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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Elke S., 13.12.2017

    Als Buch bewertet

    Ein Blick in den Spiegel, der nachdenken lässt! Unbedingt lesen

    Ich bin völlig begeistert von diesem aktuellen, gelungenen Gesellschaftsroman, der sicher auch noch einige Zeit bei mir nachklingen wird. Ich hoffe, dass möglichst viele Menschen diese grandiose Geschichte lesen werden, mehr als begeisterte 5 Sterne und sicher eines meiner Lesehighlights in diesem Jahr.

    „Endlich einmal hatten sich alle zerfleischt. Allein Ott hatte über all dem mit Intelligenz und Chuzpe gethront und ihnen den Spiegel entgegengehalten.“ S. 133

    Was passiert mit einer Hausgemeinschaft, die ganz passabel zusammengewachsen ist, wenn sich ein Paar entscheidet, illegal einem erwachsenen syrischen Flüchtling Unterschlupf zu gewähren? Begeistert sind schon zu Anfang nicht alle, aber wirklich dagegen ist niemand, oder traut es sich nur keiner zu sagen?

    Als Leser wird man Zeuge davon, was mit der Hausgemeinschaft passiert, erlebt, wie es Samih ergeht, darf die Entwicklung der einzelnen Bewohner nicht nur beobachten, sondern dabei auch in deren Köpfe blicken. Zwischenmenschliches, Charakterdarstellungen, die die nach und nach ihr wahres Ich zeigen, wenn es um das Thema „Flüchtling“ geht, werden hier in einem brillanten Roman erzählt. Themen wie Kriegszustände in Syrien, Flüchtlingsströme, deutsche Willkommenskultur, Homosexualität, Gewalt in Computerspielen oder auch Kolonialisierungsgeschichte und kindliche Unvoreingenommenheit sowie Neugier werden hier ebenfalls auf Tabet gebracht.
    Der pointierte, spritzige Sprachstil des Autors hat mich von Anfang an angesprochen und völlig in den Bann gezogen. Ich konnte das Buch, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen. Situationskomik, die einen grinsen lässt und Charaktere, die schmunzeln lassen, machen das eigentlich ernste Thema zum äußerst kurzweiligen Lesevergnügen. Maik Siegel gelingt es ganz vorzüglich Emotionen zu schüren, ich habe richtig mitgelebt, habe Wut, Zorn, Enttäuschung aber auch Freude erlebt.

    Die 68er, wie die Bewohner des Achtparteienhauses genannt werden, stellen einen Querschnitt der deutschen Bevölkerung dar. Einwanderer, die einst als billige Arbeitskräfte ins Land geholt wurden, sind hier ebenso vertreten, wie angebliche Gutmenschen, solche denen alles egal ist, verbiesterte Grantler, Pessimisten und Intriganten oder Überängstliche sowie völlig unvoreingenommene Kinder. Der Autor kann, dadurch, dass er aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen lässt, verschiedene Stimmen laut werden lassen und schafft damit zwangsläufig Konfliktpotential, was diesen Roman unheimlich spannend macht. Als Leser charakterisiert man die Bewohner, wartet geradezu darauf, wann der eine oder andere sein wahres Gesicht zeigt, will unbedingt wissen, wie es weiter geht mit Samih und der Mietergemeinschaft, die sich immer mehr entzweit, interpretiert beim Lesen natürlich auch ganz viel. Fragen wie, was heiße ich gut, was kann ich nachvollziehen und wie würde ich mich verhalten, lassen einen beim Lesen viel grübeln. Sätze und Äußerungen wie „Die Menschen bemitleiden die Kriegsopfer und Flüchtlinge, unternahmen aber nichts dagegen. Wem diente das Mitleid also? Nur der Selbstversicherung, noch nicht alle Emotionen im Konsumstrudel verloren zu haben.“, provozieren dieses Nachdenken geradezu. Diese Tatsache, sowie auch die vielen wertvollen Botschaften, die in diesem Roman zwischen den Zeilen stecken, wie „Ich habe es nachgelesen, in meinem Lexikon.“ – „Der Junge ist da an etwas dran. Es scheint, als sie nicht alle Hoffnung für unsere Zukunft verloren.“, machen das Buch für mich zu etwas ganz Besonderem. Ich war nicht nur tief bewegt, sondern die Geschichte wird noch lange Zeit bei mir nachklingen und mich vielleicht auch in Zukunft das Verhalten einzelner Menschen leichter nachvollziehen lassen.

    Samih ist „der Flüchtling“, der mit seinen Sorgen und Ängsten, aber auch Macken, Ecken und Kanten hier ankommt. Er ist eben ein Mensch, wie du und ich und als Leser lernt man ihn erst nach und nach kennen, was spannend gemacht ist. In mein Herz geschlichen hat sich von Anfang an der kleine Tumaini, der Sohn der Kenianischen Einwanderer. Er ist der einzige, der nachfragt, der genauer hinschaut. Dem Jungen fehlt die Voreingenommenheit der Erwachsenen und lässt ihn dadurch vieles eigentlich klarer sehen. Mein Lieblingscharakter war aber Ott. Misanthrop erster Güte, Junggeselle, eigentlich müsste er alle Antipathien auf sich ziehen, aber mit seinen spitzen Kommentaren, seiner besonderen Ausdrucksweise, seinen Aussagen, die es so genau auf den Punkt bringen, hat er mir von Anfang an einfach super gut gefallen. Für viel Konfliktpotential haben Günther und Ute gesorgt. Er Fensterbrettkönig, der alles ahndet, was auf der Straße falsch läuft, sie Spitzel, Tratsche und Intrigantin aller erster Güte haben der Geschichte enorm viel Würze verliehen. Aber auch alle anderen sind grandios dargestellt und damit natürlich zum perfekten Gesamtpaket unglaublich viel beiträgt.

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  • 5 Sterne

    Kerstin B., 20.12.2017

    Als Buch bewertet

    Diese brisante, spannende und emotionsgeladene Geschichte könnte sich überall in Deutschland so oder ähnlich abgespielt haben. Sie hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, in dem sich die Gesichter derer, die hineinschauen, oft enorm schnell ändern ,leider oft auch zur häßlichen Fratze im Handumdrehen werden.
    Klug und mit sehr guter Beobachtungsgabe erzählt der junge Autor über das Leben eines syrischen Flüchtlings inmitten der deutschen Großstadt.
    Ein echt lesens- und beachtenswertes Buch.

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  • 5 Sterne

    3 von 7 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    orfe1975, 31.01.2018

    Als Buch bewertet

    Die 68er als Spiegel unserer Gesellschaft

    Cover und Gestaltung
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    Das Cover wirkt schlicht, passt aber gut zum Titel: Der Hinterhof eines städtischen Hochhauses mit dem Blick von unten nach oben. Der Blick durch die Fenster sowohl in den Hof als auch vom Hof auf die Fassade spielt im Roman eine immer wieder kehrende Rolle. Als Klappenbroschur gehört dieses Taschenbuch zu der stabileren, hochwertigen Sorte.

    Inhalt
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    Ort des Geschehens ist ein 8-Parteien-Hochhaus an einer Hauptstraße am Prenzlauer Berg mit der Hausnummer 68. Hier wohnen "Die 68er", die einen guten Querschnitt der etwas gehobenen Gesellschaft symbolisieren: die Helikoptereltern, das Rentnerehepaar mit Spitzelambitionen, der verkannte, knöternde Dichter, ein jüdischer Homosexueller, eine ausländische Familie, eine Ärztin, die dort praktiziert, 2 typische Studentinnen und das junge, sozial eingestellte Ehepaar Inga und Jan. Als Inga beschließt, einen syrischen Flüchtling illegal aufzunehmen, verändert dies die Hausgemeinschaft und ihr Leben für immer.

    Mein Eindruck
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    "Die Linde gilt vielen als deutscher Baum.[...] Doch wäre es ein Irrtum, sie deutsch zu nennen. Sie ist ein Weltbaum: Von China über Iran bis hin zu den Vereinigten Staaten ist sie in zahlreichen Ländern verbreitet.[...]Sie existiert nicht, die deutsche Linde. Trotzdem glauben viele fest daran, dass es sie gibt. Inmitten eines Berliner Hinterhofes grub eine Linde seit Jahrzehnten ihre Wurzeln tief ins Erdreich. Ein kaiserlicher Beamter hatte sie dort irrtümlich statt einer Buche einpflanzen lassen. Als der Fehler auffiel, saß der Baum bereits in der Erde und man beschloss, ihn dort seinem Schicksal zu überlassen [...]." (S. 7f.)
    "Unbeeindruckt von all dem menschlichen Treiben harrte die Linde inmitten des Berliner Lebens aus, eine unerkannte Fremde, gezüchtet in einer Baumsiedlung nahe Bratislava als eine Kreuzung von Sommer- und Winterlinde. Sie wuchs als Bastard auf fremdem Boden, aber weil dies keiner der Bewohner des Hauses ahnte, störte sich auch niemand daran." (S. 9)"

    Diese Linde spielt eine zentrale Rolle in dem Roman: sie erlebt das Leben im Hinterhof mit und ihre Veränderungen sind ein Spiegel der jeweils aktuellen Stimmung bei den 68ern. Die Linde als Symbol eines Einwanderers begleitet das Geschehen auf poetische Weise mit und ist ein Grund, warum ich den Roman als wahres Leseerlebnis bezeichnen würde.

    Am Anfang des Buches ist eine Skizze des Hauses, in der man sehen kann, wer wo wohnt. Das ist am Anfang zur Orientierung und für die Einführung der vielen Personen hilfreich, später brauchte ich sie aber nicht mehr; ich hatte die 68er schnell verinnerlicht.

    Der Stil des Autors ist einfach wunderbar. Er schafft es, auf treffende Weise – mal poetisch, mal sarkastisch - der Gesellschaft mit dieser Geschichte den Spiegel vorzuhalten. Anfangs sind alle enthusiastisch, wollen helfen, solange es ihr bürgerliches gutes Leben nicht beeinträchtigt. Doch langsam bröckeln die Fassaden, unterschwellige Konflikte kommen zutage, Lügen werden verbreitet, Vorurteile vertieft, Ängste geschürt und das alles auf Kosten des Flüchtlings Samih. Letztendlich wird er nur noch herumgeschubst und geht nicht um sein Wohl, sondern nur noch darum, wer am Ende von den Hausbewohnern besser dasteht und wer schuld an etwas ist oder nicht. Die Geschichte zu verfolgen ist mindestens so spannend wie ein Krimi. Die Charaktere sind Leute, die man aus dem wahren Leben kennt, weil es einfach bestimmte Typen darstellen, die in der Gesellschaft immer wieder vorkommen. Interessant ist, dass ein und dieselbe Handlung oft mehrfach beschrieben wird, jeweils aus der Perspektive eines anderen Bewohners. Durch die Darstellung der verschiedenen Sichtweisen kann man sich gut jede Person und ihre Haltung vorstellen. Manchmal fragt man sich, ob man nicht auch manchmal solche Gedankengänge hat und wie man selbst wohl gehandelt hätte. Diese Art von "Unterschwellige Geschichte" ist genau der Grund, warum mich das Buch so gepackt hat. Es deckt schonungslos und doch mit einer Prise Humor die Gedanken auf, die den unterschiedlichen Personen kommen, die aber Angst haben, sie auszusprechen. Hier werden sie einfach mal mit in in die Geschichte rein gepackt, so wie sie tatsächlich sein könnten.

    "Ich rede davon, dass du jegliches Maß verloren hast. Und du bist nicht die Einzige. Die Menschen in Deutschland offenbaren gerade angesichts der Flüchtlinge, dass ihnen jeder vernünftige Gedanke abhanden gekommen ist. [...]Zwei Seiten bekriegen sich auf dem Rücken der Flüchtlinge und das Einzige, was in diesen Diskussionen zählt, ist, mit Beleidigungen die moralische Oberhand zu behalten. Kein Abwägen, keine neutrale Betrachtung der Situation. Schwarz und Weiß mehr gibt es nicht. Ein 'Aber', einst Ausdruck des denkenden Menschen, ist nicht mehr salonfähig. Wer 'aber' sagt, ist automatisch ein Nazi, egal welche Argumente er aufbringt. Niemand ist mehr fähig, rational über dieses Thema zu diskutieren." (Jan zu Inga auf S. 211f.)

    Die Entwicklung der einzelnen Personen ist hier auch sehr spannend zu beobachten, einige zum negativen, andere wiederum überraschen mit positiven Veränderungen. Während sich die Handlung schließlich auf dramatische Weise zuspitzt und das Verhalten der Erwachsenen an kindische Streitereien erinnert, ist ausgerechnet ein Kind fast allein als wirklich vernünftig handelnde Person tätig: Er heißt Tumaini (Suaheli für "Hoffnung") und er ist der Einzige, der unvoreingenommen an Samih herantritt und dessen Bedürfnisse erkennt. Tumaini setzt den Rat des Schriftstellers um:

    "Hör den Menschen zu. Den einen wirst du zustimmen, den anderen nicht. Anschließend kannst du selbst nachdenken und deine eigene Meinung formen. Aber vergiss nie zuzuhören." (S.229).

    Wahre Worte, die wir alle öfter beherzigen sollten!

    Neben dem Geschehen Haus lernt man nebenbei als Leser auch einige Fakten über die allgemeine Flüchtlingslage, die geschickt in die Ereignisse eingeflochten werden. Das gefiel mir sehr gut.

    Am Ende war ich sehr erschüttert und musste alles erst mal sacken lassen. Das Buch wird sicher noch lange in mir nachhallen und ich werde es sicherlich noch mehrfach in die Hand nehmen und darin herum blättern. Es steht so viel zwischen den Zeilen, dass man es nicht alles beim ersten Mal verarbeiten kann. Und wenn man die Handlung kennt, kann man das Buch m. E. auch einfach mal in der Mitte aufschlagen und sich irgendeine Stelle genauer vornehmen, denn es gibt viele schöne und wahre Worte, die man sich als Zitate merken sollte, die an dieser Stelle aber den Rahmen sprengen würden.

    Fazit
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    Ein großartiges Buch über das aktuelle Thema Flüchtlinge und Integration, poetisch, sarkastisch und dramatisch zugleich – Absolute Leseempfehlung!

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