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  • 5 Sterne

    2 von 3 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Michaela E., 05.04.2020

    Als Buch bewertet

    Im Dezember 2012 besetzten einige Flüchtlinge die Votivkirche in Wien und forderten anfangs Verbesserungen beim Dolmetschdient, Sprachkurse, Unterricht für die Kinder und später auch Arbeitsgenehmigungen und Aufenthaltstitel. Da sie nicht gehört wurden, traten einige von ihnen in Hungerstreik.

    Diese Geschichte und wahrscheinlich auch deren Darstellung in den Medien inspirierte den Autor zu diesem Roman.

    In diesem Roman beginnt alles mit einem Protestmarsch in der Wiener Innenstadt. Ein geflüchteter Pakistaner ist ums Leben gekommen und es wird protestiert gegen Abschiebungen und Polizeigewalt. Aus Zufall gelingt dem Journalisten Uwe Tinnerman ein Foto, das den Anschein erweckt, als hätte ein Polizist die junge Pakistanerin Veena Shahida geschlagen. Er erkennt sofort die Brisanz dieses Bildes und stört sich nicht daran, dass die junge Frau in Wirklichkeit gestürzt ist und der Polizist ihr nur aufhelfen wollte.

    So nimmt alles seinen Lauf. Es werden Fakten geschaffen, um eine Geschichte zu erzählen. Die junge Frau ist erst empört, spielt dann aber schnell mit, weil sie sich Hilfe für ihren Aufenthaltstitel erhofft.

    Von ihrer Anwältin erwartet sie nicht mehr viel. Sie hat das Gefühl, ihre Geschichte nicht erzählen zu können. So ergeht es auch den anderen Flüchtlingen. Sie möchten endlich gehört und gesehen werden und Uwe Tinnermans scheint ihnen das zu ermöglichen.

    Diese Geschichte dreht sich immer wieder. Wer erst glaubwürdig und sympathisch wirkte, kann sich im nächsten Moment als Lügner entpuppen und wer hartherzig wirkte, zeigt plötzlich Empathie. Man weiß nicht, was man glauben kann und will. Nur der skrupellose Journalist Uwe Tinnerman zieht sein Ding ohne Rücksicht auf Verluste durch, denn er will Karriere machen.

    Als Leser*innen stehen wir vor der großen Frage, was ist Wahrheit, wie dehnbar ist dieser Begriff und wie gehen wir in Zukunft mit "Fakten" um. Die Medien besitzen eine Gewalt, die definitiv hinterfragt und kontrolliert werden muss.

    Kann Daniel Zipfels Geschichte Realität werden? Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass sich die einzelnen Medien auch gegenseitig kontrollieren und das weiterhin seriöse Recherche betrieben wird. Auf jeden Fall sollte man sich gut überlegen, wo man sich informiert!

    Der Roman ist sehr gelungen und lässt uns mit einer Menge Fragen zurück. Aber so ist es ja auch im wahren Leben. Da wissen wir auch nicht immer wie alles ausgeht. Von mir gibt es auf jeden Fall eine klare Leseempfehlung für diesen vielschichtigen Roman, der ganz einiges an Realitätsbezug vorweisen kann.

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  • 4 Sterne

    Elke S., 02.04.2020

    Als Buch bewertet

    Was ist wahr, was Fiktion, was ein Menschenleben wert?

    „Der Polizist mit weißem Helm und schwarzem Nackenschutz, das Visier vor dem Gesicht. Eine drohende, massige Gestalt, die Hände am Gürtel, die Arme angewinkelt. Neben seinen schweren Stiefeln am Boden die junge Frau mit Seidenschal. Sie sieht zu ihm auf, Blut an der Schläfe, das Blut rinnt in einem dünnen Faden an ihrer Wange hinunter.“, genau das bekommt Uwe Tinnermanns, Journalist einer Boulevardzeitung zufällig vor die Linse, schnell ist da verdrängt, dass der Polizist gerade noch der am Boden liegenden Frau aufhelfen wollte, was die jedoch ablehnte. Ein tolles Bild, ein Aufmacher, Polizeigewalt, was darf unsere Polizei, das interessiert, das polarisiert. Ganz klar, dass sich der Chefredakteur breitschlagen lässt und Uwe eine Kolumne zu der Gruppe pakistanischer Flüchtlinge, die gegen das Asylgesetz protestiert und eine Kirche besetzt, genehmigt. Einen Gefallen ist er ihm zudem noch schuldig. Die Pakistanerin vom Bild, Veena Shahida, wettert zunächst noch etwas dagegen, meint, sie habe nichts gegen Polizei und Staat, als Uwe ihr aber Hoffnungen macht mit seiner Hilfe und in der Öffentlichkeit Aufsehen erregenden Aktionen, beste Aussichten auf Asyl zu haben, kippt sie rasch um und auch ihre befreundeten Pakistani greifen nach dem rettenden Strohhalm, den sie in Uwes Versprechen sehen. Mit dieser Hoffnung spielt Uwe gekonnt, schmettert damit auch jeden aufkommenden Zweifel, dass sich die Chancen auf Asyl mit jeder weiteren Aktion immer mehr verschlechtern, ab. Einzig Birgit Toth, die Anwältin, die Veenas Asylverfahren schon so gut wie gewonnen hat, nun aber nicht mehr an ihre Mandantin herankommt, lässt sich nicht abwimmeln und stellt sich gegen den, Protest, den Uwe, der Schlagzeilen wegen, ständig anfeuert.

    Der Autor kritisiert mit seinem Roman ganz offensichtlich die Asylpolitik. Wie kann es heißen, ein Land sei sicher, wenn man dann aber hört, „In Pakistan ist Krieg, seit Jahren nur Krieg, aber jetzt ist es schlimmer als davor! Mehr Bomben, mehr Tote. Niemand weiß das! Haben Sie gehört von den Taliban? Aber niemand von uns bekommt hier Asyl, niemand aufs Pakistan. Dabei wollen wir doch nur leben, das ist alles!“. Er geht dabei auch auf das Los der Anwälte ein, die sich mit den Asylverfahren beschäftigen, beileibe auch kein einfacher Job, den doch viele gerne abgeben, „Die großen Augen seien ihm zu mühsam, hatte er gemeint.“, denn die Realität bedeutet oft, „Die großen Augen am Anfang, der Frust am Ende. Der blinde Glaube daran, die Tragödie des eigenen Schicksals müsse nur erkannt werden, dann würde alles zu einem guten Ende kommen, die naive Überschätzung des emotionalen Faktors in einem abstrakten System.“, „Ein nüchternes Abzählen von Fakten, ein bloßes Abwägen, ob der gegenständliche Fall in den Kanon gleich gelagerter Fälle passte. Das Gesetz markierte den Spielraum, aber die Judikatur entschied die Partie.“ Das fand ich gelungen dargestellt. Weniger gut hat mir gefallen, dass die Asylsuchenden auch einen etwas negativen Anstrich bekommen. Ein Übersetzer, der meint, „Klein anständiger Pakistaner mag diese Leute, die da protestieren.“, wird sofort niedergebügelt und eine kurzes zu Wortkommen am Ende hat mich auch nicht mehr wirklich von guten Absichten überzeugt, war doch davor so viel Hin und Her, so viel Lüge. Da wäre mir ein bisschen weniger lieb gewesen.

    >>Fakten“, sagte er. „Nüchterne Fakten. Das brauchen die Antragsteller, das braucht die Bevölkerung. Keine Mitleidsgeschichten, nein, das braucht wirklich niemand.

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  • 4 Sterne

    renate w., 17.04.2020

    Als Buch bewertet

    Pakistanische Flüchtlinge besetzen den Minoritenplatz, auf Transparenten steht der Name eines toten Pakistaners. Während die Polizei versucht deeskalierend zu handeln, macht der Journalist Uwe Tinnermans zufällig ein Foto von einer jungen Frau und einem Polizisten, nichts ahnend,dass aus einer harmlosen Situation noch eine reißerische Geschichte wird. Auf einmal wittert Uwe die Story seines Lebens. Da im Grunde die Geschichte nicht wirklich aufregend ist, beginnt er seine eigene Sicht der Dinge darzustellen und setzt die junge Pakistanerin Veena Shahida als Symbolfigur des Protests in Szene. Obwohl sie mitten in einem Asylverfahren steckt, wo ihre Anwältin Birgit Toth mit allen Mitteln versucht diesen durchzubringen, lässt sich Veena immer mehr von Uwe beeinflussen und die Flüchtlinge lassen sich dazu überreden, die Kirche zu besetzen. Veenas Asylantrag hat dadurch auch kaum noch Chancen auf Erfolg, da sie bei ihrer Anhörung vor dem Richter sich in Widersprüchen verwickelt und so ihre Glaubwürdigkeit immer weniger wird. Uwe ist in seinem Element und macht Fotos von armen und hungernden Flüchtlingen um die Auflagen der Zeitung zu steigern. Obwohl sein alter Chef Konrad Brandt, der es selbst nie so genau mit der Wahrheit genommen hat, zu Beginn noch Feuer und Flamme für die Geschichte war, merkt dieser nun, dass Uwe die ganze Situation nur mehr nach seinen Vorstellungen manipuliert und kaum mehr etwas der Wahrheit entspricht. Plötzlich sind die Asylanten keine Helden mehr, aber wer weiß, vielleicht sind die paar Flüchtlinge in der Kirche noch brauchbar für die Wahlen?

    ,,Die Wahrheit der anderen“ ist ein gesellschaftskritischer Roman des Autors Daniel Zipfel. Die Geschichte spielt in Wien, könnte aber überall auf der Welt ebenso passieren. Da es vor Jahren einen ähnlichen Fall in Wien gegeben hat, ist anzunehmen, dass einige Handlungen sich vielleicht tatsächlich so abgespielt haben. Das Thema der Asylpolitik wird vom Autor jetzt nicht direkt behandelt, sondern er lässt den Leser daran teilhaben, wie vor allem der Journalismus es schafft, Menschen zu manipulieren. Wie soll man dabei herausfinden, was wahr und was gelogen ist. Der Autor erwähnt hierbei auch den Begriff ,,kalt schreiben“, also etwas zu verfassen, ohne dabei gewesen zu sein. Dabei merkt man als Leser, wie leicht es sein kann, dass man manipuliert wird. Sein Protagonist Uwe durchläuft in dem Roman eine negative Wandlung. Von unscheinbar bis knallharter Journalist, der selbst auf Kosten der jungen Veena, die Menschen belügt und dazu bringt Dinge zu tun, die sie eigentlich gar nicht wollen. Der Roman ist nicht leicht zu lesen, da es erstens sehr viele unsympathische Protagonisten gibt und man zweitens selbst nicht mehr unterscheiden kann, wo die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge liegt. Der Autor schafft es dabei immer wieder eine Wendung herbei zu führen, wo man sich selbst verunsichern lässt und man ständig schwankt, ob man Veena ihre tragische Geschichte abnimmt oder nicht. In dem Roman wird vieles inszeniert, manipuliert und die Wahrheit ständig an einer Lüge angepasst. Es gibt nur knallharte Fakten, wo Menschenschicksale im Grunde nebensächlich sind. Den Roman zu beurteilen fällt nicht leicht. Auf der einen Seite ist er spannend und tragisch und auf der anderen verwirrend. Wenn es dann auch noch so viele Protagonisten gibt, zu denen man nicht wirklich eine ,,Beziehung“ aufbauen kann, fällt das Lesen nicht immer leicht. Aber ich denke, dass es dem Autor nicht wichtig war, eine heile Welt darzustellen, sondern aufzuzeigen , wie die Wirklichkeit ist und das ist ihm dann doch gelungen.

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  • 4 Sterne

    Diana Maria N., 29.06.2020

    Als eBook bewertet

    Worum gehts? Die Geschichte wird aus der Sicht von mehreren Beteiligten erzählt. Zum einen aus Sicht der Ausylbewerberin Veena. Sie kommt aus Pakistan und möchte in Österreich 🇦🇹 Asyl gewährt bekommen um einer Zwangsheirat mit dem Sohn eines Geschäftsfreundes ihres Vaters zu entgehen. Ein anderer asylsuchender Pakistaner kam kurz zuvor zu Tode, weshalb in Wien schlimme Proteste Herrschen. Sie steht nun im Mittelpunkt dieses Aufruhrs und stellt für andere Asylbewerber so etwas wie ein Symbol für ihren Freiheitskampf dar. Zum anderen aus der Sicht ihrer Anwältin Toth. Sie ist totkrank und Veenas Fall scheint ihr letzter zu werden bevor sie stirbt. Und zum Schluss haben wir noch Uwe. Er ist Journalist und möchte Veenas Geschichte an die Medien bringen. Insbesondere möchte er dabei ihre Rolle als „Kämpferin für Asylrechte“ betonen. Toth möchte dies nicht, denn sie denkt - zu Recht - dass die Richter kein solches Symbol sehen wollen um Asyl zu gewähren, sondern ein armes Mädchen mit einer Geschichte. Veena scheint verirrt und weiß nicht richtig was sie tun soll und wem sie vertrauen soll.
    Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Vor allem der Schreibstil des Autors hat mich beeindruckt. Er verwendet viele Metaphern und alle Dialoge in dem Buch haben eine tiefere Bedeutung. Kein Satz ist einfach nur da „um das Buch zu füllen“ sondern hat eine Bedeutung und einen Sinn warum er genau da steht wo er steht. Das Buch ist also auch sehr kompakt geschrieben. Wie ein Jurist es wohl formulieren würde: kein Satz zu viel, sondern alles auf den Punkt gebracht. Gerade durch den Schreibstil und durch die vielen Metaphern wird der Konflikt zwischen Justiz und Asylbewerbern, aber vor allem in den Medien, deutlich. Die Berichterstattung ist darauf ausgerichtet Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben und nicht um der Person zu helfen. Auch die Justiz wird kritisiert, insbesondere wenn vor Gericht mit Zitaten aus klassischer Literatur umsichgeworfen wird. Beide Parteien haben ein genaues Bild vom „klassischen Asylbewerber“ und wen sie im Land haben wollen und wen nicht. Entspricht die Person nicht dieser Vorstellung wird sie halt so verändert bis sie es tut oder einfach wieder zurück in ihre Heimat geschickt. Dies erschwert es den Bewerbern nur unnötig und sie wissen nicht was sie tun sollen. Verstricken sich in Halbwahrheiten und Geschichten die sie erzählen sollen und schaffen so „den großen Aufstieg“ nicht. All das bringt der Autor sehr gut zum Ausdruck und deswegen kann ich das Buch nur weiterempfehlen - gerade unter Juristen.
    Ich habe nur einen kleinen Kritikpunkt: Die Journalisten werden manchmal beim Vornamen, manchmal beim Nachnamen und manchmal beim Spitznamen angesprochen. Dadurch hatte ich Anfangs Probleme sie richtig auseinander zu halten. Deswegen leider nur 4,5/5 Sternen ⭐️. Ich war dennoch sehr begeistert vom Schreibstil des Autors und würde mich über weitere Bücher sehr freuen.

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  • 4 Sterne

    ech, 15.05.2020

    Als Buch bewertet

    Gelungener Roman um einen Journalisten, der zum politischen Akteur wird und damit eine unheilvolle Entwicklung in Gang setzt

    Mit diesem Roman gelingt dem Autoren Daniel Zipfel ein vielschichtiger Roman, der sich vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingssitiuation mit dem Thema Wahrheit und der Rolle der Medien auseinandersetzt.

    Nach dem Tod eines pakistanischen Flüchtlings in Polizeigewahrsam kommt es in Wien zu Protesten und einer Kirchenbesetzung. Ein eher zufällig entstandenes Foto des Journalisten Uwe Tinnermans rückt die junge Veena Shahidi ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Der Journalist ergreift die Gelegenheit und baut die junge Frau immer stärker zur Symbolfigur des Protests auf. Doch ihre Anwältin Birgit Toth hat schnell die Befürchtung, das dies ihrer Mandantin eher schaden als nutzen könnte und versucht gegenzusteuern.

    Der Autor erzählt die gut aufgebaute Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven und lässt dabei den Journalisten Tinnermans in seinen Passagen als Ich-Erzähler auftreten. Das die Geschichte in Wien spielt, ist eigentlich eher nebensächlich, passieren könnte sie eigentlich überall. Die Figuren sind durchgehend gut charakterisiert und vielschichtig angelegt. Im Verlauf der Geschichte entwickeln die Protagonisten dann auch ihr ganz eigenes Bild von der Wahrheit, die nicht unbedingt mit der Wahrheit der anderen übereinstimmen muss. Die Aufgabe, aus diesen unterschiedlichen Wahrheiten, bei denen es sich eigentlich auch eher um Wahrnehmungen handelt, ein Gesamtbild zu erschaffen, bleibt am Ende aber dem Leser selbst überlassen.

    Ein gelungener Roman mit einer Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Und garantiert keine Lektüre für nebenbei, hier muss man sich ganz auf das Geschehen und die Figuren einlassen, um alle Facetten der Geschichte zu erfassen.

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  • 4 Sterne

    Ellen K., 02.04.2020

    Als Buch bewertet

    Ein schwer zu lesendes Buch. Der Schreibstil ist zwar sehr gut und man liest schnell, aber man muss sich sehr viel selbst zusammenreimen. Aber das ist wohl auch die Absicht des Autors, denn die Frage dieses Buch zieht sich durch das ganze Geschehen: Was ist Wahrheit?

    Der Journalist Tim Tinnermans macht Furore mit einem Foto von einer Demonstration, das er ohne Genehmigung der dargestellten Frau und mit einem gefälschten Hintergrund veröffentlicht. Damit verschafft er sich eine laufende Kolumne. Die Demonstranten, pakistanische Flüchtlinge, verschanzen sich in einer Kirche und lassen sich durch den Journalisten zu immer neuen Provokationen treiben.

    Die abgebildete Frau, Vreena Shahida, stammt ebenfalls aus Pakistan und steht mit ihrem Asylverfahren kurz vor dem Abschluss. Ihre Anwältin hat sie vor dem Gericht als armes Hascherl dargestellt. Aber dazu passt nun gar nicht mehr ihr neues durch Tinnermans gesteuertes Verhalten. Das hat zur Folge, dass ihr Asylantrag abgelehnt wird. Tinnermans treibt sie bis zum Hungerstreik und ist offensichtlich bereit, sogar ihren Tod in Kauf zu nehmen. Schließlich gäbe das ja eine richtig gute Story ab. Letzten Endes wird Vreena abgeschoben und die anderen weniger im Vordergrund stehenden Asylanten bekommen ein Visum.

    Für Tinnermans hat sich die ganze Sache gelohnt. Er verdrängt seinen Lehrmeister und bisherigen Mentor und wird Chefredakteur. Man fragt sich immer wieder, ob dieses Verhalten nur ein Einzelfall ist oder inwieweit man der Presse insgesamt misstrauen müsste. Auch Vreena bleibt bis zum Schluss undurchsichtig und man kann ihre Aussagen nicht wirklich nachvollziehen.

    Es bleibt ein ganz schaler Geschmack. Macht jeder sich seine Wahrheit selbst? Auch auf Kosten der anderen, hier der Asylsuchenden?

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  • 5 Sterne

    2 von 5 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Miss.mesmerized, 03.04.2020

    Als Buch bewertet

    Nach dem Tod eines asylsuchenden Pakistaners ist die Stimmung in Wien aufgeheizt. Auf einem zentralen Platz demonstrieren Freunde des Toten und Sympathisanten gegen Polizeigewalt und Asylpolitik. Der Journalist Uwe Tinnermans, der für das Boulevardblatt Metro schreibt, wittert seine Chance auf einen Scoop und tatsächlich gelingt ihm ein aufsehenerregendes Foto mit der jungen Pakistanerin Veena Shahida und einem Polizisten. Dass die Situation sich real ganz anders darstellte als das, was man beim ersten Blick auf dem Bild zu erkennen glaubt – geschenkt. Zunächst ist die junge Frau verärgert darüber, ohne Zustimmung überall ihr Gesicht zu sehen, doch dann glaubt sie in dem Reporter jemanden gefunden zu haben, der für sie kämpft und ihr zu einem Aufenthaltstitel verhelfen kann. Ganz im Gegensatz zu ihrer Anwältin, zu der sie das Vertrauen verloren hat. Ein Journalist voller Sensationsgier und bereit für den großen Sprung auf der Karriereleiter und eine Gruppe von wütenden Asylbewerbern – eine brisante Mischung, die die österreichische Hauptstadt aufzumischen droht.

    Daniel Zipfel ist studierter Jurist und im Bereich der Flüchtlingsarbeit gearbeitet, weiß also, worüber er schreibt. Mich hat der Roman aufgrund der immer noch aktuellen Thematik gereizt, vor allem die Spannung zwischen realen Geschehnissen und deren Darstellung in und Instrumentalisierung durch die Medien finde ich ein problematisches, wenn auch ausgesprochen interessantes Motiv. Die Umsetzung gelingt dem Autor hervorragend und noch viel mehr als erwartet zeigt er auf, an welchen Stellen Wahrheit und Erzählung auseinanderfallen können und wie ganz individuelle Motivationen nachhaltig den Verlauf der Dinge beeinflussen können.

    „Wir sind Welterzähler. Wir vereinfachen eine Welt, die zu kompliziert geworden ist.“ (S. 170)

    Die Rolle der Medien ist eine ganz wesentliche in unserer Welt. Es ist völlig unstrittig, dass viele Konflikte und Sachverhalte für den Durchschnittsmenschen nicht mehr über- oder durchschaubar sind und dass Zeitung, Fernsehen und zunehmend auch Internet hier eine Vermittlerrolle übernehmen müssen, um Aufklärung und Information zu betreiben. Als sogenannte vierte Gewalt kommt den Medien zudem ein Kontrollauftrag zu, der in einer Demokratie auch nicht zu unterschätzen ist.

    „Seit wann stört es dich, wenn man da und dort ein wenig nachhilft?“ (S. 122)

    Wer jedoch kontrolliert die Medien? Sie selektieren, viele Ereignisse kommen gar nicht erst durch oder müssen sich mit einer kleinen Randnotiz begnügen. Im Roman gehen die beiden Journalisten Tinnermans und sein Mentor Brandt jedoch noch weiter: sie berichten ohne Faktenlage, reimen sich Dinge zusammen und schreiben gnadenlos ab. Sie schaffen neue Kontexte und damit Wahrheiten, die es vorher nicht gab. Wo Brandt durch seinen Alkoholgenuss gelegentlich einen Ausfall versucht zu kaschieren, geht Tinnermans noch weiter. Ihm fehlt jeder ethische Grundsatz und rücksichtslos bedient er sich der Menschen für seine eigenen Zwecke – auch wenn er sie dadurch wissentlich ins Verderben schickt: ob sie jetzt durch ihren Hungerstreik zusammenbrechen oder letztlich abgeschoben werden, so lange er seine Geschichte hat, ist für ihn alles in Ordnung.

    Veenas Anwältin scheint zunächst nur daran interessiert, schnell den Fall zu Ende zu bringen, um den Schlusspunkt unter ihre Karriere zu setzen. Auch sie beherrscht die Spielregeln ihres Berufs und weiß, wie vor Gericht eine Lebensgeschichte präsentiert werden muss, um die erstrebte Entscheidung zu erreichen. Dieser zunächst berechnend-kaltherzige Auftritt wandelt sich jedoch im Laufe der Handlung und lässt die Figur schließlich in einem ganz anderen Licht erscheinen. Umgekehrt verhält es sich mit ihrer Mandantin, hat man anfangs noch viel Sympathien für sie, verlieren diese sich immer mehr und schlagen ins Gegenteil um.

    Thematisch brisant und aktuell besticht der Roman für mich jedoch noch deutlich mehr mit der geschickt aufgezeigten Doppelbödigkeit der vermeintlich objektiven Wirklichkeit. Immer wieder muss man seine Meinungen revidieren und Fakten neu bewerten. Die Tatsache, dass am Ende vieles offen bleibt, entlässt den Leser mit der Ungewissheit des Lebens. Es wird einem beim Lesen dramatisch bewusst, wie fragil und wie wenig eindeutig das Konzept Wahrheit oftmals ist und wie wenig sicher man sich eigentlich sein kann.

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