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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    alekto, 15.09.2022

    Als eBook bewertet

    Kurzgeschichten artiger Roman mit Science-Fiction Elementen über eine besondere Eingebung von Tech-Guru Bix Bouton

    Tech-Unternehmer Bix Bouton hat mit Mandala seinen Durchbruch geschafft, für das er Ideen aus dem Buch Muster des Vertrauten von Anthropologin Miranda Kline zweckentfremdet hat. Nun steht Bix auf dem Zenit seiner Karriere. Denn das Geschäftsmodell von Mandala ist aufgebaut, monetarisiert, verbessert, aktualisiert, standardisiert, globalisiert und allgegenwärtig geworden. Da die Arbeit an Mandala nun bald vollendet sein wird, ist Bix auf der Suche nach seiner nächsten Vision. Bei einem nächtlichen Spaziergang fällt ihm ein Flyer auf, der für eine Diskussionsrunde zu einem Vortrag von Kline wirbt. Die Gastgeber dieser Diskussionsrunde, die Bix in Verkleidung besucht, um unerkannt zu bleiben, sind die Kunstgeschichtsprofessoren Ted Hollander und seine Frau Portia. Und dort lernt Bix die Anthrozoologieprofessorin Kacia kennen, die gerade ihre ersten Versuche unternimmt, das Bewusstsein einer Katze mittels Gehirnsensoren einzufangen.

    Pulitzerpreisträgerin Jennifer Egan erzählt Candy Haus in verschiedenen Teilen, die Titel wie "Der Zauber des Vertrauten", "Fallstudie: Niemand kam zu Schaden" oder Reimschema tragen und von denen jeder für sich als eigene Kurzgeschichte stehen könnte. Dazu trägt auch bei, dass Egan zu Beginn eines jeden Kapitels die Perspektive und zudem die Zeit, zu der sich die geschilderten Ereignisse zutragen, wechselt. Diese spielen mal in der Vergangenheit, mal in der Zukunft. Dabei schwankt auch der zeitliche Horizont, den die einzelnen Kapitel umfassen, die von nur einem einzigen Nachmittag etwa aus der Kindheit einer ihrer Figuren bis hin zu einem im Zeitraffer erzählten, ganzen Leben reichen.
    Zwischen den einzelnen Geschichten, die Egans vielfältige Figuren einführen, ergeben sich nach und nach immer mehr Verbindungen, die sich bei aufmerksamem Lesen recht schnell erschließen. Nach dem ersten Teil, in dessen Mittelpunkt Tech-Guru Bix steht, kreisen die darauf folgenden Kapitel etwa um Familienmitglieder von Ted Hollander, der der Gastgeber der von Bix besuchten Diskussionsrunde gewesen ist, oder von Miranda Kline, deren Formeln zur Vorhersage menschlicher Affinitäten Bix für sein soziales Netzwerk verwendet hat. Durch die zwischen den verschiedenen Geschichten bestehenden Verbindungen fließt etwa im weiteren Verlauf mit ein, wie sich der erste Teil weiterentwickelt hat und was die nächste große Vision von Bix geworden ist.
    Erst kurz vor Schluss führt Egan in rasanter Weise im Kapitel "siehe unten" ihre einzelnen Geschichten zu einem größeren Ganzen zusammen, als sie eine Vielzahl der zuvor von ihr eingeführten Charaktere in einem immer weiter ausufernden E-Mailverkehr miteinander kommunizieren und schließlich aufeinander treffen lässt. Das beginnt recht unscheinbar beim ursprünglich geäußerten Wunsch von Lulu nach einem privaten, unter vier Augen Gespräch mit einem berühmten, in die Jahre gekommenen Schauspieler. Das zieht jedoch immer weitere Kreise, die über viele, eher absurd anmutende Umwege in ein spektakulärer Finale gipfeln. Das ist so gekonnt erzählt, dass ich beim Lesen kaum das Buch aus der Hand legen konnte.

    Egan hat mich mit ihren schrägen Charakteren bezaubert. Denn diese lässt die Autorin nie zu Karikaturen verkommen, sondern beschreibt deren Verhalten stets anschaulich und vermittelt deren Motivation so glaubwürdig, dass ich mich sogar in einige dieser Figuren gut einzufühlen vermochte. Beispielsweise ist das Verhalten von Ted Hollanders Sohn Alfred extrem, weil Alfred gerne und oft provoziert, indem er etwa plötzlich lange und ausdauernd schreit. Schon als Junge unternahm er seine ersten Versuche, indem er sich eine Tüte über den Kopf gezogen hat, um nur so mit seiner Familie zu kommunizieren. Alfred hat sich nach Authentizität gesehnt und wollte so eine aufrichtige, wenn auch negative Reaktion der ihn umgebenden Menschen provozieren, die ihm nur eine im Fernsehen abgeschaute Rolle zu imitieren schienen und an deren Getue er sich gestört hat. Alfreds Wunsch nach etwas Echtem ist so glaubwürdig geschildert, dass der für mich nachvollziehbar geworden ist, obwohl Alfred sich dabei so radikal verhalten hat.
    Candy Haus ist reich an ungewöhnlichen Ideen. So erschafft Künstlerin Sasha Skulpturen aus Plastik, die aus gesammeltem Müll bestehen, bevor diese dann eingeschmolzen um recycelt zu werden. Sie hat etwa zehntausende Plastiktüten in der Wüste arrangiert, die vom Boden aus betrachtet nur einen chaotischen Eindruck hinterlassen. Deren eigenwillige Schönheit offenbart sich erst im rechten Blickwinkel, der von Ballons aus, die in der Morgendämmerung über der Wüste aufsteigen, gegeben ist. Im Kapitel Reimschema erzählt Egan dann die wohl ungewöhnlichste Liebesgeschichte, die von der Zuneigung des Ich-Erzählers zu seiner Kollegin M handelt. Doch weder M noch der verliebte Ich-Erzähler sind in der Hinsicht normal, als dass sie sogenannte Typische sind. Beide sind Zählende, was sich genauer als Empiriker oder Metrikexperte beschreiben lässt.

    Egan greift in ihren Geschichten eine Vielzahl relevanter Themen auf, die vom Mangel an Authentizität, der in der heutigen Zeit wohl keine Seltenheit mehr ist, über Plastikskulpturen in der Wüste, die nicht nur Kunstsammler anziehen, sondern vor ihrem Recycling auch auf die Problematik gewaltiger, von uns produzierter Mengen an Plastikmüll hinweisen, bis hin zur Medikamentenabhängigkeit, bei der die Autorin schonungslos offenlegt, wie diese Leben zu zerstören und Menschen zu ruinieren vermag, reichen.
    Im weiteren Verlauf gewinnt Candy Haus in seinen Kapiteln, die in der Zukunft angesiedelt sind, immer mehr an Science-Fiction Elementen (u.a. kollektives Bewusstsein, Proxys, Zählende, Bürgeragenten, Asseln). Dabei entwirft Egan ihre ganz eigene, mal eher skurril, mal dystopisch anmutende Version der Zukunft.
    Nach dessen starkem Beginn, der von dem charismatisch-faszinierenden Tech-Mogul Bix in einer Schaffenskrise, vom Authentizitätssüchtigen, leidenschaftlichen Hobbyfilmer Alfred mit seinen Schreianfällen und vom rasanten Aufstieg, tiefen Fall sowie noch größeren Comeback des Anwalts und ehemaligen Sünders Miles handelte, habe ich im Vergleich dazu den Mittelteil dieses Romans als eher schwächer empfunden. Denn einige der Personen, aus deren Sicht die Kapitel dann geschildert wurden, sind für mich eher blass geblieben und deren Leben erschien mir im Gegensatz zu den großen, zuvor erzählten Geschichten eher unbedeutend, wenn darin nur ein Nachmittag im Club oder ein etwas aus den Fugen geratener Nachbarschaftsstreit beschrieben wurde. Im Kontrast dazu war mir die Geschichte um die Bürgeragenten fast zu abgedreht.

    Für mich ist Jennifer Egan die Meisterin der Kurzgeschichten, seit ich ihren Kurzgeschichtenband Emerald City gelesen habe. Und auch in Candy Haus stellt Egan wieder ihr großes Können, was Kurzgeschichten betrifft, unter Beweis. Diese in einzelne Geschichten aus verschiedenen Sichten und zu verschiedenen Zeiten erzählte Handlung verleiht Candy Haus zunächst einen fast Kurzgeschichten artigen Charakter. Dabei erzählt die Autorin so intensiv wie abwechslungsreich und überraschend. Sie bevölkert die einzelnen Kapitel ihres Romans mit grund verschiedenen, unerwartet schrägen oder doch recht alltäglichen Charakteren. Und neben abgehobenen Science-Fiction-Elementen, die sie einbindet, werden manchmal einfach nur ein Nachmittag im Club oder ähnlich gelagerte gewöhnliche Szenen aus dem Vorstadt Leben beschrieben. Nicht jede dieser Geschichten hat mir gleich gut gefallen. Nach dem starken Beginn dieses Romans hat mich aber auch das Kapitel "siehe unten" in seinen Bann gezogen, das ich möglichst am Stück und ohne unnötige Pause lesen würde, damit es seine ganze Wirkung entfalten kann.
    Jedem, für den Kurzgeschichten oder Science-Fiction-Elemente kein absolutes Ausschlusskriterium dafür sind, einen Roman zu lesen, möchte ich Candy Haus ans Herz legen. Von mir gibt es für diesen Roman, der eines meiner Highlights in 2022 ist, eine unbedingte Leseempfehlung.

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  • 4 Sterne

    8 von 15 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Olivia Grove, 07.09.2022

    Als Buch bewertet

    Ein vibrierendes Zukunftsrauschen – außergewöhnlich & tiefgreifend

    "Roxy spürt eine Vibration in ihrem tiefsten Inneren, während sich ihr Bewusstsein in das Internet ergießt: ein Sturzbach von Erinnerungen und Augenblicken, manche schmerzhaft – teils auch Erinnerungen an echten Schmerz –, in einen Kosmos strudelnd, der sich windet und schlängelt wie eine unaufhörlich sich ausdehnende Galaxie." (S. 206)

    "Candy Haus" ist visionär und spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der der technologische Fortschritt die Bedeutsamkeit des Individuums, der Privatsphäre und der Beziehungen gewaltig ins Wanken bringt.

    "In einem vor Energie funkelnden Roman erzählt Egan von unserer Suche nach Authentizität und Einmaligkeit."

    Worum geht's? Der Social-Media-Mogul "Bix" hat ein Produkt namens "Besitze dein Unbewusstes" entwickelt, das es dir ermöglicht, deinen Geist zu externalisieren und deine Vergangenheit zu besuchen, wann immer du willst. Das dort eingebundene "kollektive Bewusstsein" ermöglicht es allen Personen Zugriff auf anonyme Gedanken und Erinnerungen aller lebenden und toten Menschen auf der Welt zu bekommen, die dasselbe getan haben: sein externalisiertes Gedächtnis in ein Online-'Kollektiv' hochgeladen.

    Was war das? Bis zur Mitte des Buches habe ich so viele besondere Textstellen markiert. Es hat mich wirklich mitgerissen. Ich war fasziniert vom Schreibstil, doch ab Seite 207 von 415 wurde es abstrus. Es lag nicht nur daran, dass weiterhin jedes einzelne Kapitel in einem komplett anderen Schreibstil, über einen weiteren Protagonisten und in einer anderen Zeit geschrieben wurde. Die Storyline springt in der Zeit herum wie ein Ping Pong, rast zwischen verschiedenen Generationen umher und das hat mich ganz schön verwirrt.

    Die schiere Anzahl der auftretenden Charaktere und die vielen Perspektivsprünge machten es mir beinah unmöglich, tiefer in die jeweilige Person und in das Buch abzutauchen.
    Am liebsten hätte ich während des Lesens Halt auf einer Charakterkarte gesucht, um das kaleidoskopartige Protagonisten-Potpourri (von Geschwistern, Cousins, Tennispartnern und Drogendealern) vollumfänglich zu erfassen.

    Neben der Idee an sich, fand ich insbesondere die Beschreibungen äußerst bemerkenswert: "Die Sonne stand tief, das Licht war rosig, die karge Flora schimmerte in einem matten Silberton. Die Leere der Wüste kam mir biblisch vor, als hätte sich hier nie etwas getan – als stünde die ganze Geschichte noch bevor." (S. 87)

    Auch wenn mich einige Teile des Buches verwirrt und ermüdet haben, ist "Candy Haus" ein einzigartiges, komplexes Werk, das mich zum Reflektieren angeregt hat: Wann haben wir das letzte Mal einen ganzen Tag ohne unsere Smartphones verbracht? Sind wir noch immer aufgeregt auf Abenteuer im wahren Leben oder sind wir nur auf der Suche nach dem nächsten Dopaminkick im Internet?

    Insgesamt hat mich "Candy Haus" vor allem dadurch überzeugt, dass es wirklich mal etwas ganz anderes war. Ein vibrierendes Zukunftsrauschen, außergewöhnlich und tiefgreifend – ein Buch, bei dem die sprachliche Intensität zelebriert und der brisante Inhalt diskutiert werden sollte.

    "»Das Internet beunruhigt mich.«
    »Du meinst die allwissende, alles sehende Wesenheit, die, obwohl wir uns einbilden, selbst zu entscheiden, unser Handeln vorhersagt und kontrolliert?«" (S. 27)

    3,7 ▷ ⭐⭐⭐⭐

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  • 3 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Beagline, 28.11.2022

    Als eBook bewertet

    Was für ein Buch!

    So, nachdem ich das Buch jetzt 1 ½ mal durchgelesen habe, habe ich mich dazu entschlossen, dies hier zu beenden und meine Rezi zu schreiben. Danach werde ich das Candy Haus erst einmal beiseite legen. Ganz ehrlich, nach dem ersten Durchgang hatte ich tausend Fragezeichen im Gesicht. Mir rauchte der Kopf, so viele Protagonisten, so viele quasi Kurzgeschichten in einem Roman zusammengefasst, so viele Zeitsprünge und vor allem so viele Verbindungen zwischen den einzelnen Protagonisten, ich bin nicht mehr hinterhergekommen. Also habe ich einen zweiten Anlauf gestartet mit einer Kladde neben dem Buch. Dann wurde es etwas klarer für mich und trotzdem entsprach es einem kleinen eigenen Universum, vernetzt, wie es nun mal in den sozialen Medien so zugeht und worum es im Candy Haus ja auch geht. Von dieser Perspektive aus gesehen, ist es ein echtes Highlight. Der Leser muss sich aber bewusst sein, dass es eine Herausforderung wird.

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