Der Antichrist und der Gekreuzigte (PDF)
Friedrich Nietzsches letzte Texte
Wenige Monate vor seinem Zusammenbruch 1888/89 beginnt Friedrich Nietzsche die Geschichte Jesu von Nazareth auf verstörende Weise neu zu erzählen - ausgerechnet unter der Überschrift »Der Antichrist«. Gleich darauf entwirft er seine Selbstdarstellung »Ecce...
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Produktinformationen zu „Der Antichrist und der Gekreuzigte (PDF)“
Wenige Monate vor seinem Zusammenbruch 1888/89 beginnt Friedrich Nietzsche die Geschichte Jesu von Nazareth auf verstörende Weise neu zu erzählen - ausgerechnet unter der Überschrift »Der Antichrist«. Gleich darauf entwirft er seine Selbstdarstellung »Ecce homo« in enger Auseinandersetzung mit diesem Bild Jesu. Und in seinen letzten Briefen tritt er schließlich selbst in diese Erlöserrolle ein. Der Dichter-Philosoph, der einst den »Tod Gottes« proklamiert hatte, verkündet nun triumphierend: »Gott ist auf der Erde«. Und er unterschreibt diesen Satz als »Der Gekreuzigte«.
Die Wandlungen, die sich zwischen diesen Texten vollzogen haben, sind immer wieder als Symptome des ausbrechenden Wahnsinns verstanden worden. Detering analysiert Nietzsches letzte Texte jenseits der alten Streitigkeiten um Philosophie und Krankheit: als Teile einer sich vor den Augen der Leser entwickelnden großen Erzählung, als Arbeit am Mythos, die ihrer eigenen literarischen Logik folgt.
Die Wandlungen, die sich zwischen diesen Texten vollzogen haben, sind immer wieder als Symptome des ausbrechenden Wahnsinns verstanden worden. Detering analysiert Nietzsches letzte Texte jenseits der alten Streitigkeiten um Philosophie und Krankheit: als Teile einer sich vor den Augen der Leser entwickelnden großen Erzählung, als Arbeit am Mythos, die ihrer eigenen literarischen Logik folgt.
Lese-Probe zu „Der Antichrist und der Gekreuzigte (PDF)“
XII. Was Wahrheit ist (S. 124-125)Nun haben manche Interpreten dafür plädiert, den Titel Ecce homo als satirisch und geradezu als »Nietzsches Parodie auf das Christentum « zu lesen2 – insofern nämlich das Pilatus-Wort »Ecce homo« mit Nietzsches Ohren gleichsam als ironische Distanznahme gegenüber dem vermeintlichen Messias und Gottessohn zu hören sei, getragen also von derselben Skepsis, die zuvor schon dem Wahrheitsanspruch Jesu die Gegenfrage gestellt hatte, was denn Wahrheit sei.
Am pointiertesten hat das Kofman formuliert: »Ponce Pilate le Romain est l’ancêtre de Nietzsche: en posant la question sceptique, il rend possible et prépare la question généalogique.« Über die Distanz der Jahrhunderte hinweg bedeute der Buchtitel deshalb ein ironisch-komplizenhaftes Augenzwinkern gegenüber diesem Vorgänger: »Nietzsche, en intitulant son ›autoprésentation‹ Ecce homo, fait donc d’abord, par-delà les siècles, un clin d’œil ironique et complice à son ancêtre Ponce Pilate«; der Titel »souligne son scepticisme«.3
Wirklich hatte der Antichrist ja den Pilatus, wie wir sahen, lange vor der Neuerzählung der Golgatha-Geschichte mit dessen Wahrheitsfrage eingeführt; und in seiner Interpunktion war sie zum spöttischen Ausruf geworden: »Was ist Wahrheit!« Um dieses Wortes willen hatte er Pilatus ja geradezu als die einzige Figur »im ganzen neuen Testament« bezeichnet, »die man ehren muss«.
Dieser Pilatus des Antichrist hatte damit den Gegensatz von Wahrheit und Lüge grundsätzlich in Zweifel gezogen, ganz im Sinne von Nietzsches Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne. Aus seiner Wahrheitsfrage, das hat der Antichrist ihm nachgerühmt, spreche der »vornehme
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Hohn eines Römers, vor dem ein unverschämter Missbrauch mit dem Wort ›Wahrheit‹ getrieben wird«.
Und doch muss man auch hier noch einmal genau nachlesen. Denn was geschieht da ›vor ihm‹, wer treibt den Missbrauch? Keineswegs der »heilige Idiot« Jesus. Den hat nach der Überzeugung eben desselben Antichrist doch »nicht der entfernteste Hauch von Wissenschaft, Geschmack, geistiger Zucht, Logik« angeweht; dessen Gleichnisrede konnte ein Anspruch auf »Wahrheit« überhaupt nur im Plural und in jener ironischen Absetzung vom platonisch- paulinischen Wahrheitsbegriff zugeschrieben werden, die auch hier durch die Anführungszeichen markiert ist: »dass er nur innere Realitäten als Realitäten, als ›Wahrheiten‹ nahm«.
Nicht dieser reine Tor, der außerhalb von Wahrheit und Lüge lebt, ist für den Antichrist das Gegenüber des spöttischen Pilatus gewesen, sondern der christianisierte Jesus des Dogmas und seiner ersten Formulierung im »neuen Testament« als dem Buch der frühen Kirche, das nur Wahrheit oder Lüge, Sünde oder Gnade, Strafe oder Lohn kennt.
Und doch muss man auch hier noch einmal genau nachlesen. Denn was geschieht da ›vor ihm‹, wer treibt den Missbrauch? Keineswegs der »heilige Idiot« Jesus. Den hat nach der Überzeugung eben desselben Antichrist doch »nicht der entfernteste Hauch von Wissenschaft, Geschmack, geistiger Zucht, Logik« angeweht; dessen Gleichnisrede konnte ein Anspruch auf »Wahrheit« überhaupt nur im Plural und in jener ironischen Absetzung vom platonisch- paulinischen Wahrheitsbegriff zugeschrieben werden, die auch hier durch die Anführungszeichen markiert ist: »dass er nur innere Realitäten als Realitäten, als ›Wahrheiten‹ nahm«.
Nicht dieser reine Tor, der außerhalb von Wahrheit und Lüge lebt, ist für den Antichrist das Gegenüber des spöttischen Pilatus gewesen, sondern der christianisierte Jesus des Dogmas und seiner ersten Formulierung im »neuen Testament« als dem Buch der frühen Kirche, das nur Wahrheit oder Lüge, Sünde oder Gnade, Strafe oder Lohn kennt.
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Autoren-Porträt von Heinrich Detering
Heinrich Detering, geb. 1959, ist nach Lehrtätigkeit an den Universitäten in Irvine, München und Kiel Professor für Neuere deutsche Literatur an der Georg-August-Universität Göttingen. 2003 erhielt er den »Preis der Kritik" von Hoffmann und Campe und 2009 wurde er mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Er ist u.a. Mitherausgeber der kommentierten Ausgabe der Werke, Briefe und Tagebücher von Thomas Mann und Autor eines Buchs über Bob Dylan.
Bibliographische Angaben
- Autor: Heinrich Detering
- 2013, 3. Auflage, 232 Seiten, Deutsch
- Verlag: Wallstein Verlag GmbH
- ISBN-10: 3835320874
- ISBN-13: 9783835320871
- Erscheinungsdatum: 07.11.2013
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eBook Informationen
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Pressezitat
Platz 3 der Sachbuchbestenliste (NDR/Süddeutsche Zeitung) im Juli 2010»einen hellhörigeren und umsichtigeren Interpreten des späten Nietzsche als Heinrich Detering, der bei aller Kenntnis der aufgelaufenen Literatur doch ohne jede akademische Angestrengtheit und schnörkellos bündig zu schreiben weiß, wird man so leicht nicht finden.«
(Helmut Mayer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.08.2010)
»Das Close Reading ist eine ergiebige Methode, gerade weil Nietzsche hier keine widerspruchsfrei konzipierten Argumentationen durchgeführt.«
(Wolfgang Schneider, Deutschlandradio Kultur, 08.06.2010)
Heinrich Deterings »Studie mit ihren eigenwilligen und kühnen Interpretationen, die ungeahnte Möglichkeiten der Hermeneutik fast bis zu ihren Grenzen ausschöpft, ist so aufregend und anregend, dass man das Buch gar nicht aus der Hand legen möchte.«
(Ursula Homann, literaturkritik.de, 07.07.2010)
»ein ungeheuer spannendes Buch.«
(Helmut Petzold, Bayern 2/Diwan, 26.06.2010)
»Wer der Spur Deterings durch die Denk-Wege des Philosophen folgt, erreicht einen Punkt, von dem aus Nietzsches Spätwerk in bestechender Schlüssigkeit erscheint.«
(Wolfgang Schneider, Der Tagesspiegel, 11.07.2010)
»ein grosser Wurf, eine Provokation freilich auch.«
(Ludger Lütkehaus, Neue Zürcher Zeitung, 14.08.2010)
»eine spannende Inspektion von Friedrich Nietzsches Spätwerk, zu dem doch alles schon gesagt schien.«
(Kai Agthe, Thüringische Landeszeitung, 28.08.2010)
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