Farida (ePub)
Die Ermordung von Sasson Karkouli stürzt die jüdische Gemeinde im Bagdad der dreißiger Jahre in tiefe Ratlosigkeit. Eine politische Tat? Karkoulis Freund und Partner Salim Abdullah wird verhaftet und verurteilt. Kann Farida, die Frau, die er liebt, die...
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Produktinformationen zu „Farida (ePub)“
Die Ermordung von Sasson Karkouli stürzt die jüdische Gemeinde im Bagdad der dreißiger Jahre in tiefe Ratlosigkeit. Eine politische Tat? Karkoulis Freund und Partner Salim Abdullah wird verhaftet und verurteilt. Kann Farida, die Frau, die er liebt, die Jüdin und die vergötterte Sängerin des Irak, Geliebte des Machtmenschen Jawad Hachem, ihn retten? Kattans Roman wirft nicht nur durch seine Protagonistin Licht auf die vergessene Geschichte irakischer Juden, der Autor selbst zählt zu den führenden Vertretern jüdisch-arabischer Literatur.
Lese-Probe zu „Farida (ePub)“
S. (70-71)Farida erschien allein im Malha. Salim hatte versprochen, im Zuschauer­,raum zu sein. Das Orchester bot jedem einzelnen Musiker Gelegenheit, seine virtuo­,sen improvisatorischen Fähigkeiten zu demonstrieren. Zuerst kam der Ud-, dann der Kanun- und der Nayspieler und zuletzt der Geiger, Sami. Salim bestellte einen Viertelliter Arrak und sah sich eingehend das Publikum an. Kein Jude hier", dachte er. Dabei gab es sicher welche, die aber ohne wei­,teres für Muslime gehalten werden konnten.
Er sah Armeeangehörige, Scheichs, Beamte... Sie sa-ßen zu dritt, zu viert, oft auch nur zu zweit an ih­,ren Tischen und tranken Arrak. Sie redeten laut miteinander und lachten or­,dinär. Salim war unbehaglich in dieser Umgebung. Er hätte Sasson auffor­,dern sollen mitzukommen, dachte er. Aber dann hätten sie die Angelegen­,heit Najiah erklären müssen, die ihrer Mutter davon berichtet hätte, die wiederum Naji von der Sache erzählt hätte... eine unendliche Geschichte. Er trank schnell, sein Gesicht glühte. Er fürchtete, das Fieber könne zu­,rückkommen, und versuchte, sich zu beruhigen. Er war hier auf fremdem Terrain. Kein einziges bekanntes Gesicht. Jeden Tag kam er an diesem Eta­,blissement vorbei, und doch war er der Eindringling, der Fremde.
Anton sagte den neuen Star an, die große Entdeckung des Malha "Al Zawraa". Farida erschien in einem langen, schwarzen Kleid, dessen Wir­,kung durch aufgestickte Pailletten an den ärmeln und am Halsausschnitt noch gesteigert wurde. Sie war ungeschminkt und blickte ernst drein, deutete dann aber ein Lächeln an. Sie kam ihm groß vor, schien die gesamte Bühne auszufüllen und sorgte so dafür, dass im Zuschauerraum rasch Ruhe ein­,kehrte. Den aufbrandenden Beifall quittierte sie mit einem Kopfnicken, dann wartete sie, bis das Orchester langsamer spielte, und begann mit ihren Improvisationen. "Ya laili, ya aini." Man vernahm die leise, aber feste Stim­,me, die sicher gesungene Melodie, die
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zuerst einfachen, dann komplizierter werdenden Modulationen, die den Vortrag lebendiger werden ließen, bis der Funke auf den Zuschauerraum übersprang. Salim vergaß das Publikum.
Ein Zuhörer unter vielen, hing er an den Lippen dieser Frau, die er wie zum ersten Mal entdeckte. Er liebte sie. Die Stimme wurde lauter, ließ dann wie­,der dem Orchester den Vortritt, kehrte flü-sternd und dunkel raunend zu­,rück, um dann erneut anzuschwellen. Im Zuschauerraum war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Ab und an nur der kurze, aber rasch wieder verstummende Laut einer Stimme. Eine kleine Pause vor dem eigentlichen Lied. Das Ende des alle Kräfte fordernden Improvisierens, das strengeren Regeln gehorchte als irgendein Lied, verlangte das ganze Können der Künstlerin. Stürmischer Beifall brandete auf. Salim sah sich im Zuschauerraum um. Alle diese Augen, alle diese Män­,ner, die ihr Entzücken und ihre Dankbarkeit hinausschrien und die, kaum dass sie sich wieder beruhigt hatten, am liebsten von Farida Besitz ergriffen, sich ihrer bemächtigt hätten.
Dass er hier war, kümmerte niemanden, und keiner ahnte etwas von der Verbindung, die zwischen ihnen bestand. Er glaubte, Farida habe ihm einen Blick zugeworfen. Diese flüchtig lächelnde schwarze Gestalt war seine Frau. In ein oder zwei Stunden würde sie, ihres Kleides entledigt, ein zarter, fest an ihn geschmiegter Körper sein, der Be­,gierde hervorrief und Liebe forderte. Er war der Einzige unter all diesen Männern, der ihre Hautfarbe, ihren Duft und jene andere Musik kannte, die von ihr kam: das Keuchen der Lust und die leidenschaftlich gestammelten Liebesworte. Eindringlinge, Vollidioten, die verlangten, dass sich die Sänge­,rin an ihren Tisch setzte. Schwachköpfe. Diese Frau war nicht käuflich. Sie war verheiratet... Sie hatte einen Mann. Nur einen. Und zugleich hätte Sa­,lim am liebsten laut Nein geschrien und gesagt, dass nicht er das war, dass er diese Sängerin nicht kannte, dass seine Frau in Karradah war, ein Mäd­,chen, das im Sommer auf einem Dach die Betten machte. Mit der Sängerin hatte er nichts zu tun. Er war weder ihr Kuppler noch ihr Beschützer.
Er war der Mann einer anderen, er liebte eine Farida, die nur für ihn sang, die nicht unverschleiert auf der Straße herumlief, die kein anderer Mann je ge­,sehen hatte. Sie wartete auf ihn. Er würde sie wiedersehen, dabei sein, wenn sie neu geboren wurde, und er selbst würde mit ihr neu geboren werden und das Leben leben, das seinen Vorstellungen entsprach. Tags darauf frohlockte Anton. Farida würde der Star des Monats sein. Daach würde sie sich rar machen, jedoch Engagements für jüdische Hoch­,zeiten annehmen und dann einen weiteren Monat lang im Malha auftreten. Er wollte einen Exklusivvertrag mit ihr abschließen. Tags zuvor hatte er vergeblich versucht, mit Salim Kontakt aufzunehmen. Dass Farida einen Beschützer hatte, von dem sie sagte, er sei ihr Mann, beruhigte ihn, voraus­,gesetzt, dass dieser seine Rolle offen akzeptierte.
Aber Salim war Jude und damit außer Stande, die Verantwortung, die diese Rolle mit sich brachte, zu übernehmen. Farida war zu jung und zu schön, um alle Männer abblitzen zu lassen: für Anton ein gewaltiges Dilemma. Das Problem trat schon bald zu Tage, als ein Offizier Anton bat, eine Einladung an sie weiterzuleiten. Er wollte die Sängerin im Malha oder anderswo an seinem Tisch haben. Als Anton ihn wissen ließ, Farida sei verheiratet und nehme keine Einladungen an, reagierte der Offizier sehr ungehalten. Er wollte wissen, wer der Ehe­,mann sei, damit er mit ihm verhandeln könne. Geld spiele keine Rolle. Er wolle sie an seinem Tisch haben. Anton wusste, dass Salim seinem Kontra­,henten nicht gewachsen war.
Ein jüdischer Geschäftsmann. Der Soldat würde schallend lachen, aber eine Zurückweisung nicht hinnehmen. Mit den anderen Sängerinnen hatte Anton niemals Probleme gehabt. Ihr Tarif war bekannt und wurde akzeptiert. Als er Farida von seinen Schwierigkeiten erzählte, zuckte sie nur mit den Achseln. Müsse sie ihn an ihre vertraglichen Vereinbarungen erinnern? Sie sei keine Hure. Salim kam am späten Abend in den Malha. Per Taxi fuhren sie nach Kar­,radah.
Farida war nicht kleinzukriegen. Sie redete die ganze Nacht und be­,mühte sich unablässig, Salims Begierde zu wecken. Erst als sie sehr müde war, gelang es ihr zu schlafen. Im Büro beklagte sich Sasson, dass er Salim nur noch selten zu sehen bekäme. Wie sollte er ihm das begreiflich machen? Er würde ihn bald einmal in den Malha mitnehmen. Salim lebte wie im Halbschlaf, zerstreut bei allem, was er tat, und wie aus seinem Leben abwe­,send, spürte er seinen Körper nur in Faridas Armen. Wenn er so weiter­,machte, würde er bald wieder das Bett hüten."
Ein Zuhörer unter vielen, hing er an den Lippen dieser Frau, die er wie zum ersten Mal entdeckte. Er liebte sie. Die Stimme wurde lauter, ließ dann wie­,der dem Orchester den Vortritt, kehrte flü-sternd und dunkel raunend zu­,rück, um dann erneut anzuschwellen. Im Zuschauerraum war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Ab und an nur der kurze, aber rasch wieder verstummende Laut einer Stimme. Eine kleine Pause vor dem eigentlichen Lied. Das Ende des alle Kräfte fordernden Improvisierens, das strengeren Regeln gehorchte als irgendein Lied, verlangte das ganze Können der Künstlerin. Stürmischer Beifall brandete auf. Salim sah sich im Zuschauerraum um. Alle diese Augen, alle diese Män­,ner, die ihr Entzücken und ihre Dankbarkeit hinausschrien und die, kaum dass sie sich wieder beruhigt hatten, am liebsten von Farida Besitz ergriffen, sich ihrer bemächtigt hätten.
Dass er hier war, kümmerte niemanden, und keiner ahnte etwas von der Verbindung, die zwischen ihnen bestand. Er glaubte, Farida habe ihm einen Blick zugeworfen. Diese flüchtig lächelnde schwarze Gestalt war seine Frau. In ein oder zwei Stunden würde sie, ihres Kleides entledigt, ein zarter, fest an ihn geschmiegter Körper sein, der Be­,gierde hervorrief und Liebe forderte. Er war der Einzige unter all diesen Männern, der ihre Hautfarbe, ihren Duft und jene andere Musik kannte, die von ihr kam: das Keuchen der Lust und die leidenschaftlich gestammelten Liebesworte. Eindringlinge, Vollidioten, die verlangten, dass sich die Sänge­,rin an ihren Tisch setzte. Schwachköpfe. Diese Frau war nicht käuflich. Sie war verheiratet... Sie hatte einen Mann. Nur einen. Und zugleich hätte Sa­,lim am liebsten laut Nein geschrien und gesagt, dass nicht er das war, dass er diese Sängerin nicht kannte, dass seine Frau in Karradah war, ein Mäd­,chen, das im Sommer auf einem Dach die Betten machte. Mit der Sängerin hatte er nichts zu tun. Er war weder ihr Kuppler noch ihr Beschützer.
Er war der Mann einer anderen, er liebte eine Farida, die nur für ihn sang, die nicht unverschleiert auf der Straße herumlief, die kein anderer Mann je ge­,sehen hatte. Sie wartete auf ihn. Er würde sie wiedersehen, dabei sein, wenn sie neu geboren wurde, und er selbst würde mit ihr neu geboren werden und das Leben leben, das seinen Vorstellungen entsprach. Tags darauf frohlockte Anton. Farida würde der Star des Monats sein. Daach würde sie sich rar machen, jedoch Engagements für jüdische Hoch­,zeiten annehmen und dann einen weiteren Monat lang im Malha auftreten. Er wollte einen Exklusivvertrag mit ihr abschließen. Tags zuvor hatte er vergeblich versucht, mit Salim Kontakt aufzunehmen. Dass Farida einen Beschützer hatte, von dem sie sagte, er sei ihr Mann, beruhigte ihn, voraus­,gesetzt, dass dieser seine Rolle offen akzeptierte.
Aber Salim war Jude und damit außer Stande, die Verantwortung, die diese Rolle mit sich brachte, zu übernehmen. Farida war zu jung und zu schön, um alle Männer abblitzen zu lassen: für Anton ein gewaltiges Dilemma. Das Problem trat schon bald zu Tage, als ein Offizier Anton bat, eine Einladung an sie weiterzuleiten. Er wollte die Sängerin im Malha oder anderswo an seinem Tisch haben. Als Anton ihn wissen ließ, Farida sei verheiratet und nehme keine Einladungen an, reagierte der Offizier sehr ungehalten. Er wollte wissen, wer der Ehe­,mann sei, damit er mit ihm verhandeln könne. Geld spiele keine Rolle. Er wolle sie an seinem Tisch haben. Anton wusste, dass Salim seinem Kontra­,henten nicht gewachsen war.
Ein jüdischer Geschäftsmann. Der Soldat würde schallend lachen, aber eine Zurückweisung nicht hinnehmen. Mit den anderen Sängerinnen hatte Anton niemals Probleme gehabt. Ihr Tarif war bekannt und wurde akzeptiert. Als er Farida von seinen Schwierigkeiten erzählte, zuckte sie nur mit den Achseln. Müsse sie ihn an ihre vertraglichen Vereinbarungen erinnern? Sie sei keine Hure. Salim kam am späten Abend in den Malha. Per Taxi fuhren sie nach Kar­,radah.
Farida war nicht kleinzukriegen. Sie redete die ganze Nacht und be­,mühte sich unablässig, Salims Begierde zu wecken. Erst als sie sehr müde war, gelang es ihr zu schlafen. Im Büro beklagte sich Sasson, dass er Salim nur noch selten zu sehen bekäme. Wie sollte er ihm das begreiflich machen? Er würde ihn bald einmal in den Malha mitnehmen. Salim lebte wie im Halbschlaf, zerstreut bei allem, was er tat, und wie aus seinem Leben abwe­,send, spürte er seinen Körper nur in Faridas Armen. Wenn er so weiter­,machte, würde er bald wieder das Bett hüten."
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Bibliographische Angaben
- Autoren: Heribert Becker , Naim Kattan
- 2010, 1. Auflage, 240 Seiten, Deutsch
- Verlag: Verlag Hans Schiler
- ISBN-10: 3899303016
- ISBN-13: 9783899303018
- Erscheinungsdatum: 01.01.2010
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