Der Tod im Reisfeld / Ullstein eBooks (ePub)
Dreißig Jahre Krieg in Indochina
Peter Scholl-Latour kennt Indochina wie kaum ein anderer, er ist mit allen Ländern zwischen dem Golf von Bengalen und dem Golf von Tonking vertraut: Vietnam, Kambodscha, Laos, Thailand, Burma und Singapur. Außerdem kennt er den mächtigen Nachbarn China....
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Produktinformationen zu „Der Tod im Reisfeld / Ullstein eBooks (ePub)“
Peter Scholl-Latour kennt Indochina wie kaum ein anderer, er ist mit allen Ländern zwischen dem Golf von Bengalen und dem Golf von Tonking vertraut: Vietnam, Kambodscha, Laos, Thailand, Burma und Singapur. Außerdem kennt er den mächtigen Nachbarn China. Seit er 1945 an Bord eines französischen Truppentransporters zum ersten Mal dorthin reiste ...
Lese-Probe zu „Der Tod im Reisfeld / Ullstein eBooks (ePub)“
Der Tod im Reisfeld von Peter Scholl-Latour Vorwort zur Neuausgabe von 2013
Im Laufe meines langen Lebens habe ich mir einen Sport daraus gemacht, sämtliche Länder dieser Erde zu bereisen. Das ist mir auch gelungen, mit Ausnahme von ein paar Atollen im Pazifik und ein paar winzigen Eilanden der Karibik. Ich war stets auf der Suche nach der Authentizität fremder Kulturen und den Spuren ihrer oft brutalen Exotik. Die letzte Lücke wurde geschlossen, als ich vor wenigen Jahren die ehemals portugiesische Inselhälfte von Timor, die Republik Timor Leste, erforschte.
Immer wieder wurde mir die Frage gestellt, wo ich mich denn am wohlsten gefühlt, welche Region mich am tiefsten beeindruckt und in ihren Bann gezogen hätte. Die Antwort war stets die gleiche, und sie kam immer spontan: »Indochina, mon amour«, der Titel eines Kapitels des vorliegenden Buches, der häufig plagiiert wurde. In Frankreich gilt der Spruch: »On revient toujours à ses premières amours« - Man kehrt stets zu seiner ersten Liebe zurück, und das dürfte bei mir für jene einst französischen Besitzungen am Mekong und am Roten Fluß gelten, deren Faszination ich als junger Mann erlegen war. Ähnlich ist es wohl auch dem englischen Autor Graham Greene ergangen, als er den Stoff für seinen »Stillen Amerikaner« sammelte.
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Paradoxerweise waren selbst die Soldaten des französischen Expeditionscorps diesem Charme verfallen, als sie - in tragischer Verkennung des Zeitenwandels - in den Dschungeln und Reisfeldern von Vietnam, Kambodscha und Laos einem verspäteten imperialen Traum nachjagten und dabei unter schweren Verlusten scheiterten. »Le Mal jaune« hat Jean Lartéguy, ehemaliger Para-Offizier in Indochina, seinen persönlichen Rückblick überschrieben. Damit war nicht irgendeine tropische Krankheit gemeint, sondern die schmerzliche Nostalgie, mit der die Veteranen dieses sinnlosen, aber romantischen Abenteuers in Fernost gedachten, als sie - wenige Jahre nach der Niederlage von Dien Bien Phu - in den trostlosen Schluchten des Atlas in die blutigen Exzesse des Algerienkrieges verwickelt wurden.
Historische Bedeutung und die angespannte Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit sollten die ehemaligen französischen Kolonien in Ostasien erst gewinnen, als das spärliche Truppenaufgebot, über das die IV. Republik verfügt hatte, durch die kolossale Streitmacht der USA abgelöst wurde, die eine angeblich von Hanoi ausgehende Ausbreitung des Kommunismus im Keim ersticken sollte. Die Präsidenten Eisenhower und Kennedy waren dem Irrtum erlegen, die revolutionäre marxistische Botschaft Ho Chi Minhs könne bis nach Indien ausstrahlen und - einem Domino-Effekt gehorchend - die brodelnden Menschenmassen des gesamten südasiatischen Kontinentalblocks gegen den Westen mobilisieren.
Mit dem Einsatz von einer halben Million GIs und einer Bombardierungsintensität, die den ungeheuren Vernichtungsaufwand des Zweiten Weltkrieges übertraf, würden die USA den Aufruhr der fanatisierten gelben Zwerge Südostasiens binnen weniger Monate zerschmettern, so lautete damals die Überzeugung des Pentagons und der weltweiten Medienlandschaft. Wer hätte damals - zumal in Deutschland, das die zermalmende Wucht amerikanischer Kriegführung an den Stränden der Normandie erlebt hatte - verstehen können, daß das Eingreifen der USA in den begrenzten Raum zwischen dem siebzehnten Breitengrad und der Südspitze von Camau in einem »Quagmire«, einem Sumpf versacken würde? Wer hätte ahnen können, daß am Ende eines wenig glorreichen Engagements von fast zehn Jahren die schmähliche Flucht der Amerikaner aus ihren letzten Quartieren von Saigon stehen würde? Als ich - auf Grund meiner intensiven Erfahrungen im französischen Indochina - schon während der ersten Phase nach der Landung der US-Marines in Danang in meiner Berichterstattung ernsthafte Zweifel am Erfolg dieses gigantischen Unternehmens äußerte, stieß ich auf Kritik und Spott. Damals übte ich zum ersten Mal die Rolle des einsamen »Rufers in der Wüste« aus, des unkonventionellen Abweichlers von der vorherrschenden Meinung, der ich mein ganzes Leben lang treu geblieben bin und in der ich selten widerlegt wurde.
Die Magie Indochinas hat in meinem beruflichen und auch privaten Leben entscheidend nachgewirkt. Wenn sich nicht neuerdings Ströme von Touristen über dieses entzauberte Wunderland ergössen, könnte ich mir sogar vorstellen, in einem verwunschenen Gehöft am Ufer des Mekong meine Tage zu beschließen. Aber das würde voraussetzen, daß sich die grandiose Unberührtheit und freundliche Schicksalsergebenheit der Eingeborenen erhalten hätten, die nun nur noch in meiner Phantasie weiterleben. So bleibt mir wenigstens als flüchtiger Glücksmoment mein letzter Aufenthalt im wiedererstandenen Stadtzentrum von Hanoi erhalten. Dort hatte ich mich als einsamer Europäer auf den Steinbänken am »Kleinen See« einer Runde hochbetagter Asiaten beigesellt. Es kam zwar kein Gespräch auf, aber wir genossen die brüderliche Gemeinsamkeit des Greisenalters, während wir wortlos auf das stille Wasser des »petit lac« blickten. Auf dessen Grund soll der Sage zufolge eine riesige Schildkröte über das Zauberschwert jenes fernen vietnamesischen Nationalhelden wachen, der die weit überlegenen Horden des Mongolen-Kaisers Kublai Khan in der Schlacht von Bac Dang vernichtete und so seine Nation vor der totalen Unterwerfung und Assimilation durch das chinesische Reich der Mitte bewahrte.
Im vorliegenden Buch geht es nicht um meine persönlichen Befindlichkeiten, sondern um die Frage, inwieweit das Schicksal Indochinas das Weltgeschehen beeinflußt hat. Wenn man von dem Kompromiß absieht, zu dem sich Washington 1953 nach dem massiven Durchbruch der Volksbefreiungsarmee Mao Tse-tungs in Korea gezwungen sah, haben die USA die erste spektakuläre Niederlage ihrer Geschichte in Vietnam erlitten. Psychologisch hat sich die »Superpower« von dieser Demütigung bis heute nicht erholt, vielmehr ist dieser Koloß, dessen Potential und technologischer Vorsprung zur Stunde noch unerreicht sind, seitdem von einem militärischen Fehlschlag zum anderen gestolpert.
Der Krieg gegen den Irak Saddam Husseins misslang total und beschwor ein verhängnisvolles Chaos herauf, auch wenn der Diktator von Bagdad gefangen und hingerichtet wurde. In Afghanistan beobachten wir zur Stunde, wie nach mehr als zehnjähriger Terroristen-Bekämpfung die als teuflische Verbrecher geschmähten »Taleban« im Begriff stehen, die Macht in Kabul wieder an sich zu reißen. Die absurden Entgleisungen des sogenannten Arabischen Frühlings haben die Unfähigkeit dieser Weltmacht bloßgelegt, den Geboten der psychologischen Kriegführung gerecht zu werden und auf die Tücken des »asymmetric war« in angemessener Form zu reagieren. Im pazifischen Raum, dem Barack Obama seine prioritäre Aufmerksamkeit widmen will, sieht sich Amerika außerstande, den paranoiden Drohgebärden der nordkoreanischen Kim-Dynastie mit gebührender Strenge zu begegnen.
© Ullstein TB
Paradoxerweise waren selbst die Soldaten des französischen Expeditionscorps diesem Charme verfallen, als sie - in tragischer Verkennung des Zeitenwandels - in den Dschungeln und Reisfeldern von Vietnam, Kambodscha und Laos einem verspäteten imperialen Traum nachjagten und dabei unter schweren Verlusten scheiterten. »Le Mal jaune« hat Jean Lartéguy, ehemaliger Para-Offizier in Indochina, seinen persönlichen Rückblick überschrieben. Damit war nicht irgendeine tropische Krankheit gemeint, sondern die schmerzliche Nostalgie, mit der die Veteranen dieses sinnlosen, aber romantischen Abenteuers in Fernost gedachten, als sie - wenige Jahre nach der Niederlage von Dien Bien Phu - in den trostlosen Schluchten des Atlas in die blutigen Exzesse des Algerienkrieges verwickelt wurden.
Historische Bedeutung und die angespannte Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit sollten die ehemaligen französischen Kolonien in Ostasien erst gewinnen, als das spärliche Truppenaufgebot, über das die IV. Republik verfügt hatte, durch die kolossale Streitmacht der USA abgelöst wurde, die eine angeblich von Hanoi ausgehende Ausbreitung des Kommunismus im Keim ersticken sollte. Die Präsidenten Eisenhower und Kennedy waren dem Irrtum erlegen, die revolutionäre marxistische Botschaft Ho Chi Minhs könne bis nach Indien ausstrahlen und - einem Domino-Effekt gehorchend - die brodelnden Menschenmassen des gesamten südasiatischen Kontinentalblocks gegen den Westen mobilisieren.
Mit dem Einsatz von einer halben Million GIs und einer Bombardierungsintensität, die den ungeheuren Vernichtungsaufwand des Zweiten Weltkrieges übertraf, würden die USA den Aufruhr der fanatisierten gelben Zwerge Südostasiens binnen weniger Monate zerschmettern, so lautete damals die Überzeugung des Pentagons und der weltweiten Medienlandschaft. Wer hätte damals - zumal in Deutschland, das die zermalmende Wucht amerikanischer Kriegführung an den Stränden der Normandie erlebt hatte - verstehen können, daß das Eingreifen der USA in den begrenzten Raum zwischen dem siebzehnten Breitengrad und der Südspitze von Camau in einem »Quagmire«, einem Sumpf versacken würde? Wer hätte ahnen können, daß am Ende eines wenig glorreichen Engagements von fast zehn Jahren die schmähliche Flucht der Amerikaner aus ihren letzten Quartieren von Saigon stehen würde? Als ich - auf Grund meiner intensiven Erfahrungen im französischen Indochina - schon während der ersten Phase nach der Landung der US-Marines in Danang in meiner Berichterstattung ernsthafte Zweifel am Erfolg dieses gigantischen Unternehmens äußerte, stieß ich auf Kritik und Spott. Damals übte ich zum ersten Mal die Rolle des einsamen »Rufers in der Wüste« aus, des unkonventionellen Abweichlers von der vorherrschenden Meinung, der ich mein ganzes Leben lang treu geblieben bin und in der ich selten widerlegt wurde.
Die Magie Indochinas hat in meinem beruflichen und auch privaten Leben entscheidend nachgewirkt. Wenn sich nicht neuerdings Ströme von Touristen über dieses entzauberte Wunderland ergössen, könnte ich mir sogar vorstellen, in einem verwunschenen Gehöft am Ufer des Mekong meine Tage zu beschließen. Aber das würde voraussetzen, daß sich die grandiose Unberührtheit und freundliche Schicksalsergebenheit der Eingeborenen erhalten hätten, die nun nur noch in meiner Phantasie weiterleben. So bleibt mir wenigstens als flüchtiger Glücksmoment mein letzter Aufenthalt im wiedererstandenen Stadtzentrum von Hanoi erhalten. Dort hatte ich mich als einsamer Europäer auf den Steinbänken am »Kleinen See« einer Runde hochbetagter Asiaten beigesellt. Es kam zwar kein Gespräch auf, aber wir genossen die brüderliche Gemeinsamkeit des Greisenalters, während wir wortlos auf das stille Wasser des »petit lac« blickten. Auf dessen Grund soll der Sage zufolge eine riesige Schildkröte über das Zauberschwert jenes fernen vietnamesischen Nationalhelden wachen, der die weit überlegenen Horden des Mongolen-Kaisers Kublai Khan in der Schlacht von Bac Dang vernichtete und so seine Nation vor der totalen Unterwerfung und Assimilation durch das chinesische Reich der Mitte bewahrte.
Im vorliegenden Buch geht es nicht um meine persönlichen Befindlichkeiten, sondern um die Frage, inwieweit das Schicksal Indochinas das Weltgeschehen beeinflußt hat. Wenn man von dem Kompromiß absieht, zu dem sich Washington 1953 nach dem massiven Durchbruch der Volksbefreiungsarmee Mao Tse-tungs in Korea gezwungen sah, haben die USA die erste spektakuläre Niederlage ihrer Geschichte in Vietnam erlitten. Psychologisch hat sich die »Superpower« von dieser Demütigung bis heute nicht erholt, vielmehr ist dieser Koloß, dessen Potential und technologischer Vorsprung zur Stunde noch unerreicht sind, seitdem von einem militärischen Fehlschlag zum anderen gestolpert.
Der Krieg gegen den Irak Saddam Husseins misslang total und beschwor ein verhängnisvolles Chaos herauf, auch wenn der Diktator von Bagdad gefangen und hingerichtet wurde. In Afghanistan beobachten wir zur Stunde, wie nach mehr als zehnjähriger Terroristen-Bekämpfung die als teuflische Verbrecher geschmähten »Taleban« im Begriff stehen, die Macht in Kabul wieder an sich zu reißen. Die absurden Entgleisungen des sogenannten Arabischen Frühlings haben die Unfähigkeit dieser Weltmacht bloßgelegt, den Geboten der psychologischen Kriegführung gerecht zu werden und auf die Tücken des »asymmetric war« in angemessener Form zu reagieren. Im pazifischen Raum, dem Barack Obama seine prioritäre Aufmerksamkeit widmen will, sieht sich Amerika außerstande, den paranoiden Drohgebärden der nordkoreanischen Kim-Dynastie mit gebührender Strenge zu begegnen.
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Autoren-Porträt von Peter Scholl-Latour
Peter Scholl-Latour, geboren 1924 in Bochum. Promotion an der Sorbonne in Paris in den Sciences Politiques, Diplom an der Libanesischen Universität in Beirut in Arabistik und Islamkunde. Seitdem in vielfältigen Funktionen als Journalist und Publizist tätig, unter anderem als ARD-Korrespondent in Afrika und Indochina, als ARD- und ZDF-Studioleiter in Paris, als Programmdirektor des WDR-Fernsehens, als Chefredakteur und Herausgeber des STERN und als Vorstandsmitglied von Gruner + Jahr. Seine TV-Sendungen erreichen höchste Einschaltquoten, seine Bücher haben ihn zu Deutschlands erfolgreichstem Sachbuchautor gemacht.Peter Scholl-Latour verstarb am 16. August 2014.
Bibliographische Angaben
- Autor: Peter Scholl-Latour
- 2013, 1. Auflage, 400 Seiten, Deutsch
- Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
- ISBN-10: 3843705550
- ISBN-13: 9783843705554
- Erscheinungsdatum: 13.09.2013
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