"Miles" versus "clericus"? Die Frage nach der Bewertung kontrastiver Lebensentwürfe in Hartmanns von Aue "Gregorius" (ePub)
Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 1,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Deutsches Seminar), Veranstaltung: PS II Mediävistik: Ritterliche Tugendlehren. Höfische Ethik im...
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Produktinformationen zu „"Miles" versus "clericus"? Die Frage nach der Bewertung kontrastiver Lebensentwürfe in Hartmanns von Aue "Gregorius" (ePub)“
Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 1,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Deutsches Seminar), Veranstaltung: PS II Mediävistik: Ritterliche Tugendlehren. Höfische Ethik im literarischen Kontext, Sprache: Deutsch, Abstract: Ze ritterschefte stât mîn wân1 (1514), gesteht der 15-jährige Gregorius dem Abt in
Hartmanns von Aue gleichnamiger Geschichte, die vermutlich zw ischen 1187-89 oder in
den frühen 90ern des 12. Jhs. entstanden ist.2 Nachdem der Klosterschüler erfahren hat,
dass er nicht in die Fischerfamilie gehört, in der er aufgewachsen ist, sondern ein
Findelkind ist, folgt ein langes Gespräch mit dem Geistlichen. Nicht dem Rittertum, dieser
irrikeit3, solle sich Gregorius zuwenden, so rät ihm der Abt, sondern Gott (1791-1793).
Diese Textstelle, von Hartmann als Szene mit Rede und Gegenrede gestaltet, ist in der
Sekundärliteratur häufig besprochen worden, denn in ihr mag der Schlüssel zur
Werkdeutung liegen. Dabei haben sich zwei unterschiedliche Lesearten herauskristallisiert.
Gustav Ehrismann und vor allem Ulrich Ernst fassen den Gregorius als Legende auf, "als
radikale antiritterliche und antifeudale contemptus-mundi Dichtung (Weltverachtung), die
dem Leser die Destruktion höfischer Wertvorstellungen eindringlich vor Augen führt."4
Ernst weist auf den Einfluss der patristischen und monastischen Tradition auf Hartmann
hin und entwickelt ein antagonistisches Schema (vita carnalis versus vita spiritualis,
irdisches Leben versus geistliches Leben), das der gesamten Legende zugrunde liege und
auf ein dichotomes Weltbild hindeute.5
Hugo Kuhn, Eva-Maria Carne und vor allem Christoph Cormeau sind Vertreter der
anderen Position; sie sehen den Gregorius nicht als Dichtung, die einzig zur Verdammung
des weltlichen Lebens konzipiert wurde. Cormeau spricht sich für das Deutungsmodell
einer "kritisch-optimistischen Relativierung laikaler Kultur" aus, die den Versuch
unternimmt, dem "säkularen Aventiure-Roman" eine "religiöse Orientierung" zu geben.6
Die Lebensform des miles wird nach diesem Modell nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern
bedarf nur einiger Ausbesserungen. Cormeau argumentiert einerseits mit dem im Text
explizit Gesagten bzw. Ungesagten, andererseits mit der Gattungszugehörigkeit. [...]
1 Nach Ritterschaft steht mir der Sinn. (Alle mittelhochdeutschen Zitate sind der Ausgabe von Hermann Paul
entnommen.)
2 Burkhard Kippenberg: Anmerkungen des Übersetzers, S. 250.
3 Irrweg.
4 Ulrich Ernst: Der Antagonismus von vita carnalis und vita spiritualis, S. 226.
5 Ebd., S. 182.
6 Christoph Cormeau: Hartmann von Aue. Epoche - Werk - Wirkung, S. 140f.
Hartmanns von Aue gleichnamiger Geschichte, die vermutlich zw ischen 1187-89 oder in
den frühen 90ern des 12. Jhs. entstanden ist.2 Nachdem der Klosterschüler erfahren hat,
dass er nicht in die Fischerfamilie gehört, in der er aufgewachsen ist, sondern ein
Findelkind ist, folgt ein langes Gespräch mit dem Geistlichen. Nicht dem Rittertum, dieser
irrikeit3, solle sich Gregorius zuwenden, so rät ihm der Abt, sondern Gott (1791-1793).
Diese Textstelle, von Hartmann als Szene mit Rede und Gegenrede gestaltet, ist in der
Sekundärliteratur häufig besprochen worden, denn in ihr mag der Schlüssel zur
Werkdeutung liegen. Dabei haben sich zwei unterschiedliche Lesearten herauskristallisiert.
Gustav Ehrismann und vor allem Ulrich Ernst fassen den Gregorius als Legende auf, "als
radikale antiritterliche und antifeudale contemptus-mundi Dichtung (Weltverachtung), die
dem Leser die Destruktion höfischer Wertvorstellungen eindringlich vor Augen führt."4
Ernst weist auf den Einfluss der patristischen und monastischen Tradition auf Hartmann
hin und entwickelt ein antagonistisches Schema (vita carnalis versus vita spiritualis,
irdisches Leben versus geistliches Leben), das der gesamten Legende zugrunde liege und
auf ein dichotomes Weltbild hindeute.5
Hugo Kuhn, Eva-Maria Carne und vor allem Christoph Cormeau sind Vertreter der
anderen Position; sie sehen den Gregorius nicht als Dichtung, die einzig zur Verdammung
des weltlichen Lebens konzipiert wurde. Cormeau spricht sich für das Deutungsmodell
einer "kritisch-optimistischen Relativierung laikaler Kultur" aus, die den Versuch
unternimmt, dem "säkularen Aventiure-Roman" eine "religiöse Orientierung" zu geben.6
Die Lebensform des miles wird nach diesem Modell nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern
bedarf nur einiger Ausbesserungen. Cormeau argumentiert einerseits mit dem im Text
explizit Gesagten bzw. Ungesagten, andererseits mit der Gattungszugehörigkeit. [...]
1 Nach Ritterschaft steht mir der Sinn. (Alle mittelhochdeutschen Zitate sind der Ausgabe von Hermann Paul
entnommen.)
2 Burkhard Kippenberg: Anmerkungen des Übersetzers, S. 250.
3 Irrweg.
4 Ulrich Ernst: Der Antagonismus von vita carnalis und vita spiritualis, S. 226.
5 Ebd., S. 182.
6 Christoph Cormeau: Hartmann von Aue. Epoche - Werk - Wirkung, S. 140f.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anne Thoma
- 2003, 1. Auflage, 18 Seiten, Deutsch
- Verlag: GRIN Verlag
- ISBN-10: 3638238849
- ISBN-13: 9783638238847
- Erscheinungsdatum: 11.12.2003
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
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