Kantaten (CD)

Machtvolle Chorwerke von Wäldern und Rebellen: Paavo Järvis Schostakowitsch-Raritäten - live Paavo Järvi und das Estnische Nationalorchester gelten als Dream-Team, wenn es um die Interpretation ost- und nordeuropäischer Spätomantik und Moderne geht. Die Einspielungen von Werken eines Arvo Pärt, Jean Sibelius, Edvard Grieg oder Erkki-Sven Tüür faszinieren mit leuchtenden Orchesterfarben und zeigen bei Orchester und Dirigenten großen Entdeckergeist. Beides prägt auch das neue Album mit Chorwerken von Dmitri Schostakowitsch mit seltenem Repertoire, dem Live-Mitschnitt eines gefeierten Konzertes in Talinn 2012. Schostakowitschs Musik ist untrennbar mit der Geschichte der Sowjetunion, des Kalten Krieges und der Stalindiktatur verknüpft. Seit dem Schock der öffentlichen Ablehnung entwickelte Schostakowitsch inneren Widerstand mit einer doppelbödigen Musiksprache voll beißendem Spott und dunkler Verzweiflung unter einer brüchigen Schicht von  Konformismus. Seine selten gespielten Chorwerke sind ebenfalls Dokumente dieser Zerrissenheit. So versuchte er im Oratorium Das Lied von den Wäldern (1949), das eine nationale Aufforstungskampagne zum Thema hat und im Poem Über unserem Vaterland scheint die Sonne (1952), öffentlich Reue nach seiner Ablehnung zu bekennen. Nach Stalins Tod war der Weg frei für einen kritischeren Blick auf die russische Geschichte, wovon die Kantate Die Hinrichtung des Stepan Rasin zeugt - ein Stoff um einen russischen Rebellen des 17. Jahrhunderts. Der Komponist selbst stand diesen Werken teils kritisch gegenüber. In der Musikwelt umstritten, zählen sie musikalisch jedoch zu den Großwerken im Schatten von Schostakowitschs Sinfonien, Konzerten und Kammermusik.