Spaghetti in flagranti / Ullstein eBooks (ePub)
Überleben in Italien
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Spaghetti in flagranti von Angela Troni1.
»Oooooh Otto, ich hab dich ja sooooo vermisst.«
»Ich dich auch, meine bella, ich dich auch. Komm in meine Arme, ich möchte dich spüren. Aaaaah, du fühlst dich guuuut an.«
»Mmmh, deine Küsse schmecken sooooo süß!«
»Deine auch. Aber du bist noch viiiiiiel süßer. Wie Honig. «
»Es tut so guuuuuut, dich wieder im Arm zu halten. Nach sooooo langer Zeit. Viiiiiel zu lange waren wir getrennt. Zu viiiiiiele Stunden habe ich mich nach dir verzehrt. «
»Jetzt sind wir ja endlich vereint. Nun wird alles gut, amore mio. Ich lass dich nieeeeee mehr los, versprochen. «
»Ich dich auch nicht. Mein Verlangen nach dir war sooooo grooooß.«
»Und meines erst. Ich bin total scharf auf dich und könnte dich auf der Stelle vern...«
Wie bitte? Was mussten meine armen Ohren da mit anhören? Was ging da in meinem Zimmer vor sich? Ich bückte mich und presste das linke Auge gegen das Schlüsselloch, vermochte jedoch nichts zu erkennen.
Dafür konnte ich umso mehr hören: erst Gestöhne, dann Gekicher. Danach Gegacker, schließlich Gepruste und schallendes Gelächter.
»Porca miseria!«
Mit einem Ruck riss ich die Tür auf und wollte ins Zimmer stürzen. Doch bei dem Anblick, der sich mir bot, hielt ich schockgefrostet inne und wäre am liebsten rückwärts wieder rausgerannt.
... mehr
Meine beiden heißgeliebten oder vielmehr zutiefst gehassten kleinen Schwestern standen vor der Spiegeltür meines Kleiderschranks und warfen sich verführerischverliebte Blicke zu. Laura hatte beide Arme um Paolas Hüften gelegt, und sie schmiegten sich eng aneinander. Als mein Schrei den Raum durchdrang, fuhren die Zwillinge auseinander.
»Ooooooch!«, sagte Paola spöttisch, die sich als Erste wieder fing. »Eine Runde Mitleid für unsere arme, liebeskummergeplagte große Schwester.«
Sofort gackerte Laura wieder los.
»Ich bringe euch um!«, brüllte ich außer mir und wusste nicht, wen ich zuerst an den Haaren aus meinen vier Wänden zerren sollte. Die beiden wussten ganz genau, dass sie in meinem Zimmer nichts verloren hatten, von ihrer ebenso schlechten wie geschmacklosen parodistischen Darbietung ganz zu schweigen. »Das wird euch noch leidtun, ihr Monster!« Wie eine Furie stürmte ich auf die beiden zu und versuchte sie zu fassen.
Doch ich war wie so oft zu langsam. Paola duckte sich und zischte an mir vorbei, und ehe ich mich umdrehen konnte, war auch Laura auf und davon. Sie stürmten in ihr Zimmer, warfen die Tür hinter sich zu und drehten den Schlüssel im Schloss. Die beiden waren genau drei Sekunden schneller als ich - und das waren leider nicht nur in der Leichtathletik ganze Welten. Wie eine Idiotin stand ich vor der Tür im Flur und rüttelte vergeblich an der Klinke, was mich nur noch wütender machte. Durch das dicke Holz hörte ich die hinterhältige Brut nach Luft schnappen, bis eine von beiden vor lauter Lachen anfing zu husten.
»Hoffentlich erstickst du!«, brüllte ich und wollte schon ausholen, um die Tür einzutreten. Aber dann besann ich mich eines Besseren und ging hocherhobenen Hauptes davon, auch wenn es niemand sehen konnte.
In meinem Zimmer ließ ich mich aufs Bett fallen, und um nicht losheulen zu müssen, schmiedete ich Rachepläne. Diese gemeinen Gören! An meinem wundesten Punkt hatten sie mich erwischt: meiner Sehnsucht nach Otto.
Hätte ich diesen Biestern doch bloß kein Wort von ihm erzählt, dann könnten sie mich jetzt nicht mit meiner Verliebtheit aufziehen. Obwohl - ich hätte sowieso keine Chance gehabt. Einerseits konnte ich meine Gefühle nicht verbergen, andererseits nervte mamma seit meiner Rückkehr aus München alle mit ihrer Begeisterung von dem tedeschino, dem kleinen Deutschen, wie sie meinen ehemaligen Nachbarn aus der Studenten-WG ausschließlich nannte. Dabei war Otto alles andere als klein, aber nach etlichen unschön endenden Diskussionen zu diesem Thema sah ich irgendwann davon ab, sie jedes Mal darauf hinzuweisen.
»So einen charmanten jungen Mann habe ich ja schon lange nicht mehr erlebt«, sagte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit. »Er hat sich sogar extra einen Tag freigenommen, um mir die Stadt zu zeigen, und ...«
»... er weiß, wie man eine echte italienische Signora behandelt«, beendete inzwischen die gesamte Familie im Chor den Satz, den wir unfreiwillig im Schlaf hersagen konnten.
Es war echt schlimm, meine ganze Sippe redete ständig von Otto und mir, als wären wir seit zehn Jahren zusammen, dabei waren wir gar kein Paar. Wir hatten uns noch nicht mal richtig geküsst, von dem leicht verunglückten, proseccoseligen Bruderschaftskuss an Silvester mal abgesehen. In Wahrheit stand es in den Sternen, ob ich ihn jemals wiedersehen würde.
Dabei hatte es so gut aufgehört, nachdem wir zugegebenermaßen mehrere Anläufe gebraucht hatten, bis überhaupt etwas in Gang gekommen war. Otto war eben eher zurückhaltend, und ich hatte am Anfang einfach Tomaten auf den Augen und musste erst ein paar Frösche küssen, bevor ich erkannte, wer der Richtige für mich war. Doch der Moment der Erkenntnis kam reichlich spät, und so war mir nichts geblieben außer einem völlig zerfledderten Zettel mit einer romantischen Botschaft von Otto, die er mir zusammen mit einer Schachtel Baci perugina mit auf die Reise in meine Heimat gegeben hatte. Ich konnte die Zeilen inzwischen auswendig, so oft hatte ich sie gelesen. »Ich muss dich wiedersehen«, stand darauf - bisher leider nichts als ein leeres Versprechen.
Im Juli war ich aus München abgereist, und inzwischen hatten wir Ende Januar, ohne dass Otto sich hier hatte blicken lassen. Seine Beteuerungen, die bayerischen Landesgrenzen todesmutig zu überschreiten und sich über die Alpen zu wagen, waren immer seltener geworden, genauso wie seine E-Mails. Anfangs hatten wir uns fast täglich geschrieben - na ja, ich ihm jedenfalls, und manchmal hatte er auch geantwortet, immer sehr nett übrigens -, doch seit zwei Wochen, dreizehn Stunden und exakt sechsundvierzig Minuten herrschte totale Funkstille. Telefoniert hatten wir übrigens so gut wie nie, da Otto - typisch Mann! - nicht gerne am Telefon redete, etwas, das mir absolut unverständlich war.
Ursprünglich hatte Otto vergangenen August zu meinem Geburtstag nach Riccione kommen wollen, doch er hatte kurzfristig abgesagt und mich vertröstet. Immer wieder. Erst konnte er wegen einer wichtigen Prüfung an der Uni nicht weg, dann war es die super Chance auf einen tollen Job, den er sofort antreten musste. Und irgendwann war seine Oma schwer krank geworden.
Meine beste Freundin Valeria hatte mich ganz lieb getröstet und gemeint, ich solle mir diesen bayerischen Quadratschädel endlich aus dem Kopf schlagen. Er halte mich doch eh bloß zum Narren, versuchte sie mir einzureden. Ich dagegen glaubte ihm. Bis heute.
Eigentlich hätten meine Hoffnungen mit jedem Monat, der verging, schwinden müssen, stattdessen hatte ich mich zunehmend in die nicht existierende Romanze hineingesteigert und mir immer unrealistischere Szenen ausgemalt, in denen Otto und ich die Hauptrollen spielten. Der Mangel an tatsächlicher Handlung hatte mich keineswegs daran gehindert, mich in den kitschigsten Träumereien zu ergehen. Frauen - und ich ganz besonders - haben nun mal eine ausgeprägte, sehr lebhafte Phantasie, vor allem wenn es um die Ausschmückung potentieller romantischer Erlebnisse geht, die mit der Realität in etwa so viel zu tun haben wie das Leben eines Internatsschülers mit den Abenteuern von Harry Potter.
Das Läuten meines telefonino riss mich aus meinen Gedanken. Es war Valeria, das erkannte ich am Klingelton. Ich unterbrach das Intro von »Volare«, das ich seit meinem Besuch auf dem Münchner Oktoberfest unter ihrer Nummer gespeichert hatte, und ging ran.
»Ciao, bella«, ertönte ihre ausgelassene Stimme. »Alles klar? Wir wollen heute Abend ins Miramis, mit der ganzen Clique. Bist du dabei?« Sie klang aufgekratzt, war offensichtlich in Partylaune.
»Ach, ich weiß nicht.« Ich zögerte. »So richtig Lust habe ich nicht.«
»Mensch, Angela, was ist bloß in dich gefahren? Seit du aus diesem München zurück bist, kann man nichts mehr mit dir anfangen. Hast du dir von den langweiligen Kartoffeln etwa die gute Laune wegzüchten lassen? Früher warst du immer ganz vorne mit dabei, wenn's ums Feiern ging. Da ist ja mit deiner nonna mehr los als mit dir!«
»Lass mich in Ruhe«, fuhr ich sie heftiger an als gewollt, aber ihr Ton passte mir nicht. »Oder frag meine Oma, ob sie mitkommen will, wenn mit ihr so viel mehr los ist als mit mir. Ich habe jedenfalls keinen Bock auf deine Vorhaltungen. Falls ich es mir anders überlege, rufe ich dich noch mal an.« Ich atmete tief durch und fügte etwas versöhnlicher hinzu: »Trotzdem viel Spaß, und grüß die anderen. Ciao, ciao.« Damit legte ich auf, ehe sie mich noch weiter bequatschen konnte.
Vale hatte recht. Irgendetwas stimmte nicht mehr mit uns. In unserer Freundschaft war der Wurm drin, seit ich von meinem Auslandssemester in Bayern zurückgekommen war. Wobei, eigentlich hatte unsere Beziehung schon davor einen Knacks bekommen, nämlich als meine beste Freundin mich an meine Eltern verraten hatte. Dabei hatten wir uns im Alter von viereinhalb Jahren ewige Treue und Freundschaft geschworen und uns bis ans Ende unserer Tage gegen die Erwachsenen und alle anderen Widrigkeiten des Lebens verbündet. Dank Vale, auf die ich mich achtzehn Jahre meines Lebens hatte blind verlassen können, hatte mein überfürsorglicher, an Kontrollwahn erkrankter Vater herausbekommen, dass ich in München nicht wie von ihm sorgfältig arrangiert bei dem fiesen Signor Colluti, sondern in einer WG gewohnt hatte. Einer Männer-WG.
Offiziell hatte ich meiner besten Freundin zwar verziehen und wir hatten uns versöhnt, aber mein Vertrauen in sie hatte einen Riss bekommen und ich traute ihr nicht mehr richtig über den Weg. Vor meiner Abreise nach München waren wir gemeinsam durch dick und dünn gegangen, hatten mindestens zwanzigmal am Tag telefoniert, und es gab keinen Gedanken, selbst wenn er noch so bescheuert war, den wir nicht miteinander geteilt hätten. Ich wusste einfach alles von Vale - und sie von mir. Doch damit war es nun vorbei. In letzter Zeit ließ ich sie wohlweislich nicht mehr an meinen geheimen Wünschen und Sorgen teilhaben, was sie mir übelnahm. Aber was sie nicht wusste, das konnte sie auch niemandem verraten. Somit war sie im Grunde selbst schuld.
Davon abgesehen, hatte sie sich anfangs nicht mal die Fotos anschauen wollen, die ich mitgebracht hatte, und zeigte auch kein gesteigertes Interesse an den Geschichten über meine deutschen Mitbewohner und Freunde, geschweige denn an Otto. Dabei wollte ich seit meiner Rückkehr von so gut wie nichts anderem mehr reden. Als Frau braucht man nun mal Anteilnahme - und kein Desinteresse. Erschwerend kam hinzu, dass ich nicht nur Otto vermisste, sondern auch meine deutschen Nachbarinnen Beate und Isabelle, mit denen mich einiges verband. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass Vale ein bisschen eifersüchtig auf die beiden Studentinnen war, die mir das Leben in München erleichtert hatten. Ich hatte zwei neue Freundinnen gefunden, doch wenn das so weiterging, würde ich bald eine Freundin verlieren. Meine beste Freundin. Und das wollte ich auf keinen Fall.
Ach was, dachte ich, Vale wird es mir schon nicht allzu übelnehmen, dass ich nicht mit ins Miramis kommen will.
Die neue Nobeldisco zählte momentan zu den Top Locations an der Adria. Wer am Türsteher vorbeikam, auf den warteten ein wirklich atemberaubender Club in einer Felsgrotte mit unterirdischem Swimmingpool, mehreren Restaurants und Tanzflächen - und ein saftiger Eintrittspreis von einhundertzehn Euro. Das konnten wir uns natürlich alle nicht leisten, aber Vales Freund Giorgio hatte einen guten Bekannten, dessen Bruder mit einer Sizilianerin verlobt war, deren Bruder der beste Freund vom Großcousin des Türstehers war, weshalb wir umsonst reinkamen, wenn wir ihm jeder einen White Russian spendierten und er gut drauf war. Noch vor einem Jahr hätte ich mir eine solche Chance niemals entgehen lassen, doch inzwischen langweilte mich dieses Schaulaufen.
Den ganzen Abend ging es nur darum, wer welche Prada-Tasche mit welchen Schuhen anhatte und in welcher Boutique wie viel Geld dafür bezahlt hatte oder wer wen warum wieso weshalb wann getroffen hatte, wobei wiederum in allen Einzelheiten erwähnt wurde, was wer anhatte und wie viel es vermutlich gekostet hatte. Wen interessierte das?
Mich nicht. Jedenfalls nicht mehr.
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Meine beiden heißgeliebten oder vielmehr zutiefst gehassten kleinen Schwestern standen vor der Spiegeltür meines Kleiderschranks und warfen sich verführerischverliebte Blicke zu. Laura hatte beide Arme um Paolas Hüften gelegt, und sie schmiegten sich eng aneinander. Als mein Schrei den Raum durchdrang, fuhren die Zwillinge auseinander.
»Ooooooch!«, sagte Paola spöttisch, die sich als Erste wieder fing. »Eine Runde Mitleid für unsere arme, liebeskummergeplagte große Schwester.«
Sofort gackerte Laura wieder los.
»Ich bringe euch um!«, brüllte ich außer mir und wusste nicht, wen ich zuerst an den Haaren aus meinen vier Wänden zerren sollte. Die beiden wussten ganz genau, dass sie in meinem Zimmer nichts verloren hatten, von ihrer ebenso schlechten wie geschmacklosen parodistischen Darbietung ganz zu schweigen. »Das wird euch noch leidtun, ihr Monster!« Wie eine Furie stürmte ich auf die beiden zu und versuchte sie zu fassen.
Doch ich war wie so oft zu langsam. Paola duckte sich und zischte an mir vorbei, und ehe ich mich umdrehen konnte, war auch Laura auf und davon. Sie stürmten in ihr Zimmer, warfen die Tür hinter sich zu und drehten den Schlüssel im Schloss. Die beiden waren genau drei Sekunden schneller als ich - und das waren leider nicht nur in der Leichtathletik ganze Welten. Wie eine Idiotin stand ich vor der Tür im Flur und rüttelte vergeblich an der Klinke, was mich nur noch wütender machte. Durch das dicke Holz hörte ich die hinterhältige Brut nach Luft schnappen, bis eine von beiden vor lauter Lachen anfing zu husten.
»Hoffentlich erstickst du!«, brüllte ich und wollte schon ausholen, um die Tür einzutreten. Aber dann besann ich mich eines Besseren und ging hocherhobenen Hauptes davon, auch wenn es niemand sehen konnte.
In meinem Zimmer ließ ich mich aufs Bett fallen, und um nicht losheulen zu müssen, schmiedete ich Rachepläne. Diese gemeinen Gören! An meinem wundesten Punkt hatten sie mich erwischt: meiner Sehnsucht nach Otto.
Hätte ich diesen Biestern doch bloß kein Wort von ihm erzählt, dann könnten sie mich jetzt nicht mit meiner Verliebtheit aufziehen. Obwohl - ich hätte sowieso keine Chance gehabt. Einerseits konnte ich meine Gefühle nicht verbergen, andererseits nervte mamma seit meiner Rückkehr aus München alle mit ihrer Begeisterung von dem tedeschino, dem kleinen Deutschen, wie sie meinen ehemaligen Nachbarn aus der Studenten-WG ausschließlich nannte. Dabei war Otto alles andere als klein, aber nach etlichen unschön endenden Diskussionen zu diesem Thema sah ich irgendwann davon ab, sie jedes Mal darauf hinzuweisen.
»So einen charmanten jungen Mann habe ich ja schon lange nicht mehr erlebt«, sagte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit. »Er hat sich sogar extra einen Tag freigenommen, um mir die Stadt zu zeigen, und ...«
»... er weiß, wie man eine echte italienische Signora behandelt«, beendete inzwischen die gesamte Familie im Chor den Satz, den wir unfreiwillig im Schlaf hersagen konnten.
Es war echt schlimm, meine ganze Sippe redete ständig von Otto und mir, als wären wir seit zehn Jahren zusammen, dabei waren wir gar kein Paar. Wir hatten uns noch nicht mal richtig geküsst, von dem leicht verunglückten, proseccoseligen Bruderschaftskuss an Silvester mal abgesehen. In Wahrheit stand es in den Sternen, ob ich ihn jemals wiedersehen würde.
Dabei hatte es so gut aufgehört, nachdem wir zugegebenermaßen mehrere Anläufe gebraucht hatten, bis überhaupt etwas in Gang gekommen war. Otto war eben eher zurückhaltend, und ich hatte am Anfang einfach Tomaten auf den Augen und musste erst ein paar Frösche küssen, bevor ich erkannte, wer der Richtige für mich war. Doch der Moment der Erkenntnis kam reichlich spät, und so war mir nichts geblieben außer einem völlig zerfledderten Zettel mit einer romantischen Botschaft von Otto, die er mir zusammen mit einer Schachtel Baci perugina mit auf die Reise in meine Heimat gegeben hatte. Ich konnte die Zeilen inzwischen auswendig, so oft hatte ich sie gelesen. »Ich muss dich wiedersehen«, stand darauf - bisher leider nichts als ein leeres Versprechen.
Im Juli war ich aus München abgereist, und inzwischen hatten wir Ende Januar, ohne dass Otto sich hier hatte blicken lassen. Seine Beteuerungen, die bayerischen Landesgrenzen todesmutig zu überschreiten und sich über die Alpen zu wagen, waren immer seltener geworden, genauso wie seine E-Mails. Anfangs hatten wir uns fast täglich geschrieben - na ja, ich ihm jedenfalls, und manchmal hatte er auch geantwortet, immer sehr nett übrigens -, doch seit zwei Wochen, dreizehn Stunden und exakt sechsundvierzig Minuten herrschte totale Funkstille. Telefoniert hatten wir übrigens so gut wie nie, da Otto - typisch Mann! - nicht gerne am Telefon redete, etwas, das mir absolut unverständlich war.
Ursprünglich hatte Otto vergangenen August zu meinem Geburtstag nach Riccione kommen wollen, doch er hatte kurzfristig abgesagt und mich vertröstet. Immer wieder. Erst konnte er wegen einer wichtigen Prüfung an der Uni nicht weg, dann war es die super Chance auf einen tollen Job, den er sofort antreten musste. Und irgendwann war seine Oma schwer krank geworden.
Meine beste Freundin Valeria hatte mich ganz lieb getröstet und gemeint, ich solle mir diesen bayerischen Quadratschädel endlich aus dem Kopf schlagen. Er halte mich doch eh bloß zum Narren, versuchte sie mir einzureden. Ich dagegen glaubte ihm. Bis heute.
Eigentlich hätten meine Hoffnungen mit jedem Monat, der verging, schwinden müssen, stattdessen hatte ich mich zunehmend in die nicht existierende Romanze hineingesteigert und mir immer unrealistischere Szenen ausgemalt, in denen Otto und ich die Hauptrollen spielten. Der Mangel an tatsächlicher Handlung hatte mich keineswegs daran gehindert, mich in den kitschigsten Träumereien zu ergehen. Frauen - und ich ganz besonders - haben nun mal eine ausgeprägte, sehr lebhafte Phantasie, vor allem wenn es um die Ausschmückung potentieller romantischer Erlebnisse geht, die mit der Realität in etwa so viel zu tun haben wie das Leben eines Internatsschülers mit den Abenteuern von Harry Potter.
Das Läuten meines telefonino riss mich aus meinen Gedanken. Es war Valeria, das erkannte ich am Klingelton. Ich unterbrach das Intro von »Volare«, das ich seit meinem Besuch auf dem Münchner Oktoberfest unter ihrer Nummer gespeichert hatte, und ging ran.
»Ciao, bella«, ertönte ihre ausgelassene Stimme. »Alles klar? Wir wollen heute Abend ins Miramis, mit der ganzen Clique. Bist du dabei?« Sie klang aufgekratzt, war offensichtlich in Partylaune.
»Ach, ich weiß nicht.« Ich zögerte. »So richtig Lust habe ich nicht.«
»Mensch, Angela, was ist bloß in dich gefahren? Seit du aus diesem München zurück bist, kann man nichts mehr mit dir anfangen. Hast du dir von den langweiligen Kartoffeln etwa die gute Laune wegzüchten lassen? Früher warst du immer ganz vorne mit dabei, wenn's ums Feiern ging. Da ist ja mit deiner nonna mehr los als mit dir!«
»Lass mich in Ruhe«, fuhr ich sie heftiger an als gewollt, aber ihr Ton passte mir nicht. »Oder frag meine Oma, ob sie mitkommen will, wenn mit ihr so viel mehr los ist als mit mir. Ich habe jedenfalls keinen Bock auf deine Vorhaltungen. Falls ich es mir anders überlege, rufe ich dich noch mal an.« Ich atmete tief durch und fügte etwas versöhnlicher hinzu: »Trotzdem viel Spaß, und grüß die anderen. Ciao, ciao.« Damit legte ich auf, ehe sie mich noch weiter bequatschen konnte.
Vale hatte recht. Irgendetwas stimmte nicht mehr mit uns. In unserer Freundschaft war der Wurm drin, seit ich von meinem Auslandssemester in Bayern zurückgekommen war. Wobei, eigentlich hatte unsere Beziehung schon davor einen Knacks bekommen, nämlich als meine beste Freundin mich an meine Eltern verraten hatte. Dabei hatten wir uns im Alter von viereinhalb Jahren ewige Treue und Freundschaft geschworen und uns bis ans Ende unserer Tage gegen die Erwachsenen und alle anderen Widrigkeiten des Lebens verbündet. Dank Vale, auf die ich mich achtzehn Jahre meines Lebens hatte blind verlassen können, hatte mein überfürsorglicher, an Kontrollwahn erkrankter Vater herausbekommen, dass ich in München nicht wie von ihm sorgfältig arrangiert bei dem fiesen Signor Colluti, sondern in einer WG gewohnt hatte. Einer Männer-WG.
Offiziell hatte ich meiner besten Freundin zwar verziehen und wir hatten uns versöhnt, aber mein Vertrauen in sie hatte einen Riss bekommen und ich traute ihr nicht mehr richtig über den Weg. Vor meiner Abreise nach München waren wir gemeinsam durch dick und dünn gegangen, hatten mindestens zwanzigmal am Tag telefoniert, und es gab keinen Gedanken, selbst wenn er noch so bescheuert war, den wir nicht miteinander geteilt hätten. Ich wusste einfach alles von Vale - und sie von mir. Doch damit war es nun vorbei. In letzter Zeit ließ ich sie wohlweislich nicht mehr an meinen geheimen Wünschen und Sorgen teilhaben, was sie mir übelnahm. Aber was sie nicht wusste, das konnte sie auch niemandem verraten. Somit war sie im Grunde selbst schuld.
Davon abgesehen, hatte sie sich anfangs nicht mal die Fotos anschauen wollen, die ich mitgebracht hatte, und zeigte auch kein gesteigertes Interesse an den Geschichten über meine deutschen Mitbewohner und Freunde, geschweige denn an Otto. Dabei wollte ich seit meiner Rückkehr von so gut wie nichts anderem mehr reden. Als Frau braucht man nun mal Anteilnahme - und kein Desinteresse. Erschwerend kam hinzu, dass ich nicht nur Otto vermisste, sondern auch meine deutschen Nachbarinnen Beate und Isabelle, mit denen mich einiges verband. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass Vale ein bisschen eifersüchtig auf die beiden Studentinnen war, die mir das Leben in München erleichtert hatten. Ich hatte zwei neue Freundinnen gefunden, doch wenn das so weiterging, würde ich bald eine Freundin verlieren. Meine beste Freundin. Und das wollte ich auf keinen Fall.
Ach was, dachte ich, Vale wird es mir schon nicht allzu übelnehmen, dass ich nicht mit ins Miramis kommen will.
Die neue Nobeldisco zählte momentan zu den Top Locations an der Adria. Wer am Türsteher vorbeikam, auf den warteten ein wirklich atemberaubender Club in einer Felsgrotte mit unterirdischem Swimmingpool, mehreren Restaurants und Tanzflächen - und ein saftiger Eintrittspreis von einhundertzehn Euro. Das konnten wir uns natürlich alle nicht leisten, aber Vales Freund Giorgio hatte einen guten Bekannten, dessen Bruder mit einer Sizilianerin verlobt war, deren Bruder der beste Freund vom Großcousin des Türstehers war, weshalb wir umsonst reinkamen, wenn wir ihm jeder einen White Russian spendierten und er gut drauf war. Noch vor einem Jahr hätte ich mir eine solche Chance niemals entgehen lassen, doch inzwischen langweilte mich dieses Schaulaufen.
Den ganzen Abend ging es nur darum, wer welche Prada-Tasche mit welchen Schuhen anhatte und in welcher Boutique wie viel Geld dafür bezahlt hatte oder wer wen warum wieso weshalb wann getroffen hatte, wobei wiederum in allen Einzelheiten erwähnt wurde, was wer anhatte und wie viel es vermutlich gekostet hatte. Wen interessierte das?
Mich nicht. Jedenfalls nicht mehr.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Angela Troni
- 2013, 1. Auflage, 280 Seiten, Deutsch
- Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
- ISBN-10: 3843703833
- ISBN-13: 9783843703833
- Erscheinungsdatum: 08.03.2013
Abhängig von Bildschirmgröße und eingestellter Schriftgröße kann die Seitenzahl auf Ihrem Lesegerät variieren.
eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 0.97 MB
- Ohne Kopierschutz
Pressezitat
"Perfekte Lektüre fürs Urlaubsgepäck.", Maxi, 08.05.2013
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