Wolfsnacht (ePub)
Thriller
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Produktinformationen zu „Wolfsnacht (ePub)“
Lese-Probe zu „Wolfsnacht (ePub)“
Oslo, Montag, 13. Juni 2005, 22.00 Uhr Jemand fürchtet die Dunkelheit, die einen umschließt, ehe man geboren wird. Trotzdem tragen wir alle eine ungeheure Furcht in uns vor dem Abgrund, der uns im Tod erwartet. Warum? Wo liegt der Unterschied? Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich einen Menschen getötet habe. Den entsetzten Blick, den herzzerreißenden Schrei... Es sagt viel, dass ich mich daran gewöhnt habe. 22.00 Uhr - 22.07 Uhr Studio 2, 22.00 Uhr In den Sekunden, bevor die Erkennungsmelodie durch das Studio dröhnte, erkannte sie, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Da war etwas in seinem Blick. Sie erinnerte sich nicht an seinen Namen. Einer der tschetschenischen Asylbewerber. Dieser Blick... "Noch zehn Sekunden bis zur Sendung!" Die Stimme des Produzenten schallte aus der Lautsprecheranlage. Kristin Bye umklammerte das Mikrofon. Die Scheinwerfer an der Decke blendeten sie. Die Fernsehkameras ähnelten Hightech-Laser-Waffen. Sie stand auf einem ovalen, etwa einen Meter hohen Podium, und ihre Gesprächspartner und das Publikum saßen auf einer halbkreisförmigen Tribüne. Die Gruppe der tschetschenischen Asylbewerber war in der oberen Reihe platziert; eine verlotterte Versammlung mit weiten, uniformartigen Jacken, die sie unbedingt hatten anbehalten wollen, obgleich es Mitte Juni und im Studio glühend heiß war. Die Repräsentanten der norwegischen Behörden hatten eine Reihe unter ihnen Platz genommen, auch sie in ihren Uniformen: graublaue Anzüge, smarte Kostümchen, professionelles Lächeln. Plötzlich fiel ihr der Name wieder ein. Ramzan! Einer der Asylbewerber, der mit der Redaktion Kontakt aufgenommen und sie über die Verhältnisse in seinem Heimatland informiert hatte. Jetzt saß er lässig zurückgelehnt da und sah sie an. Wie ein Exhibitionist in einem dunklen Hauseingang. Die Stimme des Produzenten krächzte in ihrem Ohrhörer: "Drei... zwei... Erkennungsmelodie ab!" Das Studiolicht wurde gedimmt, als die Melodie losdröhnte: schmissige Fanfarenklänge
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mit tiefen Bässen und scharfen Synthesizern. Lichtblitze zuckten durch das Studio. Dann wurde die Musik heruntergefahren, und eine Männerstimme rief: "Meine Damen und Herren! Kanal ABC heißt Sie willkommen zu Norwegens beliebtester Diskussionssendung ABC-Forum. Moderation - Kristin Bye!" Die Musik erreichte ihren Höhepunkt, während Kristin ins Bild lief und den Applaus entgegennahm. Kamera zwei rollte schnell über das Parkett, und eine Krankamera senkte sich von der Studiodecke zu ihr nach unten. Lachend breitete sie die Arme aus und blickte gut gelaunt in Kamera eins. Kamera drei spielte ein oder zwei Sekunden mit ihrer Nahaufnahme. Die Stimme des Produzenten: "Kristin - bitte schön! Kamera eins!" Lächelnd heftete sie ihren Blick auf die Linse der Kamera: "Herzlich willkommen! Das Thema unserer heutigen Sendung lautet: Verrat an den Tschetschenen!" Kristin stieg vom Podium hinunter und ging zu den Diskussionsteilnehmern. Ihre Knie zitterten. Wenn sie nervös wurde, dachte sie immer an Gunnar. Sie stellte sich den grau gewordenen, alten Knaben in seinem Sessel zu Hause in Frogner vor. Er schaut mir zu, dachte sie, und dieser Gedanke beruhigte sie in der Regel. Doch nicht an diesem Abend. Routiniert richtete sie ihren Blick von Kamera eins auf Kamera drei: "Wir freuen uns über unsere Gäste am heutigen Abend, die uns erläutern werden, warum das Thema Tschetschenien auch für uns wichtig ist. Denn auch, wenn dieses Land weit entfernt ist, hat die Welt nicht das Recht, es zu vergessen!" Die Verhältnisse in Tschetschenien und die norwegische Asylpolitik waren nicht gerade prickelnde Themen, das sah sie wohl ein. Als sie bei einer Redaktionssitzung zum ersten Mal damit gekommen war, hatte der Redakteur entsprechend die Augen verdreht und gesagt, es sei dem norwegischen Fernsehpublikum völlig egal, was da irgendwo weit weg in Tschetschenien passierte. Kristin hatte ihm die Zunge herausgestreckt. Sie wussten beide, dass es nur einen Grund dafür gab, dass ABC-Forum Norwegens Diskussionssendung mit der höchsten Einschaltquote war: Kristin Bye. Sie war die beliebteste Fernsehmoderatorin des Landes, die auf allen Titelseiten der Boulevardpresse prangte, wenn sie einem Mann auch nur einen Blick zuwarf. Und das tat sie durchaus das eine oder andere Mal... Der Redakteur hatte sie gewarnt: Die Quote würde katastrophal werden. Aber natürlich hatte sie ihren Willen durchgesetzt. Bin ich deshalb heute Abend so nervös?, dachte sie. Was, wenn wirklich niemand zusieht? "In der ersten Reihe..." Kristin registrierte die rote Lampe an Kamera zwei, die auf die Diskussionsteilnehmer gerichtet war. "... sitzen Außenminister Bernt Boe, liberal-konservative Partei Hoyre, und Grethe Aslaksen, leitende Staatssekretärin im norwegischen Dezernat für Einwanderung, Migration und Flüchtlinge UDI. Ich möchte mit einer Frage an Außenminister Boe beginnen: Können Sie mit wenigen Worten die Tragödie in Tschetschenien skizzieren?" Der Bergenser Bernt Boe hatte viele Jahre als Anwalt in seiner Heimatstadt gearbeitet, ehe er in die Landespolitik eingestiegen war. Sein Gesicht war schmal und kantig mit etwas zu eng stehenden Augen. Boe beugte sich vor. "Seit hunderten von Jahren betrachten die Russen die Tschetschenen nicht nur mit Skepsis und Geringschätzung, sondern mit Verachtung", sagte er. Seine Stimme klang bestimmt und autoritär. "Dementsprechend haben die Russen die Tschetschenen behandelt: wie Banditen, Terroristen, Rebellen. Die Tschetschenen waren nie bereit, sich zu unterwerfen - weder dem zaristischen Russland noch der Sowjetrepublik oder dem heutigen russischen Regime. Für viele Russen sind die Tschetschenen Abschaum. Sie sehen die Tschetschenen, wie man hier in Norwegen in den Dreißiger- und Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts die Zigeuner angesehen hat: als Pack! Für die westliche Welt gilt Tschetschenien mit einer gewissen Berechtigung zudem als Brutstätte des islamistischen Terrors. Die Zustände im heutigen Tschetschenien kann man beinahe als gewalttätige Anarchie bezeichnen." "Warum ist das so?", warf Kristin ein. "Darauf gibt es viele Antworten. Für die verarmten Tschetschenen sind die Russen Besetzer und Aggressoren. Die Tschetschenen selbst betrachten sich als Freiheitskämpfer. Das Tragische ist nur, dass sich die tschetschenische Gesellschaft als Demokratie und Staat nahezu aufgelöst hat. Es herrschen Fanatiker und Verbrecher, und die moderaten Kräfte haben ihre liebe Mühe, die Aufmerksamkeit und Sympathie der Welt zu wecken." Kristin blickte in Kamera eins: "Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir auch den russischen Botschafter eingeladen haben. Dieser hat es jedoch abgelehnt, an der Diskussionsrunde teilzunehmen."
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Autoren-Porträt von Tom Egeland
Tom Egeland, geboren 1959, gilt als einer der meistgelesenen Thriller-Autoren Norwegens. Sein Bestseller »Frevel« wurde in 18 Sprachen übersetzt. Von 1992 bis 2006 arbeitete Tom Egeland als Nachrichtenchef bei dem norwegischen Fernsehsender TV2 in Oslo, seit 2006 widmet er sich ganz dem Schreiben.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tom Egeland
- 2009, 512 Seiten, Deutsch
- Übersetzer: Günther Frauenlob
- Verlag: Random House ebook
- ISBN-10: 3894809841
- ISBN-13: 9783894809843
- Erscheinungsdatum: 11.03.2009
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eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 0.45 MB
- Ohne Kopierschutz
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