Kurzparkzone (ePub)
Erzählungen
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17 bis 18 Uhr, Cindy (S. 85-86)Als sich die automatische Schiebetür des eiskalt klimatisierten Supermarkts hinter der jungen Frau schließt, bauscht ein Windstoß ihr dünnes Sommerkleid, angenehm warm, fast heiß. Zwischen der Windschutzscheibe und dem Scheibenwischer ihres Autos entdeckt sie ein weißes Stück Papier in einer Plastikhülle. Keine zehn Minuten sind vergangen, seit sie ausgestiegen ist, um schnell noch die Sheba-Stangen zu kaufen: Macht einen Euro neunundneunzig, plus einundzwanzig Euro für das Nichtentrichten der Parkgebühr. Alles nur dieses Katers wegen. Cindy ist wütend, auf sich? Auf die Parkraumüberwacherin? Auf den Kater? Erst ist sie versucht, den Strafzettel wenigstens auszunützen, trotzig; doch was, wenn jemand das Stück Papier mutwillig entfernt, wenn sie ein zweites Mal bestraft wird. Es siegt die Angst. Sie füllt einen blauen Parkschein aus, platziert ihn sorgfältig hinter der Windschutzscheibe, lässt das Auto vor dem Supermarkt stehen und geht die paar Gassen zu Fuß.
Cinderella! Wie schön, dass du da bist! Ich freu mich! Yvona drückt sie an ihren großen Busen, küsst sie auf beide Wangen und geht voraus ins Wohnzimmer, heute besonders schwerfällig, mühselig. Wie alt mag Yvona sein? Fünfundsiebzig? Siebenundsechzig? Einundachtzig? Cindy stellt sich die Frage seit fast drei Jahren. Yvona selbst fragen? Daran hindert sie eine seltsame Scheu. Vor fast drei Jahren hat sie dieses Haus, diese Wohnung zum ersten Mal betreten; seit fast drei Jahren fährt sie jede Woche von einem Ende der Stadt zum anderen, um bei Yvona Gesangsunterricht zu nehmen. Yvonas Wohnung liegt im Erdgeschoß eines dreistöckigen Hauses aus der Jahrhundertwende.
Der größte Raum ist das Wohnzimmer, und obwohl es hoch ist und Zugang zu einem kleinen Garten hat, durch eine Doppeltür mit
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unterteilten Glasfenstern, wirkt es düster; der hellste Punkt ist die Klemmleuchte auf dem Notenständer des Flügels. Während Cindy im Vorzimmer ihre Schuhe auszieht, barfuß ins Wohnzimmer geht, ihre Noten auspackt, auf dem hölzernen Notenständer zurechtlegt, redet Yvona ohne Unterlass über die anhaltende für Juni ungewöhnliche Hitze, ihre schmerzenden Hüften, ihre kaputte Waschmaschine, ihre nachlassende Sehkraft, die Unfähigkeit ihres Arztes, den sie aufgesucht hat oder aufsuchen will oder soll, in einem Jungmädchen-Singsang redet sie, der zum rosengemusterten, wallenden Hauskleid passt, zu den rosa Hauspantoffeln mit der flauschigen Quaste, zu dem gelblich weißen Haar, ehemals blond, das sie weich gewellt nd halblang trägt, wie die Prinzessinnen bei Walt Disney. Yvona ist Sopran.
An der Wand hängt ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto aus der Blütezeit ihres Daseins als Sängerin, aufgenommen lange bevor ihr Gatte sich eines Morgens von ihr und den beiden Kindern verabschiedet hat, um zur Arbeit zu gehen. Tatsächlich ist er mit seiner Freundin nach Amerika gegangen, das hat sie sehr viel später von gemeinsamen Bekannten erfahren. Seither schlägt sie sich als Gesangslehrerin durch. Cindylein! Wie geht’s denn dir heute, alles in Ordnung, hoffentlich! Cindy nickt. Das ist fein, fangen wir an, gell!
Trotz der Wärme draußen ist es drinnen kühl, und der Boden fühlt sich richtig kalt an. Cindy fröstelt, stellt zuerst den einen nackten Fuß auf den anderen, um ihn zu wärmen, dann den anderen. Schon bei der ersten Atemübung überfällt Cindy das diffuse Gefühl des Unbehagens, angstähnlich, das sie wie immer wegdrängt, während sie zugleich versucht, sich innerlich auf das einzustellen, was dieses Gefühl verursacht, sich dagegen zu wappnen. Auf das Übungsatmen folgen die Übungsgeräusche. Schnauben. Rrrollen. Ptkptkptk. Gähnen. Oder was Yvona sonst noch alles einfällt. Danach Brummen oder Summen auf verschiedenen Konsonanten. Cindy wünscht sich, diese Phase der Vorbereitung möge ewig dauern. Trotzdem nähert sich der Augenblick, in dem sie zu singen anfangen wird, zu singen im eigentlichen Sinn, unerbittlich.
An der Wand hängt ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto aus der Blütezeit ihres Daseins als Sängerin, aufgenommen lange bevor ihr Gatte sich eines Morgens von ihr und den beiden Kindern verabschiedet hat, um zur Arbeit zu gehen. Tatsächlich ist er mit seiner Freundin nach Amerika gegangen, das hat sie sehr viel später von gemeinsamen Bekannten erfahren. Seither schlägt sie sich als Gesangslehrerin durch. Cindylein! Wie geht’s denn dir heute, alles in Ordnung, hoffentlich! Cindy nickt. Das ist fein, fangen wir an, gell!
Trotz der Wärme draußen ist es drinnen kühl, und der Boden fühlt sich richtig kalt an. Cindy fröstelt, stellt zuerst den einen nackten Fuß auf den anderen, um ihn zu wärmen, dann den anderen. Schon bei der ersten Atemübung überfällt Cindy das diffuse Gefühl des Unbehagens, angstähnlich, das sie wie immer wegdrängt, während sie zugleich versucht, sich innerlich auf das einzustellen, was dieses Gefühl verursacht, sich dagegen zu wappnen. Auf das Übungsatmen folgen die Übungsgeräusche. Schnauben. Rrrollen. Ptkptkptk. Gähnen. Oder was Yvona sonst noch alles einfällt. Danach Brummen oder Summen auf verschiedenen Konsonanten. Cindy wünscht sich, diese Phase der Vorbereitung möge ewig dauern. Trotzdem nähert sich der Augenblick, in dem sie zu singen anfangen wird, zu singen im eigentlichen Sinn, unerbittlich.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Sabine M Gruber
- 2011, 1. Auflage, 210 Seiten, Deutsch
- Verlag: Picus Verlag GmbH
- ISBN-10: 3711750753
- ISBN-13: 9783711750754
- Erscheinungsdatum: 01.11.2011
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 0.95 MB
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