Ahoi, amore! / Ullstein eBooks (ePub)
Unterwegs auf dem falschen Dampfer
Unterwegs auf einem echten Traumschiff ... Fantastico! Eine Woche lang wollen Jutta Speidel und Bruno Maccallini an Bord eines Traumschiffs durch den Südpazifik schippern. Doch was nach Erholung und einer Menge Spaß klingt, entpuppt sich schon bald als...
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Produktinformationen zu „Ahoi, amore! / Ullstein eBooks (ePub)“
Unterwegs auf einem echten Traumschiff ... Fantastico! Eine Woche lang wollen Jutta Speidel und Bruno Maccallini an Bord eines Traumschiffs durch den Südpazifik schippern. Doch was nach Erholung und einer Menge Spaß klingt, entpuppt sich schon bald als Fahrt in schwerer See - mit kleinen und größeren Katastrophen. Schon bevor der Luxusliner den Hafen verlässt, fängt sich der Italiener an Juttas Seite einen heftigen Sonnenbrand ein und verpasst so das erste Kreuzfahrthighlight ... Jutta macht derweil die Bekanntschaft des Magiers Adrian und muss dessen zweideutigen Avancen Paroli bieten. Außerdem erfährt das deutsch-italienische Duo Erstaunliches über die Marotten der Reichen, Neureichen und Superreichen - und erlebt allerlei Abenteuer an exotischen Orten.
Lese-Probe zu „Ahoi, amore! / Ullstein eBooks (ePub)“
Ahoi, Amore! von Jutta Speidel und Bruno Maccalini1. TAG Der Beginn einer großen Reise
Jutta
Ich sitze am Münchner Flughafen, Terminal 1, Abflug- halle A. Das Gepäck ist aufgegeben, eingecheckt habe ich nach Santiago de Chile, via Rom. Dort treffe ich mich mit Bruno, und wir gehen gemeinsam auf eine Südamerikareise. Wir werden mit einem Flugzeug fliegen und auf einem großen Schiff schwimmen. Klingt vielversprechend. Bruno liebt das Fliegen nicht, und noch weniger liebt er Schiffsreisen. Die Weite des Meeres macht ihm Angst und vor allem die Tiefe. Im Flugzeug kann man ja wenigstens noch sehen, wo man hinstürzt, aber im Meer ... Alles ist so blau, so tief dunkelblau bis zum Horizont, und was ist darunter? Ich habe ihm einmal gesagt: Stell dir deine Abruzzen vor, und füll einfach alles zwischen dem Gran Sasso und den ganzen Colles rundherum mit Wasser auf, dann weißt du, wie es unter dir aussieht.
Beruhigt hat ihn das allerdings nicht. Außerdem ist ihm auch der Seegang nicht geheuer. Er muss dann gleich an die Reling, um die Fische zu füttern. Alle möglichen Tabletten hat er schon ausprobiert. Von den einen wird er so müde, dass er Gefahr läuft, über Bord zu fallen, wenn er sich übergeben muss; von anderen bekommt er Kopfschmerzen, und einmal hat er sich ein Antispeipflaster hinter das Ohr geklebt, wodurch er so euphorisch wurde, dass ihn keiner mehr bemitleidet hat. Das hat ihm dann auch nicht gepasst.
... mehr
Dennoch konnte ich ihn zu dieser Reise überreden, wohl wissend, dass er gewissen Reizen nicht widerstehen kann: Machu Picchu, den Anden, chilenischem Wein, sternenklaren romantischen Nächten, heißblütigen Ecuadorianerinnen, mystischen Flüssen und der verlockenden Aussicht, sich faul auf einem Deckchair zu räkeln und rund um die Uhr bedient zu werden, vorausgesetzt, es ist kein Wellengang.
Ich musste ihm eine genaue Beschreibung des Schiffes liefern, wie viele Außenwände es hat, wie die Statik des Rumpfes beschaffen ist usw. Auf meine Bitte, sich doch selbst zu informieren, ich sei ja schließlich kein Ingenieur, reagierte er mürrisch. Somit blieb mir nichts anderes übrig, als ihm das Ozeanblaue vom Himmel zu erzählen. Ich war sehr überzeugend! Zudem waren wir ja auch noch eine Verpflichtung an Bord eingegangen. Die Reederei, deren Luxusschiffe unter deutscher Flagge laufen, wünschte sich von uns eine Lesung. Sie meinten, die zahlreichen deutschen Passagiere würden sich gerne einmal live unser Gekabbel anhören, und außerdem seien sie neugierig darauf, zu erfahren, ob es bei uns privat auch so zugeht wie in unseren Büchern. Nun ja! Ich habe dem Maître de Plaisir des Luxusdampfers MS Poseidon versichert, sowohl er wie auch seine geschätzten Gäste würden voll auf ihre Kosten kommen.
Jetzt sitze ich also auf einem dieser unbequemen Stühle vor dem Abflugschalter und warte auf das Flugzeug nach Rom. Eine Lautsprecherstimme verkündet, dass sich der Abflug um circa 45 Minuten verzögern wird, da die geplante Maschine zu einem Noteinsatz abgezogen wurde. Ich bin nicht die Einzige, die sich fragt, um was für einen mysteriösen Notfall es sich wohl handelt. Sekundenschnell breitet sich das Gerücht aus, dass vor der Insel Giglio ein Luxusdampfer auf ein Riff gefahren sein soll und es Tote und viele Verletzte sowie Eingeschlossene gäbe, denen nun in einer dramatischen Rettungsaktion geholfen werden müsste.
Hoffentlich hat Bruno davon nichts mitbekommen, schießt es mir durch den Kopf. Hoffentlich ist er noch beim Kofferpacken! Hoffentlich laufen zu Hause weder Fernseher noch Radio! Und der Taxifahrer ist hoffentlich Inder und spricht kein Italienisch, und hoffentlich, hoffentlich stimmt das einfach gar nicht!
Nun ja, heute wissen wir, dass es leider der Wahrheit entsprach ...
Am römischen Flughafen herrscht emsiges Treiben. Eigentlich ist es ein ganz normaler Tag, die Ferienzeit ist vorbei, wir schreiben den 14. Januar. Diesmal haben weder Schneetreiben noch Nebel meinen Abflug in München verzögert, doch das Gerücht von dem havarierten Schiff vor einer kleinen italienischen Insel hält sich hartnäckig. Hier laufen alle hektisch zu ihren Abflugterminals, und nichts weist auf Außergewöhnliches hin. Also ist an dem Gequatsche wahrscheinlich gar nichts dran. Vermutlich hat der Kapitän einfach verschlafen! Das wäre doch mal was. Zumindest wäre es menschlich.
Jedenfalls werde ich Bruno meine Verspätung damit erklären; sicherlich hält er schon leicht nervös am Counter der Fluggesellschaft nach mir Ausschau. Und bestimmt glaubt er mir kein Wort, aber es wird ihn amüsieren, und so habe ich bessere Chancen, ihn abzulenken, bis wir einem anderen Kontinent entgegenfliegen. Dort ereignen sich zwar auch Katastrophen, aber zumindest erscheinen sie uns anonymer.
Nach sicherlich zwei Kilometern Dauerlauf durch diesen scheußlichen Flughafen stehe ich schnaufend in der Menge der Passagiere. Meinen warmen Wollumhang habe ich längst über den Arm gelegt, meine Stirn zieren Schweißperlen. Kein Bruno in Sicht. Hat er doch Wind davon bekommen und es sich anders überlegt? Bevor ich jedoch weitere Mutmaßungen anstelle, beginnt die Einstiegsprozedur. Die Massen drängeln vorwärts, alle halten ihre teure Bordkarte und den Pass in der Hand, stolz, sich diese Reise leisten zu können. Die freundlich lächelnden Stewardessen vergleichen akribisch die Dokumente, damit sich auch ja kein blinder Passagier einschleicht. Ich stelle mich ganz hinten an und sehe mich unruhig um. Was mache ich, wenn er nicht kommt? Fliege ich dann alleine nach Südamerika?
Da kommt er schon etwas atemlos angerannt, genervt vom unpünktlichen Taxifahrer, dem wahnsinnigen Verkehr in der Stadt, vom Stau auf der Autobahn, Stau beim Einchecken, Stau beim Securitycheck, und dann noch zwei Kilometer Dauerlauf bis zum Counter in diesem blöden Flughafen! Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Ich soll noch kurz hier warten, er möchte sich noch ein paar Zeitungen kaufen, aber ich bremse ihn. Schon entsteht eine Debatte, ob es in diesem Flugzeug südamerikanischer Herkunft italienische Zeitungen gibt oder nicht. Ich bete, dass sie wenigstens vom Vortag sind oder bereits alle verteilt, weil wir die letzten Passagiere sind, die die nun nicht mehr ganz so freundliche Stewardess hineinbittet.
So zwängen wir uns durch vollbesetzte Reihen mit weit aufgeschlagenen Exemplaren der Repubblica oder des Messagero - keine Schlagzeilen über Schiffsunglücke! Gottlob, wir sitzen!
Die von der Borddecke herunterhängenden Großbildschirme demonstrieren, wie wir uns in den folgenden Stunden an Bord zu verhalten haben, bevor sie sich zum Start wieder abschalten. Unser Vogel mit sicherlich mehr als 400 Passagieren im Bauch hebt ab. Bruno sitzt neben mir, er hat sich zuvor kurz bekreuzigt und ein heimliches Stoßgebet gen Himmel geschickt, er greift nach meiner Hand. Ein bisschen feucht ist sie, und er schaut mich dankbar an, als er bemerkt, dass ich es registriere und sie kurz drücke. Wenn der wüsste, welche Nachricht mich noch mehr schwitzen lässt als seine Hand. Aussteigen kann er jetzt jedenfalls bis Chile nicht mehr, und dort wird es ja hoffentlich keine aktuellen italienischen Zeitungen geben.
Bruno setzt sich den Kopfhörer auf, um sich von sanfter klassischer Musik berieseln zu lassen, er schließt die Augen, und ich wähne mich in Sicherheit.
Die Maschine hat die vorgeschriebene Flughöhe erreicht und begibt sich in die Waagrechte. Erneut klappen die Bildschirme herunter, und blödsinnige Mister-Bean- Sketche laufen über den Bildschirm. Getränke werden serviert, die Ersten gehen auf die Toilette. Wir machen es uns in den engen Sitzen so bequem wie möglich und versuchen, eine einigermaßen bequeme Haltung einzunehmen, um ein bisschen zu schlafen.
Das Frühstück hatten wir eigentlich abgesagt, aber gegessen wird, was aufs Tablett kommt, und außerdem müssen wir die Zollerklärung ausfüllen, erklärt uns die Stewardess etwas barsch, nachdem sie uns etwas unsanft aus Morpheus' Armen gerissen hat. Kein Wenn und Aber, auch in Südamerika gibt es Vorschriften. Brav erledigen wir unsere Aufgaben.
Alles ist gutgegangen, unsere Koffer sind mit uns geflogen. Auch der Zoll und die Grenzbeamten in Santiago hatten nichts an unserer Einreise auszusetzen. Es ist Vormittag und noch nicht glühend heiß. Wir werden uns jetzt ein Taxi schnappen und in unser Hotel fahren, Brunos Freundin Susana anrufen, uns mit ihr zum Abendessen verabreden und vorher noch eine kleine Erkundungstour unternehmen, damit wir wissen, wie wir uns morgen auf die Schnelle einen Überblick von dieser Millionenstadt verschaffen können.
Ein cleveres System, denke ich mir, als wir uns für ein Taxi anstellen wollen. Man zieht eine Nummer, wartet, bis sie auf einem Monitor erscheint, geht zu einem Schalter, nennt sein Ziel, zahlt den Preis, bekommt einen Zettel und gibt diesen dem Taxler, der bereits das Gepäck verstaut. Super, ich bin beeindruckt! Ich bin schon zigmal von Taxifahrern übers Ohr gehauen worden. Wenn hier Korruption im Spiel ist, dann ist sie zumindest perfekt organisiert.
Bruno will sich vorne auf den Beifahrersitz setzen, damit er sich besser orientieren kann - sagt er! Ich muss schmunzeln, denn wenn Bruno etwas überhaupt nicht kann, dann ist es navigieren. Dazu hat er ja auch ein iPhone, und in seinem Auto - denn er hat NATÜRLICH ein Auto - gibt es auch ein GPS. Trotzdem verfranzt er sich regelmäßig. Aber dann lässt er mir den Vortritt, schließlich hat er auch von hinten alles im Blick. Ich bin froh, einfach nur aus dem Fenster zu sehen. Bruno und der Taxifahrer beginnen schon bald ein lebhaftes spanisch-italienisch-englisches Kauderwelsch. Der Taxifahrer stellt sich als Benvenuto vor, und ich kapiere erst nichts und sage artig: »Grrrraciasss«, bis Bruno mir erklärt, nein, nein, das sei sein Name! Toll, denke ich mir! Das müsste man mal bei den Münchner Taxifahrern einführen:
»Entschuldigen Sie bitte, Herr Taxler, wie heißen Sie denn?« Und der antwortet nonchalant: »Mein Name ist Willkommen, gnädige Frau.«
Wow, was für ein Trick! Sofort fühlt man sich wohl und sieht die fremde Stadt mit ganz anderen Augen.
Bereitwillig erklärt uns Herr Benvenuto die Prachtbauten, allesamt entweder Justiz- oder Verwaltungsgebäude, Regierungssitze oder Privathäuser höhergestellter Persönlichkeiten inmitten mehr oder weniger prächtiger Straßenzüge, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen haben. Er erkundigt sich bei Bruno, aus welchem Land beziehungsweise welcher Stadt er käme. Stolz erwidert Bruno, er käme aus der schönsten Stadt der Welt, aus Rom. Ich verdrehe die Augen. Italiener!, denk ich mir. München ist auch nicht schlecht. Bevor sich jedoch mein kleinpatriotisches Herz zu einem Protest erheben kann, höre ich, wie Benvenuto etwas von grrrrran catássstrofe con un barrrrco faselt. Sofort begeben sich meine und leider auch Brunos Ohren in Habachtstellung. Einen kurzen Moment hoffe ich, der Chilene meint etwas anderes, aber da will Bruno es schon genauer wissen. Zu allem Überfluss schaltet Benvenuto nun auch noch sein Radio an, und sofort ertönt in rasend schnellem Spanisch, jedoch für einen Italiener durchaus verständlich, ein Bericht über den Untergang der Concordia vor der Küste Giglios. Brunos Gesichtsfarbe wechselt von Weiß über Rot zu Grün. Mir ist ganz schlecht. Ob ich das schon in München gehört hätte, fragt er mich. Ich stelle mich doof und sage, ich hätte gerade gar nicht verstanden, worum es ging. Er antwortet, nein, er schreit mich an, dass wir sofort wieder zurückfliegen müssten und dass er endgültig und nie wieder auf ein Schiff ginge! Das wäre ja eine Katastrophe sondergleichen! Ich könne ja die Lesung alleine bestreiten, er fliege auf jeden Fall wieder heim! Ich bin kurz davor, aus dem fahrenden Auto zu springen. Bei allem Verständnis für sein hasenfüßiges Verhalten packt mich die Wut. Eiskalt würde er also meinen Untergang mit ansehen, Hauptsache, er ist in Sicherheit! So zeigt sich also dein wahrer Charakter, mein Freund, denke ich mir. Wenn ich nun nicht schon so viele Jahre diesen hysterischen Wesenszug an ihm kennen würde, wäre ich jetzt ernsthaft gekränkt, aber ich weiß ja, dass mein Italiener seine Suppe niemals so heiß löffelt, wie er sie kocht, und so lasse ich ihn erst mal mit seinem Benvenuto dampfen. Dieser scheint irgendwie einen beruhigenden Einfluss auf Bruno zu haben. Doch schon kommt erneut Hektik auf und lässt die nächste Katastrophe erahnen. Bruno durchsucht sämtliche Taschen, dann muss Benvenuto anhalten, weil Bruno an seinen Koffer will, aber er findet den Schlüssel nicht, bis ich ihm vorschlage, einfach beim Zahlenschloss die richtige Kombination einzugeben. Doch dann meint er, dass er eigentlich gar nicht zu suchen brauchte. Er hat ein neues Handy und vergessen, Susanas Telefonnummer, die er auf einem Zettel notiert hat, einzuspeichern. Ob ich denn nicht die Telefonnummer hätte? Ich protestiere! Ich kenne die Frau überhaupt nicht, wieso sollte ich da ihre Nummer haben? Das leuchtet ihm ein.
»Ja«, flüstert er mit verzweifelter Miene, das wäre es dann wohl, denn ohne die Telefonnummer könnten wir sie heute Abend nicht treffen, und Susana habe ja die gesamte Reise in Peru organisiert über eine Reiseleiterin, die sie kenne, und die Tickets für Machu Picchu und Cusco und den Inka-Express habe sie uns heute beim Abendessen aushändigen wollen. Nun wird mir auch ganz anders. Ich frage ihn nach dem Nachnamen von seiner Bekannten. Da kommt wieder Benvenuto ins Spiel, er zückt sein Handy und fragt bei der Auskunft nach einer Susana ..., deren Nachnamen ich nicht ganz verstehe. Kurz darauf sieht sich Bruno mit einer Reihe von Telefonnummern konfrontiert, deren Besitzerinnen alle den gleichen Namen haben.
»Wahrscheinlich heißt sie Schmidt auf Spanisch«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen.
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Dennoch konnte ich ihn zu dieser Reise überreden, wohl wissend, dass er gewissen Reizen nicht widerstehen kann: Machu Picchu, den Anden, chilenischem Wein, sternenklaren romantischen Nächten, heißblütigen Ecuadorianerinnen, mystischen Flüssen und der verlockenden Aussicht, sich faul auf einem Deckchair zu räkeln und rund um die Uhr bedient zu werden, vorausgesetzt, es ist kein Wellengang.
Ich musste ihm eine genaue Beschreibung des Schiffes liefern, wie viele Außenwände es hat, wie die Statik des Rumpfes beschaffen ist usw. Auf meine Bitte, sich doch selbst zu informieren, ich sei ja schließlich kein Ingenieur, reagierte er mürrisch. Somit blieb mir nichts anderes übrig, als ihm das Ozeanblaue vom Himmel zu erzählen. Ich war sehr überzeugend! Zudem waren wir ja auch noch eine Verpflichtung an Bord eingegangen. Die Reederei, deren Luxusschiffe unter deutscher Flagge laufen, wünschte sich von uns eine Lesung. Sie meinten, die zahlreichen deutschen Passagiere würden sich gerne einmal live unser Gekabbel anhören, und außerdem seien sie neugierig darauf, zu erfahren, ob es bei uns privat auch so zugeht wie in unseren Büchern. Nun ja! Ich habe dem Maître de Plaisir des Luxusdampfers MS Poseidon versichert, sowohl er wie auch seine geschätzten Gäste würden voll auf ihre Kosten kommen.
Jetzt sitze ich also auf einem dieser unbequemen Stühle vor dem Abflugschalter und warte auf das Flugzeug nach Rom. Eine Lautsprecherstimme verkündet, dass sich der Abflug um circa 45 Minuten verzögern wird, da die geplante Maschine zu einem Noteinsatz abgezogen wurde. Ich bin nicht die Einzige, die sich fragt, um was für einen mysteriösen Notfall es sich wohl handelt. Sekundenschnell breitet sich das Gerücht aus, dass vor der Insel Giglio ein Luxusdampfer auf ein Riff gefahren sein soll und es Tote und viele Verletzte sowie Eingeschlossene gäbe, denen nun in einer dramatischen Rettungsaktion geholfen werden müsste.
Hoffentlich hat Bruno davon nichts mitbekommen, schießt es mir durch den Kopf. Hoffentlich ist er noch beim Kofferpacken! Hoffentlich laufen zu Hause weder Fernseher noch Radio! Und der Taxifahrer ist hoffentlich Inder und spricht kein Italienisch, und hoffentlich, hoffentlich stimmt das einfach gar nicht!
Nun ja, heute wissen wir, dass es leider der Wahrheit entsprach ...
Am römischen Flughafen herrscht emsiges Treiben. Eigentlich ist es ein ganz normaler Tag, die Ferienzeit ist vorbei, wir schreiben den 14. Januar. Diesmal haben weder Schneetreiben noch Nebel meinen Abflug in München verzögert, doch das Gerücht von dem havarierten Schiff vor einer kleinen italienischen Insel hält sich hartnäckig. Hier laufen alle hektisch zu ihren Abflugterminals, und nichts weist auf Außergewöhnliches hin. Also ist an dem Gequatsche wahrscheinlich gar nichts dran. Vermutlich hat der Kapitän einfach verschlafen! Das wäre doch mal was. Zumindest wäre es menschlich.
Jedenfalls werde ich Bruno meine Verspätung damit erklären; sicherlich hält er schon leicht nervös am Counter der Fluggesellschaft nach mir Ausschau. Und bestimmt glaubt er mir kein Wort, aber es wird ihn amüsieren, und so habe ich bessere Chancen, ihn abzulenken, bis wir einem anderen Kontinent entgegenfliegen. Dort ereignen sich zwar auch Katastrophen, aber zumindest erscheinen sie uns anonymer.
Nach sicherlich zwei Kilometern Dauerlauf durch diesen scheußlichen Flughafen stehe ich schnaufend in der Menge der Passagiere. Meinen warmen Wollumhang habe ich längst über den Arm gelegt, meine Stirn zieren Schweißperlen. Kein Bruno in Sicht. Hat er doch Wind davon bekommen und es sich anders überlegt? Bevor ich jedoch weitere Mutmaßungen anstelle, beginnt die Einstiegsprozedur. Die Massen drängeln vorwärts, alle halten ihre teure Bordkarte und den Pass in der Hand, stolz, sich diese Reise leisten zu können. Die freundlich lächelnden Stewardessen vergleichen akribisch die Dokumente, damit sich auch ja kein blinder Passagier einschleicht. Ich stelle mich ganz hinten an und sehe mich unruhig um. Was mache ich, wenn er nicht kommt? Fliege ich dann alleine nach Südamerika?
Da kommt er schon etwas atemlos angerannt, genervt vom unpünktlichen Taxifahrer, dem wahnsinnigen Verkehr in der Stadt, vom Stau auf der Autobahn, Stau beim Einchecken, Stau beim Securitycheck, und dann noch zwei Kilometer Dauerlauf bis zum Counter in diesem blöden Flughafen! Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Ich soll noch kurz hier warten, er möchte sich noch ein paar Zeitungen kaufen, aber ich bremse ihn. Schon entsteht eine Debatte, ob es in diesem Flugzeug südamerikanischer Herkunft italienische Zeitungen gibt oder nicht. Ich bete, dass sie wenigstens vom Vortag sind oder bereits alle verteilt, weil wir die letzten Passagiere sind, die die nun nicht mehr ganz so freundliche Stewardess hineinbittet.
So zwängen wir uns durch vollbesetzte Reihen mit weit aufgeschlagenen Exemplaren der Repubblica oder des Messagero - keine Schlagzeilen über Schiffsunglücke! Gottlob, wir sitzen!
Die von der Borddecke herunterhängenden Großbildschirme demonstrieren, wie wir uns in den folgenden Stunden an Bord zu verhalten haben, bevor sie sich zum Start wieder abschalten. Unser Vogel mit sicherlich mehr als 400 Passagieren im Bauch hebt ab. Bruno sitzt neben mir, er hat sich zuvor kurz bekreuzigt und ein heimliches Stoßgebet gen Himmel geschickt, er greift nach meiner Hand. Ein bisschen feucht ist sie, und er schaut mich dankbar an, als er bemerkt, dass ich es registriere und sie kurz drücke. Wenn der wüsste, welche Nachricht mich noch mehr schwitzen lässt als seine Hand. Aussteigen kann er jetzt jedenfalls bis Chile nicht mehr, und dort wird es ja hoffentlich keine aktuellen italienischen Zeitungen geben.
Bruno setzt sich den Kopfhörer auf, um sich von sanfter klassischer Musik berieseln zu lassen, er schließt die Augen, und ich wähne mich in Sicherheit.
Die Maschine hat die vorgeschriebene Flughöhe erreicht und begibt sich in die Waagrechte. Erneut klappen die Bildschirme herunter, und blödsinnige Mister-Bean- Sketche laufen über den Bildschirm. Getränke werden serviert, die Ersten gehen auf die Toilette. Wir machen es uns in den engen Sitzen so bequem wie möglich und versuchen, eine einigermaßen bequeme Haltung einzunehmen, um ein bisschen zu schlafen.
Das Frühstück hatten wir eigentlich abgesagt, aber gegessen wird, was aufs Tablett kommt, und außerdem müssen wir die Zollerklärung ausfüllen, erklärt uns die Stewardess etwas barsch, nachdem sie uns etwas unsanft aus Morpheus' Armen gerissen hat. Kein Wenn und Aber, auch in Südamerika gibt es Vorschriften. Brav erledigen wir unsere Aufgaben.
Alles ist gutgegangen, unsere Koffer sind mit uns geflogen. Auch der Zoll und die Grenzbeamten in Santiago hatten nichts an unserer Einreise auszusetzen. Es ist Vormittag und noch nicht glühend heiß. Wir werden uns jetzt ein Taxi schnappen und in unser Hotel fahren, Brunos Freundin Susana anrufen, uns mit ihr zum Abendessen verabreden und vorher noch eine kleine Erkundungstour unternehmen, damit wir wissen, wie wir uns morgen auf die Schnelle einen Überblick von dieser Millionenstadt verschaffen können.
Ein cleveres System, denke ich mir, als wir uns für ein Taxi anstellen wollen. Man zieht eine Nummer, wartet, bis sie auf einem Monitor erscheint, geht zu einem Schalter, nennt sein Ziel, zahlt den Preis, bekommt einen Zettel und gibt diesen dem Taxler, der bereits das Gepäck verstaut. Super, ich bin beeindruckt! Ich bin schon zigmal von Taxifahrern übers Ohr gehauen worden. Wenn hier Korruption im Spiel ist, dann ist sie zumindest perfekt organisiert.
Bruno will sich vorne auf den Beifahrersitz setzen, damit er sich besser orientieren kann - sagt er! Ich muss schmunzeln, denn wenn Bruno etwas überhaupt nicht kann, dann ist es navigieren. Dazu hat er ja auch ein iPhone, und in seinem Auto - denn er hat NATÜRLICH ein Auto - gibt es auch ein GPS. Trotzdem verfranzt er sich regelmäßig. Aber dann lässt er mir den Vortritt, schließlich hat er auch von hinten alles im Blick. Ich bin froh, einfach nur aus dem Fenster zu sehen. Bruno und der Taxifahrer beginnen schon bald ein lebhaftes spanisch-italienisch-englisches Kauderwelsch. Der Taxifahrer stellt sich als Benvenuto vor, und ich kapiere erst nichts und sage artig: »Grrrraciasss«, bis Bruno mir erklärt, nein, nein, das sei sein Name! Toll, denke ich mir! Das müsste man mal bei den Münchner Taxifahrern einführen:
»Entschuldigen Sie bitte, Herr Taxler, wie heißen Sie denn?« Und der antwortet nonchalant: »Mein Name ist Willkommen, gnädige Frau.«
Wow, was für ein Trick! Sofort fühlt man sich wohl und sieht die fremde Stadt mit ganz anderen Augen.
Bereitwillig erklärt uns Herr Benvenuto die Prachtbauten, allesamt entweder Justiz- oder Verwaltungsgebäude, Regierungssitze oder Privathäuser höhergestellter Persönlichkeiten inmitten mehr oder weniger prächtiger Straßenzüge, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen haben. Er erkundigt sich bei Bruno, aus welchem Land beziehungsweise welcher Stadt er käme. Stolz erwidert Bruno, er käme aus der schönsten Stadt der Welt, aus Rom. Ich verdrehe die Augen. Italiener!, denk ich mir. München ist auch nicht schlecht. Bevor sich jedoch mein kleinpatriotisches Herz zu einem Protest erheben kann, höre ich, wie Benvenuto etwas von grrrrran catássstrofe con un barrrrco faselt. Sofort begeben sich meine und leider auch Brunos Ohren in Habachtstellung. Einen kurzen Moment hoffe ich, der Chilene meint etwas anderes, aber da will Bruno es schon genauer wissen. Zu allem Überfluss schaltet Benvenuto nun auch noch sein Radio an, und sofort ertönt in rasend schnellem Spanisch, jedoch für einen Italiener durchaus verständlich, ein Bericht über den Untergang der Concordia vor der Küste Giglios. Brunos Gesichtsfarbe wechselt von Weiß über Rot zu Grün. Mir ist ganz schlecht. Ob ich das schon in München gehört hätte, fragt er mich. Ich stelle mich doof und sage, ich hätte gerade gar nicht verstanden, worum es ging. Er antwortet, nein, er schreit mich an, dass wir sofort wieder zurückfliegen müssten und dass er endgültig und nie wieder auf ein Schiff ginge! Das wäre ja eine Katastrophe sondergleichen! Ich könne ja die Lesung alleine bestreiten, er fliege auf jeden Fall wieder heim! Ich bin kurz davor, aus dem fahrenden Auto zu springen. Bei allem Verständnis für sein hasenfüßiges Verhalten packt mich die Wut. Eiskalt würde er also meinen Untergang mit ansehen, Hauptsache, er ist in Sicherheit! So zeigt sich also dein wahrer Charakter, mein Freund, denke ich mir. Wenn ich nun nicht schon so viele Jahre diesen hysterischen Wesenszug an ihm kennen würde, wäre ich jetzt ernsthaft gekränkt, aber ich weiß ja, dass mein Italiener seine Suppe niemals so heiß löffelt, wie er sie kocht, und so lasse ich ihn erst mal mit seinem Benvenuto dampfen. Dieser scheint irgendwie einen beruhigenden Einfluss auf Bruno zu haben. Doch schon kommt erneut Hektik auf und lässt die nächste Katastrophe erahnen. Bruno durchsucht sämtliche Taschen, dann muss Benvenuto anhalten, weil Bruno an seinen Koffer will, aber er findet den Schlüssel nicht, bis ich ihm vorschlage, einfach beim Zahlenschloss die richtige Kombination einzugeben. Doch dann meint er, dass er eigentlich gar nicht zu suchen brauchte. Er hat ein neues Handy und vergessen, Susanas Telefonnummer, die er auf einem Zettel notiert hat, einzuspeichern. Ob ich denn nicht die Telefonnummer hätte? Ich protestiere! Ich kenne die Frau überhaupt nicht, wieso sollte ich da ihre Nummer haben? Das leuchtet ihm ein.
»Ja«, flüstert er mit verzweifelter Miene, das wäre es dann wohl, denn ohne die Telefonnummer könnten wir sie heute Abend nicht treffen, und Susana habe ja die gesamte Reise in Peru organisiert über eine Reiseleiterin, die sie kenne, und die Tickets für Machu Picchu und Cusco und den Inka-Express habe sie uns heute beim Abendessen aushändigen wollen. Nun wird mir auch ganz anders. Ich frage ihn nach dem Nachnamen von seiner Bekannten. Da kommt wieder Benvenuto ins Spiel, er zückt sein Handy und fragt bei der Auskunft nach einer Susana ..., deren Nachnamen ich nicht ganz verstehe. Kurz darauf sieht sich Bruno mit einer Reihe von Telefonnummern konfrontiert, deren Besitzerinnen alle den gleichen Namen haben.
»Wahrscheinlich heißt sie Schmidt auf Spanisch«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen.
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Autoren-Porträt von Jutta Speidel, Bruno Maccallini
Jutta Speidel ist eine der beliebtesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Sie wurde in München geboren und hat zwei erwachsene Töchter.Bruno Maccallini ist Jutta Speidels Lebensgefährte. Er stammt aus Rom und ist in Italien ein erfolgreicher Schauspieler, Regisseur und Produzent. In Deutschland wurde er als "Cappuccino-Mann" in verschiedenen Werbekampagnen bekannt ("Isch abbe gar kein Auto, Signorina!").
Bibliographische Angaben
- Autoren: Jutta Speidel , Bruno Maccallini
- 2013, 1. Auflage, 240 Seiten, Deutsch
- Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
- ISBN-10: 3843703884
- ISBN-13: 9783843703888
- Erscheinungsdatum: 08.03.2013
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 2.55 MB
- Ohne Kopierschutz
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