Neue Annalistik (PDF)
Umrisse einer Theorie der Geschichte
Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft Bd. 17
Angesichts der Vielfalt und Unversöhnlichkeit geschichtlicher Erfahrungsräume im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert stellt sich die Frage, wie die Geschichte noch als einheitliche...
Angesichts der Vielfalt und Unversöhnlichkeit geschichtlicher Erfahrungsräume im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert stellt sich die Frage, wie die Geschichte noch als einheitliche...
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Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft Bd. 17
Angesichts der Vielfalt und Unversöhnlichkeit geschichtlicher Erfahrungsräume im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert stellt sich die Frage, wie die Geschichte noch als einheitliche Wirklichkeit gedacht werden kann.
Der geschichtstheoretische Entwurf, der darauf eine Antwort gibt, schreibt den historischen Ereignissen eine für den Zusammenhang des geschichtlichen Kosmos zentrale, allerdings ganz neue Bedeutung zu: Als Knotenpunkte verknüpfen sie die unterschiedlichsten Geschichten zu einem sich stetig erweiternden Gewebe historischer Sinn- und Ereigniszusammenhänge. Das »annalistische« Geschichtsbild ist gegenwarts- und vergangenheitszentriert zugleich. Historisch zu denken ist allerdings nur eine unter vielen Möglichkeiten der Aneignung von und Orientierung in der Welt - wenn auch eine bislang außerordentlich erfolgreiche.
Der Autor
Lucian Hölscher, Jahrgang 1948, lehrt Neuere Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er veröffentlichte hauptsächlich Arbeiten zur Kultur- und Religionsgeschichte, zur Begriffsgeschichte und zur Geschichtstheorie.
Angesichts der Vielfalt und Unversöhnlichkeit geschichtlicher Erfahrungsräume im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert stellt sich die Frage, wie die Geschichte noch als einheitliche Wirklichkeit gedacht werden kann.
Der geschichtstheoretische Entwurf, der darauf eine Antwort gibt, schreibt den historischen Ereignissen eine für den Zusammenhang des geschichtlichen Kosmos zentrale, allerdings ganz neue Bedeutung zu: Als Knotenpunkte verknüpfen sie die unterschiedlichsten Geschichten zu einem sich stetig erweiternden Gewebe historischer Sinn- und Ereigniszusammenhänge. Das »annalistische« Geschichtsbild ist gegenwarts- und vergangenheitszentriert zugleich. Historisch zu denken ist allerdings nur eine unter vielen Möglichkeiten der Aneignung von und Orientierung in der Welt - wenn auch eine bislang außerordentlich erfolgreiche.
Der Autor
Lucian Hölscher, Jahrgang 1948, lehrt Neuere Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er veröffentlichte hauptsächlich Arbeiten zur Kultur- und Religionsgeschichte, zur Begriffsgeschichte und zur Geschichtstheorie.
Lese-Probe zu „Neue Annalistik (PDF)“
IV. Die annalistische Geschichtsbetrachtung (S. 57-58)1. Geschichte und Ereignis
Der entscheidende Vorzug der historischen Erzählung gegenüber der Chronik liegt, folgt man der Argumentation der narrativen Geschichtstheorie, in der weiten Entfaltung ihrer plot-Struktur. Das einer historischen Erzählung zugrunde liegende plot setzt sich ihr zufolge aus mindestens drei Elementen zusammen: einer Ausgangskonstellation, welche die Bedingungen des Fortgangs der Erzählung festlegt, einer Endkonstellation, die in signifikanter Weise von der Ausgangskonstellation abweicht und das Ergebnis der Erzählung enthält, und einem Mittelteil, der Peripetie, in der die Ausgangs- in die Endkonstellation überführt wird.
Jedes Ereignis innerhalb einer Geschichte ist so in einen diskursiven Gesamtzusammenhang eingebunden, der ihm seine narrative Bedeutung zuweist. Anders ausgedrückt: Die geschichtliche Bedeutung eines Ereignisses besteht in der Erzählung, wie es zu ihm gekommen ist und was aus ihm folgte.
Zweifellos befriedigt die historische Erzählung damit eine spezifisch historische Neugierde und kann somit als historische Erklärung des betreffenden Ereignisses gelten. Wirklich befriedigend ist eine solche Erklärung allerdings nur für fiktive, d. h. solche Ereignisse, die nichts anderes als Elemente einer Erzählung sind.
Handelt es sich hingegen zugleich um reale Ereignisse, auf die die historische Erzählung also nur als auf Elemente einer außerliterarischen Welt verweist, so erheben sich gegen eine solche Vorstellung von der Bedeutungsdefinition historischer Ereignisse Bedenken und Zweifel: Zunächst muss nämlich jedes real vergangene Ereignis – anders als fiktive Ereignisse – als Element nicht nur einer, sondern vieler, letztlich sogar potentiell unendlich vieler Geschichten verstanden werden.
Dabei ist es unerheblich, ob
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wir »die Geschichte« als historische Erzählung (fiction) oder als Zusammenhang realer Ereignisse (facts) begreifen. Denn in beiden Fällen besteht das Ereignis nicht nur als Element einer bestimmten Geschichte, sondern es lassen sich von ihm eine Vielzahl von Geschichten erzählen bzw. Zusammenhänge denken, in denen es ein mögliches Element bildet. Steht ein Ereignis jedoch im Kreuzungspunkt potentiell unendlich vieler Geschichten, so erweist sich auch seine historische Bedeutung als vieldeutig, ja letztlich als unerschöpflich.
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Autoren-Porträt von Lucian Hölscher
Lucian Hölscher, geb. 1948, ist Professor für Neuere Geschichte und Theorie der Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied im Käte-Hamburger-Institut »Dynamiken der Religion zwischen Asien und Europa«.Seine Forschungsschwerpunkte sind Kultur- und Religionsgeschichte, Begriffsgeschichte sowie Geschichtstheorie.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lucian Hölscher
- 2013, 96 Seiten, Deutsch
- Verlag: Wallstein Verlag GmbH
- ISBN-10: 3835320556
- ISBN-13: 9783835320550
- Erscheinungsdatum: 01.11.2013
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eBook Informationen
- Dateiformat: PDF
- Größe: 0.29 MB
- Ohne Kopierschutz
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Pressezitat
»Das beste Geschenk zu Kosellecks Geburtstag aber kommt von seinem Schüler Lucian Hölscher.«(Ulrich Raulff, Süddeutsche Zeitung, 19.5.2003)
»Was Hölscher entwirft, ist eine Rezeptionsgeschichte im Geiste Kosellecks.«
(Gerrit Walther, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2003)
»Eine anregende Antwort auf die Frage, wie Geschichte angesichts der Vielfalt geschichtlicher Erfahrungsräume noch als einheitliche Wirklichkeit gedacht werden kann.«
(Onlinekommentar www.satt.org./gesellschaft/index.html)
»Hölscher hat einen spannenden und stimulierenden Essay geschrieben. Sein Versprechen, in Form einer »neuen Annalistik« Umrisse einer Theorie der Geschichte zu zeichnen, hat er eingelöst.«
(Ulrich Arnswald, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft)
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