Über Pedro Almodóvar
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Pedro Almodóvar
Schrill, exaltiert, völlig over the top sind viele seiner Figuren, luzid surrealistisch, irreal und jenseits von dieser Welt zahlreiche Motive in seinen Filmen. Almodóvar ist damit die Antithese zu Ken Loach oder Mike Leigh und deren strengen Realismus. Und dennoch hat er mehr mit ihnen gemein, als der erste Blick verrät.
Denn in allen Passagen seiner Werke, in allen Zügen seiner Charaktere, findet sich eine tiefe, ja fast schmerzvolle Authentizität. Die Außenseiter...
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Schrill, exaltiert, völlig over the top sind viele seiner Figuren, luzid surrealistisch, irreal und jenseits von dieser Welt zahlreiche Motive in seinen Filmen. Almodóvar ist damit die Antithese zu Ken Loach oder Mike Leigh und deren strengen Realismus. Und dennoch hat er mehr mit ihnen gemein, als der erste Blick verrät.
Denn in allen Passagen seiner Werke, in allen Zügen seiner Charaktere, findet sich eine tiefe, ja fast schmerzvolle Authentizität. Die Außenseiter und Randfiguren der Gesellschaft, die Almodóvar mit Vorliebe beschreibt, sind bunt, irisierend und grell, ihre Motivation jedoch ist immer allzu menschlich und ihre Handlungsweise in sich stets rational.
Geradezu ein Lehrbeispiel dafür ist Almodóvars neuer Film Volver - Zurückkehren. Lebende und vielleicht doch nicht so ganz Tote liefern sich dabei einen munteren Reigen an skurrilen und aberwitzigen Situationen. Romantik zerbirst jäh in Gewalt und Trauer, schwarzer Humor bricht die Starre und auch vor Seichtigkeiten ist niemand gefeit. Ein Film so prall wie das Leben, ein Parforce-Ritt des Regisseurs, der der Jury in Cannes sogar zwei Preise wert war. Almodóvar erhielt die Palme für das Drehbuch und anstelle einer Hauptdarstellerin krönten die Juroren gleich das gesamte weibliche Ensemble von Volver.
Nach einer Phase, in der der Filmemacher dramatischen Stoffen den Vorzug gab, kehrt er damit auch wieder zur Komödie zurück - und zu einer weiteren Domäne seines filmischen Schaffens: den Frauen. Wie kaum ein anderer versteht es der offen homosexuelle Almodóvar, sie in Szene zu setzen - und starke Frauenfiguren in seinen Werken waren es auch, die die Quantensprünge seiner eigenen Karriere darstellten.
Geboren wurde Pedro Almodóvar am 24. September 1949 in der tiefsten spanischen Provinz. Seine Abneigung gegen Religion begründet sich in den jahrelangen Drangsalierungen und dem harten Regiment, das er während seiner Zeit an einem Internat der Franziskaner erdulden musste. Dieses Martyrium, das er später in La mala educación - Schlechte Erziehung aufarbeitet, verfolgte ihn noch Jahrzehnte und sollte seine Arbeit entscheidend beeinflussen.
Mit 17 Jahren jedoch sagte er sich erst einmal von seiner Familie los, zog ohne Geld in der Tasche, ohne eine Wohnung zu haben oder irgendjemanden zu kennen nach Madrid. Der Hunger nach Leben, der sich in vielen seiner Figuren spiegeln sollte, trieb den Exzentriker zu immer neuen Extremen. Und Almodóvar war der richtige Mann am rechten Platz zur rechten Zeit.
Denn gegen und nach dem Ende der bleiernen und restriktiven Franco-Diktatur lechzte Madrid förmlich nach einer neuen kulturellen Avantgarde. Der kinoverrückte Almodóvar rückte mit seinen außergewöhnlichen, originellen und einzigartigen Kurzfilmen in Windeseile an deren Speerspitze. Tagsüber arbeitete er als Verwaltungsangestellter bei einem Telekommunikationsriesen, nach Feierabend mischten er und andere Mitstreiter der movida madrileña mit ihren Underground-Filmprojekten die Stadt auf.
Transvestiten und Homosexuelle sind seine Hauptfiguren und -darsteller, Haarsträubendes und Abseitiges seine Themen und immer wieder prägen auch starke Frauen seine frühen Werke. Bereits damals arbeitet er mit Carmen Maura zusammen, die auch in seinem Durchbruch Womit hab' ich das verdient? die Protagonistin ist.
Mit Labyrinth der Leidenschaften, Matador und Gesetz der Begierde bringt Almodóvar die Karriere von Antonio Banderas ins Rollen, ehe er sich mit Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs selbst in die erste internationale Regisseurs-Riege katapultiert.
Kritiker rühmen seinen Eigensinn, seine individuelle Bildsprache und seine wahnsinnigen Drehbücher, das Publikum liebt seinen ungewöhnlichen Stil und bitterbösen Humor. Fessle mich! und High Heels untermauern seine Ausnahmestellung im europäischen und internationalen Kino.
Mit Live Flesh - Mit Haut und Haar machte er Penelope Cruz zum Star, Mein blühendes Geheimnis wurde bejubelt, Kika dagegen wäre wohl unter jedem anderen Regisseur gnadenlos zerrissen worden. Doch gerade als man glaubte, sich ein wenig an seinen Eigenwilligkeiten satt gesehen zu haben, überraschte Pedro Almodóvar mit Wandlungsfähigkeit und künstlerischer Bandbreite.
Immer noch eigen im Stil, aber doch tiefer und weniger schrill, hämmerte er nach all den überdrehten Komödien und bösen Dramen der Welt mit Alles über meine Mutter ein packendes, wuchtiges Melodram entgegen, das zu Recht mit Preisen überhäuft wurde. Es regnete nationale und europäische Film'-Awards, den Golden Globe und den Oscar gab es als Sahnehäubchen oben drauf.
Nun schien der ewig Getriebene endlich bei sich selbst angekommen zu sein. Sprich mit ihr - Hable con ella gelingt ihm trotz der sperrigen Thematik und der komplizierten Konstruktion als mitreißendes Drama und gerät zum Triumphzug. Und in La mala educación - Schlechte Erziehung schließlich rechnet Almodóvar mit seinen Peinigern aus der Zeit des Franziskaner-Internats ab.
Das verstörende Drama ist Almodóvars persönliche Katharsis. Mehr als zehn Jahre schrieb er an dem Drehbuch über zwei Klosterschüler, deren Leben durch Drangsalierungen und sogar sexuellen Missbrauch durch die Mönche in grundverschiedene Richtungen gelenkt wurde.
Und dennoch entzieht sich Almodóvar hierbei wie immer den einfachen und schlichten Erklärungsmustern. Zwar gibt er an, dass die Handlung durchaus inspiriert von seinen eigenen Erlebnissen im Kloster sei, autobiografisch allerdings sei La mala educación keinesfalls und auch nicht das Ende seiner filmischen Entwicklung.
Eben, das Leben liefert ihm nur die Ideen. Und die kommen Almodóvar allem Anschein nach unaufhörlich. Der zum Meister gereifte Avantgardist plant nämlich schon wieder den nächsten Schritt, und versucht es dabei in Volver - wie könnte es anders sein - wieder einmal mit Frauen!
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