Zurück aus Afrika
Nach der langen Abwesenheit und dem Leben in einer ganz und gar andersartigen, fast archaischen Welt muss Corinne Hofmann so manche Fähigkeit, die ein Leben in Mitteleuropa erfordert, neu erlernen.
Doch mit der gleichen Stärke, dem Mut und dem...
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Nach der langen Abwesenheit und dem Leben in einer ganz und gar andersartigen, fast archaischen Welt muss Corinne Hofmann so manche Fähigkeit, die ein Leben in Mitteleuropa erfordert, neu erlernen.
Doch mit der gleichen Stärke, dem Mut und dem Optimismus, mit denen sie die Herausforderungen in Kenia bewältigte, baut sie für sich und ihre kleine Tochter eine neue Existenz auf.
Während dieser Zeit hält sie durch viele Briefe und finanzielle Hilfe den Kontakt zu ihrer ''afrikanischen Familie''.
Eines Tages kehrt sie zurück und blickt vom Dach Afrikas, dem Kilimandscharo, in die Weiten der kenianischen Steppe.
Nach dem Leben in einer fast archaischen Welt muss Corinne Hofmann so manche Fähigkeit neu erlernen, die das Leben in der »Welt der Weißen« erfordert. Doch mit der gleichen Stärke, dem Mut und dem Optimismus, mit denen sie die Herausforderungen in Kenia bewältigte, baut sie für sich und ihre kleine Tochter eine neue Existenz auf.
Während dieser Zeit hält sie durch viele Briefe den Kontakt zu ihrer »afrikanischen Familie«. Eines Tages kehrt sie zurück und blickt vom Dach Afrikas, dem Kilimandscharo, in die Weiten des kenianischen Hochlandes ...
Von der Autorin des Bestsellers »Die weiße Massai«.
Zurückaus Afrika von CorinneHofmann
LESEPROBE
Ankunft inder »weißen Welt«
Wie aus weiter Ferne höre ich eine Stimme: »Hallo hallo, aufwachen!« Plötzlichspüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich öffne die Augen und weiß im erstenMoment nicht, wo ich mich befinde. Als mein Blick auf das Bettchen vor meinenFüßen fällt und ich meine Tochter Napirai entdecke, fällt es mir schlagartigwieder ein: Ich bin im Flugzeug. Die Dame neben mir nimmt ihre Hand von meinerSchulter und meint lachend: »Sie und Ihr Baby haben aber tief geschlafen. Wirlanden in Kürze in Zürich und Sie haben alle Mahlzeiten verpasst.« Ich kann eskaum fassen: Wir haben es geschafft. Wir sind raus aus Kenia. Meine Tochter undich sind frei! Sofort erinnere ich mich an die letzten Aufregungen in Nairobibei der Passkontrolle. Der Mann schaut uns an und fragt: »Is this your child?« Napiraischläft im Kanga auf meinem Rücken und ich antworte: »Yes.« Er blättert inihrem Kinderausweis und in meinem Pass herum. »Warum wollen Sie mit Ihrer Tochterausreisen?«, ist die nächste Frage. »Ich möchte meiner Mutter ihre Enkelinzeigen.« »Warum ist Ihr Mann nicht dabei?« Er müsse arbeiten und Geldverdienen, erkläre ich möglichst gelassen. Der Mann blickt mich streng an undsagt, er wolle das Gesicht des Kindes besser sehen. Ich solle es aufwecken undmit seinem Namen ansprechen. Jetzt werde ich noch nervöser. Napirai, etwas mehrals fünfzehn Monate alt, erwacht und schaut sich verschlafen um. Der Mann fragtsie ständig nach ihrem Namen. Napirai sagt nichts, stattdessen werden ihreMundwinkel immer länger und plötzlich weint sie. Ich versuche sie schnell zuberuhigen, weil ich voller Sorge bin, dass noch in letzter Minute alles schiefläuft und wir dieses Land nicht verlassen können. Der Mann dreht Napiraisdeutschen Kinderausweis hin und her und fragt mit strengem Ton: »Warum hat siebei einem kenianischen Vater einen deutschen Reisepass? Ist das wirklich IhreTochter?« Immer mehr Fragen trommeln auf mich ein und ich bin vor Angst inSchweiß gebadet. So ruhig wie möglich erkläre ich, dass mein Mann eintraditioneller Massai sei, keinen Pass bekommen habe und wir in der Kürze nurdiesen Reisepass beschaffen konnten. Ich sei aber in drei Wochen zurück undwürde mich dann um einen kenianischen Pass bemühen. Dabei schiebe ich ihmnochmals den von meinem Mann unterschriebenen Brief zu und bete leise vor michhin: »Lieber Gott, lass uns nicht im Stich, lass uns diese paar Meter bis zumFlugzeug kommen!« Hinter uns drängen sich mehrere Touristen und beobachtenentnervt die Szene. Der Mann schaut mich noch einmal sehr durchdringend an,schweigt ein paar Sekunden und dann blitzen seine weißen Zähne, als er miteinem breiten Grinsen sagt: »Okay! Gute Reise und bis in drei Wochen. BringenSie Ihrem Mann etwas Schönes mit!« Das alles geht mir durch den Kopf, als ichnoch immer sehr müde meine kleine Tochter zu mir hochhebe und ihr die Brustgebe. Meine Gefühle sind nun, kurz vor der Landung, sehr gemischt. Was wirdmeine Mutter sagen? Werden sie und ihr Mann überhaupt am Flughafen sein? Wiesoll alles weitergehen? Wie sage ich ihr, dass dies kein Urlaub ist, sonderndass ich vor meiner einstigen großen Liebe geflohen bin und keine Kraft undkeinen Mut mehr habe zurückzugehen? Ich weiß es nicht. Kopfschüttelnd, wie um dieseGedanken loszuwerden, packe ich alles zusammen. Das Flugzeug setzt zur Landungan und wieder spüre ich diese enorme Erleichterung: Ich 8 habe meine Tochteraus Kenia herausbekommen. Wir haben es geschafft! Mit Napirai auf dem Rückenlaufe ich durch das Flughafengelände und fühle mich in meinem geflickteneinfachen Rock, dem kurzärmeligen T-Shirt und den Sandalen am kühlen 6. Oktober1990 etwas fehl am Platz. Die Menschen, so kommt es mir vor, mustern michziemlich befremdet. Endlich sehe ich meine Mutter und ihren Mann. Freudig geheich auf sie zu, merke aber sofort, dass sie beim Anblick meiner mageren Figurerschrecken. Ich bin nur noch Haut und Knochen und wiege bei meinen 1,80 mweniger als 50 Kilo. Ich muss meine Tränen zurückhalten und fühle michplötzlich unendlich müde und abgekämpft. Meine Mutter nimmt mich gerührt in dieArme. Auch ihre Augen sind feucht. Hanspeter, ihr Mann, begrüßt uns freundlich,doch etwas zurückhaltender, da wir einander noch nicht so gut kennen. Wirmachen uns auf den Heimweg. Sie sind mittlerweile aus dem Berner Oberland insZürcherische Wetzikon gezogen. Schon im Auto fragt meine Mutter, wie es denn Lketingagehe und wie lange ich gedenke, Urlaub zu machen. Mir schnürt es den Hals zu,ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, und so antworte ich: »Vielleicht dreibis vier Wochen.« Ich nehme mir vor, ihr die ganze Tragödie später zu erzählen.Meine Mutter hat ja keine Ahnung, wie schlecht es mir wirklich geht, da ich ihrdie Ereignisse in den letzten Monaten nicht schreiben oder mitteilen konnte.Mein Mann kontrollierte alles und ich musste jeden geschriebenen Satzübersetzen. Als wir an der Küste lebten, brachte er manchmal meine Briefeanderen Leuten, die etwas Deutsch konnten, damit sie sie übersetzten. Wenn ernicht einverstanden war, musste ich den Brief ins Feuer werfen. Schon wenn ichnur an zu Hause dachte, sah mich Lketinga misstrauisch an und 9 fragte, alskönnte er Gedanken lesen: »Why you are thinking at Switzerland, you stay herein Kenia and you are my wife.« Außerdem wollte ich meine Mutter nicht unnötigbelasten, zumal ich ja lange immer noch an unsere gemeinsame Zukunft in Keniageglaubt hatte. Zu Hause empfängt uns lautes Hundegebell, das Napirai sehrerschreckt, weil sie das nicht kennt. In Kenia hat man ein eher distanziertesVerhältnis zu Hunden. Das Tier bellt wie verrückt und fletscht die Zähne. »Erist keine Fremden gewohnt und schon gar nicht Kinder, doch für die paar Tagewird es schon irgendwie gehen«, erklärt meine Mutter. Wieder spüre ich dasbeklemmende Gefühl bei dem Gedanken, dass wir hier bleiben müssen, bis allesgeregelt ist. Und das kann länger dauern, da ich keineNiederlassungsgenehmigung mehr für die Schweiz besitze und somit nur alsTouristin eingereist bin. Ich bin zwar in der Schweiz geboren und aufgewachsen,habe aber wie mein Vater einen deutschen Pass. Nach einem Auslandsaufenthalt,der länger als sechs Monate dauert, verliert man in der Schweiz dieAufenthaltsberechtigung. Ich will gar nicht daran denken, was alles auf unszukommt. Mein Gott, ich muss es ihr sagen! Im Moment habe ich aber nicht dieKraft, ihr die Freude zu nehmen und den wahren Grund unseres Besuches zuerklären. Sie ist einfach glücklich, ihre Tochter und die Enkelin endlichwieder zu sehen. Außerdem sind die beiden natürlich nicht eingerichtet für eineplötzliche Rückkehr der erwachsenen Tochter mit einem Kind. Immerhin lebe ichschon seit meinem 18. Geburtstag nicht mehr zu Hause. Mit Napirai beziehe ichdas kleine Gästezimmer und packe unsere wenigen Habseligkeiten aus. Ich besitzelediglich ein paar Kinderkleidchen und etwa 20 Stoffwindeln sowie eine Jeansund einen Pulli für mich. Alles andere habe ich in 10 Kenia gelassen - Lketingasollte ja glauben, dass ich zurückkomme. Er hätte mich sonst nie und nimmer mitunserer Tochter ausreisen lassen. Vorsichtig bewege ich mich in dem schönengroßen Haus, das mit gepflegten Möbeln, Pflanzen und Teppichen eingerichtetist. Am meisten aber beeindruckt mich die Toilette, die ich nun an Stelle derstinkenden Plumpsklos benutzen kann. Meine Mutter fragt mich, was ich gerneessen möchte. Mir läuft beim Gedanken an einen saftigen Wurst-Käsesalat dasWasser im Mund zusammen und so äußere ich meinen Wunsch. Sie ist fastenttäuscht, da sie mir etwas Besonderes kochen wollte. Doch für mich ist diesesEssen nach vier Jahren Busch das Feinste, was ich mir vorstellen kann. Als ichbei den Samburu lebte, hatte ich nie die Gelegenheit, etwas derart Frisches zuessen. Außer Maismehl, manchmal Reis oder noch seltener ungewürztem Fleisch gabes ja nichts. Wie freue ich mich auf diesen Salat mit einem Stückchen frischemBrot! Napirai ist inzwischen auch ganz neugierig und beobachtet aufmerksam dieihr unbekannten weißen Menschen. In der Zwischenzeit hat sie fast alleBücherregale ausgeräumt und gräbt in der Pflanzenerde herum. All diese Dingesind neu für sie. Endlich gibt es Essen. Allein beim Anblick könnte ich vorFreude fast weinen. Wie viele Male hatte ich nachts von solch einer Mahlzeitgeträumt! Jetzt kann ich sie einfach wünschen und nach einer halben Stundesteht sie vor mir. Meine Mutter will natürlich gleich einen ausführlichenBericht, wie mir mein neues Leben in Mombasa gefällt und wie meinSouvenirgeschäft am Diani-Beach angelaufen ist. Sie ist so froh, dass ich nachden drei Jahren im tiefsten Busch wieder etwas näher an der Zivilisation lebe.Nur versteht sie nicht, warum ich noch dünner bin als bei meinem letzten 11Besuch, da ich doch nun mehr Möglichkeiten habe, mich besser zu ernähren. Michmachen diese Fragen völlig fertig und noch trauriger. So gebe ich nurmechanische Antworten, die weit von der Wirklichkeit entfernt sind. Auf Grundihrer fast naiven Unbekümmertheit wird es für mich noch schwerer, die Wahrheitzu sagen. Meine Freude über das köstliche Essen hält nicht lange an. Nach einerhalben Stunde habe ich höllische Magenkrämpfe und liege zusammengekrümmt aufdem Bett. Natürlich hätte ich mit meiner erst vor einem Jahr eingehandeltenHepatitis kein Fett essen sollen und erst recht keine kalte Kühlschrankkost.Schließlich habe ich jahrelang nur einfachste Gerichte aus dem Kochtopfgegessen. Doch angesichts der Möglichkeit, endlich wieder etwas Besonderes zubekommen, habe ich einfach nicht mehr daran gedacht. Es bleibt mir nichtsanderes übrig, als mich zu übergeben, damit sich mein Magen wieder beruhigt. Napiraiwird von meiner Mutter gebadet, was ihr sehr gefällt. Sie planscht undquietscht vor Vergnügen und bekommt danach zum ersten Mal Pampers-Windelnangezogen. Meine Güte, ist das einfach! Anziehen, voll machen, ausziehen undwegwerfen. Unglaublich toll! Vorbei sind die Zeiten wie die in Nairobi, indenen ich die verkackten Windeln herumschleppen und sie am Abend mit der Handin kaltem Wasser auswaschen musste, bis mir die Knöchel brannten. Um acht Uhrbin ich todmüde. In Kenia gingen wir um diese Zeit meistens schlafen, da wirkein elektrisches Licht hatten und es früh dunkel wurde. Ich muss sowieso mit Napiraiins Bett gehen, denn sie ist es nicht gewohnt, allein zu schlafen. In der Manyattaim Hochland schlief sie immer bei mir oder bei der Großmutter und an der Küstezwischen mir und meinem Mann. Das ist für Samburu-Kinder normal. 12 Siebrauchen den Körperkontakt. Im Bett überfallen mich Traurigkeit und auchZweifel, ob ich das Richtige tue. Leise weinend schlafe ich ein. Am nächstenMorgen stellt sich die große Frage: Was ziehen wir an? Es ist Oktober und füruns, die wir aus der Wärme Kenias kommen, extrem kalt. Napirai mochte Kleidernoch nie und jetzt muss sie sogar Pullover und Jacke anziehen, die meine Mutterbesorgt hat. Sie fühlt sich nicht wohl in all den Kleidungsstücken und versuchtsie wieder auszuziehen. Doch das geht nicht. Es ist kalt und außerdem läuft manin der Schweiz angezogen herum. Ein weiteres Problem ist der Hund, denn erscheint uns nicht zu mögen. Er knurrt, bellt und fletscht die Zähne, während eruns sehr genau beobachtet. Napirai hat sich aber schon an ihn gewöhnt undmöchte ständig mit ihm spielen. Als Massai-Mädchen kennt sie offenbar keineFurcht. Ich hingegen bin fast hysterisch vor Angst, er könnte Napirai beißen.Während ich in ihm eine echte Gefahr sehe, ist er für meine Mutter undHanspeter natürlich das liebste Tier und sozusagen Kinderersatz.
©DroemerKnaur
Interview mit Corinne Hofmann
Wenn Sie heute an Ihre Zeit inAfrika zurückdenken, was fällt Ihnen als erstes ein?
Verrückt! Soetwas in der heutigen Zeit noch erleben und überleben zu können. Aber auch tiefeDankbarkeit gegenüber der kenianischen Familie.
Ihr Buch wurde von Millionen Lesern,besonders Leserinnen, geradezu verschlungen. Worin, glauben Sie, liegt diebesondere Faszination ihrer Geschichte?
Den Mut zuhaben, alles stehen und liegen zu lassen, um diese aussergewöhnliche Liebe ineiner völlig anderen Welt zu erleben mit allen Konsequenzen wie Kulturschock,Hunger, Krankheiten etc.
Die erste Begegnung mit Lektinga,ihrem späteren Mann, klingt sehr romantisch. Dennoch wären die wenigsten Frauen ihren Weg gegangen. Wasunterscheidet Sie von anderen?
Wenn ich vonetwas tief berührt und überzeugt bin, gehe ich meinen Weg und lasse mich nichtbeeinflussen.
Was haben kenianische Männer, wasden Europäern fehlt?
An meinemdamaligen Mann faszinierte mich diese Mischung aus Stolz, Unbekümmertheit undsein Urvertrauen in sein Volk und sein Leben.
Wenn Ihre Tochter drauf und dranwäre, um der Liebe willen alles stehen und liegen zu lassen, was würden Sie ihrraten?
Ich kann sieals Mutter, auch wenn es mit den gemachten Erfahrungen schwerer fällt, nurunterstützen, denn tiefe Liebe muss gelebt werden.
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth,Literaturtest.
- Autor: Corinne Hofmann
- 2004, 32. Aufl., 288 Seiten, 23 farbige Abbildungen, 2 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 11,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426777177
- ISBN-13: 9783426777176
- Erscheinungsdatum: 01.11.2004