Blütenneid (PDF)
Gedichte
In den siebziger Jahren galt Kim Chi-ha in Korea als einer der radikalsten Regimegegner, er wurde zum Tode verurteilt, zu »lebenslänglich« begnadigt, freigelassen, tauchte unter, wurde erneut verhaftet (insgesamt fünfmal), ertrug schließlich sechs Jahre in...
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Produktinformationen zu „Blütenneid (PDF)“
In den siebziger Jahren galt Kim Chi-ha in Korea als einer der radikalsten Regimegegner, er wurde zum Tode verurteilt, zu »lebenslänglich« begnadigt, freigelassen, tauchte unter, wurde erneut verhaftet (insgesamt fünfmal), ertrug schließlich sechs Jahre in Einzelhaft, die seine Gesundheit ruinierten. Kim Chi-ha wurde zur Leitfigur der Demokratiebewegung seines Landes, zum Inbegriff der politischen Lyrik Koreas und zum Vorbild für die gesamte engagierte Literatur dieser Zeit.
Die Gedichte dieses Bandes stammen aus den neunziger Jahren; sie sind Ausdruck der Wende des Autors hin zu einer »Philosophie des Lebens«. Das Erlebnis der Haft, die Erfahrung des Zurückgeworfenseins auf das Existentielle spielen dabei eine ebenso entscheidende Rolle wie die Auseinandersetzung mit der Welle von Selbstverbrennungen demonstrierender Studenten in Korea. Nichts schien dem Dichter die Opferung jungen, unschuldigen Lebens zu rechtfertigen. »Hört mit dem Totentanz auf!« rief Kim Chi-ha besorgt denen zu, die sich in seiner Tradition glaubten, die er selbst jetzt aber in Zusammenhang mit der Kamikaze-Ideologie des japanischen Faschismus brachte. Kim Chi-ha sieht seine Aufgabe nunmehr in der Feier der kleinen Dinge der Natur und des Alltags in sparsamen, tastenden Sprachbewegungen.
Die Gedichte dieses Bandes stammen aus den neunziger Jahren; sie sind Ausdruck der Wende des Autors hin zu einer »Philosophie des Lebens«. Das Erlebnis der Haft, die Erfahrung des Zurückgeworfenseins auf das Existentielle spielen dabei eine ebenso entscheidende Rolle wie die Auseinandersetzung mit der Welle von Selbstverbrennungen demonstrierender Studenten in Korea. Nichts schien dem Dichter die Opferung jungen, unschuldigen Lebens zu rechtfertigen. »Hört mit dem Totentanz auf!« rief Kim Chi-ha besorgt denen zu, die sich in seiner Tradition glaubten, die er selbst jetzt aber in Zusammenhang mit der Kamikaze-Ideologie des japanischen Faschismus brachte. Kim Chi-ha sieht seine Aufgabe nunmehr in der Feier der kleinen Dinge der Natur und des Alltags in sparsamen, tastenden Sprachbewegungen.
Lese-Probe zu „Blütenneid (PDF)“
Fünfzig (S. 7) Liegt es am Alter?
Die Augen sind trüb, die Augen ein Seelennetz, die Seele ist dunkel.
Die Morgendämmerung ist wie Abenddämmerung,
das dämmrige Zimmer stets hungrig
und das erwartete Scherenschnappen läßt auf sich warten.
Eine Küchenschabe nähert sich mir und sitzt still.
Liegt draußen Raureif?
Ich friere an den Zähnen, die Fäden durchbeißen.
Eingehüllt in die Wärme der knopflosen Jacke vom letzten Jahr,
höre ich Schritte.
Draußen kehrt meine Frau mit den feinen Augen heim.
Oder ist es das Scherenschnappen?
Auslöschung
Mit zwanzig wäre auch ich vielleicht den falschen Weg gegangen
und hätte bereut.
Komm in meine Arme,
ich werde dir ein altes Lied pfeifen.
3 Uhr nachts auf der Pfingstrose.
Empfange den ersten Tau,
überquere den Samdo-Fluß leicht, ohne Zögern.
In der Psychiatrie
Zwischen der Station 52,
in der ich bin,
und der Station 53, in der Kye-hwa wohnt,
die Aktivistin der Demokratiebewegung,
die sich beide Arme verbrannte,
befindet sich eine Leichenhalle.
Beerdigungen Tag und Nacht.
Tagsüber atmet ein Schmetterling mit schwarzen Flecken
auf den roten Blüten des Seidenbaums am Eingang zur Station 53.
»Weil ich die Reichen nicht leiden kann!«
sagt Kye-hwa, die im Völkerball gewann und zu mir:
»Ich kenne Sie«, lächelt dabei.
Wundersame Geburt
Im Abendleib gehen blaue Sterne auf.
Im Gesäß, auf der Brust,
am Bauchnabel, auch im Gehirn gehen sie auf.
Der Baum, an dem ich verbrannte, wächst in mir.
Ich sterbe und gehe als Sichelmond über dem Baum wieder auf.
Liebe, verrate mir die wundersame Zeit der Geburt.
Ich will die Schale sprengen, hinausgehen,
rausstürmen, das Universum sein, wiederauferstehen.
Früher
Früher war ich reich an Gedanken,
nun fällt spurlos der Schatten eines dürren Baums auf den leeren Platz.
Vogel, setz dich her,
Autoren-Porträt von Chi-ha Kim
Kim Chi-ha, geboren 1941 in der Hafenstadt Mokpo (Provinz Süd-Chulla), geriet schon als zwanzigjähriger Student in Konflikt mit der Syngman-Rhee-Diktatur. 1971 organisierte er die große Demonstration der Katholiken in Wonju, in deren Folge die Notstandserklärung erlassen wurde. 1981 wurde er auf Grund massiver Proteste aus dem In- und Ausland (u.a. organisiert von Heinrich Böll, Willy Brandt, Jean-Paul Sartre, Noam Chomsky) nach sechsjähriger Einzelhaft entlassen. Sein Werk ist in viele Sprachen übersetzt (deutsch: Die gelbe Erde, 1983); in Japan gibt es eine Gesamtausgabe seines Schaffens.
Bibliographische Angaben
- Autor: Chi-ha Kim
- 2013, 2. Auflage, 80 Seiten, Deutsch
- Übersetzer: Han-ju Yang, Matthias Göritz
- Verlag: Wallstein Verlag GmbH
- ISBN-10: 3835307045
- ISBN-13: 9783835307049
- Erscheinungsdatum: 07.11.2013
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eBook Informationen
- Dateiformat: PDF
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Pressezitat
»Der Reiz seiner trugbilderreichen Poesie liegt gerade in der Transparenz der Assoziationen.«(Steffen Gnam, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.12.2005)
»Der Band enthält neben pointierten politischen Statements naturlyrische Miniaturen, die von Lebensbejahung nur so pulsieren.«
(Börsenblatt, Spezial Buchmesse, 27.09.2005)
»Manche Gedichte scheinen uns europäischen Lesern in Rätseln zu sprechen - aber sprechen so nicht auch viele Gedichte von Paul Celan oder Friederike Mayröcker?«
(Jörg Drews, Süddeutsche Zeitung, 22.11.2005)
»Meisterliche Texte zum Langsamlesen«
(Neues Deutschland, Beilage zur Frankfurter Buchmesse, 19.-23. Oktober 2005)
»Gedichte, in denen Kim Chi-ha die Lücken tatsächlich zu öffnen versteht, in denen wahrhaftig eine ganze Weltanschauung auf einem Grashalm ruhen kann und aus dem zweiten, aufmerksamen Blick Poesie wird«
(Frankfurter Rundschau, Literatur Rundschau, Beilage, 19.10.2005)
»Es entstehen mystische Momente, in denen die Geschäftigkeit des Alltags außer Kraft gesetzt ist und die Offenbarung der Lebenswende aufblitzt«
(Freitag, 21.10.2005)
»Die einfühlsame Übertragung aus dem Koreanischen ist darum so gut gelungen, weil sie die Klarheit und Einfachheit der Sprache Kim Chi-has auch im Deutschen spürbar macht.«
(WDR 3, »Mosaik«, 12.10.2005)
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