Wettkampf der Nationen (PDF)
Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit
In jüngerer Zeit wird in den Sozialwissenschaften die Ansicht vertreten, Nationen seien Erzeugnisse der Moderne. Caspar Hirschis Theorie lautet gegenläufig, dass die Nationenbildung einen diskontinuierlichen Prozess von langer Dauer darstellt, der in Europa...
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Produktinformationen zu „Wettkampf der Nationen (PDF)“
In jüngerer Zeit wird in den Sozialwissenschaften die Ansicht vertreten, Nationen seien Erzeugnisse der Moderne. Caspar Hirschis Theorie lautet gegenläufig, dass die Nationenbildung einen diskontinuierlichen Prozess von langer Dauer darstellt, der in Europa schon im Spätmittelalter eingesetzt hat.
In Deutschland kommt den Humanisten besondere Bedeutung zu. Sie greifen die Propaganda der habsburgischen Kaiser an die Reichsstände auf und kombinieren sie mit politischen Diskursen der Antike. Damit begründen sie neue Formen der kollektiven Ehre und Ausgrenzung. Die eigene Gemeinschaft steht nicht mehr einer einheitlichen Masse von Heiden oder Barbaren gegenüber, sondern einer Vielzahl von Gemeinschaften, die kategorial gleich sind: Nationen. Dieses Gleich-zu-Gleich von autonomen Ehrgemeinschaften führt zu einem umfassenden Wettkampfkonzept. Diskurse entstehen, die die Überlegenheit der eigenen Nation beweisen sollen. Sie verleihen jeder Nation einen vermeintlich unverwechselbaren, realiter oft austauschbaren Charakter, der aus antiken Tugend- und Lasterkatalogen zusammengesetzt ist. Der humanistische Wettkampf der Nationen wird von der Konfessionalisierung abgebremst, trägt danach aber zum Siegeszug des modernen Nationalismus bei.
In Deutschland kommt den Humanisten besondere Bedeutung zu. Sie greifen die Propaganda der habsburgischen Kaiser an die Reichsstände auf und kombinieren sie mit politischen Diskursen der Antike. Damit begründen sie neue Formen der kollektiven Ehre und Ausgrenzung. Die eigene Gemeinschaft steht nicht mehr einer einheitlichen Masse von Heiden oder Barbaren gegenüber, sondern einer Vielzahl von Gemeinschaften, die kategorial gleich sind: Nationen. Dieses Gleich-zu-Gleich von autonomen Ehrgemeinschaften führt zu einem umfassenden Wettkampfkonzept. Diskurse entstehen, die die Überlegenheit der eigenen Nation beweisen sollen. Sie verleihen jeder Nation einen vermeintlich unverwechselbaren, realiter oft austauschbaren Charakter, der aus antiken Tugend- und Lasterkatalogen zusammengesetzt ist. Der humanistische Wettkampf der Nationen wird von der Konfessionalisierung abgebremst, trägt danach aber zum Siegeszug des modernen Nationalismus bei.
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3. Der italienische Humanismus: Kulturimperialismus als Anstoß der Nationalisierung (S. 177-178)Aufbau und Argumentation
Setzt sich Kapitel 2 mit den außeritalienischen Voraussetzungen des humanistischen Nationalismus in Deutschland auseinander, so geht es im Folgenden um die Anstöße aus Italien. Dabei interessiert weniger die Frage, wer was von wem gelesen hat, d.h., auf welchen Wegen literarische Motive tradiert und transformiert worden sind, als die diskursive Konstruktion des kollektiv Eigenen und Fremden. Durch den provokativen Charakter dieser Konstruktion, so die hier vertretene Auffassung, intensiviert der italienische Humanismus die Nationalisierung Europas. Daher geht dieses Kapitel den Konstanten und Variablen des humanistischen Italiendiskurses nach.
Das methodische Leitprinzip lautet, den italienischen Humanismus als autonome Formation zu erfassen, aus seinen Eigenheiten aber die Hauptwirkung auf den Nationalismus deutscher Humanisten abzuleiten. Aus diesem Grund erhält Petrarca, der Vater des humanistischen Italiendiskurses, mehr Raum als Enea Silvio oder Flavio Biondo, die den deutschen Humanisten Baumaterial für ihre eigene Nationskonstruktion geliefert haben.
Der Renaissance-Humanismus in Italien entwickelt kein Nationskonzept; Italien steht im humanistischen Diskurs nicht einer Vielzahl anderer Nationen gegenüber, sondern bildet eine Insel der Zivilisation, umspült vom Meer der Barbarei. Die Sicht italienischer Humanisten auf die Welt ist vornehmlich bipolar, nicht multipolar. Das hat weitreichende Folgen: Die italienischen Humanisten suchen selten den Wettstreit mit Gelehrten außerhalb Italiens. Wo keine Gemeinsamkeiten zugestanden werden, entsteht keine Konkurrenz. Die Fallhöhe von der Zivilisation zur Barbarei lässt keine Fragen offen. Die Aggressionen der Zivilisierten beschränken sich auf Terraingewinne gegen die Barbarei. Das
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humanistische Italienkonzept ist daher als imperialistisch zu bezeichnen. Die Unterschiede zum späteren Nationskonzept deutscher Humanisten sind auffällig.
Grundlegend für die Konstruktion Italiens wird der Barbarendiskurs. Die Humanisten ersetzen das mittelalterliche Barbarenbild nicht einfach durch das antike. Ihr Konzept von Zivilisation und Barbarei ist starrer als das der Griechen und Römer. Dem antiken Zivilisationsmodell wohnt, bedingt durch das zyklische Geschichtsdenken, ein ambivalentes Moment inne: Hohe Kultur bricht notwendig in ursprüngliche Rohheit zusammen. Anders im Humanismus: Die vom antiken Rom begründete Ordnung beansprucht überzeitliche Geltung. Die politischen und kulturellen Verhältnisse der europäischen Gegenwart dagegen erscheinen als verkehrte Welt. Dominiert im antiken Barbarenkonzept die ethnographische Deskription, so im humanistischen die Polemik.
Grundlegend für die Konstruktion Italiens wird der Barbarendiskurs. Die Humanisten ersetzen das mittelalterliche Barbarenbild nicht einfach durch das antike. Ihr Konzept von Zivilisation und Barbarei ist starrer als das der Griechen und Römer. Dem antiken Zivilisationsmodell wohnt, bedingt durch das zyklische Geschichtsdenken, ein ambivalentes Moment inne: Hohe Kultur bricht notwendig in ursprüngliche Rohheit zusammen. Anders im Humanismus: Die vom antiken Rom begründete Ordnung beansprucht überzeitliche Geltung. Die politischen und kulturellen Verhältnisse der europäischen Gegenwart dagegen erscheinen als verkehrte Welt. Dominiert im antiken Barbarenkonzept die ethnographische Deskription, so im humanistischen die Polemik.
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Autoren-Porträt von Caspar Hirschi
Caspar Hirschi, geb. 1975, studierte Geschichte und deutsche Literatur an den Universitäten Tübingen und Fribourg, wo er seit 2001 als Assistent frühneuzeitliche Geschichte lehrt. Publikationen zur Kunsttheorie Immanuel Kants, zum postmodernen Identitätsdiskurs und zum Nationskonstrukt des deutschen Humanismus.
Bibliographische Angaben
- Autor: Caspar Hirschi
- 2013, 555 Seiten, Deutsch
- Verlag: Wallstein Verlag GmbH
- ISBN-10: 3835320769
- ISBN-13: 9783835320765
- Erscheinungsdatum: 01.11.2013
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