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  • 5 Sterne

    12 von 18 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Michael B., 25.08.2021

    Ein wunderbares Buch!
    Ich muss ja zugeben: Ich bin schon seit vielen Jahren ein Fan der Bücher von Peter Stamm - wunderbare Sprache, Hintersinn, Sätze, die es auf den Punkt bringen, Nachvollziehbarkeit der Handlung und Geschichten, die nicht erst 800 Seiten zu ihrer wahren Entfaltung benötigen. Und auch mit seinm neuen Roman "Das Archiv der Gefühle" hat er mich nicht enttäuscht. Das Buch ist nicht in Kapiteln sondern lediglich ganz schlicht in Abschnitte unterteilt. So hat es mit seinen knapp 190 Seiten fast schon einen 'Novellen-Charakter' - und ist gleichwohl ein regelrechter Entwicklungsroman. Der Ich-Erzähler, als Archivar einer Zeitung frisch gekündigt und nicht unbedingt ein Menschenfreund, lebt zurückgezogen und übernimmt das kompeltte Archiv der Zeitung in seinen eigenen Keller. Im Leben des (namenlos bleibenden) Ich-Erzählers hat alles seine Ordnung und seinen Platz. Der Ich-Erzähler resümiert sein Leben, seine erste Begegnung mit Franziska, den ersten Kuss und die ausbleibende Liebesbeziehung mit ihr; die Liebe zu ihr wird ihn bis in die erzählte Gegenwart hinein begleiten doch zweifelt er am Ende: "... hatte ich den Alltag mit Franziska teilen wollen, oder brauchte ich sie nicht vielmehr als das, was sie mir ein Leben lang gewesen war, eine unerreichbare Liebe, eine Sehnsucht. Sie hatte mich zugleich glücklich und unglücklich gemacht in ihrer Abwesenheit. Wäre ich glücklicher gewesen mit ihr zusammen? Wovon hätte ich dann geträumt?" Die beiden Lebenswege entwickeln sich auseinander. Der Ich-Erzähler studiert nach der Schule, wird Archivar, hat Beziehungen; Franziska macht unter dem Namen 'Fabienne' Karriere als Sängerin. Er verfolgt ihren Lebensweg und legt im Archiv eine Akte zu ihrem Namen an. Mit der Kündigung seines Jobs beginnt er sein Leben zu bilanzieren, versucht Ordnung hineinzubringen, stellt aber fast schon depressiv gestimmt fest, dass alles nur eine Abfolge von Ereignissen war- ohne Zusammenhang und ohne einen roten Faden. Die 'Archivierung' seines Lebens will nicht so recht gelingen. Und je mehr er sich zurückzieht, seinen Erinnerungen ausgesetzt, je mehr er den Menschen aus dem Weg geht, desto mehr denkt er an Franziska und fantasiert sie in sein Leben hinein. Der Versuch, die Gefühle zu archivieren scheitert. Über seinen Kontakt zur Zeitung kommt er an Franziskas Mailadresse - und sein Leben kommt in Bewegung; aber bis zur Wiederbegegnung nach vielen Jahren wird es noch etwas dauern; aber eins sei verrraten - er entsorgt das Archiv! Die Entwicklung, die der Protagonist durchläuft reicht von ""Ich bin immer nur der Dabeiseiende gewesen. Ich bin, der ich bin. Eine Leerstelle." hin zu "Jetzt gibt es nur noch meine Geschichte, die Akte, die mein Leben ist und die mir plötzlich viel größer, viel wichtiger erscheint, wo alle anderen verschwunden sind. ... Es könnten die ersten Tage meines Lebens sein. Das Archiv ist weg, das Haus geputzt und aufgeräumt,... etwas Altes könnte abgeschlossen werden, etwas Neues beginnen." Unbedingte Leseempfehlung fürs nächste Wochenende! Wunderbar!

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  • 5 Sterne

    10 von 16 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Herr W., 26.08.2021

    Es ist ein wunderlicher Mann ohne Namen, die Hauptfigur in »Das Archiv der Gefühle« von Peter Stamm. Einer, der mich in sein Denken mitnimmt, der sich mir durch seine Selbstreflektion vorstellt. Er beschreibt sein Jetzt und erzählt parallel doch seine Lebensgeschichte chronologisch. Meist in Erinnerungen, manchmal allerdings auch nur in Phantasien. Außerdem ist von Beginn an Franziska dabei, in seinem Kopf, mit der er sich unterhält. Es sind die einzigen Dialoge, die er führt. Franziska, die Frau seines Lebens, die ihm einst sagte, dass sie ihn nicht liebe. Schon der Text auf dem Schutzumschlag verrät, dass Franziska wieder auftauchen wird.

    Der Mann ist jenseits dessen, was unsere Gesellschaft als normal erachten würde, wenn sie sein Leben denn mitbekäme, was er zu verhindern sucht. Nicht der Gesellschaft wegen, sondern seinetwegen. Schon als Kind war er gerne alleine, mochte die Wiederholung lieber als Veränderung, stellte sich Freundschaften lieber vor statt sie zu leben. Nur Franziska war immer da.
    Er ist Archivar und er ist ohne Anstellung, seit seine Stelle im Pressehaus abgebaut wurde. Ohne Arbeit ist er nicht, denn er hat das Archiv mitgenommen. Dass er ein Archiv in seinem Haus eingerichtet hat, ist die Krönung seiner Beschreibung. Jemand, der um der Ordnung willen ordnet, nicht um des Zwecks willen, denn sein Archiv wird von niemandem mehr genutzt, nicht mal von ihm selbst. Eingerichtet in seiner eigenen Welt. Im Haus seiner Eltern, das er übernahm als seine Mutter starb, und in dem er im Kinderzimmer schläft. Wie früher. Ein Mann, der möchte, dass die Zeit nicht vergeht. Der zwar hinnimmt, dass Dinge verfallen, der aber einen Verlust nicht erträgt. Auch deshalb hat er Franziska immer bei sich.

    »Das Archiv der Gefühle« ist ein großartiges Buch. Der Protagonist denkt Sätze, trifft Aussagen, mit denen man sich auseinandersetzen mag. Als er sein Archiv beschreibt, seine Lust an der hierarchischen Einordnung, bemerkt er: »Wenn alles wie im Internet gleichwertig ist, hat nichts mehr einen Wert.« An einer anderen Stelle denkt er darüber nach, warum er sich nie bei Freunden meldet, auch nicht wenn diese nach ihm Fragen. Er stellt fest, dass es ihn noch nie interessiert habe, Meinungen auszutauschen, und er kommt zu dem Schluss: »Meinungen haben nichts mit Fakten zu tun, nur mit Gefühlen, und meine Gefühle gehen niemanden etwas an.« Da denkt man gerne mal drüber nach. Das Einzige, worüber man nicht nachzudenken braucht, ist das komplett nichtssagende und sich auf nichts in der Geschichte beziehende Buchcover.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Beust, 17.02.2022 bei bewertet

    Ein Mann mäandert durch den hermeneutischen Zirkel seines Lebens: Ist, was war, wahr? Was wirklich, geschehen? Was möglich, immer noch möglich?

    Mit einem Titel wie „Das Archiv der Gefühle“ traut sich Peter Stamm etwas, denn das Vorurteil lässt gleich den Staubhusten über hehre Emotionen wischen: langweilig, kellermäßig, für pensionierte Strickliesel. Das Bändchen hustet den Vorurteilen aber eins – zumindest anfangs.

    Archivare – und der Erzähler ist einer bzw. ein Dokumentar – erweisen sich als Hüter der Vergangenheit, mithin alles Menschlichen. Zu jedem Thema hortet der Erzähler Zeitungsauschnitte in seinem Archiv, füllt damit seinen ganzen Tag und verliert den Kontakt zur Wirklichkeit, die für ihn nur durch die tägliche Sortieranstrengung gefiltert wird. Stamm versteht es, in der ersten Hälfte des Buches darzulegen, wie in Archiven eine Gleichzeitigkeit stattfindet: Vergangenes wird in der Gegenwart bewertet, um für die Zukunft genutzt zu werden. Diese Gleichzeitigkeit findet sich auch im Erzählen selbst, denn der Erzähler vermischt die Erinnerung an seine Jugendliebe (seine einzige Liebe) mit der Gegenwart, mit Träumen und Fragen an Wahrnehmung und Wünsche. Das ist toll, denn dadurch wird die Zeit selbst aufgehoben, weil sich des Erzählers Bewusstsein an mehreren Punkten in der Zeit befindet.

    Doch der Filter wird zur Folter, wenn die Dokumentarseele den Kontakt zur Wirklichkeit verliert und das eigentliche Leben verpasst, mithin Erinnerung, Wahrnehmung und Gefühle im rechtwinkligen Ordnungswahn verloren gehen (S. 21). Das Ich trennt sich dann vom Leben und hüllt sich in eine „angeborene Schmerzlosigkeit“ (S. 36). Auf diesem Erzählpfad begibt sich Stamm leider wieder hinab in die Gefilde des Klischees, wo sich die Fähigkeit zu leben und im Saft der Gegenwart zu stehen im völligen Widerspruch zum Dasein als Vergangenheitsbewahrer befinden. Das gähnte mich an, auch wenn die Gedankenspiele – wie ordnet man Erinnerungen? Welche Rolle spielen Fotos beim Überschreiben des Hirnspeichers? Kann man dem eigenen Vergessen trauen? – spannend und schön erzählt sind. Wie übrigens auch die Geschichte einer ungeliebten Liebe sich lesbar und angenehm aus den trockenen Papierumschlägen des Erzählers schält.

    Kurzum: Das Spiel mit dem Klischee des Archivs taugt nur für die kurze Strecke, am Ende bleiben die Stereotypen doch an den Haxen des Erzählers hängen und bedienen die staubhustenden Erwartungen der Leser.

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  • 4 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Maria B., 06.11.2021 bei bewertet

    Zögerlicher Archivar im Schneckenhaus
    Als die Sängerin Fabienne noch Franziska und ein Schulmädchen war, begann die Freundschaft (oder war es damals bereits Liebe?) zwischen ihr und dem Erzähler, dessen Namen nie genannt wird. Die beiden treffen sich nur sporadisch, ein gemeinsames Glück bleibt ihnen verwehrt. Und doch hat sie ihn so stark an sich gebunden, dass er sich auf keine andere Frau richtig einlassen konnte und auch keine Wünsche ein trautes Heim betreffend hegte.
    Er sieht Gott als den großen Archivar, das Universum als ein unendliches Archiv. Als an seinem Arbeitsplatz ein sperriges Archivgestell entsorgt werden soll, erwirbt er es, obwohl in seinem Keller kaum Platz dafür ist. Hier dokumentiert er all seine Erinnerungen an Franziska, legt Listen an, eine regelrechte Akte. Ein in den Keller verbannter Liebesschatz. Eine archivierte Zögerlichkeit.
    Seine eigenen Gefühle sieht er distanziert, wie durch ein schützendes Panzerglas. Mehr und mehr in sein Schneckenhaus verkrochen, wird er zum wortkargen, antriebslosen Einsiedler. Vor allem kann er sich kaum entscheiden, wenn er es sollte, egal, in welchem Zusammenhang. Sich selbst bezeichnet er durchaus treffend als „der Dabeiseiende“.
    Das sehr nüchterne Coverbild zeigt eine Frau, die im Gehen begriffen ist. Eben noch da – und schon fort. So sehr ich die Sprache und den Erzählfluss in Peter Stamms Romanen mag, so sehr habe ich die Übersetzungen der französischen Textstellen vermisst. Wenigstens im Anhang wären sie kein Luxus gewesen.
    Was das Lesen dieses Romans ebenfalls etwas mühsam machte, war die sparsam eingesetzte wörtliche Rede, noch dazu ohne Anführungszeichen. Auch die Fantasien oder Träume waren für mich manchmal erst im Nachhinein zu erkennen. Peter Stamm will es seinen Lesern nicht zu leicht machen. Empfohlen für alle Leser, die sich darauf einlassen wollen.

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  • 5 Sterne

    Meany, 14.08.2021 bei bewertet

    Fossilien meiner Jugend

    An zwei Abenden habe ich dieses Bändchen von knapp 200 Seiten ausgelesen, aber der Nachhall wird noch lange andauern. Peter Stamms Romane vergisst man nicht so schnell, sie werden jedoch nicht jedem gefallen, man muss schon auf einer solchen Welle funken.

    Ich persönlich konnte mich schnell identifizieren mit diesem Sonderling, der sinnend vor dem Rätsel seines Daseins steht. Außerdem habe ich alles Verständnis für seine Sammelleidenschaft und die Befriedigung, die Erkenntnisse in einen Thesaurus einzuordnen - es gibt ja selbst heute noch solche Berufe. Aber auch die Entwicklung, die sich gegen Schluss vollzieht, konnte ich akzeptieren.

    Nach vierzig Jahren denkt der Ich-Erzähler, der seinen Namen nicht verrät, an eine Schülerliebe mit zwei Namen: Franziska oder Fabienne als Künstlerpseudonym. Wie zwei Königskinder konnten sie zusammen nicht kommen, und eigentlich ist es einem als Leser auf die Dauer nicht mehr so wichtig, welche Dialoge real oder nur in seiner Vorstellung ablaufen, denn wichtig sind am Ende vor allem die inneren Vorgänge. Dieses Oszillieren übt einen magischen Reiz aus bei denen, die sich darauf einlassen.

    Vor Jahren hat er einmal ein richtiges Leben geführt mit einem Studium, einem Parisaufenthalt und Beziehungen zu Frauen, die zum großen Teil auch namenlos bleiben. Allerdings zeichnet er eine Chronik der verpassten Gelegenheiten auf: als er erst hinterher von der Abtreibung seines Kinds durch die verflossene Freundin erfährt, macht es ihm gar nichts aus.

    Sein pessimistisches Menschenbild bringt er in der Beschreibung der Urgesellschaft zum Ausdruck, die er sich als eine Gruppe von Sammlern einerseits und eine andere von Dieben andererseits vorstellt. Er selber zieht sich immer dann zurück, wenn etwas ernst zu werden droht. Vor seinen Gefühlen hat er Angst, ein intensives Verhältnis scheitert an seiner Entscheidungsschwäche, Gefühlskälte, mangelnder Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

    Der Wendepunkt ereignet sich, als sich Fabienne wieder nähert, da kommt er plötzlich mit seiner Lebensaufgabe des Archivierens nicht mehr nach. Zuerst faltet er Origamifiguren aus den Dokumenten und wirft sie schließlich sogar weg.

    Stimmungsvoll sind die Leitmotive: Glockenläuten begleitet häufig einen wichtigen Vorgang. Wasser war früher der Schauplatz von Begegnungen mit Franziska und spielt fürderhin oft eine Rolle, nicht zuletzt aber auch in der Dürre wegen des ausbleibenden Regens. Mithilfe eines eher schlichten, unprätentiösen Vokabulars gelingen Stamm überaus einprägsame Bilder. Man erfährt im Laufe des Romans mehr und mehr über die Vergangenheit, aber die innere Realität breitet sich aus, und man muss aushalten, dass das Verschwimmen der Wirklichkeit das Hauptthema der Geschichte ist.

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  • 5 Sterne

    Klaraelisa, 07.11.2021

    Sammeln und ordnen als Lebensaufgabe
    In Peter Stamms neuem Roman geht es um einen sehr skurrilen Charakter. Der namenlose Protagonist war früher Archivar, wurde aber arbeitslos, als man Dokumente nicht mehr in Papierform speicherte. Er lebt allein in dem von der Mutter geerbten Haus, wo er das von seinem Arbeitgeber übernommene Archiv täglich viele Stunden lang ergänzt. Er beachtet strenge Regeln, ohne die geringsten Veränderungen zuzulassen, weil er in einer ewigen Gegenwart leben möchte. Das Chaos der Welt macht ihm Angst. Er sieht seine Aufgabe darin, es zu ordnen und nicht darin, etwas Neues, Eigenes zu schaffen. So hat er auch fast 40 Jahre lang an der Liebe seines Lebens festgehalten, ohne dass daraus jemals eine Beziehung wurde. Es ist die Mitschülerin Franziska, die unter dem Namen Fabienne als Sängerin Karriere machte. Er nahm aus der Ferne an ihrem Leben Anteil und las die Artikel über ihre Beziehungen in der Boulevardpresse. In all den Jahren hatte er Kontakt zu zwei Frauen, einer ehemaligen Arbeitskollegin und einer Mitschülerin 25 Jahre nach dem Schulabschluss, als er eigentlich hoffte, Franziska zu treffen. Er liebte diese Frauen nicht, ließ die Dinge einfach geschehen, ohne jemals die Initiative zu ergreifen. Seine einzige Liebe war und ist Franziska, die ihm immer wieder in den Fantasien seiner Parallelwelt erscheint, die für ihn realer ist als die Wirklichkeit. Mit Mitte 50 wird ihm jedoch bewusst, dass das wirkliche Leben mehr zu bieten hat als das passive Abwarten, das er praktiziert, und er nimmt Kontakt zu Franziska auf. Nach mehreren Anläufen steht er ihr endlich gegenüber und erfährt, dass es in der Vergangenheit zwei Situationen gab, wo er auf sie hätte zugehen müssen, und ihr Leben wäre anders verlaufen. Er beschließt, sich von seinem Archiv zu trennen, weil es ihn unwiderruflich an die Vergangenheit bindet und jegliche Neuorientierung unmöglich macht. Am Ende wagt er tatsächlich einen Neuanfang. Er kann zwar die verflossene Zeit nicht zurückholen, aber für die ihm verbleibende Lebensspanne ein anderer werden.
    Mir hat dieser ruhig erzählte, sprachlich anspruchsvolle und zum Nachdenken über die eigene Lebensplanung anregende Roman gut gefallen. Er vermittelt die Botschaft, dass es nie zu spät ist, sein Leben zu ändern. Besonders beeindruckt hat mich, wie gekonnt der Autor reales Geschehen und Fantasien ineinander übergehen lässt. Ein empfehlenswertes Buch.

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  • 5 Sterne

    Klaraelisa, 08.11.2021

    Sammeln und ordnen als Lebensaufgabe
    In Peter Stamms neuem Roman geht es um einen sehr skurrilen Charakter. Der namenlose Protagonist war früher Archivar, wurde aber arbeitslos, als man Dokumente nicht mehr in Papierform speicherte. Er lebt allein in dem von der Mutter geerbten Haus, wo er das von seinem Arbeitgeber übernommene Archiv täglich viele Stunden lang ergänzt. Er beachtet strenge Regeln, ohne die geringsten Veränderungen zuzulassen, weil er in einer ewigen Gegenwart leben möchte. Das Chaos der Welt macht ihm Angst. Er sieht seine Aufgabe darin, es zu ordnen und nicht darin, etwas Neues, Eigenes zu schaffen. So hat er auch fast 40 Jahre lang an der Liebe seines Lebens festgehalten, ohne dass daraus jemals eine Beziehung wurde. Es ist die Mitschülerin Franziska, die unter dem Namen Fabienne als Sängerin Karriere machte. Er nahm aus der Ferne an ihrem Leben Anteil und las die Artikel über ihre Beziehungen in der Boulevardpresse. In all den Jahren hatte er Kontakt zu zwei Frauen, einer ehemaligen Arbeitskollegin und einer Mitschülerin 25 Jahre nach dem Schulabschluss, als er eigentlich hoffte, Franziska zu treffen. Er liebte diese Frauen nicht, ließ die Dinge einfach geschehen, ohne jemals die Initiative zu ergreifen. Seine einzige Liebe war und ist Franziska, die ihm immer wieder in den Fantasien seiner Parallelwelt erscheint, die für ihn realer ist als die Wirklichkeit. Mit Mitte 50 wird ihm jedoch bewusst, dass das wirkliche Leben mehr zu bieten hat als das passive Abwarten, das er praktiziert, und er nimmt Kontakt zu Franziska auf. Nach mehreren Anläufen steht er ihr endlich gegenüber und erfährt, dass es in der Vergangenheit zwei Situationen gab, wo er auf sie hätte zugehen müssen, und ihr Leben wäre anders verlaufen. Er beschließt, sich von seinem Archiv zu trennen, weil es ihn unwiderruflich an die Vergangenheit bindet und jegliche Neuorientierung unmöglich macht. Am Ende wagt er tatsächlich einen Neuanfang. Er kann zwar die verflossene Zeit nicht zurückholen, aber für die ihm verbleibende Lebensspanne ein anderer werden.
    Mir hat dieser ruhig erzählte, sprachlich anspruchsvolle und zum Nachdenken über die eigene Lebensplanung anregende Roman gut gefallen. Er vermittelt die Botschaft, dass es nie zu spät ist, sein Leben zu ändern. Besonders beeindruckt hat mich, wie gekonnt der Autor reales Geschehen und Fantasien ineinander übergehen lässt. Ein empfehlenswertes Buch.

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  • 5 Sterne

    Cosmea, 18.09.2021

    Ein Dabeiseiender schaut den anderen beim Leben zu
    Im Mittelpunkt von Peter Stamms neuem Roman “Das Archiv der Gefühle“ steht ein namenloser ehemaliger Archivar. Im Zuge der Digitalisierung verlor er seinen Job im Pressehaus und ist auch fünf Jahre später noch arbeitslos. Das Archiv befindet sich jetzt im Keller seines Hauses, und er arbeitet täglich mehrere Stunden daran, es fortzuführen, beschriftet auch immer noch neue leere Ordner, um Ordnung in das Chaos der Welt zu bringen. Er ist ein ganz besonderer Mensch: Er ist zwar völlig allein, fühlt sich aber nicht einsam. Das liegt daran, dass er seit Jahrzehnten in einer Parallelwelt lebt. Als 15jähriger hat er sich in die Mitschülerin Franziska verliebt. Eines Tages gesteht er ihr, dass er sie liebt und bittet um einen Kuss. Sie gewährt ihm den Kuss, sagt ihm aber zugleich, dass sie ihn nicht liebt. Inzwischen sind beide 55. Er hat sie seit fast 30 Jahren nicht gesehen und liebt sie unverändert. In seiner Fantasie sind sie zusammen, lieben sich und ziehen gemeinsame Kinder auf. Die Fantasien wirken im Text wie Halluzinationen und überlagern die Realität. Der Protagonist hat nie aufgehört, ihre Karriere als Sängerin Fabienne und die Artikel über ihre diversen Beziehungen zu Männern in der Boulevardpresse zu verfolgen und ihre Akte stets auf dem neuesten Stand zu halten. Irgendwann nimmt er dann doch Kontakt zu ihr auf. Ihm ist im Laufe der Jahrzehnte bewusst geworden, dass das wahre Leben mehr bietet als all seine Fantasien und er endlich seine passive Zuschauerrolle aufgeben muss, um sein Leben nicht völlig zu verpassen. Ein wichtiger Schritt für einen Neuanfang ist dabei die Zerstörung seines Archivs, damit er nicht für immer ein Dabeiseiender, ein Zuschauer am Rande bleibt, der niemals die Initiative ergreift. Nur seine eigene Akte behält er, denn hier fehlt noch das letzte Kapitel: eine neue Ausrichtung seines Lebens. Wird sie gelingen?
    Der ruhig erzählte, sprachlich hervorragende Roman hat mir gut gefallen, so wie viele seiner Vorgänger auch. Eine klare Empfehlung für jeden, der nicht nur handlungsbetonte Romane liest.

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  • 5 Sterne

    yellowdog, 03.10.2021 bei bewertet

    Die inneren Monologe

    Ein neuer Roman des Schweizer Schriftsteller Peter Stamm weckte natürlich mein Interesse. Peter Stamms ruhiger Stil, sein lakonischer Tonfall und sein Erzählgeschick lassen Das Archiv der Liebe zu einem besonderen, wenn auch ungewöhnlichen Roman werden. Eigentlich ist es wie ein Ein-Mann-Stück.
    Der Archivar ist halbfreiwillig ein Einsiedler, der sich in der Stille seines einsamen Hauses dem Sammeln und Ordnen widmet und sich seinen Erinnerungen hingibt. Dabei ist die melancholische Stimmung, die vom Protagonisten ausgeht, spürbar.
    Diese Erinnerungen umfassen schließlich auch sein Kindheit und Jugend und vor allen seine Liebe zur Jugendfreundin Franziska.
    Mit ihr, die ein bekannte Sängerin wurde, steht er fast durchgängig im inneren Monolog, obwohl sie sich seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gesehen haben.
    Es gibt einige bemerkenswert ausformulierte Sätze im Roman, die Peter Stamm gut gestaltet hat. Es wird ein Roman, den man nicht so schnell vergessen wird. Vielleicht sein bestes Buch!

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  • 5 Sterne

    Milagro, 04.09.2021

    Glücklicherweise habe ich die Leseprobe gelesen und mich vom Cover, das ich wirklich unpassend finde, nicht abschrecken lassen. Schon zu Beginn taucht man in die Gedanken des Ich-Erzählers ein, die auf einen rückgewandten, alleinstehenden Menschen weisen. Im Verlauf der Geschichte lernt man ihn gut kennen, seine Eigenarten sind schon ungewöhnlich und er erscheint oftmals auch kauzig. Trotzdem folgt man seinen Vorstellungen mit Interesse, geht es doch um nicht weniger als die Liebe seines Lebens. Der Autor erzählt auf nicht einmal 200 Seiten von dieser Liebe, vom Leben und der Flucht in die Phantasie. Das gelingt ihm ausgesprochen gut und auch wenn sich Realität und Wunschdenken des Ich-Erzählers unvermittelt abwechseln, findet man sich als Leser schnell zurecht. Ich schwankte zunächst zwischen 4 und 5 Sternen, die Marotten des Erzählers haben mich nun aber schon eine ganze Weile begleitet, ich möchte den Roman nicht missen, daher "volle Punktzahl" .

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  • 4 Sterne

    Maria B., 06.11.2021

    Zögerlicher Archivar im Schneckenhaus
    Als die Sängerin Fabienne noch Franziska und ein Schulmädchen war, begann die Freundschaft (oder war es damals bereits Liebe?) zwischen ihr und dem Erzähler, dessen Namen nie genannt wird. Die beiden treffen sich nur sporadisch, ein gemeinsames Glück bleibt ihnen verwehrt. Und doch hat sie ihn so stark an sich gebunden, dass er sich auf keine andere Frau richtig einlassen konnte und auch keine Wünsche ein trautes Heim betreffend hegte.
    Er sieht Gott als den großen Archivar, das Universum als ein unendliches Archiv. Als an seinem Arbeitsplatz ein sperriges Archivgestell entsorgt werden soll, erwirbt er es, obwohl in seinem Keller kaum Platz dafür ist. Hier dokumentiert er all seine Erinnerungen an Franziska, legt Listen an, eine regelrechte Akte. Ein in den Keller verbannter Liebesschatz. Eine archivierte Zögerlichkeit.
    Seine eigenen Gefühle sieht er distanziert, wie durch ein schützendes Panzerglas. Mehr und mehr in sein Schneckenhaus verkrochen, wird er zum wortkargen, antriebslosen Einsiedler. Vor allem kann er sich kaum entscheiden, wenn er es sollte, egal, in welchem Zusammenhang. Sich selbst bezeichnet er durchaus treffend als „der Dabeiseiende“.
    Das sehr nüchterne Coverbild zeigt eine Frau, die im Gehen begriffen ist. Eben noch da – und schon fort. So sehr ich die Sprache und den Erzählfluss in Peter Stamms Romanen mag, so sehr habe ich die Übersetzungen der französischen Textstellen vermisst. Wenigstens im Anhang wären sie kein Luxus gewesen.
    Was das Lesen dieses Romans ebenfalls etwas mühsam machte, war die sparsam eingesetzte wörtliche Rede, noch dazu ohne Anführungszeichen. Auch die Fantasien oder Träume waren für mich manchmal erst im Nachhinein zu erkennen. Peter Stamm will es seinen Lesern nicht zu leicht machen. Empfohlen für alle Leser, die sich darauf einlassen wollen.

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  • 4 Sterne

    Anett R., 11.09.2021

    Der Roman "Das Archiv der Gefühle" umfasst ca. 192 Seiten.

    Kurzer Plot:

    "Geräusche, Gerüche, Lichtphänomene, Farben, so vieles fehlt noch in meinem Archiv, so viel Unbeschriebenes, Unerfasstes, Unerfassbares." - Seite 7

    Der Protagonist (ohne Namen) in diesem Roman, ist jetzt 55 Jahre alt. Vor 5 Jahren verlor er durch die Digitalisierung seinen Job als Archivar.

    In seinem ehemaligen Elternhaus, wo er seit dem Tod seiner Mutter wieder lebt, führt er im Keller seines Hauses sein Archiv weiter, und arbeitet akribisch an der Weiterführung.

    "Das Archiv verweist nicht nur auf die Welt, es ist ein Abbild der Welt, eine Welt für sich." - Seite 15

    Mit der Zeit gewöhnte er sich an sein einsames Leben, er brauchte die Stille in seinem Haus, mag keine Gesellschaft.

    Nach und Nach lernt man den Archivar näher kennen. Er erzählt, wie er sich in seiner Schulzeit in Franziska verliebte. Wie sie gute Freunde wurden, aber kein Paar.

    "Ein einziges Mal hatten Franziska und ich uns tatsächlich geküsst an ebenjener Straßenkreuzung, an der wir uns jeden Tag trennten." - Seite 43

    Erst nach 30 Jahren stehen die beiden wieder in Kontakt. Beide haben ihr Leben gelebt, hatten ihre Beziehungen, und ihre Hoch und Tiefs.

    Der Archivar will einen Neuanfang, raus aus seiner Routine, aus seiner Einsamkeit, seine Komfortzone verlassen, um endlich zu Leben.

    Natürlich stellt sich für ihn auch die Frage: "Was wäre gewesen, wenn Franziska und er damals ein Paar geworden wären?

    Fazit:

    Der Roman ist in Ich - Form geschrieben. Der Protagonist nimmt den/die LeserInnen in seine Gefühlswelt mit, und reflektiert sein Leben dabei sehr ehrlich und selbstkritisch.

    Ein ruhiges, aber sprachlich sehr gut geschriebenes Buch!

    4. Sterne!

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  • 4 Sterne

    Sophie, 29.09.2021

    Ein Buch über Einsamkeit, Liebe und Lebensentscheidungen – gewohnt poetisch

    „Das Archiv der Gefühle“ ist ein Roman, wie man ihn von Peter Stamm gewohnt ist: poetisch, lebensklug, mit einem intensiven und unverstellten Blick auf menschliche Emotionen.

    Der Protagonist des Romans ist ein einsamer Mann: Als Dokumentar bei einer Zeitung ist er obsolet geworden, hat seine Stelle verloren und führt das Archiv nun privat weiter. So ordnet er die Welt, sein Leben, seine Gedanken – und seine Erinnerungen. Zum Beispiel an Franziska, seine Jugendliebe, die ihn ein Leben lang nicht losgelassen hat, auch als der Kontakt längst abgebrochen war. Nur lassen sich Gefühle nicht so einfach archivieren, und so muss er sich seinen Erinnerungen stellen und landet dabei unvermeidlich immer wieder vor der Frage: Was wäre, wenn …?

    Immer wieder werden Möglichkeiten durchgespielt, fiktive Dialoge geführt, darüber nachgedacht, was er hätte anders machen können. Wäre er glücklich geworden? In „Das Archiv der Gefühle“ geht es ständig um Möglichkeiten, um verpasste Gelegenheiten, um Reue. All das schildert Peter Stamm ruhig und unaufgeregt, in gewohnt poetischer Sprache. Dabei übertrifft er sich allerdings keineswegs selbst. Es ist ein solider, intelligenter und nachdenklicher Roman, der jedoch nicht lange im Gedächtnis haften bleiben wird. Zu banal ist die Existenz seines Protagonisten bisweilen, zu vertraut die Geschichte von der großen Liebe (die jedoch einige durchaus ungewöhnliche Nuancen beinhaltet).

    „Das Archiv der Gefühle“ ist ein Roman von gewohnt hoher Qualität, der die ganz großen Fragen des Lebens anreißt. Ein intelligenter, lesenswerter und sprachlich ansprechender Roman, jedoch nicht Stamms überzeugendstes Werk.

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  • 4 Sterne

    Hayatsu Y., 07.10.2021

    Poetisch schön

    Ein Mann, Mitte fünfzig, lebt in seinem alten Kinderzimmer im Haus seiner verstorbenen Mutter. Mit Sorgfalt führt er das Archiv weiter, das inzwischen in seinem Keller lagert. Das war mal sein Beruf, aber der Job wurde längst wegrationalisiert.

    Der Ich-Erzähler hängt nämlich in Gedanken immer noch seiner Jugendliebe Franziska nach. Er lebt in Erinnerungen und Träumen. Je mehr wir über ihn erfahren, desto sympathischer wird er. Und: Seine Phantasien wirken sehr real, so dass man sich oft fragt: Passiert das jetzt wirklich? Das Leben besteht eben aus vielen Möglichkeiten, die kann man sich ausmalen oder ausprobieren.

    Ein Roman über ein ungelebtes Leben, ein Leben in der Möglichkeitsform. Da ist einer, der wartet und hofft, der den anderen beim Leben zusieht, während sein eigenes Leben an ihm vorüberzieht.

    Peter Stamm eröffnet den Blick auf die innere Reise des Erzählers und seinen Weg von der Möglichkeit hin zur Realität.

    Feinsinnig, zart und mit Tiefgang - mit dem unverkennbaren Ton von Peter Stamm.
    Eine perfekte Herbstlektüre und daher 4 von 5 Sternen.

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  • 4 Sterne

    Anja K., 14.08.2021

    das cover hat meinen blick auf sich gezogen und der titel hat mich angesprochen. der inhalt ist bewegend und sehr interessant. das buch hat die menschen im blick und wie sie denken und dadurch handeln. was ist real, was ist traum und wie wirkt sich alles aufeinander aus. ein mann der seine gefühle und gedanken nicht wirklich mit seiner grossen liebe teilt und die frau handelt genauso. nach langer trennung die dadurch zustande kam, treffen sie sich dann wieder und man erfährt wie es beiden inzwischen ergangen ist, aber auch wie es damals in ihnen aussah und was nun aus ihren leben geworden ist. sehr schön beschrieben sind die gedanken und gefühle der beiden, aber auch das leben drum herum. die sprache ist besonders und der schreibstil wunderschön, anders, beeindruckend. zudem erfährt man wie wichtig es ist miteinander zu sprechen, da sonst missverständnisse und hindernisse entstehen und alles erschweren oder gar unmöglich machen. hat mir sehr gefallen.

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  • 3 Sterne

    PeWe, 18.08.2021

    Gibt es Leben in der Ordnung?

    "Das Archiv der Gefühle" (2021) ist ein Roman von Peter Stamm, der die Geschichte eines Einzelgängers erzählt, der es nach langer Zeit doch noch schafft kleine Schritte zurück in die Welt und zu den Menschen zu machen.

    Zum Inhalt:
    Der Ich-Erzähler, der in der Geschichte namenlos bleibt, beschreibt sein jetziges Leben und wie es dazu kam. Er lebt zurückgezogen in seiner Phantasie und Erinnerung und nimmt am Leben nur noch als Beobachter teil. Er hat seine Leben versäumt, um seine Jugendliebe Franziska zu vergessen. Doch nun ist sie wieder da...

    Persönliche Einschätzung:
    Anfangs ist der Schreibstil durch die Sprache einerseits ausladend, andererseits wieder komprimiert durch das Zusammenziehen mehrerer Sätze in einen. Ungewöhnlich, aber schön und flüssig zu lesen. Leider geht das Ausladende später größtenteils verloren und die komprimierten Sätze lesen sich etwas eintönig. Gegen Ende lockert sich der Schreibstil auf.
    Die Figur des ich-Erzählers ist sehr gut ausgearbeitet und man folgt ihm gerne auf seinem Weg. Die Ordnung, die er um sich herum schafft, wird so genau beschrieben, dass sie sich beinahe beim Lesen überträgt. Der Einstieg in die Geschichte gelingt durch den Schreibstil und die Beschreibungen reibungslos.
    Die Veränderungen des Protagonisten und die meisten Botschaften, die dadurch vermittelt werden, sind anfangs eher subtil in der Geschichte versteckt. Erst gegen Ende zeichnet sich sein weiterer Weg ab. Auch nach der Lektüre dieses Romans wird einen die Geschichte wohl noch eine Weile beschäftigen.

    Der Erzähl- und Schreibstil des Autors sind Geschmackssache. Ich fand den Schreibstil nach einer Weile eintönig. Der Erzählstil hat mir gefallen und die Botschaften der Geschichte haben mich nachdenklich gemacht. Allerdings ist mir die Geschichte und wie der Protagonist seine Veränderung erlebt insgesamt etwas zu flach.

    Fazit: Ein guter Roman – ruhig, nachdenklich, gelegentlich tiefgründig. Kein „Muss“, aber ein gutes „Kann“.

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  • 3 Sterne

    Marianna T., 31.10.2021

    Archivierte erste Liebe

    Die erste Liebe vergisst man nicht? Das ist wohl das Thema des Buches. Der Protagonist dieses Romans hat für Franziska immer eine Leerstelle bewahrt. Doch beruht die Liebe auf Gegenseitigkeit? Sind es nicht eher seine Sehnsüchte, die er archiviert?

    Die Erzählung beschreibt einen Mann, der sein Leben verpasst und sich verkriecht. Seine Weigerung sein Leben zu gestalten ist schwer zu verstehen. Die Frage ist ja, hat seine Sehnsucht nach Franziska Bestand, gibt es eine wirkliche Grundlage oder ist es mehr Wunsch als Wirklichkeit?
    Die Erzählung lässt diese Grenze verschwimmen. Manche Situationen stellen sich im Nachhinein als nicht real heraus. Überraschend. Das kann es spannend machen, hat mich aber eher ermüdet. Der Protagonist bleibt seltsam fremd, namenlos und wenig greifbar. Auch konnte ich sein Verhalten oft schwer nachvollziehen und ertragen. Die Erzählung regt zwar zum Nachdenken an und hält nach, ist aber ansonsten eher langatmig.

    Anregende aber langatmige Erzählung über mehr Wunsch als Wirklichkeit.

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  • 3 Sterne

    skiaddict7, 19.09.2021

    Versäumte Chancen

    "Jetzt gibt es nur noch meine Geschichte, die Akte, die mein Leben ist und die mir plötzlich viel größer, viel wichtiger erscheint, wo alle anderen verschwunden sind."

    Der namenlose Protagonist lebt alleine im Haus seiner Mutter. Seine Arbeit als Archivar wurde durch die Digitalisierung nicht mehr gebraucht, seitdem ist er arbeitslos. Das Archiv hat er in seinen Keller verlagert und führt es dort weiter. Sein eigenbrötlerisches Leben besteht vor allem daraus. Auf seinen Spaziergängen denkt er an Franziska - Schulfreundin und Liebe seines Lebens. Soll er ihr seine Liebe nochmals gestehen?

    Das Buch ist ruhig und melancholisch geschrieben. Oft ist nicht ganz klar, was Traum und was echt ist. Der Erzähler ist sehr schüchtern und in sich gekehrt. Oft stellt er sich Dinge vor, die er sich im Leben nicht traut. Häufig gibt es auch Zeitsprünge, sodass ich es manchmal schwierig fand, alles Erzählte richtig einzuordnen. Ein interessanter Schreibstil, aber insgesamt hätte ich mir mehr Taten des Protagonisten gewünscht.

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  • 2 Sterne

    Sabrina B., 22.09.2021

    Ein in der Vergangenheit verhafteter Archivar

    Das Buch „Das Archiv der Gefühle“ von Peter Stamm ist am 25. August 2021 auf 192 Seiten im Fischer-Verlag erschienen.
    Der Protagonist, der aus der Ich-Perspektive erzählt, bleibt einem von Beginn des Buches sehr distanziert und wird nie richtig sympathisch, seinen Namen bekommt man als Leser zu keiner Zeit mitgeteilt. Er trauert einer Jugendliebe hinterher, die er nie vergessen hat: Franziska. Generell scheint er sehr an der Vergangenheit festzuhalten und hat auch nach dem Tod der Eltern nicht die Wäsche des Ehebettes angerührt, da sie eventuell wiederkommen könnten. Mit Menschen kann er nicht so, er ist lieber allein und meidet andere. Auch beruflich war er Archivar und hat das Archiv schließlich in seinen privaten Keller verlegt – auch in dem Beruf hatte er nicht viel mit Menschen zu tun. Nach Jahren schafft er es, sich von den Unterlagen zu trennen und gibt sie auf – scheinbar ein Schritt in eine nicht so sehr belastete Zukunft.
    Was eine tiefgründige Erzählung sein soll, ist für mich leider sehr realitätsfern und nicht nachvollziehbar.
    Das Buch ist in einzelne Abschnitte unterteilt, die man als eigenständige Kapitel sehen kann. So kann man zwischendurch aufhören und verliert nicht den Faden.
    Trotz dass das Buch nur 192 Seiten hatte, musste ich mich immer wieder aufraffen, es weiterzulesen, da mir die Handlung gefehlt hat.

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