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  • 5 Sterne

    5 von 10 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Elke S., 07.06.2021

    Als eBook bewertet

    Ein neuer Blick auf Adolf Eichmann

    „In dieser Bibel des Zionismus schlug der politische Vater der Bewegung Argentinien als Alternative für den Fall vor, dass eine Rückkehr nach Eretz Israel nicht durchführbar wäre,“ und „Wenn er darüber nachdachte, war es amüsant, dass dieses Gelobte Ersatzland letzten Endes nicht die Lösung für das Judenproblem wurde, sondern für das Problem, das er sich selbst bei dem Versuch eingebrockt hatte, Ersteres zu lösen.“ Genau das gilt für Adolf Eichmann, der über die Rattenlinie eben dorthin geflohen ist, sich damit bisher erfolgreich den Nürnberger Prozessen und der Strafverfolgung entzogen hat und dort unter dem Namen Ricardo Klement lebt.

    Als Leser bekommt man Adolf Eichmanns Leben in Argentinien von 1952, dem Jahr der Ankunft seiner Frau und seiner drei Söhne, bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1960 in Romanform erzählt und darf dabei immer wieder auf seine Vergangenheit blicken, besonders intensiv natürlich auf seine Naziverbrechen. Der jüdische Autor geht mit seinem Roman, der Eichmann nicht als bloßes Monster oder einen völligen Idioten darstellt, wie das bisher geschah, einen neuen Weg. Er verwebt gekonnt ein Stück Fiktion mit gründlich recherchierten Fakten und portraitiert damit mit spitzer Feder einen Eichmann, derart, wie es seine eigene Aussage, wen er darstellen möchte, perfekt trifft. »Ein mittelmäßiger Typ, der es weit gebracht hat. Ein ziemlich gerissener Trottel. Ein Rachsüchtiger mit Komplexen. Ein Antisemit, wie er im Buche steht, aber ohne Bedienungsanleitung. Ein Kackhaufen, der es gelernt hat, seinen Geruch zu verschleiern. Ein vom Egoismus überwältigter Fanatiker. Ein zynischer Sentimentalist. Ein Mutiger im Feigesein. Ein armer Typ, reich an Bosheit. Ein zurückhaltender Mörder. Ein Pechvogel, dem das Glück zu lange hold war.«

    Man verfolgt Adolf Eichmanns Leben in Argentinien, das der Autor Klement stets kommentieren lässt, bei seinen Jobs und Geschäftsideen, die er entwickelt, angefangen, bis hin zu alltäglichen Dingen wie z.B. das überall dazugehörende, lästige Grillen, dessen Geruch er nicht mag, vielleicht weil es ihn zu sehr an den Geruch der Krematorien erinnert oder seinen Eindrücken beim Schlendern durch die Straßen. Dabei erfährt man auch vom Verhältnis zu seiner Frau und seinen Söhnen, davon, wie er sich zunächst als deren Onkel ausgibt, um unentdeckt zu bleiben, später diese Vorsicht aber über Bord wirft und welche „Fehler“ er macht, die zu seiner Ergreifung führen. Ebenfalls wird man Zeuge davon, wie Klement von seinen Erlebnissen, seit seiner Flucht zu Kriegsende, natürlich schöngefärbt für seine Familie, erzählt, von der Geburt seines vierten Sohnes oder auch vom gemeinsamen Haus- bzw. Bunkerbau. Man ist zudem dabei, wenn er sich mit anderen untergetauchten Nazigrößen zum Plausch trifft, hi und da einigen imponieren will, wie z.B. einem Josef Mengele, „Gregor kennenzulernen? Eigentlich wollte er, wenn er ehrlich mit sich war, dass Gregor ihn kennenlernte. Und nicht nur das: Er wollte einen guten Eindruck auf ihn machen, ihm gefallen.“ oder wie er genau abwägt, was der Journalist Sassen im Interview erzählt. Der Roman endet mit der Gefangennahme durch den Mossad und dem Abflug nach Israel.

    Der Autor vermag sich gekonnt auszudrücken, brilliert mit seinen Formulierungen, die man sich teilweise auf der Zunge zergehen lassen kann, und hat mir damit nicht nur eine neue Sicht auf Adolf Eichmann eröffnet, sondern auch ganz wunderbar unterhalten. Er schreibt mit spitzer Feder, pointiert und mit einer gehörigen Portion Ironie und Sarkasmus. Äußerst gelungen empfand ich so z.B., wie er Eichmann stets über seinen gesellschaftlichen Abstieg reflektieren lässt, „Jetzt, als arbeitsloser Deportologe, hätte er nirgendwo als im Mittleren Osten echte Arbeit finden können, sofern die Araber sich endlich entschließen würden, die Region zu entjuden, und dafür seine Expertise benötigten. Bis es so weit wäre, musste er sich den Umständen anpassen. Und dasselbe galt für fast alle seine Kollegen.“, oder dessen selbstverliebten Versuche, seine wahre Größe, gegenüber denen herauszustellen, die er trifft, und die nun besser gestellt sind als er selbst, obwohl sie doch in der Nazihierarchie deutlich unter ihnen standen. Nicht verkehrt empfinde ich auch, dass er ihm hin und wieder auch fast menschliche Gefühle zusteht, „Der Alkohol betäubte die Erinnerungen, die ihm von seinem Vorgesetzten im Reichssicherheitshauptamt aufgezwungen worden waren. Dieser hatte ihm befohlen, vor Ort in Augenschein zu nehmen, wie die Vernichtungsarbeiten vorangingen, obwohl Klement ihn gebeten hatte, ihn von dieser Aufgabe freizustellen. Dem Pech, einen sadistischen Chef wie Heinrich »Gestapo« Müller abbekommen zu haben, verdankte er nun diese Grube voller Leichen in seinem Kopf, die er in Minsk gesehen hatte. Immer noch so nah, dass sein Hirn mit den Hirnstückchen befleckt zu sein schien, die seinen mit Bärenfell gefütterten Ledermantel verdreckt hatten, nachdem ein Soldat einer Sterbenden mitsamt ihrem Säugling den Gnadenschuss gegeben hatte.“ Manche Beschreibungen stecken so voller Zynismus, dass ich beim Lesen fast schockiert innehalten musste, so lässt er Eichmann z.B. ganz nüchtern Berechnungen anstellen, wie sich die »fünf oder sechs Millionen«, die jetzt in aller Munde waren und derentwegen nach seinem Kopf geschrien wurde.“ schönrechnen lassen, „wenn er beschloss, die Ziffer auf eine halbe Million zu senken, mal sehen, ob das auch diesmal irgendeinem Richter zu Ohren kam und sie letztlich einen Durchschnitt errechneten.“. Stellenweise brachte mich der Autor trotz der Schwere der Sache an sich zum Schmunzeln, wenn er sich z.B. so beißendem Spott bedient. „Er schämte sich nur, als ihm einfiel, dass er eine zerschlissene Unterhose trug, eine von denen, die man sich jedes Mal wegzuwerfen vornimmt, wenn man sie heute aber wirklich zum letzten Mal anzieht. Sofort wurde dieses Unbehagen von einem noch größeren übertroffen, als ihm jemand die Hand in den Mund steckte und ihm die falschen Zähne herausnahm.“, ist dafür nur ein Beispiel, bei dem er mein Kopfkino ganz wunderbar zum Laufen gebracht hat.

    Erwähnen möchte ich auch noch das letzte Kapitel after office am Ende, das die Beweggründe ausführt und einiges über seine Quellen und den Wahrheitsgehalt seines Romans verrät und sehr aufschlussreich ist.

    Alles in allem für mich ein äußerst lesenswertes Portrait, das mit Sicherheit einen neuen Blickwinkel auf den Mann öffnet, der als Obersturmbannführer in Berlin das „Eichmannreferat“ leitete und damit maßgeblich mitverantwortlich für die Deportation und Ermordung von schätzungsweise sechs Millionen Menschen war, und der so unfassbar es sein mag, tatsächlich noch von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt war, »Erstens muss ich Ihnen sagen, mich reut gar nichts«, sagte er, auch wenn er vorgehabt hatte, das am Ende zu sagen. »Es wäre sehr leicht für mich, mich reuig zu zeigen, so zu tun, als wäre aus einem Saulus ein Paulus geworden.« Er bereue nur, fuhr er fort, seine Arbeit nicht abgeschlossen zu haben.“. Ein Roman, der von mit aufgrund des Stils, der neuen Gedankenansätze und dem Beitrag gegen das Vergessen auf jeden Fall fünf Sterne bekommt.

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  • 5 Sterne

    Xirxe, 30.09.2021 bei bewertet

    Als Buch bewertet

    Ach du je, schon wieder was zum III. Reich und den Nazis – das kennt man doch schon Alles! So oder ähnlich mögen nicht Wenige denken, wenn sie diesen Buchtitel und den Klappentext lesen. Doch egal, wer wann wieviel schon zu diesem Thema gelesen, gesehen und/oder gehört hat – diese Lektüre lohnt sich in jedem Fall!

    Adolf Eichmann leitete im III. Reich die zentrale Stelle, die für die Organisation der Verfolgung, Vertreibung und Deportation von Juden verantwortlich war und somit für die Ermordung von ca. sechs Millionen Menschen. Nachdem er nach Kriegsende fünf Jahre untergetaucht war, gelang ihm die Flucht nach Argentinien, wo er bis zu seiner Entführung nach Israel im Jahr 1960 unbehelligt mit seiner Familie leben konnte.

    Über diese Zeit hat Ariel Magnus eine fiktive Teilbiographie geschrieben, wobei er sich nah an die wenig bekannten tatsächlichen Begebenheiten sowie an den Sprech- bzw. Schreibstil Eichmanns gehalten hat, wie man an dessen schriftlichen Ergüssen wie beispielsweise Götzen feststellen kann. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es liest sich nicht einfach. Eichmann neigte zu ausufernden, schwadronierenden Sätzen gespickt mit Fremdworten, vermutlich um seine scheinbare Überlegenheit darzustellen.

    Magnus übernimmt dies in die Sprech- und Denkweise seiner fiktiven Figur Eichmann, die sich in Argentinien den Namen Ricardo Klement gab und stellt somit dar, was er tatsächlich war: ein armseliges Würstchen ohne Rückgrat, der vermutlich auch bei den Stalinisten oder Pol Pot Karriere gemacht hätte. Ohne ihn allzu sehr ins Lächerliche zu ziehen (sieht man mal von der Möhre ab ;-)), entblößt sich dieser fiktive Eichmann allein durch seine Gedankenwelt, die von der der realen Person möglicherweise gar nicht allzu sehr abweicht. Dennoch gibt es nicht allzuviel zum Lächeln: Sobald er eines seiner irrwitzigen Hirngespinste entwirft, um sich selbst etwas vorzumachen (beispielsweise hätten die Juden es ihm zu verdanken, dass sie einen eigenen Staat bekommen hätten), werden wie eine Selbstverständlichkeit die unvorstellbaren Grausamkeiten und Barbareien des III. Reiches erwähnt – ein eventuelles Lächeln bleibt einem im Halse stecken.

    Ein wichtiges Buch, ein Buch gegen das Vergessen – auf eine andere Art.

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  • 5 Sterne

    Jutta C., 28.05.2021

    Als eBook bewertet

    Klappentext:

    Buenos Aires, 1952: Ricardo Klement alias Adolf Eichmann hat Pech, denn ausgerechnet an dem Tag, an dem seine Frau Vera mit den Söhnen endlich aus Deutschland in Buenos Aires eintreffen werden, sind alle Blumen ausverkauft. Offiziell gibt sich Klement als der Onkel seiner Söhne aus, um unerkannt zu bleiben. Der einstige Cheforganisator der Deportationszüge nach Auschwitz führt im argentinischen Exil ein bescheidenes Leben und trifft bisweilen im Restaurant »Zur Eiche« zahlreiche SS-Angehörige und NSDAP-Funktionäre zum gemütlichen Plausch. Diese werden nicht nur vom deutschen Botschafter gedeckt, sondern auch von der argentinischen Regierung und Juan Perón unterstützt. Nur wenn sich an den Nachbartischen emigrierte jüdische Familien zum Abendessen niederlassen, wird es für die Nazigrößen ungemütlich – was, wenn jemand sie erkennt?

    Nach seiner Verurteilung bestand Eichmann darauf, ein kleines Rad im Getriebe gewesen zu sein. Ariel Magnus führt uns ins Innere dieses unbelehrbaren Nazis und seiner menschenverachtenden Ideologie.

    Meinung:

    Ein einfach und flüssig geschriebenes Buch, das sich mit einem wichtigen Thema befasst, nämlich der Judenvernichtung in Nazideutschland und der "Wiedergeburt" derer, die dafür verantwortlich waren und die sich einem ordentlichen Prozess für die von ihnen begangenen Verbrechen entzogen.
    Es ist eine Geschichte, die gegensätzliche Emotionen weckt, denn Magnus entscheidet sich, uns einen gewöhnlichen Eichmann zu zeigen: einen Mann, der bedauert, dass er seiner Frau bei der Ankunft am Flughafen keine Blumen kaufen konnte, oder der durch die argentinischen Straßen spaziert und sich an der lokalen Architektur erfreut.

    Als romanhafte Reportage ist es in einigen Passagen eine lobenswerte und spannende Erzählung.
    Der mittelmäßige Bürokrat ist glaubwürdig, er ist sich der Güte seines Jobs sicher und als unbelehrbarer Nazi ist er von seiner menschenverachtenden Weltanschauung immer noch fest überzeugt.

    Fazit:

    Ein interessantes Buch für alle, die gerne mehr über das NS-Regime wissen wollen und das ich unbedingt weiterempfehle.

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