Brockes-Passion (1712)

Barthold Heinrich Brockes' Dichtung Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus gehört zu den einflussreichsten und bekanntesten Passionslibretti des frühen 18. Jahrhunderts. Gleichwohl störte man sich spätestens seit der zweiten Hälfte dieses Säkulums an der stellenweise recht drastischen Bildsprache des Dichters, die man als schwülstig und abstoßend empfand. Entsprechend lange mussten die bedeutenden Vertonungen Keisers, Matthesons, Händels und Telemanns auf eine angemessene Würdigung warten, obwohl es sich durchweg um qualitativ hochwertige Musik handelt. Heute stört man sich dagegen weniger an Brockes Text, versteht ihn vielmehr als geradezu ideale Vorlage für eine Vertonung. Von der ersten durch Reinhard Keiser (1674-1739) war lange keine Einspielung greifbar, obwohl die Hamburger Uraufführung 1712 ein gesellschaftliches Ereignis war und der Komponist mit seinem Werk alle folgenden Vertonungen beeinflusste. Besonders bei ihm gehen Text und Musik eine perfekte Verbindung ein. Zudem macht Keiser auch hier seinem Ruf als einfallsreicher und berückender Melodiker alle Ehre. Les Muffatti, Vox Luminis und Peter Van Heyghen legen auf RAMEE die erste, längst überfällige Einspielung dieses barocken Meisterwerks vor, welche die herausragende Bedeutung Keisers unterstreicht.