Das Perseus-Protokoll / Debütromane in der FVA (ePub)
Thriller
Maria Brecht, eine deutsche Urlauberin, begegnet in den Bergen Kretas einem mysteriösen Fremden. Sie sieht Blutspuren und entkommt knapp einem Mordanschlag. Ein Schnellboot aus Libyen schmuggelt nachts einen Koffer an die Südküste - sein Inhalt gefährlich...
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Produktinformationen zu „Das Perseus-Protokoll / Debütromane in der FVA (ePub)“
Maria Brecht, eine deutsche Urlauberin, begegnet in den Bergen Kretas einem mysteriösen Fremden. Sie sieht Blutspuren und entkommt knapp einem Mordanschlag. Ein Schnellboot aus Libyen schmuggelt nachts einen Koffer an die Südküste - sein Inhalt gefährlich genug, um jeden Zeugen zu töten. Athen versinkt in Müll, Kriminalität und Hoffnungslosigkeit. Eine Handvoll verschworener Männer beschließt, ihr Vaterland zu retten, bevor es zu spät ist.
Das "Perseus-Protokoll" - ein präzise recherchierter, nachtschwarzer Thriller um Macht, Verrat und sehr viel Geld.
Das "Perseus-Protokoll" - ein präzise recherchierter, nachtschwarzer Thriller um Macht, Verrat und sehr viel Geld.
Lese-Probe zu „Das Perseus-Protokoll / Debütromane in der FVA (ePub)“
"Wie weit noch?" "Nicht mehr weit. Schlaf." Er drückte den Kopf der Schwester unter seine Jacke, fuhr mit klammen Fingern durch ihr nasses Haar. Ihm war übel. Von den Wellen, die über das Boot schlugen und alles nass spritzen, die Menschen, die Koffer und Plastiktüten. Von den Benzinschwaden des alten Außenbordmotors, dessen Schraube immer wieder in der Luft drehte, wenn eine Welle das Heck hob. Ihm war übel vom Erbrochenen seiner kleinen Schwester, deren magerer Körper zitterte und sich heiß und klebrig an seine Brust drückte. Aber er musste sich zusammenreißen. Vater saß weiter hinten, neben dem Steuermann. Mama lag zu ihren Füßen, unter Decken und einem Regenmantel. Ihr dicker Bauch hob und senkte sich. Eine alte Frau fühlte ihre Stirn, gab ihr aus einer Plastikflasche zu trinken, aber immer nur ein paar Tropfen - die Flasche war fast leer. "Siehst du da vorn?", rief ihm sein Vater zu. "Die Lichter! Sie werden immer größer!" Das Boot krachte in ein Wellental, Gischt spritzte über die Bordwand. Seine Jacke war zwar schon durchnässt, aber fühlte sich nach jedem Wasserschwall noch kälter an. Er presste seine Schwester an sich. Um ihr Schutz zu geben, aber auch - und dafür schämte er sich ein bisschen - um sich an ihrem fieberheißen Körper zu wärmen. "Nur noch eine Stunde", flüsterte er in ihr Ohr. "Vielleicht nur eine halbe." Das hatte sein Vater vorhin schon gerufen, da konnten sie am Himmel noch Sterne und die Mondsichel sehen. Jetzt war der Himmel schwarz, genauso schwarz wie das Wasser, und im Boot durfte kein Licht brennen. Er sah bloß die Lichter voraus, fern, aber verheißungsvoll wie ein Baum voller Kerzen. Wenn Wasser in seine Augen spritzte und er sie zusammenkniff, leuchteten die Lichter golden, rot und blau, in allen Farben des Regenbogens. Ein neues Leben hatte ihnen Vater versprochen. In einem richtigen Haus würden sie wohnen, mit Betten, Lichtschaltern und einem Wasserhahn. In Griechenland, hatte Vater gesagt, gibt es Frieden, Demokratie und Arbeit,
... mehr
ein Land voller Christen, wie sie! Sonntags läuten die Kirchenglocken, es gibt keine Armut und keine Angst. Griechenland! Einen Arzt für die Mutter, eine Schule für die Tochter und den Sohn! Er kniff die Augen fester zusammen, sah die Lichter am Horizont blinken und tanzen, sah sie näher kommen, schnell, plötzlich hörte er das Dröhnen eines Motors. Er riss die Augen auf: Ein Schiff kam auf sie zu, von vorn, mit hoher Bugwelle, drehte sich zur Seite, versperrte ihnen den Weg. Der Lichtkegel eines Scheinwerfers blendete ihn und alle Menschen im Boot. An der Reling standen Männer in Uniform, mit Waffen, die sie auf das Boot gerichtet hielten. Er hörte Rufe durch einen Lautsprecher, in einer Sprache, die er nicht verstand. Vater stand auf, rief etwas zurück, er konnte Griechisch, aber nur ein paar Worte. Jetzt kam wieder die strenge Stimme aus dem Lautsprecher. Vater zeigte auf Mutter, machte mit seinen Händen einen dicken Bauch. Die Soldaten an der Reling redeten nicht, lächelten nicht, hielten bloß ihre Waffen auf das Boot gerichtet. Wieder die Stimme aus dem Lautsprecher, Vater übersetzte: "Wir sollen umdrehen." Unruhe im Boot, Angst auf den Gesichtern. Zurückkehren? In die Türkei, nach Fethiye? Der Steuermann hob den Kanister mit dem Treibstoff hoch, schüttelte ihn, zeigte, wie leicht er war. Vater rief, doch auf dem grauen Schiff antwortete niemand. Er rief noch einmal, schrie, die Hände um den Mund wie ein Trichter. Keine Antwort von den Soldaten, keine Antwort aus dem Lautsprecher. Stattdessen kam das Schiff auf sie zu, langsam, drohend wie ein bissiges Tier. "Jeder an seinen Platz!" Er drehte den Außenborder auf, das Boot legte sich schief, Gischt spritzte. Lauernd blieb das graue Schiff zurück. Zwanzig Männer und Frauen in einem offenen Fischerboot. Die Männer, bärtig, mit grimmigen Gesichtern, redeten auf Vater und den Steuermann ein, in einem Arabisch, das hart klang, sogar gefährlich. Ein Somalier machte dem Steuermann Vorwürfe wegen des leeren Benzinkanisters, der Steuermann rief erregt, das Boot habe in den hohen Wellen viel mehr Treibstoff gebraucht als sonst. Jedenfalls würden sie es nicht schaffen, zurück in die Türkei, unmöglich. Der Steuermann schaltete den Motor herunter, sie brauchten jetzt jeden Tropfen. Sie sahen dem grauen Schiff nach, dessen Lichter immer kleiner wurden, bis sie kaum noch zu unterscheiden waren von den Lichtern der Insel. Die doch so nah war! Sie waren fast in Griechenland! Seine Schwester hob den Kopf: "Sind wir da?" "Gleich." Er drückte ihren Kopf wieder unter die Jacke. Die Männer redeten. Ein Alter wimmerte und reckte die Hände zum Himmel. Der Steuermann schaltete den Motor wieder hoch und drehte den Bug in Richtung der Lichter. Das graue Schiff würde sie nicht noch einmal finden, in der Nacht. Wahrscheinlich würde es gar nicht nach ihnen suchen. Und wenn, dann sollte Vater rufen: "Motorschaden!" Dann durf- ten die Soldaten ihnen nichts mehr tun, sie mussten ihnen sogar helfen, das war Gesetz! Vater nickte seinem Sohn am Bug zu, hob den Daumen. Der Sohn nickte zurück; gerade jetzt fühlte er wieder einen dünnen, heißen Strahl Erbrochenes auf seinem Hemd. Die Lichter der Insel verschwammen wie im Nebel. Erste Tropfen fielen, schwer und kalt. Kein Mittel, sich zu schüt- zen, die Plane war für die Koffer und die Plastiktüten, und auch dafür war sie zu kurz. Bestimmt waren Kleidung und Schuhe in den Koffern schon durchnässt, was sollten sie anziehen, auf der Insel? Und plötzlich war es wieder da, das graue Schiff. Von hinten war es gekommen, tückisch, mit ausgeschalteten Lichtern. Und weil sie es erst jetzt sahen, als es den Kegel seines Scheinwerfers auf sie richtete, konnte Vater nicht mehr sagen, sie hätten einen Motorschaden. Aber er verlor nicht den Mut, stellte sich auf, schwenkte den Kanister: "Kein Benzin! Kein Benzin!" Keine Soldaten an Deck, nicht in dem Regen. Keine Antwort aus dem Lautsprecher. Nur das graue Schiff, das eine Kurve drehte, von der Seite kam, schnell, sie fast rammte und eine Welle machte, die ihr leichtes Boot beinahe umwarf. Die Frauen kreischten, die Männer stießen Flüche aus und reck- ten die Fäuste, Vater hielt den Kanister hoch und schrie, als ob er gleich weinen würde: "Kein Benzin!" Und schon wieder kam das graue Schiff - wie schnell es war! Es machte eine noch gefährlichere Welle, der Steuermann riss den Außenborder herum. "Mama liegt halb im Wasser!" Sie hatten an Bord bloß zwei Blechdosen und die Plastik- flasche, von der Vater mit einem Messer die untere Hälfte abschnitt, um das Wasser aus dem Boot zu schöpfen - zu wenig, falls der Regen stärker wurde. Wenigstens blies jetzt, wo sie zurückfuhren, weg von der Insel, der Wind von hinten, kein Meerwasser schlug in ihr Boot. Das graue Schiff fuhr dicht hinter ihnen. Wollten die Soldaten bloß sehen, ob der Kanister wirklich leer war? Wenn sie im Meer trieben, ein Fischerboot voller Menschen, mit einer Frau, die gleich ein Baby bekam - dann mussten sie doch eine Leine herüberwerfen und ihnen helfen! Die Kurden und der Steuermann, ein Usbeke, hatten das Boot in Fethiye gekauft. Sie hatten die freien Plätze weiterverkauft, an andere Flüchtlinge aus dem Irak, Libanon, So- malia. Doch nun war allen klar: Sie hatten zu viele Plätze verkauft, das Boot war überfüllt, der Motor zu schwach für die hohe See. Es steuerte in teerschwarze Nacht, kein Licht am Horizont, nur Wind, Regen - und das graue Schiff, das wieder näher kam, bedrohlich, die Stimme rief etwas aus dem Lautsprecher. "Was hat er gesagt?" Eine Bö verwehte die Übersetzung des Vaters, doch die Kurden hatten genug gehört. Sie reckten die Arme und stießen Verwünschungen aus. Ein einzelner Soldat stand an der Re- ling, jung und schlank, mit einem Schnurrbart, dünn wie eine Klinge, und einem Kinn, das vielleicht nur im Decks- licht so mächtig wirkte. Der Alte stemmte sich hoch, hielt sich an der Schulter eines Jüngeren fest und schrie etwas in der fremden Sprache. Der junge Soldat zögerte einen Moment - dann legte er sein Gewehr an und schoss. Er schoss dreimal, viermal aufs Boot, während das Schiff schon ab- drehte. Alles flüchtete hinter den Planken in Deckung. Die Kurden dachten, er hätte nichts getroffen, sie lachten höhnisch - aber nur einen Augenblick. In Wahrheit hatte der Soldat ziemlich gut getroffen, er hatte unter die Wasserlinie gezielt und ein Loch ins Holz geschossen. Das Wasser gur- gelte, Gepäckstücke wurden hochgerissen. "Wo ist das Loch?!" "Hier!" "Nein, hier!" Alle mühten sich, das Loch mit der Plane zu stopfen, aber das Holz war gesplittert, von außen presste Wasser herein. "Wir müssen es von außen abdichten!" Aber wie sollten sie das schaffen, in den hohen Wellen? Und es musste ein weiteres Loch geben, mindestens eines, das Wasser im Boot stieg schnell. Wo waren die Löcher? Auf der Seite, in die der Soldat geschossen hatte. Aber näher am Bug oder am Heck? Mutter richtete sich auf, hielt ihren Bauch, Vater schöpfte mit einer Blechdose, bis zu den Knöcheln im Wasser stehend, bald bis zu den Knien. Die Bärtigen fluchten nicht mehr, ihre Augen waren weiß und glänzten vor Angst. Einer suchte mit einer Taschenlampe, warf Tüten und Koffer über Bord. Hinten, wo der schwere Außenborder hing, sank das Boot immer tiefer, Wellen schlugen über die Bordwand, die Taschenlampe erlosch. Seine Schwester hob den Kopf, sah das Wasser, fing an zu weinen. "Nicht schlimm! Halte dich an mir fest!" Holz barst, alles stürzte zum Bug, er roch nasse Kleider, sah nur noch Stoff, glaubte zu ersticken. Er fühlte das Boot kentern, fühlte eisiges Meerwasser. Er hielt den Kopf seiner schreienden Schwester in die Höhe, strampelte mit den Bei- nen, mit einem Arm, die Männer brüllten, sie konnten genauso wenig schwimmen wie die Frauen, keiner der Kurden und Somalier, die eben noch stark und grimmig aus ihren Mänteln geschaut hatten, konnte schwimmen! Wo war Va- ter, wo war Mutter? In der Finsternis sah er hier einen Kopf, dort eine Tüte, Hände krallten sich an ihn, drückten ihn unter Wasser, er strampelte, schluckte, tauchte wieder auf. Ein Bootsriemen, er umklammerte ihn - wo war seine Schwes- ter? "Rafqa! Rafqa!" Wind heulte in seinen Ohren, Regen prasselte aufs Wasser. Er griff nach einem hellen Fleck, fühlte den Stoff - es war bloß ein leerer Mantel. Er strampelte mit den Beinen, sah hier und da noch einen Kopf aus dem Wasser ragen, Arme, eine Hand ... "Papa! Mama! Rafqa!" Niemand hörte ihn, niemand antwortete. Er sah die Lichter der Insel, die so nahe schienen, kniff die Augen zusammen, sah sie glitzern, gelb, grün, blau, in allen Farben des Regenbogens. Kaum fühlte er noch seine Beine, seine Arme. Er ver- suchte zu beten, aber er konnte seine Finger nicht falten, sie waren zu steif, und er musste den Riemen festhalten. Plötzlich fühlte er eine Kraft, die ihn umhüllte. Sie war warm und dunkel, sie schützte ihn wie eine Blase. Er hörte eine Stim- me, weich und zärtlich. "Willst du leben?" "Ja ..." "Willst du stark bleiben und durchhalten?" "Ja, ich will ..." Eine Welle brach über ihm, er schluckte Salzwasser. "Der Soldat, der auf das Boot geschossen hat, ist böse", sagte die Stimme. "Das Schiff, von dem der Soldat geschossen hat, ist böse. Das Land, aus dem das Schiff kommt, ist böse. Der Soldat, das Schiff und das Land - sie müssen für ihre Schuld bezahlen!"
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Autoren-Porträt von Kai Hensel
Kai Hensel, geboren 1965 in Hamburg, lebt als mehrfach preisgekrönter Autor von Drehbüchern, Theaterstücken und Reisereportagen in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kai Hensel
- 2012, 320 Seiten, Deutsch
- Verlag: Frankfurter Verlags-Anst.
- ISBN-10: 3627021851
- ISBN-13: 9783627021856
- Erscheinungsdatum: 01.03.2012
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 3.68 MB
- Ohne Kopierschutz
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Pressezitat
"Der Roman ist ein gut recherchiertes Gedankenspiel, ein Flirt mit dem Desaster." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung "Eindrucksvoll beschreibt Kai Hensel Athen auf dem Weg in den Zusammenbruch: Stromausfälle, Müll auf den Straßen, grassierende Armut, leerstehende Geschäfte, Drogensucht und Gewalt, die Atmosphäre der Wut und Verzweiflung. (...) Der Plot ist sorgfältig konstruiert und der Autor beweist offensichtliche Ortskenntnis und Gespür für Atmosphäre." Hr online
"Kai Hensel hat seinen Krimi Das Perseus-Protokoll perfekt getimt. Was die Studentin Maria Brecht in Griechenland erlebt, ist ein Albtraum, der nahe an der Wirklichkeit ist. (...) Ein hochaktueller Krimi mit einer Heldin wider Willen, einem in Auflösung begriffenen Griechenland und einem Killer, der aus der Verzweiflung kommt."
AUGSBURGER ALLGEMEINE, 10.3.
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