchin glücklich und fähig,
ein gutes, stärkendes, beglückendes Mahl zu servieren.
Ich hatte - wohl auch dank meiner Erziehung - schon früh eine
Vorliebe für unverarbeitete und unbehandelte Lebensmittel. Trotzdem
dachte ich: Eine Tomate ist eine Tomate. Als ich dann das erste
Mal von Monokulturen hörte, die viel Gift benötigen, damit die natürlichen
Fressfeinde von Tomaten dank des reich gedeckten Tisches
nicht gleich in ganzen Schwärmen über die Früchte herfallen, war
dies eines meiner Erweckungserlebnisse. Besprühen wir wirklich
unsere Nahrungsmittel mit Gift, damit wir sie essen können?
Das zweite Aha-Erlebnis hatte ich, als mir jemand sagte, Planzenschutzmittel
seien ja eigentlich das Gegenteil von dem, was sie vorgeben
zu sein. Planzenschutzmittel sind hochgiftige Stoffe, die keinen
anderen Zweck haben, als Leben zu zerstören. Und zwar in erster
Linie das von Planzen. Allein diese Erkenntnis hat mich so sehr beschäftigt,
dass ich darüber mehr wissen wollte. Und wie das so ist:
Wenn man erst einmal ein Bewusstsein für ein bestimmtes Thema
entwickelt hat, dann will und kann man nicht mehr aufhören.
Viele von uns sind schon dabei umzudenken, nach neuen Wegen
zu suchen und sich die richtigen Fragen zu stellen. So wie die nach
gesundem Essen. Heute habe ich in mancher Hinsicht sicher eine
radikalere Meinung als der Großteil unserer Gesellschaft. Zum einen,
weil ich mich intensiv mit der Landwirtschaft, dem Anbau von
Planzen und der Aufzucht von Tieren beschäftige. Zum anderen
aber auch, weil ich so vieles gesehen habe, das mich zum Nachdenken
gebracht hat und zu einer entschiedenen Haltung hat inden lassen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass ein verantwortungsvoller Umgang
mit der Erde nur möglich ist, wenn wir zu einem grundlegend neuen Bewusstsein,
zu mehr Achtsamkeit und sinnvoller Selbstbeschränkung finden.
Noch vor wenigen Jahren hat sich kaum jemand gefragt, wie beispielsweise
unsere Nutztiere gehalten werden. Wir haben uns auch
keine großen Gedanken darüber gemacht, wie bestimmte Inhaltsstoffe
aus ganz alltäglichen Gegenständen wie Kosmetika, Shampoo und
auch Medikamenten auf unsere Gesundheit und (Um-)Welt wirken.
Wir haben beim Einkaufen nicht darüber nachgedacht, dass die Plastiktüte,
in der wir unsere Einkäufe verstauen, nicht einfach verschwindet,
nur weil sie für uns nicht mehr sichtbar ist, nachdem wir
sie weggeworfen haben. Wir haben uns wahrscheinlich auch keine
Gedanken über die möglichen Folgen von gentechnisch veränderten
Lebens- oder Futtermitteln wie Mais oder Sojabohnen gemacht.
Ebenso wenig darüber, dass bestimmte Stoffe wie Aluminium, Polystyrol,
Polyester oder auch Kaugummi und Burger von bekannten
Fastfoodketten niemals verrotten oder aber Hunderte von Jahren
brauchen, um sich zu zersetzen. Selbst die Erkenntnis, dass Planzenschutzmittel
nichts anderes sind als Vernichtungsmittel, die im
schlimmsten Fall - wie beim Dioxin - sogar als Massenvernichtungswaffen
in Kriegen eingesetzt worden sind, sickerte erst langsam
in unser Bewusstsein.
Vor einiger Zeit war ich in Rumänien und habe dort einen sympathischen
Selbstversorger kennengelernt, der einen recht kleinen Garten
hatte. Auf seinen vielleicht hundert Quadratmetern wuchsen Trauben
für den eigenen Wein, Auberginen, Zwetschgen, Birnen, Äpfel,
Pirsiche, Artischocken, Knoblauch, Kohlrabi, drei Sorten Tomaten,
Kürbis, Zucchini, Zwiebeln, Erdbeeren, Sauerampfer, wilde Rauke,
Karotten und Paprika. Das ist nur das, was ich behalten habe, ich bin
sicher, er hatte noch viel mehr. Es wucherte alles kreuz und quer. Jeder
Zentimeter Boden war mit Planzen bedeckt. Und wie er erzählte,
wächst alles wie von selbst. Er wirft nur immer die Samen hin oder
lässt ein paar Tomaten liegen. Alles, was er erntete, aber nicht aß
(z. B. Stängel), schnippelte er klein und verteilte es wieder auf dem
Boden. Was ich da sah, war eine Art Permakultur unter wilden Umständen.
Ich war fasziniert!
Die meisten Produktionsprozesse unserer Lebensmittel aber inden
nicht nachvollziehbar vor unseren Augen statt, sondern hinter geschlossenen
Stalltüren oder in Laboratorien. Viele Produkte sind absolut
überlüssig. Aber sie sind auf dem Markt und damit für uns so
normal, dass wir sie erst einmal gar nicht in Frage stellen.
Doch indem wir die Gesetzmäßigkeiten des Marktes einfach hinnehmen,
haben wir innerhalb von wenigen Jahrzehnten unabsehbare
Veränderungen für viele künftige Generationen eingeleitet.
Die (Grüne) Revolution frisst ihre Kinder
Einer der größten Feldzüge gegen die Natur war die Ende der 1950er
Jahre eingeleitete »Grüne Revolution«, mit der die Zerstörung dessen
begann, wovon wir alle leben: reine Luft und sauberes Wasser,
gesunde Böden und funktionierende Ökokreisläufe.
Der Grundgedanke der Grünen Revolution war, den Welthunger
zu beseitigen. Dazu war jedes Mittel recht, also auch die Entwicklung
moderner Hochleistungs- bzw. Hochertragssorten von Weizen,
Mais und Bohnen. Sicher, ohne diese Bemühungen würden heute
187 Millionen Menschen mehr hungern.1 Aber der Preis dafür ist
hoch und noch nicht abbezahlt: Durch den intensiven Einsatz von
Mineraldüngern, Pestiziden und künstlicher Bewässerung werden
Grundwasser und Gewässer verunreinigt; Nützlinge und Wildtiere
leiden, und die Gesundheit der Bauern ist gefährdet. Nicht zu vergessen
der massive Einsatz fossiler Energien für Dünger, Pestizide und
Maschinen. Zudem sind die Bauern abhängig von Großkonzernen,
denn das Saatgut von Hochertragssorten ist oft steril.
Das bedeutet, sie können ihr eigenes Getreide nicht einmal mehr zur Aussaat
verwenden - was laut Internationalem Patentrecht, das die Saatgutlobby
schützt, sowieso verboten wäre. Auch Erntezyklen werden verändert,
so dass es zu Schädlingsplagen kommt. In den Reisfeldern Süd- und Südostasiens
beispielsweise können sich die Zikaden aufgrund
extrem häuiger Ernten das ganze Jahr über ungehindert vermehren.
Zwar konnte die Grüne Revolution den weltweiten Hunger bis zu
einem gewissen Grad ausbremsen und gab der Agrarwirtschaft in
Asien und Lateinamerika einen Riesenschub, verschwunden ist der
Nahrungsmangel jedoch bei Weitem nicht. Und die Folgen für die
Natur und die Kleinbauern in den Ländern sind verheerend. Die neuen
Getreidesorten erfordern den großlächigen Anbau, um wirtschaftlich
efizient zu sein. Infolgedessen mussten Bauern, die nur
kleine Äcker bewirtschafteten, weichen. Sie wanderten in Städte ab
und landeten in Elendsvierteln. Oder sie fällten Bäume in den tropischen
Wäldern und vermehrten so die Anbauläche.
Die Lebensmittelproduktion wurde also nicht nur durch verbesserte Technologie
gesteigert, sondern auch durch die Gewinnung größerer Nutzlächen
- indem Regenwälder und Savannen zerstört wurden. Laut dem
»Spiegel«-Artikel »Die immergrüne Revolution« (vom 20.9.2010)
häufen sich die Warnzeichen für negative Folgen der Grünen Revolution.
So ielen in Russland im Sommer 2010 Millionen Hektar Getreide-
Monokulturen der Dürre und Bränden zum Opfer. Und warum?
Weil Moore trockengelegt worden waren. Zudem stellt uns der
Klimawandel vor weitere Herausforderungen, denn durch ihn drohen
künftig häuiger extreme Wetterlagen wie Dürren oder Überschwemmungen.
Hans-Heinrich Bass, Professor für internationale Wirtschaft an
der Hochschule Bremen und Direktor des dortigen Institute for
Transport and Development, fordert sogar eine »Grüne Renaissance
«. Er sagt: »Die Erträge moderner organischer Landwirtschaft
können auch in den Tropen ähnlich hoch sein wie die in der konventionell
modernisierten Landwirtschaft. Das zeigten Studien der UN-Konferenz für
Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Uganda
und Tansania. Zudem ist die organische Landwirtschaft nachhaltig.
Sie verbraucht und verschmutzt weniger Wasser, erhält die Bodenfruchtbarkeit
und kommt ohne teure synthetische Dünger, Insektizide
oder Pestizide aus.«
Der Preis für die Millionen geretteter Menschenleben ist hoch.
Dabei ist der Hunger offenbar kein Problem der Produktion von Lebensmitteln,
sondern vor allem ihrer Verteilung. Der Gegenentwurf,
so betonen viele Wissenschaftler, darunter auch der Agrarwissenschaftler
und Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft
(BÖLW), Felix zu Löwenstein, kann nur eine ökologisch
verträgliche kleinbäuerliche Landwirtschaft mit dem Ziel einer
weltweit gesicherten Ernährungslage sein.
©Goldmann
Ich sitze da und frage mich: Warum essen wir lauter Dinge, von
denen wir nicht wissen, was drin ist? Warum essen wir plastikverpackte
Fertigprodukte, die uns und die Natur krank machen? Warum
essen wir Fleisch von Tieren, die ein Leben lang Stress hatten, weil
sie nicht artgerecht gehalten wurden? Wer will, dass die durch Massentierhaltung
auftretenden Krankheiten mit einer verantwortungslos
hohen Gabe von Antibiotika behandelt werden?
Es gibt wohl niemand, der sich
bewusst für krank machendes und
ethisch verantwortungsloses Essen
entscheidet. Liegt unser gedankenloses
Verhalten daran, dass wir
noch immer zu wenig über die
Herkunft von Lebensmitteln wissen?
Zu wenig darüber wissen,
wie unsere Ernährungsweise mit
den natürlichen Ressourcen und
unserer Gesundheit zusammenhängt?
Hat uns die Nahrungsmittelindustrie
mit ihrer die heile Welt
versprechenden Werbung den gesunden
Menschenverstand vernebelt?
Und ist uns darüber das Gespür
abhandengekommen für das,
was uns und unserem Körper guttut?
Für mich beginnt der Genuss eines Essens nicht beim Einkauf im
Supermarkt, sondern beim Ursprung der Nahrungsmittel. Ich möchte
gern wissen, was ich esse. Mir ist es nicht egal, ob das Fleisch, das
ich kaufe, von einem Tier stammt, das unter artgerechten Bedingungen
groß geworden ist, oder ob es in einem lichtlosen Stall auf ein
paar Quadratzentimetern dahinvegetiert hat. Ich will wissen, warum
im Supermarkt nur noch Apfelsorten wie Jonagold und Gala angeboten
werden, obwohl ich Renetteäpfel lieber mag. Ich frage mich, wo
die Tonnen an Giften landen, die wir sorglos auf unseren gesunden
Äckern und Böden versprühen und die wir Planzenschutzmittel nennen.
Ich möchte wissen, warum Nahrungsmittel für Kinder zu süß,
zu bunt, zu fett sind. Und vor allen Dingen frage ich mich, warum es
so viele stark verarbeitete Lebensmittel gibt.
Stark verarbeitete Lebensmittel werden aus billigen, ewig gleichen
chemischen Bausteinen zusammengesetzt, gefärbt, aromatisiert,
gesalzen, gezuckert, gepresst oder aufgebläht, konserviert und
dann in Plastik abgepackt. Ist es wirklich ein sinnliches Vergnügen,
solche Packungen aufzureißen und in die Mikrowelle oder den Ofen
zu stecken? Schmeckt Fastfood auch kalt oder wenn ich es langsam
esse? Ist diese Art von Essen wirklich ein Genuss? Fühle ich mich
danach besser? Gesättigt? Gestärkt? Verkörpert unsere Lebensmittelund
Agrarindustrie wirklich einen Fortschritt oder nicht eher ein
Fortschreiten, im Sinne von Wegschreiten?
Wir sind hier, in der sogenannten Ersten Welt, eingehüllt in einen
Nebel aus Reklameversprechen und Überluss. Wir können nicht
mehr erkennen, was wann warum auf unserem Tisch landet. Wir haben
unsere Neugier, unser Interesse verloren und greifen ohne nachzudenken
einfach zu dem, was man uns vorsetzt. Doch dieser Weg
endet zwangsläuig in der Sackgasse. Deshalb meine ich, ist es
höchste Zeit, den Schleier zu lüften. Um den Blick frei zu machen
auf das, was um uns herum geschieht, woher unser Essen kommt und
wie wir uns in Zukunft ernähren wollen und sollten.
Wir haben die Freiheit uns zu entscheiden, die Verantwortung für
unser eigenes Leben und das unserer Kinder zu übernehmen und
neue Wege zu gehen. Wir brauchen nicht bei Großkonzernen zu kaufen,
die ihre einzige Aufgabe darin sehen, ihren Proit zu maximieren
und weiter zu wachsen. Wir müssen keine Monopolisten unterstützen,
die kleinbäuerliche Vielfalt verhindern. Wir müssen keine Discounter
bestärken, die »billiger ist mehr« propagieren. Wir sollten
unsere Gier zügeln und nicht automatisch einen zweiten Kuchen
kaufen, ein zweites Paar Schuhe, weil es das dritte gratis dazu gibt.
So als wären der Herstellungsprozess und die Ressourcen nichts
wert. Als würde das einfache Mehr uns glücklich machen. Das macht
es nicht, wenn wir ehrlich sind. Zumindest nicht dauerhaft.
Wir sollten wieder selbst kochen und es unseren Kindern beibringen,
unseren Enkeln, Nachbarn und Freunden. Denn solange wir
unser Essen nicht selbst zubereiten können, sind wir von einer Lebensmittelindustrie
abhängig, die die Bezeichnung »Hersteller von
Lebensmitteln« nicht verdient, und besitzen keine Ernährungssouveränität
über unseren eigenen Körper. Schließlich gehört selbst zu kochen
und miteinander zu essen zu den schönsten und befriedigendsten
Dingen der Welt.
Wie wäre es, wenn wir kleine Anbieter unterstützen und versuchen
kleine Kreisläufe der regionalen Solidarität aufzubauen? Wie
wäre es, wenn wir unsere Ansprüche hinsichtlich der permanenten
Verfügbarkeit jeder Art von Wurst, frischer Brötchen um 7 Uhr
abends und Spargel im Winter beschränken? Und zwar ganz einfach
deshalb,
• weil die eigene sinnvolle Beschränkung Freude macht.
• weil wir dann nicht mehr Knecht unserer Gier sind, sondern
Herr unseres Genusses.
• weil wir dann nicht mehr dem Mehr und Billiger nachjagen und
uns hetzen, sondern genießen und unser eigenes kreatives Potenzial
wiederentdecken dürfen.
• weil wir mit einem neuen Bewusstsein und einem achtsamen
Umgang die weltweite Ernährungsgerechtigkeit unterstützen
und unsere Ressourcen schonen.
• weil wir als verantwortungsvolle Menschen endlich damit beginnen
wollen, den Preis für unser Verhalten und unsere Lebensweise selbst zu zahlen,
anstatt ihn auf die Natur und künftige
Generationen abzuwälzen.
• weil wir an unsere Mitmenschen denken. An unsere Familie.
Und an uns selbst.
• weil Qualität ihren Preis hat, haben darf und haben muss, wenn
sie nicht verschwinden soll.
Ein Blick über den Tellerrand
Wann genau ich aning, mich über das Kochen hinaus für die Herkunft
unseres Essens zu interessieren, kann ich nicht mehr genau
sagen. Aber jede Veränderung fängt ja mit dem Wahrnehmen an. Mit
der eigenen Aufmerksamkeit für all das, was einen umgibt. Mit der
Achtsamkeit für das, was man mit den Augen, Ohren, den Händen,
der Nase und dem Geschmackssinn spürt und erlebt.
Als ich noch zur Schule ging, habe ich einen Kochkurs gemacht,
ohne mich daran erinnern zu können, welche Motivation ich damals
hatte. Später war ich Küchenhilfe in den Restaurants meines Vaters,
weil ich Geld verdienen wollte und mir kein besserer Job angeboten
wurde.
Schnell war ich vom Backen und Kochen fasziniert und wollte
mehr darüber wissen. Und mich selbst ausprobieren. Ich wollte am
liebsten sofort alle Kochbuchtheorien in die Praxis umsetzen. Aber je
mehr ich über das Kochen begreifen wollte, desto mehr musste ich
über die Lebensmittel wissen, die ich verarbeitete. Damals beschränkte
sich für mich die Frage nach der Qualität auf die Frische,
die Reife und die Sorte des Produkts.
Dass verschiedene Mehle sich ganz unterschiedlich verhalten
konnten, erstaunte mich. Auch dass Kiwi die Milch gerinnen lässt
und Mayonnaise so einfach selbst zu machen ist, hatte ich vorher
nicht gewusst. Unmerklich hatte ich mich auf eine lange Reise ewigen
Lernens begeben, weil es mich faszinierte zu sehen, wie gute,
aber doch schlichte Grundnahrungsmittel mit einem Schnipp zu etwas
ganz Köstlichem werden konnten.
Ich habe schon immer frisch gekocht und meinen Gästen, den
Kunden genauso wie Freunden, nur das serviert, was ich selbst gerne
essen wollte. Denn ich habe das Nähren von anderen immer als eine
besondere, sehr verantwortungsvolle Aufgabe begriffen.
Früher habe ich intuitiv gekocht und intuitiv bestimmte Dinge abgelehnt,
wie zum Beispiel eine Mikrowelle, die »Arbeitserleichterung
« durch vorgeschälte oder geschwefelte Kartoffeln und diverse
»Küchenhelfer«, die einem die Arbeit abnehmen sollten. Was einem
tatsächlich abgenommen wird, ist die Verantwortung, das selbstständige
Denken und das Tun dessen, was man doch eigentlich gerne tut.
Ich möchte riechen, sehen und mit meinen Händen fühlen, was ich
zubereite. Erst dann fühle ich mich als Köchin glücklich und fähig,
ein gutes, stärkendes, beglückendes Mahl zu servieren.
Ich hatte - wohl auch dank meiner Erziehung - schon früh eine
Vorliebe für unverarbeitete und unbehandelte Lebensmittel. Trotzdem
dachte ich: Eine Tomate ist eine Tomate. Als ich dann das erste
Mal von Monokulturen hörte, die viel Gift benötigen, damit die natürlichen
Fressfeinde von Tomaten dank des reich gedeckten Tisches
nicht gleich in ganzen Schwärmen über die Früchte herfallen, war
dies eines meiner Erweckungserlebnisse. Besprühen wir wirklich
unsere Nahrungsmittel mit Gift, damit wir sie essen können?
Das zweite Aha-Erlebnis hatte ich, als mir jemand sagte, Planzenschutzmittel
seien ja eigentlich das Gegenteil von dem, was sie vorgeben
zu sein. Planzenschutzmittel sind hochgiftige Stoffe, die keinen
anderen Zweck haben, als Leben zu zerstören. Und zwar in erster
Linie das von Planzen. Allein diese Erkenntnis hat mich so sehr beschäftigt,
dass ich darüber mehr wissen wollte. Und wie das so ist:
Wenn man erst einmal ein Bewusstsein für ein bestimmtes Thema
entwickelt hat, dann will und kann man nicht mehr aufhören.
Viele von uns sind schon dabei umzudenken, nach neuen Wegen
zu suchen und sich die richtigen Fragen zu stellen. So wie die nach
gesundem Essen. Heute habe ich in mancher Hinsicht sicher eine
radikalere Meinung als der Großteil unserer Gesellschaft. Zum einen,
weil ich mich intensiv mit der Landwirtschaft, dem Anbau von
Planzen und der Aufzucht von Tieren beschäftige. Zum anderen
aber auch, weil ich so vieles gesehen habe, das mich zum Nachdenken
gebracht hat und zu einer entschiedenen Haltung hat inden lassen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass ein verantwortungsvoller Umgang
mit der Erde nur möglich ist, wenn wir zu einem grundlegend neuen Bewusstsein,
zu mehr Achtsamkeit und sinnvoller Selbstbeschränkung finden.
Noch vor wenigen Jahren hat sich kaum jemand gefragt, wie beispielsweise
unsere Nutztiere gehalten werden. Wir haben uns auch
keine großen Gedanken darüber gemacht, wie bestimmte Inhaltsstoffe
aus ganz alltäglichen Gegenständen wie Kosmetika, Shampoo und
auch Medikamenten auf unsere Gesundheit und (Um-)Welt wirken.
Wir haben beim Einkaufen nicht darüber nachgedacht, dass die Plastiktüte,
in der wir unsere Einkäufe verstauen, nicht einfach verschwindet,
nur weil sie für uns nicht mehr sichtbar ist, nachdem wir
sie weggeworfen haben. Wir haben uns wahrscheinlich auch keine
Gedanken über die möglichen Folgen von gentechnisch veränderten
Lebens- oder Futtermitteln wie Mais oder Sojabohnen gemacht.
Ebenso wenig darüber, dass bestimmte Stoffe wie Aluminium, Polystyrol,
Polyester oder auch Kaugummi und Burger von bekannten
Fastfoodketten niemals verrotten oder aber Hunderte von Jahren
brauchen, um sich zu zersetzen. Selbst die Erkenntnis, dass Planzenschutzmittel
nichts anderes sind als Vernichtungsmittel, die im
schlimmsten Fall - wie beim Dioxin - sogar als Massenvernichtungswaffen
in Kriegen eingesetzt worden sind, sickerte erst langsam
in unser Bewusstsein.
Vor einiger Zeit war ich in Rumänien und habe dort einen sympathischen
Selbstversorger kennengelernt, der einen recht kleinen Garten
hatte. Auf seinen vielleicht hundert Quadratmetern wuchsen Trauben
für den eigenen Wein, Auberginen, Zwetschgen, Birnen, Äpfel,
Pirsiche, Artischocken, Knoblauch, Kohlrabi, drei Sorten Tomaten,
Kürbis, Zucchini, Zwiebeln, Erdbeeren, Sauerampfer, wilde Rauke,
Karotten und Paprika. Das ist nur das, was ich behalten habe, ich bin
sicher, er hatte noch viel mehr. Es wucherte alles kreuz und quer. Jeder
Zentimeter Boden war mit Planzen bedeckt. Und wie er erzählte,
wächst alles wie von selbst. Er wirft nur immer die Samen hin oder
lässt ein paar Tomaten liegen. Alles, was er erntete, aber nicht aß
(z. B. Stängel), schnippelte er klein und verteilte es wieder auf dem
Boden. Was ich da sah, war eine Art Permakultur unter wilden Umständen.
Ich war fasziniert!
Die meisten Produktionsprozesse unserer Lebensmittel aber inden
nicht nachvollziehbar vor unseren Augen statt, sondern hinter geschlossenen
Stalltüren oder in Laboratorien. Viele Produkte sind absolut
überlüssig. Aber sie sind auf dem Markt und damit für uns so
normal, dass wir sie erst einmal gar nicht in Frage stellen.
Doch indem wir die Gesetzmäßigkeiten des Marktes einfach hinnehmen,
haben wir innerhalb von wenigen Jahrzehnten unabsehbare
Veränderungen für viele künftige Generationen eingeleitet.
Die (Grüne) Revolution frisst ihre Kinder
Einer der größten Feldzüge gegen die Natur war die Ende der 1950er
Jahre eingeleitete »Grüne Revolution«, mit der die Zerstörung dessen
begann, wovon wir alle leben: reine Luft und sauberes Wasser,
gesunde Böden und funktionierende Ökokreisläufe.
Der Grundgedanke der Grünen Revolution war, den Welthunger
zu beseitigen. Dazu war jedes Mittel recht, also auch die Entwicklung
moderner Hochleistungs- bzw. Hochertragssorten von Weizen,
Mais und Bohnen. Sicher, ohne diese Bemühungen würden heute
187 Millionen Menschen mehr hungern.1 Aber der Preis dafür ist
hoch und noch nicht abbezahlt: Durch den intensiven Einsatz von
Mineraldüngern, Pestiziden und künstlicher Bewässerung werden
Grundwasser und Gewässer verunreinigt; Nützlinge und Wildtiere
leiden, und die Gesundheit der Bauern ist gefährdet. Nicht zu vergessen
der massive Einsatz fossiler Energien für Dünger, Pestizide und
Maschinen. Zudem sind die Bauern abhängig von Großkonzernen,
denn das Saatgut von Hochertragssorten ist oft steril.
Das bedeutet, sie können ihr eigenes Getreide nicht einmal mehr zur Aussaat
verwenden - was laut Internationalem Patentrecht, das die Saatgutlobby
schützt, sowieso verboten wäre. Auch Erntezyklen werden verändert,
so dass es zu Schädlingsplagen kommt. In den Reisfeldern Süd- und Südostasiens
beispielsweise können sich die Zikaden aufgrund
extrem häuiger Ernten das ganze Jahr über ungehindert vermehren.
Zwar konnte die Grüne Revolution den weltweiten Hunger bis zu
einem gewissen Grad ausbremsen und gab der Agrarwirtschaft in
Asien und Lateinamerika einen Riesenschub, verschwunden ist der
Nahrungsmangel jedoch bei Weitem nicht. Und die Folgen für die
Natur und die Kleinbauern in den Ländern sind verheerend. Die neuen
Getreidesorten erfordern den großlächigen Anbau, um wirtschaftlich
efizient zu sein. Infolgedessen mussten Bauern, die nur
kleine Äcker bewirtschafteten, weichen. Sie wanderten in Städte ab
und landeten in Elendsvierteln. Oder sie fällten Bäume in den tropischen
Wäldern und vermehrten so die Anbauläche.
Die Lebensmittelproduktion wurde also nicht nur durch verbesserte Technologie
gesteigert, sondern auch durch die Gewinnung größerer Nutzlächen
- indem Regenwälder und Savannen zerstört wurden. Laut dem
»Spiegel«-Artikel »Die immergrüne Revolution« (vom 20.9.2010)
häufen sich die Warnzeichen für negative Folgen der Grünen Revolution.
So ielen in Russland im Sommer 2010 Millionen Hektar Getreide-
Monokulturen der Dürre und Bränden zum Opfer. Und warum?
Weil Moore trockengelegt worden waren. Zudem stellt uns der
Klimawandel vor weitere Herausforderungen, denn durch ihn drohen
künftig häuiger extreme Wetterlagen wie Dürren oder Überschwemmungen.
Hans-Heinrich Bass, Professor für internationale Wirtschaft an
der Hochschule Bremen und Direktor des dortigen Institute for
Transport and Development, fordert sogar eine »Grüne Renaissance
«. Er sagt: »Die Erträge moderner organischer Landwirtschaft
können auch in den Tropen ähnlich hoch sein wie die in der konventionell
modernisierten Landwirtschaft. Das zeigten Studien der UN-Konferenz für
Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Uganda
und Tansania. Zudem ist die organische Landwirtschaft nachhaltig.
Sie verbraucht und verschmutzt weniger Wasser, erhält die Bodenfruchtbarkeit
und kommt ohne teure synthetische Dünger, Insektizide
oder Pestizide aus.«
Der Preis für die Millionen geretteter Menschenleben ist hoch.
Dabei ist der Hunger offenbar kein Problem der Produktion von Lebensmitteln,
sondern vor allem ihrer Verteilung. Der Gegenentwurf,
so betonen viele Wissenschaftler, darunter auch der Agrarwissenschaftler
und Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft
(BÖLW), Felix zu Löwenstein, kann nur eine ökologisch
verträgliche kleinbäuerliche Landwirtschaft mit dem Ziel einer
weltweit gesicherten Ernährungslage sein.
©Goldmann
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Autoren-Porträt von Sarah Wiener
Sarah Wiener wurde 1962 in Halle (Westfalen) geboren als Tochter eines österreichischen Schriftstellers und Jazzmusikers und einer bildenden Künstlerin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Wien. In den frühen 1980er-Jahren zog sie nach Berlin, wo ihr Vater zwei bekannte Künstlerrestaurants führte. 1990 begann ihre gastronomische Karriere nach der Gründung einer Cateringfirma. Heute ist sie eine der bekanntesten Spitzenköchinnen Deutschlands und leitet unter anderem ein biozertifiziertes Restaurant sowie eine Holzofenbäckerei. Sie engagiert sich für gesundes Essen, Qualität in der Lebensmittelproduktion, artgerechte Tierhaltung und gegen Genfood. 2007 initiierte sie die Sarah Wiener Stiftung, die sich "für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen" einsetzt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sarah Wiener
- 2017, 320 Seiten, 90 farbige Abbildungen, Maße: 13,5 x 20,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442176859
- ISBN-13: 9783442176854
- Erscheinungsdatum: 12.04.2017
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