Alles rot / Mira Valensky Bd.16
Ein Mira-Valensky-Krimi
Die Journalistin Mira Valensky ist in Zypern, als EU-Taskforce-Leiterin Dagmar Wieser erschlagen aufgefunden wird. Ihr Freund Paulus Reisinger ist am Boden zerstört. "Sie hassen uns!", "Rachemord!", hetzen europäische Zeitungen. In Nicosia wird...
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Produktinformationen zu „Alles rot / Mira Valensky Bd.16 “
Klappentext zu „Alles rot / Mira Valensky Bd.16 “
Die Journalistin Mira Valensky ist in Zypern, als EU-Taskforce-Leiterin Dagmar Wieser erschlagen aufgefunden wird. Ihr Freund Paulus Reisinger ist am Boden zerstört. "Sie hassen uns!", "Rachemord!", hetzen europäische Zeitungen. In Nicosia wird demonstriert. Doch dann tauchen heiße SMS-Botschaften der Karrierebeamtin auf.Barkeeper Pete hört in erster Linie zu. Vor dem Crash war er einer der führenden Banker. Er flüstert Mira, dass Schwarzenberger und die Gemeinde Bruckthal in Spekulationsgeschäfte verwickelt seien.
Gemeinsam mit ihrer Freundin Vesna Krajner versucht sie hinter das mörderische Spiel von Sein und Schein zu kommen ...
In ihren Krimis rund um die Journalistin Mira Valensky und ihre bosnischstämmige Freundin Vesna Krajner geht es um aktuelle gesellschaftspolitische Themen, um das, was hinter den Hochglanzfassaden unserer Konsumwelt lauert.
Lese-Probe zu „Alles rot / Mira Valensky Bd.16 “
Alles Rot, Eva RossmannIhre Augen. Aufgerissen. Blau. Das helle Gesicht fast weiß.
Keuchen. Laut.
Die vollen Lippen geöffnet. Verzerrt vom Ringen nach Luft.
Seine Hände an ihrem Hals. Dunkel. Unerbittlich. Kraftvoll.
Die Daumen an ihrem Kehlkopf.
Und dann Stahl.
Und Rot, immer mehr Rot.
Und das Keuchen noch lauter.
Alles rot. Und dann Stille.
... mehr
Ich atme aus.
Sehe vom riesigen Videoscreen wieder auf die Bühne. Desdemona
hat es hinter sich. Othello in Tarnhosen mit vielen Taschen, blutbespritztem
T-Shirt, schwarzen Locken, sagt etwas auf Griechisch. Ich
kann die Übersetzung auf der Leinwand mitlesen.
„Ha! Regst du dich nicht mehr? Still, wie das Grab. – Darf sie herein?
– Wär’s gut? –
Mir deucht, sie rührt sich. – Nein. – Was ist das Beste? Kommt sie, wird
sie nach meinem Weibe fragen. – Mein Weib! Mein Weib! – Welch Weib?
Ich hab kein Weib.“
Emilia betritt die Bühne. Desdemona hingesunken auf das Bett,
nackt, der Videoscreen an den Rändern immer noch blutrot. Emilia
spricht spanisch und trägt ein Kleidchen mit vielen bunten Blumen.
Ein rascher Dialog.
„Sie war wie Wasser falsch“, lese ich. Und: „Du bist wild wie Feuer,
wenn du sie der Falschheit zeihst: Oh, sie war himmlisch treu!“
Spiel um Intrige und Missgunst, Angst vor Fremdem, Liebe und Verrat.
Ich sehe so unauffällig wie möglich auf die Uhr. Das ist das Finale.
Dann gibt es eine Pause. Und dann wird das Ganze noch einmal, aber
anders erzählt. Hat mir Paulus Reisinger gesagt. Wir haben gestern telefoniert.
Ich kenne ihn natürlich als Kommissar aus dieser Krimiserie,
die sie vor ein paar Jahren eingestellt haben. Seither habe ich
nicht viel von ihm gehört. Ist wahrscheinlich nicht so einfach, danach
Rollen zu kriegen. Jetzt tourt er mit „Othellos Erben“ quer durch die
EU. Quasi als Sinnstück zur Europäischen Gemeinschaft und ihren
Krisen.
Ehrlich gestanden finde ich es ein wenig anstrengend, dass jeder
der Schauspieler in seiner Muttersprache redet. Aber klar, dabei kann
man sich eine Menge denken. Das Wiener Volkstheater ist jedenfalls
bis auf den letzten Platz ausverkauft. Reisinger hat gute Pressearbeit
gemacht. Und das Stück wird nicht nur von der EU, sondern auch von
unseren Regierungsparteien, von der Industriellenvereinigung und allen
Möglichen, die aus unterschiedlichsten Gründen etwas für ein gemeinsames
Europa übrighaben, unterstützt.
Jetzt steht Othello mit einigen anderen auf der Bühne. Auf dem
Videoscreen in Großaufnahme seine blutbefleckte Brust. Und der
Text: „Ich küsste dich, eh’ ich dir Tod gab – nun sei dies der Schluss: Mich
selber tötend sterb’ ich so im Kuss.“
Wieder Stahl und wieder alles blutrot.
Cassio redet deutsch. „Dies fürchtet’ ich – doch glaubt’ ihn ohne
Waffen: Denn er war hochgesinnt.“
Lodovico redet finnisch. Hört sich besonders seltsam an. SMS-Anzeige.
Ich habe mein Telefon natürlich auf lautlos gestellt, aber es
vibriert. Auf der Leinwand Meer, viel schön wogendes sonniges Meer,
quasi im Meer der hingesunkene Othello, darüber diffuse Gestalten.
„Euch, Herr Gouverneur, liegt ob das Urteil dieses höll’schen Buben;
die Zeit, der Ort, die Marter – schärft, o schärft sie ihm! – Ich will sogleich
an Bord, und dem Senat mit schwerem Herzen künden schwere Tat.“
Tosender Applaus. Ich klatsche mit. Ich glaube, der Einfall mit
dem Videoscreen hätte Shakespeare gefallen. Desdemona mit aufgerissenen
blauen Augen. Gemeuchelt von ihrem Mann, weil sie dummerweise
ein Taschentuch verloren hat. Und er sich von Jago einreden hat
lassen, dass sie ihn betrügt.
Ich stehe mit den anderen auf. Ich hoffe, es geht sich aus, dass ich
etwas zu trinken ergattere. Sehe aufs Telefon. Meine Freundin Vesna.
Die eigentlich neben mir hätte sitzen sollen. Hat sie auch ein Taschentuch
verloren? Und wenn schon. Ihr Valentin neigt nicht zu rasender
Eifersucht.
„Muss was überprüfen. Komme danach zu Empfang. Wenn ausgeht.
Vesna.“
Typisch für sie. Sie fasst sich kurz. Sie liebt es, wenn ich mehr wissen
möchte. Vesna ist seit mehr als zwanzig Jahren in Österreich. Ihr
Deutsch ist besser als das vieler Einheimischer. Aber noch immer verzichtet
sie gern auf „unnötige Zwischenworte“, wie sie das nennt. Damals,
im Bosnienkrieg und den Jahren danach, hatte sie keine andere
Chance, als illegal putzen zu gehen. Ihre Zwillinge waren trotzdem
gut in der Schule. Jana ist gerade dabei, ihr Studium abzuschließen.
Fran hat theoretische und praktische Computerwissenschaften studiert
und träumt nach einem Stipendium in den USA von der eigenen
Softwarefirma. Zwei junge Menschen mit eigenem Kopf und jeder
Menge Energie. Inzwischen hat Vesna die Staatsbürgerschaft und ein
Reinigungsunternehmen. Und dann hat sie noch ein Telefon für ganz
spezielle Aufträge. Eigentlich wäre sie ja gerne Privatdetektivin geworden.
Aber die Ausbildung ist ziemlich öde. Und sie hatte gar keine
Lust, untreue Ehefrauen zu beschatten. – Na gut. Hätte Othello seine
Desdemona beschatten lassen, dann hätte ihm der Detektiv wohl gesagt,
dass sie ohnehin treu ist. Und wäre der Detektiv auch noch gut
gewesen, dann hätte er ihn vor Jago gewarnt. – Was Vesna heute wohl
„überprüft“?
Zwei Frauen winken mir von Weitem zu. Auf diese Distanz sehe
ich nicht besonders gut. Ist schon lange so. Ich winke zurück. Wem
auch immer. Und drehe Richtung Buffet ab. Ein weißer Sommergespritzter.
Draußen ist zwar Oktober und das Wetter wechselt zwischen
viel zu warm und viel zu kalt für diese Jahreszeit, aber hier drin ist es
heiß. Ich mag das. Wenn ich etwas zu trinken kriege.
Ich bin gespannt, was sich Reisinger für die zweite Halbzeit ausgedacht
hat. Noch einmal Othello. Ehrlich gestanden hätte ich damit leben
können, dass das Liebespaar tragischerweise tot und Jago gefasst
ist. Und Aus und Ende und Abfahrt von Zypern.
Dass Othello hier von einem Zyprer gespielt wird, habe ich dem
Programmheft entnommen. Und dass der „Mohr“ bei Shakespeare nie
als Schwarzer, sondern als Maure, Araber oder Vergleichbares gedacht
gewesen sei. Eben als ein Dunkler, Fremder, Anderer. Ich werde Paulus
Reisinger beim Empfang nach der Premiere treffen.
Und vielleicht auch Vesna. Schade, dass sie die Aufführung verpasst.
Ich hätte gerne gewusst, was sie dazu sagt. Ich werde für meine
Reportage über den neuen Othello jedenfalls mit einigen der Mitwirkenden
reden. Desdemona kommt aus Schweden. Groß und blond
und schön. Am Ende nackt. Und tot.
Gerade als ich den ersten kräftigen Schluck von meinem Gespritzten
mache, kommt das Zeichen, dass die Pause aus ist. Viele Beflissene,
die sich an mir vorbeidrängeln.
„Gelungene Metapher“, höre ich und: „Wenn die EU nur so schön
wäre wie die Desdemona.“ – „Hast schon recht, sie müsste sexyer
sein.“ – „Kein Wunder, dass sie sich bei den vielen Sprachen nicht verstehen.“
– „Der arme Shakespeare kann sich nicht mehr wehren.“ –
„Wir haben für nachher im ‚Hold‘ einen Tisch bestellt.“ – „Ich hab gedacht,
der Reisinger spielt mit, mir hat er als Kommissar im Fernsehen
total gut gefallen.“ – „Der wird inzwischen auch ganz schön alt geworden
sein.“ – „Eigentlich hätte die eine EU-Kommissarin kommen sollen,
aber die haben gerade wieder irgendeine wichtige Sitzung, steht in
der Zeitung.“
Eine Stunde später sind wir wieder am Anfang angelangt.
Jago ruft auf Italienisch: „Erwacht; hallo! Brabantio! Diebe! Diebe! –
Nehmt Euer Haus in acht, Eu’r Kind, Eu’r Geld! He, Diebe! Diebe!“
Dahinter tauchen zwei in Schottenröcken auf, sie stellen einen
warnenden Chor dar und begleiten alles, was im Stück geschieht und
nicht geschehen sollte, mit ihren Kommentaren. Sie gleichen einander
wie ein Ei dem anderen. – Kunst der Maske? Zwillinge? „Und wieder,
wieder“, singsangen sie auf Griechisch, „erkennt, wer wirklich ist der
Dieb, und wehrt des falschen Hochmuts. Was einzig zählt, es ist die Lieb’.
Es ist die Lieb’. Und wieder, wieder.“ Auf dem Videoscreen wogendes
Meer und Othello und Desdemona Hand in Hand. Sozusagen Happy
End und Anfang zugleich.
Und wieder, wieder Applaus.
Tja, wenn sich bloß alle Missverständnisse durch einen schottischgriechischen
Chor vermeiden ließen. Ich suche den Weg zum Empfang.
Er soll auf der Bühne stattfinden. Ich lande in einer Garderobe.
Emilia, das heißt, die spanische Schauspielerin, deren Namen ich mir
nicht gemerkt habe, starrt mich an. Was, verdammt, heißt „Empfang“
auf Spanisch?
„Rezeption?“, stammle ich. Es klingt saudämlich.
Die Schauspielerin lacht. Deutet, dass ich wieder hinausmüsse und
hinunter in die Halle, sagt etwas in schnellem Spanisch, das ich nicht
verstehe. Mist, sie glaubt, ich will hinaus und habe mich verlaufen.
„No, Rezeption!“, sage ich, „Gracias.“
„Oh, recepción! Recibimiento! You want to go to the party?“
Ich nicke. Klar, Party. Das versteht man überall.
„You go with me. I am ready.“ Ihr Englisch hat einen charmanten
Akzent. Sie begleitet mich zur Tür hinaus. In welcher Sprache die
Schauspieltruppe miteinander redet, will ich von ihr wissen, als wir einen
schmucklosen Gang entlanggehen. Meistens Englisch, aber der
Italiener, der den Jago spielt, und sie sprechen spanisch miteinander.
Und der Zyprer und die Griechen natürlich griechisch. Und der Franzose
hat eine deutsche Mutter. „No Problem!“
Wenig später stehe ich mit einem Glas Prosecco am Bühnenrand. Die
Truppe feiert ausgelassen, es ist gesteckt voll. Einige Fotografen sind
da, auch unser „Magazin“ hat einen geschickt. Wir haben einander
zugewunken, das reicht. Unser Außenminister gibt der Society-Reporterin
ein Interview, rund um die Kamera stehen die Menschen
noch etwas enger. Vesna habe ich bisher nicht gesehen. Aber die findet
schon her. Da bin ich mir sicher. Gehört nahezu zu ihrem anderen
Job, alles Mögliche zu finden. Zu zweit ist es auf solchen Partys deutlich
lustiger. Schon allein deswegen, weil man dann besser über die
anderen Leute tratschen kann. Ich meine … diese alternde Soubrette,
die überall dabei ist und nun versucht, endlich vor die Kamera zu
kommen. Und der Autor, der ein Glas nach dem anderen leert, umgeben
von einigen, die ihm zuhören. Man kann ihm ansehen, dass ihn
Othellos Erben nicht eben beeindruckt haben. Oder hat er Magenschmerzen?
Ich sehe mich nach der Kellnerin um. Ein weißer Gespritzter wäre
mir lieber als Prosecco. Den liebe ich im Veneto, aber dort schmeckt
er auch eindeutig besser. So viel, wie auf der ganzen Welt verkauft
wird, kann unmöglich im kleinen Prosecco-Gebiet wachsen. Und abgesehen
davon: Hier hat es sicher dreißig Grad, da ist ein wenig Wasser
im Wein gar nicht dumm. „Na Servus!“ Ich drehe mich um und werde links
und rechts geküsst.
Anabel Fischer. Wir haben gemeinsam im „Magazin“ gearbeitet,
aber inzwischen ist sie, zumindest sieht sie das so, „aufgestiegen“:
Moderiert jetzt ein EU-Magazin im Fernsehen. Total langweilig. Und
besserwisserisch. So, als ob ihr immer klar wäre, was läuft, worum es
geht, was richtig, was falsch, was die Wahrheit ist.
„Na, wieder einmal auf Gesellschaftsreportage unterwegs?“, fragt
sie.
Ich habe als Lifestyle-Journalistin begonnen, aber inzwischen bin
ich seit Jahren Chefreporterin. Weiß sie natürlich. Wobei es ihr inzwischen
peinlich ist, überhaupt je beim "Magazin" gearbeitet zu haben.
Sie vergisst es gerne in ihrem Lebenslauf. Okay, bei uns gibt es viel
Boulevard, entsprechend hohe Verkaufszahlen und viel zu viel Werbung
für meinen Geschmack, aber auch etwas, das ich als ordentlichen
Journalismus empfinde. Mein Lieblingsfreund Droch, der Leiter
der Politikredaktion, hat viel damit zu tun. Auch ich bemühe mich.
Zumindest meistens.
„Oh“, antworte ich. „Darfst du jetzt Europa-Klatsch machen?“
Sie sieht mich säuerlich an. Seit ich sie zum letzten Mal gesehen
habe, hat sie sicher fünf Kilo abgenommen. Dabei war sie schon früher
alles andere als dick. „Die österreichische EU-Vertretung hat mich
eingeladen. Für meine Sendung ist das natürlich nichts. Gut gemeint,
bestenfalls. Aber mit einem mittelprächtigen Theaterstück durch die
EU zu tingeln, wird die europäischen Probleme nicht lösen.“
„Mittelprächtig? Du sprichst von Shakespeare?“
„Unter anderem. Ich halte ihn für ziemlich überschätzt. Ich meine,
sieh ihn dir bloß im Kontext seiner Zeit an: ein Boulevard-Schreiber,
einer, der wollte, dass ihn die Massen lieben. Er hat den Affen Zucker
gegeben, wenn du verstehst, was ich meine. Das funktioniert immer
noch. Und Reisinger …“ Sie verzieht den perfekt geschminkten Mund.
„Ein alternder Fernsehschauspieler. Vielleicht meint er es ja wirklich
gut, aber vor allem wird er wohl ein Engagement gebraucht haben.“
„Er hat das ganze Projekt entwickelt.“
„Und so ist es dann ja auch geworden.“ Anabel entdeckt den Autor,
der inzwischen mit bedeutsam gerunzelter Stirn an einer Bühnendeko-
Laterne lehnt, und rauscht davon. Ich hoffe, die venezianische Straßenlampe
ist massiv genug. Wobei es ganz witzig wäre, würde er damit
umkrachen. Und Anabel mitreißen. Vielleicht der einzige Weg,
um sie überhaupt zu bewegen. Wenn sie es nicht mag, gefällt mir das
Stück gleich noch besser. Und ich werde Reisinger mögen. – Wo ist er
überhaupt? Ich habe ihn bloß kurz gesehen, am Anfang, als er seinen
Darstellern zugeprostet hat. Natürlich sind auch andere auf die Idee
gekommen, über ihn und die Produktion zu schreiben. Ich sehe mich
um. Ewig will ich nicht bleiben. Zu Oskar habe ich gesagt, dass ich
spätestens um Mitternacht daheim bin. Ist natürlich keine Verpflichtung,
aber ein gemeinsames spätes Glas Wein wäre nett. Dazu, dass er
mitgeht, habe ich meinen Mann nicht gebracht. Er liebt Massenaufläufe
wie diesen hier nicht besonders. Außerdem war klar, dass ich
noch etwas arbeiten muss. Und er hängt momentan in einem ziemlich
komplizierten Fall drin. Irgendeine Firma, die mit einer anderen fusioniert
hat und jetzt erst draufkommt, an welchen zwielichtigen Subunternehmen
und Briefkastenkonstruktionen ihr Vertragspartner beteiligt
ist. Wir sind eben eigenständig geblieben. Zum Glück. Hält eine
Beziehung frisch, nicht dauernd alles gemeinsam zu machen.
Vesna hat es offenbar nicht geschafft, zu kommen. Ich gehe auf die
Suche nach Reisinger oder jemandem, der mich zu ihm bringen kann.
Und entdecke einen alten Bekannten. Hans Tobler. Autohändler, der
sehr erfolgreich Luxuswagen und amerikanische Oldtimer verkauft.
Vielleicht vertraut man ihm, weil er gar so unauffällig aussieht. Ein
wenig kleiner als ich, Schnurrbart, braun-grau melierte Haare, eher
schmächtig. Früher hat er einmal Schlagzeug gespielt. Vesna hat vor
einigen Jahren mit ihm geflirtet, zwischendurch hat sie ihn dann für
ziemlich verdächtig gehalten. Zu ihrem Geburtstag hat er ihr einen
Zulassungsschein für das absurde Motorrad besorgt, das meine Freundin
noch aus Bosnien mitgebracht hat. Mischmaschine aus allen möglichen
Teilen, Marke Eigenbau. Sehr laut, ziemlich schnell und, wenn
es nach mir geht, viel zu gefährlich. Tobler hätte ich hier nun wirklich
nicht erwartet. Er lächelt mir zu, stößt mit mir an. Eine dunkle Flüssigkeit
in einem Prosecco-Glas. Er trinkt offenbar noch immer keinen
Tropfen Alkohol. Er mag Cola. Passt ja auch zu Ami-Schlitten.
„Und was machst du hier?“, frage ich ihn.
„Feiern. Aber ich hab mir sogar das Theaterstück angesehen“,
grinst er. „Die Zwillinge im Schottenrock könnte man ganz gut brauchen.
So als weise Warner vor allem Möglichen.“
„Sind es wirklich Zwillinge?“ „Sogar eineiig. Kommen aus Griechenland.
Paulus hat gefunden,
Kilts würden genau passen. Und außerdem gibt’s ja griechische Soldaten,
die in Faltenröcken vor wichtigen Gebäuden stehen.“
„Paulus? Du kennst Reisinger?“
„Und ob. Erstens natürlich aus dem Fernsehen. Ich mag Krimiserien.
Haben so wenig mit der kriminellen Realität zu tun. Und dann
noch wegen ‚Sonnenblumen‘.“
„Weswegen? Klingt nach einem Code.“
Hans Tobler seufzt. „Hast den Film wohl auch nicht gesehen. Haben
die wenigsten. Eine Komödie, die er nach dem Ende der Krimiserie
gedreht hat. Er fährt darin einen wunderschönen offenen Mustang.
Habe ich ihm geborgt. Trotzdem ein Flop, das Ganze. Im Kino
ist der Film nicht lang gelaufen und im Fernsehen haben sie ihn im
Nachtprogramm versteckt. Dabei: So schlimm war er gar nicht. Ich
habe ihn eigentlich ganz lustig gefunden.“
Ich lache. „Noch nie etwas davon gehört, ich gebe es zu. – Und warum
bist du bei ,Othello‘ dabei? Oldtimer war keiner auf der Bühne.“
„Weil ich mich mit Paulus gut verstehe. Er ist ein interessanter Typ.
Vielseitig. Und weil ich die österreichischen Aufführungen sponsere.
Du solltest das Programmheft genauer lesen! ,US-Speed‘ steht gleich
neben dem Logo der EU. Und da soll noch einer sagen, dass ich kleiner
Mechaniker es nicht weit gebracht habe!“
„Und wie hat es dir gefallen?“
„Ziemlich gut. Ich mag Theater, wenn sich etwas abspielt. Und die
Sache mit der Riesenleinwand ist großartig. Weil sonst sieht man die
Details nur, wenn man einen Feldstecher oder so ein dämliches Opernglas
hat. Dieses Wahnsinnsgesicht der Desdemona! Und dann das Rot!
Alles rot! Und dass sie in allen möglichen Sprachen reden, stört mich
nicht. Weil so genau höre ich sonst auch nicht immer zu. Ganz abgesehen
davon, dass man nie alles versteht. Da ist der Text auf der Leinwand
praktisch. – Ich nehme an, du schreibst drüber?“
Ich nicke. „Hast du Reisinger schon gesehen?“
„Nur ganz kurz, beim Anstoßen. – Wie geht’s eigentlich deiner
Freundin Vesna Krajner?“
„Sie wollte heute Abend mit dabei sein, aber sie hat eine ihrer SMS
geschickt, bei denen mir nie klar ist, was wirklich los ist.“
„Ich finde, sie spricht hervorragend Deutsch. Und ihr leichter Akzent
ist richtig sympathisch.“
„Das hab ich nicht gemeint, nur dass sie es liebt, sich so kurz zu
fassen, dass ich mich ärgere, weil ich nichts erfahre.“
„Ist sie noch mit diesem Fernsehproduzenten zusammen?“
„Valentin Freytag. Klar.“
„Eine schöne Villa. Und jede Menge Stil. Das verstehe ich schon.
Darauf fliegen die Frauen.“
Die meisten Männer quatschen solches Zeug, wenn sie zu viel getrunken
haben. Oder wenn … Ich hatte damals den Eindruck, Tobler
sei ein wenig in Vesna verliebt. Jetzt streckt er sich, lächelt und winkt.
„Wenn man von der Sonne spricht …“, sage ich und winke auch.
Meine Freundin trägt ein eng anliegendes schwarzes Kleid, ganz
einfach geschnitten. Es ist so ein Ding, das nicht knittert. Sie hat es
immer im Auto und zieht sich dort bisweilen um. Praktisch. Ich würde
darin allerdings aussehen wie eine verbrannte Knackwurst. Sie kann es
sich leisten. Seit sie selbst nur mehr selten bei Kunden putzt, joggt sie.
Und das oft mehr als eine Stunde lang. Ich sollte auch wieder regelmäßig
laufen. Aber geht sich bei meinem Leben nicht so gut aus. Rede ich
mir zumindest ein. Tobler küsst Vesna auf die Wangen. „Sag nicht, du
hast das Stück gar nicht gesehen“, sagt er zu ihr.
Weiß er doch.
„Oh, da war keine Zeit. Sonderauftrag. Delikat.“ Sie lächelt geheimnisvoll.
Okay, sie macht so etwas nicht nur bei mir.
„Und?“, fragen wir beide.
Vesna deutet auf das Glas des Autohändlers. „Cola. Ist besser als
lauwarmer Sekt.“
„Kommt gleich“, sagt Tobler und schießt davon.
„Er hat nach dir gefragt“, sage ich.
„Und jetzt ich bin da“, antwortet Vesna ungerührt. „Was macht er
hier?“
„Herumstehen.“
„Ach so.“
Ich nehme einen Schluck. Wirklich warm. Aber trotzdem besser als
Cola. Vesna wirkt nicht, als wollte sie mehr wissen. Ich nehme noch einen
Schluck. Mist. Ich bin nicht gut bei so etwas. Ich will erzählen.
Und ich erzähle, woher der Autohändler Reisinger kennt. Tobler hat
unterdessen eine Kellnerin organisiert, die mit einem Tablett samt Cola-
Glas, einem Glas mit Eiswürfeln und einem Glas Rotwein kommt. „Weil ich
nicht genau wusste, was dir am liebsten ist“, sagt er in Vesnas
Richtung. „Wenn, dann trinkst du lieber Rotwein, nicht wahr?“
Sie sieht ihn verblüfft an. „Das hast du dir gemerkt? Stimmt. Aber
jetzt trinke ich Cola. Mit Eis.“
„Ich hätte gerne einen weißen Sommergespritzten“, werfe ich ein.
„Bitte“, sagt Tobler zur blonden Servierkraft und drückt ihr einen
Geldschein in die Hand. Wegen mir geht er nicht persönlich. Ich
schnappe mir das Glas Rotwein. Nur für den Fall, dass sie nicht wiederkommt.
Wir stoßen an.
„Und was war das für ein Sonderauftrag?“, will Tobler von Vesna
wissen.
„Ach“, meint meine Freundin, „so etwas Besonderes war es auch
wieder nicht. Alter reicher Knacker, ich darf Firma nicht nennen, aber
ist ziemlich groß, hat junge Freundin und will sich scheiden lassen.
Frau ist ziemlich sicher, dass ihn die Junge von vorne und hinten betrügt
und nur sein Geld will.“
Tobler nickt. „Eifersucht, klar.“
„Eben nicht. Sie sagt, wenn er noch einmal jung sein möchte, er
soll versuchen. Sie sind beide über siebzig. Aber er darf Firma nicht
schaden. Und sich selbst auch nicht.“
„Du nimmst ihr das ab?“, frage ich.
„Ja. Üblicherweise ich mag nicht nach Beziehungskram forschen,
aber in diesem Fall mir ist die Frau sympathisch. Hat viel zu großer
Firma beigetragen, arbeitet jetzt noch dort.“
„Und?“, fragt Tobler.
„Sieht so aus, als wäre alter Mann ziemlicher alter Depp“, grinst
Vesna.
„Nur weil er sich verliebt?“, kontert Tobler. „Ich war schon ein
paarmal ein Depp und nicht einmal alt. Aber insgesamt zahlt es sich
aus.“
Vesna sieht ihn spöttisch an. „Ach, ich erinnere mich. Superauto
von Ehefrau zwei oder drei, das herumgestanden ist, weil sie ein anderes
hat wollen. Und dann war sie ganz weg. – Es zahlt sich aus?“
„Oh, die hab ich beinahe vergessen“, sagt Tobler und lacht.
„Mira Valensky?“, fragt eine junge Frau. Ich nicke. „Paulus Reisinger
hätte jetzt Zeit für Sie. Er wartet dort drüben.“ Sie deutet in Richtung
der Kulissen.
Wir sitzen in einer Ecke hinter der Bühne. Zwei Stühle, ein Tischchen,
das wirkt, als wäre es eine Requisite aus einem Tschechow-
Stück. Oder einem von Schnitzler. „Hier haben wir Ruhe und kriegen
trotzdem mit, was bei der Party läuft“, hat Reisinger gesagt. Stimmengewirr,
viele Schatten, die sich vor den Kulissen hin und her bewegen,
ab und zu jemand, der kommt und dann wieder abdreht. Reisinger
gibt mir das Pressematerial, das ich ohnehin schon in der
Redaktion habe, redet begeistert von der „europäischen Dimension“
seines Projekts. Und davon, dass letztlich auch die EU-Finanzkrise
eine Vertrauenskrise à la Shakespeare sei. Das Licht hier ist nicht besonders
gut. Es wirkt, als hätte er sich ganz gut gehalten. Sieht kaum
älter aus als damals in der Fernsehserie. Vielleicht hat er eine Spur zugelegt.
Aber ein richtig schlanker Typ war er ohnehin nie. Die Haare
noch immer dunkel, gerade so lang, dass es nicht affig wirkt. – Färbt
er sie?
„Soll ich einen Fotografen organisieren?“, fragt er.
„Wir haben jemanden da. Und meine Lieblingsfotografin war bei
der Generalprobe dabei. Ich mag die klassischen Interviewbilder nicht
so.“ Ich lege mein Telefon auf das Tischchen zwischen uns, schalte die
Aufnahmefunktion ein und deute darauf.
Er lächelt. „Schon in Ordnung, ich muss nicht groß im Bild sein.
Außerdem wirkt man in der Bewegung ohnehin meist besser. – Zumindest
dynamischer.“
Scheint ein wenig eitel zu sein. Aber wer ist das nicht. Als Schauspieler
ist es vielleicht geradezu Berufsvoraussetzung.
„Sie sind siebenundfünfzig? Oder fragt man so etwas nicht?“ Offenbar
ist mir das Glas Rotwein nach dem warmen Prosecco ein wenig
zu Kopf gestiegen. Dabei wollte ich doch nett zu ihm sein. Schon wegen
der Fernseh-Zicke Anabel.
Er sieht mich irritiert an. „Korrekt. – Ich meine, das Alter. Nicht,
dass man nicht fragt. Warum nicht? Steht ja auch überall. Und lässt
sich nicht verbergen.“
Ich lächle. „Sie sind gut in Form.“
Paulus Reisinger seufzt. „Und jetzt kommt wieder der Kommissar
Hinter. Alle vergleichen mich mit meinem Bild von damals. Dabei ist
das fünf Jahre her. Und ich hab eine Menge gemacht inzwischen.“
„So eine Rolle prägt eben. – Und ich weiß: Sie haben eine Komödie
gedreht. ‚Sonnenblumen‘.“Er sieht mich nicht eben begeistert an. „Wollten Sie mit mir nicht über ‚Othellos Erben‘ reden?“
„Klar, ich möchte bloß, dass Sie wissen, dass ich schon weiß, was
Sie gemacht haben.“ Oh, meine Güte. Dieses Interview hat gar nicht
gut begonnen. Ich sollte mich dem Getränk mit der dunklen Farbe
annähern, in dem kein Alkohol ist.
„Ich weiß, dass das Müll war“, kommt es zurück. „Es war das
Schlimmste, was ich je gedreht habe. Aber wenn so eine Serie ausläuft,
dann hat man plötzlich nicht sehr viele Optionen. Dafür Existenzängste.
Und zwei Exfrauen, die Geld haben wollen.“
Ich lächle ihn beruhigend an. „Verstehe ich gut. Ich hab den Film
nicht gesehen, Hans Tobler hat mir davon erzählt. Ihm scheint er übrigens
gefallen zu haben.“
Paulus Reisinger entspannt sich. „Woher kennen Sie Hans? Ich
mag ihn sehr. Ganz abgesehen davon, dass ihm am Film sicher sein
Mustang am meisten gefallen hat. Der war besser als ich und der Rest
zusammen.“
„Wissen Sie, dass er in jungen Jahren Schlagzeug gespielt hat? Dass
er davon geträumt hat, mit einer Band Erfolg zu haben?“
Reisinger nickt langsam. „Er hat mir einmal davon erzählt. Auch
davon, dass sich sein Bandkollege umgebracht hat. Und von der hochtalentierten
jungen Sängerin. – Er spielt jetzt übrigens in einer Hobby-
Formation, und zwar hervorragend. Alte Schlager, ein bisschen Jazz.
Ich würde sehr gern etwas mit ihm gemeinsam machen. Aber das
nächste Jahr ist noch für ,Othello‘ reserviert.“
„Diese Produktion ist Ihnen besonders wichtig, nicht wahr?“
Er nickt und lächelt. „Und stattdessen rede ich vom Alter und der
Vergangenheit.“ Er sieht sich um. „Irgendwo muss ich mein Glas verloren
haben. – Ich bin begeistert von der Idee, die hinter diesem Theaterstück
steht. Nicht, dass man nicht vieles besser umsetzen könnte …
Das hab ich heute schon in mehreren Interviews erklärt …“
„Die Kulturjournalisten waren nicht alle begeistert?“
Er lacht. Ein offenes, fröhliches Lachen. „So kann man es sagen. –
Susi!“ Die junge Frau, die mich zu ihm gebracht hat, kommt näher.
„Was hätten Sie gerne zu trinken?“, fragt er mich.
„Einen Sommergespritzten, wenn es geht.“
„Wunderbar. Bitte, Susi. Am besten einen Literkrug und zwei Gläser.“
Ich muss ihn erschrocken angesehen haben. „So lange …“
Er lacht schon wieder. „Keine Sorge, ich lasse Sie schon bald wieder
aus. Aber ich hab Durst.“
„Mir hat die Idee mit dem Videoscreen sehr gut gefallen. Dieses
Rot, wenn Desdemona stirbt …“
„Und es ist ganz wichtig, dass alle in ihrer Muttersprache reden.
Sie verstehen sich und verstehen sich nicht. Aber es gibt Mittel und
Wege, dass alle einander verstehen. Sie sind simpel: hinsehen, zuhören.
Das Andere akzeptieren. Neid nicht zulassen und allen misstrauen, die
das Vertrauen zueinander zerstören wollen. Darum geht es! Auch im
vereinigten Europa! Gerade jetzt!“
Wenn das keine Euphorie ist. „Noch immer stecken einige Staaten
in einer schweren Krise. Gar nicht zu reden von der Jugendarbeitslosigkeit,
neuen Rechtsradikalen wie in Griechenland oder Ungarn,
den Streiks, den gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die EU wirkt da
nicht besonders kompetent“, gebe ich zu bedenken.
„Die Finanzkrise ist eines. Dafür bin ich kein Experte. Aber ich
kann Ihnen sagen, dass viele selbst hier in der besten Absicht gehandelt
haben. Nicht, um sich zu bereichern, sondern um Geld für die
Gemeinschaft, fürs Gemeinwohl zu lukrieren. Blauäugig, das kann
schon sein, und sicher hat es auch Abzocker gegeben. Aber das, gegen
das wir jetzt antreten müssen, ist die Vertrauenskrise.“
„Sie meinen, die Deutschen sollten den Griechen endlich glauben,
dass sie ihr Geld samt Zinsen zurückbekommen?“
„Was weiß ich, über das Geld müssen Sie mit jemand anderem reden.
Aber wir müssen solidarisch sein. Und in die Kraft eines einheitlichen
Europa vertrauen. Ich meine: Was gibt es Besseres, als nach den
großen Kriegen endlich zu begreifen, wie nahe wir einander sind und
wie gut wir mit all unseren verschiedenen Möglichkeiten gemeinsam
leben können? Dann hätten die Rechten viel weniger Zulauf.“
„Und deswegen haben Sie ‚Othellos Erben‘ gemacht und spielen es,
mit Unterstützung der EU, in beinahe allen EU-Staaten.“
Es hat wohl ein wenig spöttisch geklungen, aber auf schwärmerische
Begeisterung reagiere ich einfach so. Er sieht mich erschrocken
an. „Ich weiß schon, dass ein Theaterstück nicht die Welt verändern
kann. Aber es kann eine Idee von der Welt sichtbar machen. – Wenn
es gut geht. Jede und jeder sollte dazu beitragen, was möglich ist.
Das Stück ist mein Anteil. Mag sein, nicht gut genug. Mag sein, zu politisch.
Oder zu wenig politisch. Mit zu vielen Metaphern. Oder zu heutig.
Hab ich alles schon durchklingen gehört, bei den Journalistenfragen,
den Kritiken und Reportagen.“
„Das Publikum heute war doch ziemlich begeistert. Und in Italien
und Deutschland hat es sehr positive Kritiken gegeben“, tröste ich ihn.
„Ja. Und es war mir schon klar, dass nicht alle jubeln werden. Die
EU ist nicht besonders beliebt. Da kannst du mehr mit einem kritischen
Chaosstück reißen. Aber was passt besser als der alte Othello!
Dazu noch Zypern! Die Insel der Aphrodite! Ihre wechselvolle Geschichte!
Krise! Hoffnung! Deswegen hab ich das Stück dann noch
mal, verkehrt herum, erzählt. Damit klar ist: Wenn wir mit geschärften
Sinnen und offenem Herzen durchs Leben gehen, dann kann man
Gefahren umschiffen, verhindern. Liebend bleiben.“ Er starrt mich an.
„Liebend bleiben“, wiederhole ich. „Das klingt schön.“
„Und deswegen auch der Chor, den ein paar Kritiker so verspottet
haben. Ein griechischer Chor! Was für ein Zeichen! Das alte Kulturvolk
wird wieder in seiner Weisheit sichtbar gemacht! Die Klugen, die
warnen! Im Gegensatz zu den Geldverschwendern, Misswirtschaftern
und Nehmern und Verlierern und Radikalen, als die die Griechen in
den letzten Jahren überall dargestellt wurden!“
Ich nicke und verkneife mir die Frage nach den Schottenröcken.
„Am Schluss des Stücks stehen Othello und Desdemona wieder
am Anfang, sie haben noch eine Chance … Jeder sollte immer wieder
eine Chance haben!“
Ich nicke. „Waren Sie immer schon so begeistert vom gemeinsamen
Europa?“
„Ich sehe natürlich auch die Fehler, die Unzulänglichkeiten. Aber
die EU ist viel besser als ihr Ruf. Und ich möchte von ihren faszinierenden
Möglichkeiten erzählen. Friede, sozialer Ausgleich. Das alles ist
drin, wenn wir an uns glauben. Als Europäer.“
Was hat Anabel gesagt? Vielleicht meine er es ja wirklich gut, aber
vor allem werde er ein Engagement gebraucht haben. Wirkt nicht, als
könnte man diese Begeisterung vortäuschen. Ich frage trotzdem: „Wie
lange sind Sie mit dem Stück unterwegs? Wer finanziert es?“ Gehört
einfach zum journalistischen Handwerk. Und bringt ihn vielleicht
wieder ein wenig auf den Boden.
Er runzelt die Stirn. „Vorstellungen in vierzehn EU-Ländern sind
schon fix, mit anderen gibt es Verhandlungen. Die EU hat dafür die
Basis-Finanzierung aufgestellt, aber wir brauchen vor Ort zusätzlich
Sponsoren. Oder eben Gelder der Theater, in denen wir spielen. – Eines
ist jedenfalls klar: Das ist kein Propagandastück, wie auch schon
zu lesen war! ,Othello‘! Ich bitte Sie! Es geht ja gerade darum, was alles
passieren kann, wenn Gier und Verrat und Vorurteile und falsch verstandene
Ehre wichtiger werden als die Liebe!“
Ich nicke. Ich habe mein Glas ausgetrunken. Im Krug sind gerade
noch zwei Zentimeter Flüssigkeit. Ich habe gar nicht bemerkt, wann
Reisinger sich nachgeschenkt hat. „Danke“, sage ich. „Auch für den
Gespritzten.“
„Sie … schreiben keine klassische Theaterkritik, oder?“
„Nein, es wird eine Reportage über das Projekt, als Teil unserer Serie
über die Menschen in der EU. Ich fliege übrigens demnächst nach
Zypern. Ich werde über das alltägliche Leben der Zyprer nach dem
Bankenzusammenbruch schreiben.“
Paulus Reisinger strahlt mich an. „Zypern. Wunderbar. Meine
Liebste lebt dort. Zumindest seit einiger Zeit. Meistens. Sie ist die Leiterin
der EU-Taskforce zur Umsetzung des Hilfsprogramms.“
„Der Sparpakete.“
„Ja, das auch.“
„Sie ist Österreicherin?“
„Nein, Deutsche.“
„Sehr beliebt sind die dort nicht, soviel ich weiß.“
„Dagmar schon. Sie sollten sie unbedingt treffen. Ich werde das arrangieren!
Wann fliegen Sie? Übernächste Woche bin ich dort!“
„Kann sein, dass wir uns sehen. – Hat Ihre Europa-Begeisterung
mit Ihrer Dagmar zu tun?“
„Nein, oder doch … aber anders. Ich hatte die Idee mit dem Stück
und war in Brüssel, um dafür Geld aufzutreiben. Und da ist sie mir
über den Weg gelaufen. Es war die berühmte Liebe auf den ersten
Blick. Noch nie im Leben …“ Er starrt mich wie ertappt an. „Aber das
wollen Sie wohl nicht so genau wissen.“
„Und da waren zwei Lieben vorher, nicht wahr?“
„Woher wissen Sie?“
„Sie haben davon erzählt. Und dass Sie zahlen müssen. Obwohl Sie
wenige Engagements hatten.“
„Oh. – Werden Sie das schreiben?“
„Nein. Aber Ihre Freundin in Zypern würde ich gerne erwähnen.“
„Ich weiß nicht …“, kommt es langsam zurück. „Es ist kein Geheimnis.
Aber da sollte man sie fragen. Sie ist eine hochrangige EUBeamtin.
Da ist man besser vorsichtig. – Die Finanzierung des Stücks
hatte übrigens gar nichts mit ihr zu tun. Die lief über den Wirtschaftsund
Sozialausschuss.“ Er zieht eine Visitenkarte aus seiner Jackentasche
und kritzelt eine E-Mail-Adresse darauf, lächelt wieder.
„Also, bitte: Fragen Sie sie. Und besuchen Sie uns! Das wäre großartig!
Es gibt so viel zu erzählen über dieses Land! Ich habe Hans auch
schon gesagt, dass er endlich einmal kommen muss!“
„Er ist sicher noch irgendwo hier auf der Party. Und ich nehme an,
meine Freundin ebenso. Gehen wir sie doch einfach suchen.“
Reisinger schüttelt den Kopf. „Ich habe noch ein letztes Interview.
Ich mache, was ich kriegen kann. Für unser Projekt. Schon möglich,
dass gewisse Leute das lächerlich finden. Aber ich bin eben so.“
„Ich finde es gar nicht lächerlich. – Vielleicht bis später.“
Die Fete ist noch in vollem Gang. Ich weiß nicht so recht, was ich von
Reisinger halten soll. Ein bisschen viel Emotion. Besser, dass Vesna
nicht mit dabei war. Sie schätzt übertriebene Gefühlsausbrüche noch
weniger als ich. Wo steckt sie? Die Soubrette hat sich in einen der wenigen
Sessel gesetzt und sieht schon ein wenig derangiert aus. Kein
Problem. Keine Kamera mehr in Sicht.
Ich gehe nach vorne bis zum Bühnenrand. Was muss das für ein
Gefühl sein, hier zu stehen und zu deklamieren? „Ha! Regst du dich
nicht mehr? – Mich selbst tötend sterbe ich nach deinem Kuss.“ Oder so
irgendwie. Nicht gerade ein Lustspiel. Aber Reisinger hat es umgedeutet.
So, dass es noch Hoffnung gibt. Samt Griechen im Schottenrock.
– Warum nicht?
Erschrocken bemerke ich, dass im Zuschauerraum einige Leute
sind und mich anstarren. Ich kneife die Augen zusammen. Vesna. Und
der Autohändler. Ich gehe zu ihnen nach unten.
„Party ist von da viel besser“, sagt Vesna.
„Und man kann sitzen“, ergänzt Hans Tobler. „Wie war das Interview
mit Paulus?“
„Er ist … nett. Und er gehört zu den wenigen, die sich noch so
richtig für eine Sache begeistern können.“
„Er ist Schauspieler.“
Ich sehe ihn irritiert an.
Tobler lacht. „Damit will ich nicht sagen, dass er das bloß spielt.
Sondern dass ein Schauspieler fähig sein muss zu den großen Gefühlen,
damit er sie spielen kann.“
Vesna nickt und lächelt ihn an.
„Er hat gemeint, du sollst ihn dringend in Zypern besuchen. –
Kennst du seine Freundin? Sie ist für die EU dort.“
„Er hat mir von ihr erzählt, genau gesagt erzählt er eigentlich immer
von ihr, wenn er nicht gerade über sein ,Othello‘-Projekt redet.
Ich habe selten jemand getroffen, der so verliebt ist.“
„Sehr lange scheinen sie einander noch nicht zu kennen.“
„Ist schon richtig. Ein Jahr oder so. Er ist einer, der mit Beziehungen
bisher kein großes Glück hatte. Er war mit dieser Deborah Weiss
verheiratet, du kennst sie sicher aus allen möglichen Fernsehserien.
Und als das mit dem Kommissar vorbei war, ist sie mit dem erstbesten
Regisseur abgehauen. Jetzt kriegt sie sogar Unterhalt. Sie hat dem Gericht
klargemacht, dass sie wegen ihm auf viele Engagements verzichtet
hat. Dass sie immer seine Karriere vor ihre gestellt hat. Was ein totaler
Quatsch ist.“
Irgendwie erinnere ich mich an die Geschichte sogar, ging durch
alle Klatschmedien.
„Na ja. Jetzt scheint er sein Glück gefunden zu haben.“
„Deutsche EU-Beamtin. Auf Erstes klingt nicht besonders spannend“,
mischt sich Vesna ein.
„Noch dazu eine, die die Hilfsgelder und die Sparpakete überwacht“,
ergänze ich.
„Vielleicht hat er es gern streng?“, grinst Vesna.
„Sie ist sogar die Chefin in dem Hilfszirkus. Bevollmächtigte der
EU oder so“, murmelt Hans. „Ich hab mich auch schon gefragt, wie
Paulus zu der gekommen ist. Andererseits: Es muss schon welche geben,
die auf unser Geld aufpassen.“
Ich lache. „Reisinger scheint viel Sympathie für die Griechen und
Zyprern zu haben.“
„Weiß ich, manchmal ist er eben ein wenig naiv. Wobei eines klar
ist: Die Hilfsgelder sind Kredite. Und wenn Zypern sie zurückzahlt,
dann bekommt die EU sogar Zinsen. Nicht sehr viel, aber immerhin.
Die Frage ist bloß, ob sie zurückgezahlt werden.“
„Darüber wird Reisingers Liebste schon wachen. Und er steuert die
großen Gefühle bei. Eigentlich keine üble Mischung.“
© Folio Verlag
Ich atme aus.
Sehe vom riesigen Videoscreen wieder auf die Bühne. Desdemona
hat es hinter sich. Othello in Tarnhosen mit vielen Taschen, blutbespritztem
T-Shirt, schwarzen Locken, sagt etwas auf Griechisch. Ich
kann die Übersetzung auf der Leinwand mitlesen.
„Ha! Regst du dich nicht mehr? Still, wie das Grab. – Darf sie herein?
– Wär’s gut? –
Mir deucht, sie rührt sich. – Nein. – Was ist das Beste? Kommt sie, wird
sie nach meinem Weibe fragen. – Mein Weib! Mein Weib! – Welch Weib?
Ich hab kein Weib.“
Emilia betritt die Bühne. Desdemona hingesunken auf das Bett,
nackt, der Videoscreen an den Rändern immer noch blutrot. Emilia
spricht spanisch und trägt ein Kleidchen mit vielen bunten Blumen.
Ein rascher Dialog.
„Sie war wie Wasser falsch“, lese ich. Und: „Du bist wild wie Feuer,
wenn du sie der Falschheit zeihst: Oh, sie war himmlisch treu!“
Spiel um Intrige und Missgunst, Angst vor Fremdem, Liebe und Verrat.
Ich sehe so unauffällig wie möglich auf die Uhr. Das ist das Finale.
Dann gibt es eine Pause. Und dann wird das Ganze noch einmal, aber
anders erzählt. Hat mir Paulus Reisinger gesagt. Wir haben gestern telefoniert.
Ich kenne ihn natürlich als Kommissar aus dieser Krimiserie,
die sie vor ein paar Jahren eingestellt haben. Seither habe ich
nicht viel von ihm gehört. Ist wahrscheinlich nicht so einfach, danach
Rollen zu kriegen. Jetzt tourt er mit „Othellos Erben“ quer durch die
EU. Quasi als Sinnstück zur Europäischen Gemeinschaft und ihren
Krisen.
Ehrlich gestanden finde ich es ein wenig anstrengend, dass jeder
der Schauspieler in seiner Muttersprache redet. Aber klar, dabei kann
man sich eine Menge denken. Das Wiener Volkstheater ist jedenfalls
bis auf den letzten Platz ausverkauft. Reisinger hat gute Pressearbeit
gemacht. Und das Stück wird nicht nur von der EU, sondern auch von
unseren Regierungsparteien, von der Industriellenvereinigung und allen
Möglichen, die aus unterschiedlichsten Gründen etwas für ein gemeinsames
Europa übrighaben, unterstützt.
Jetzt steht Othello mit einigen anderen auf der Bühne. Auf dem
Videoscreen in Großaufnahme seine blutbefleckte Brust. Und der
Text: „Ich küsste dich, eh’ ich dir Tod gab – nun sei dies der Schluss: Mich
selber tötend sterb’ ich so im Kuss.“
Wieder Stahl und wieder alles blutrot.
Cassio redet deutsch. „Dies fürchtet’ ich – doch glaubt’ ihn ohne
Waffen: Denn er war hochgesinnt.“
Lodovico redet finnisch. Hört sich besonders seltsam an. SMS-Anzeige.
Ich habe mein Telefon natürlich auf lautlos gestellt, aber es
vibriert. Auf der Leinwand Meer, viel schön wogendes sonniges Meer,
quasi im Meer der hingesunkene Othello, darüber diffuse Gestalten.
„Euch, Herr Gouverneur, liegt ob das Urteil dieses höll’schen Buben;
die Zeit, der Ort, die Marter – schärft, o schärft sie ihm! – Ich will sogleich
an Bord, und dem Senat mit schwerem Herzen künden schwere Tat.“
Tosender Applaus. Ich klatsche mit. Ich glaube, der Einfall mit
dem Videoscreen hätte Shakespeare gefallen. Desdemona mit aufgerissenen
blauen Augen. Gemeuchelt von ihrem Mann, weil sie dummerweise
ein Taschentuch verloren hat. Und er sich von Jago einreden hat
lassen, dass sie ihn betrügt.
Ich stehe mit den anderen auf. Ich hoffe, es geht sich aus, dass ich
etwas zu trinken ergattere. Sehe aufs Telefon. Meine Freundin Vesna.
Die eigentlich neben mir hätte sitzen sollen. Hat sie auch ein Taschentuch
verloren? Und wenn schon. Ihr Valentin neigt nicht zu rasender
Eifersucht.
„Muss was überprüfen. Komme danach zu Empfang. Wenn ausgeht.
Vesna.“
Typisch für sie. Sie fasst sich kurz. Sie liebt es, wenn ich mehr wissen
möchte. Vesna ist seit mehr als zwanzig Jahren in Österreich. Ihr
Deutsch ist besser als das vieler Einheimischer. Aber noch immer verzichtet
sie gern auf „unnötige Zwischenworte“, wie sie das nennt. Damals,
im Bosnienkrieg und den Jahren danach, hatte sie keine andere
Chance, als illegal putzen zu gehen. Ihre Zwillinge waren trotzdem
gut in der Schule. Jana ist gerade dabei, ihr Studium abzuschließen.
Fran hat theoretische und praktische Computerwissenschaften studiert
und träumt nach einem Stipendium in den USA von der eigenen
Softwarefirma. Zwei junge Menschen mit eigenem Kopf und jeder
Menge Energie. Inzwischen hat Vesna die Staatsbürgerschaft und ein
Reinigungsunternehmen. Und dann hat sie noch ein Telefon für ganz
spezielle Aufträge. Eigentlich wäre sie ja gerne Privatdetektivin geworden.
Aber die Ausbildung ist ziemlich öde. Und sie hatte gar keine
Lust, untreue Ehefrauen zu beschatten. – Na gut. Hätte Othello seine
Desdemona beschatten lassen, dann hätte ihm der Detektiv wohl gesagt,
dass sie ohnehin treu ist. Und wäre der Detektiv auch noch gut
gewesen, dann hätte er ihn vor Jago gewarnt. – Was Vesna heute wohl
„überprüft“?
Zwei Frauen winken mir von Weitem zu. Auf diese Distanz sehe
ich nicht besonders gut. Ist schon lange so. Ich winke zurück. Wem
auch immer. Und drehe Richtung Buffet ab. Ein weißer Sommergespritzter.
Draußen ist zwar Oktober und das Wetter wechselt zwischen
viel zu warm und viel zu kalt für diese Jahreszeit, aber hier drin ist es
heiß. Ich mag das. Wenn ich etwas zu trinken kriege.
Ich bin gespannt, was sich Reisinger für die zweite Halbzeit ausgedacht
hat. Noch einmal Othello. Ehrlich gestanden hätte ich damit leben
können, dass das Liebespaar tragischerweise tot und Jago gefasst
ist. Und Aus und Ende und Abfahrt von Zypern.
Dass Othello hier von einem Zyprer gespielt wird, habe ich dem
Programmheft entnommen. Und dass der „Mohr“ bei Shakespeare nie
als Schwarzer, sondern als Maure, Araber oder Vergleichbares gedacht
gewesen sei. Eben als ein Dunkler, Fremder, Anderer. Ich werde Paulus
Reisinger beim Empfang nach der Premiere treffen.
Und vielleicht auch Vesna. Schade, dass sie die Aufführung verpasst.
Ich hätte gerne gewusst, was sie dazu sagt. Ich werde für meine
Reportage über den neuen Othello jedenfalls mit einigen der Mitwirkenden
reden. Desdemona kommt aus Schweden. Groß und blond
und schön. Am Ende nackt. Und tot.
Gerade als ich den ersten kräftigen Schluck von meinem Gespritzten
mache, kommt das Zeichen, dass die Pause aus ist. Viele Beflissene,
die sich an mir vorbeidrängeln.
„Gelungene Metapher“, höre ich und: „Wenn die EU nur so schön
wäre wie die Desdemona.“ – „Hast schon recht, sie müsste sexyer
sein.“ – „Kein Wunder, dass sie sich bei den vielen Sprachen nicht verstehen.“
– „Der arme Shakespeare kann sich nicht mehr wehren.“ –
„Wir haben für nachher im ‚Hold‘ einen Tisch bestellt.“ – „Ich hab gedacht,
der Reisinger spielt mit, mir hat er als Kommissar im Fernsehen
total gut gefallen.“ – „Der wird inzwischen auch ganz schön alt geworden
sein.“ – „Eigentlich hätte die eine EU-Kommissarin kommen sollen,
aber die haben gerade wieder irgendeine wichtige Sitzung, steht in
der Zeitung.“
Eine Stunde später sind wir wieder am Anfang angelangt.
Jago ruft auf Italienisch: „Erwacht; hallo! Brabantio! Diebe! Diebe! –
Nehmt Euer Haus in acht, Eu’r Kind, Eu’r Geld! He, Diebe! Diebe!“
Dahinter tauchen zwei in Schottenröcken auf, sie stellen einen
warnenden Chor dar und begleiten alles, was im Stück geschieht und
nicht geschehen sollte, mit ihren Kommentaren. Sie gleichen einander
wie ein Ei dem anderen. – Kunst der Maske? Zwillinge? „Und wieder,
wieder“, singsangen sie auf Griechisch, „erkennt, wer wirklich ist der
Dieb, und wehrt des falschen Hochmuts. Was einzig zählt, es ist die Lieb’.
Es ist die Lieb’. Und wieder, wieder.“ Auf dem Videoscreen wogendes
Meer und Othello und Desdemona Hand in Hand. Sozusagen Happy
End und Anfang zugleich.
Und wieder, wieder Applaus.
Tja, wenn sich bloß alle Missverständnisse durch einen schottischgriechischen
Chor vermeiden ließen. Ich suche den Weg zum Empfang.
Er soll auf der Bühne stattfinden. Ich lande in einer Garderobe.
Emilia, das heißt, die spanische Schauspielerin, deren Namen ich mir
nicht gemerkt habe, starrt mich an. Was, verdammt, heißt „Empfang“
auf Spanisch?
„Rezeption?“, stammle ich. Es klingt saudämlich.
Die Schauspielerin lacht. Deutet, dass ich wieder hinausmüsse und
hinunter in die Halle, sagt etwas in schnellem Spanisch, das ich nicht
verstehe. Mist, sie glaubt, ich will hinaus und habe mich verlaufen.
„No, Rezeption!“, sage ich, „Gracias.“
„Oh, recepción! Recibimiento! You want to go to the party?“
Ich nicke. Klar, Party. Das versteht man überall.
„You go with me. I am ready.“ Ihr Englisch hat einen charmanten
Akzent. Sie begleitet mich zur Tür hinaus. In welcher Sprache die
Schauspieltruppe miteinander redet, will ich von ihr wissen, als wir einen
schmucklosen Gang entlanggehen. Meistens Englisch, aber der
Italiener, der den Jago spielt, und sie sprechen spanisch miteinander.
Und der Zyprer und die Griechen natürlich griechisch. Und der Franzose
hat eine deutsche Mutter. „No Problem!“
Wenig später stehe ich mit einem Glas Prosecco am Bühnenrand. Die
Truppe feiert ausgelassen, es ist gesteckt voll. Einige Fotografen sind
da, auch unser „Magazin“ hat einen geschickt. Wir haben einander
zugewunken, das reicht. Unser Außenminister gibt der Society-Reporterin
ein Interview, rund um die Kamera stehen die Menschen
noch etwas enger. Vesna habe ich bisher nicht gesehen. Aber die findet
schon her. Da bin ich mir sicher. Gehört nahezu zu ihrem anderen
Job, alles Mögliche zu finden. Zu zweit ist es auf solchen Partys deutlich
lustiger. Schon allein deswegen, weil man dann besser über die
anderen Leute tratschen kann. Ich meine … diese alternde Soubrette,
die überall dabei ist und nun versucht, endlich vor die Kamera zu
kommen. Und der Autor, der ein Glas nach dem anderen leert, umgeben
von einigen, die ihm zuhören. Man kann ihm ansehen, dass ihn
Othellos Erben nicht eben beeindruckt haben. Oder hat er Magenschmerzen?
Ich sehe mich nach der Kellnerin um. Ein weißer Gespritzter wäre
mir lieber als Prosecco. Den liebe ich im Veneto, aber dort schmeckt
er auch eindeutig besser. So viel, wie auf der ganzen Welt verkauft
wird, kann unmöglich im kleinen Prosecco-Gebiet wachsen. Und abgesehen
davon: Hier hat es sicher dreißig Grad, da ist ein wenig Wasser
im Wein gar nicht dumm. „Na Servus!“ Ich drehe mich um und werde links
und rechts geküsst.
Anabel Fischer. Wir haben gemeinsam im „Magazin“ gearbeitet,
aber inzwischen ist sie, zumindest sieht sie das so, „aufgestiegen“:
Moderiert jetzt ein EU-Magazin im Fernsehen. Total langweilig. Und
besserwisserisch. So, als ob ihr immer klar wäre, was läuft, worum es
geht, was richtig, was falsch, was die Wahrheit ist.
„Na, wieder einmal auf Gesellschaftsreportage unterwegs?“, fragt
sie.
Ich habe als Lifestyle-Journalistin begonnen, aber inzwischen bin
ich seit Jahren Chefreporterin. Weiß sie natürlich. Wobei es ihr inzwischen
peinlich ist, überhaupt je beim "Magazin" gearbeitet zu haben.
Sie vergisst es gerne in ihrem Lebenslauf. Okay, bei uns gibt es viel
Boulevard, entsprechend hohe Verkaufszahlen und viel zu viel Werbung
für meinen Geschmack, aber auch etwas, das ich als ordentlichen
Journalismus empfinde. Mein Lieblingsfreund Droch, der Leiter
der Politikredaktion, hat viel damit zu tun. Auch ich bemühe mich.
Zumindest meistens.
„Oh“, antworte ich. „Darfst du jetzt Europa-Klatsch machen?“
Sie sieht mich säuerlich an. Seit ich sie zum letzten Mal gesehen
habe, hat sie sicher fünf Kilo abgenommen. Dabei war sie schon früher
alles andere als dick. „Die österreichische EU-Vertretung hat mich
eingeladen. Für meine Sendung ist das natürlich nichts. Gut gemeint,
bestenfalls. Aber mit einem mittelprächtigen Theaterstück durch die
EU zu tingeln, wird die europäischen Probleme nicht lösen.“
„Mittelprächtig? Du sprichst von Shakespeare?“
„Unter anderem. Ich halte ihn für ziemlich überschätzt. Ich meine,
sieh ihn dir bloß im Kontext seiner Zeit an: ein Boulevard-Schreiber,
einer, der wollte, dass ihn die Massen lieben. Er hat den Affen Zucker
gegeben, wenn du verstehst, was ich meine. Das funktioniert immer
noch. Und Reisinger …“ Sie verzieht den perfekt geschminkten Mund.
„Ein alternder Fernsehschauspieler. Vielleicht meint er es ja wirklich
gut, aber vor allem wird er wohl ein Engagement gebraucht haben.“
„Er hat das ganze Projekt entwickelt.“
„Und so ist es dann ja auch geworden.“ Anabel entdeckt den Autor,
der inzwischen mit bedeutsam gerunzelter Stirn an einer Bühnendeko-
Laterne lehnt, und rauscht davon. Ich hoffe, die venezianische Straßenlampe
ist massiv genug. Wobei es ganz witzig wäre, würde er damit
umkrachen. Und Anabel mitreißen. Vielleicht der einzige Weg,
um sie überhaupt zu bewegen. Wenn sie es nicht mag, gefällt mir das
Stück gleich noch besser. Und ich werde Reisinger mögen. – Wo ist er
überhaupt? Ich habe ihn bloß kurz gesehen, am Anfang, als er seinen
Darstellern zugeprostet hat. Natürlich sind auch andere auf die Idee
gekommen, über ihn und die Produktion zu schreiben. Ich sehe mich
um. Ewig will ich nicht bleiben. Zu Oskar habe ich gesagt, dass ich
spätestens um Mitternacht daheim bin. Ist natürlich keine Verpflichtung,
aber ein gemeinsames spätes Glas Wein wäre nett. Dazu, dass er
mitgeht, habe ich meinen Mann nicht gebracht. Er liebt Massenaufläufe
wie diesen hier nicht besonders. Außerdem war klar, dass ich
noch etwas arbeiten muss. Und er hängt momentan in einem ziemlich
komplizierten Fall drin. Irgendeine Firma, die mit einer anderen fusioniert
hat und jetzt erst draufkommt, an welchen zwielichtigen Subunternehmen
und Briefkastenkonstruktionen ihr Vertragspartner beteiligt
ist. Wir sind eben eigenständig geblieben. Zum Glück. Hält eine
Beziehung frisch, nicht dauernd alles gemeinsam zu machen.
Vesna hat es offenbar nicht geschafft, zu kommen. Ich gehe auf die
Suche nach Reisinger oder jemandem, der mich zu ihm bringen kann.
Und entdecke einen alten Bekannten. Hans Tobler. Autohändler, der
sehr erfolgreich Luxuswagen und amerikanische Oldtimer verkauft.
Vielleicht vertraut man ihm, weil er gar so unauffällig aussieht. Ein
wenig kleiner als ich, Schnurrbart, braun-grau melierte Haare, eher
schmächtig. Früher hat er einmal Schlagzeug gespielt. Vesna hat vor
einigen Jahren mit ihm geflirtet, zwischendurch hat sie ihn dann für
ziemlich verdächtig gehalten. Zu ihrem Geburtstag hat er ihr einen
Zulassungsschein für das absurde Motorrad besorgt, das meine Freundin
noch aus Bosnien mitgebracht hat. Mischmaschine aus allen möglichen
Teilen, Marke Eigenbau. Sehr laut, ziemlich schnell und, wenn
es nach mir geht, viel zu gefährlich. Tobler hätte ich hier nun wirklich
nicht erwartet. Er lächelt mir zu, stößt mit mir an. Eine dunkle Flüssigkeit
in einem Prosecco-Glas. Er trinkt offenbar noch immer keinen
Tropfen Alkohol. Er mag Cola. Passt ja auch zu Ami-Schlitten.
„Und was machst du hier?“, frage ich ihn.
„Feiern. Aber ich hab mir sogar das Theaterstück angesehen“,
grinst er. „Die Zwillinge im Schottenrock könnte man ganz gut brauchen.
So als weise Warner vor allem Möglichen.“
„Sind es wirklich Zwillinge?“ „Sogar eineiig. Kommen aus Griechenland.
Paulus hat gefunden,
Kilts würden genau passen. Und außerdem gibt’s ja griechische Soldaten,
die in Faltenröcken vor wichtigen Gebäuden stehen.“
„Paulus? Du kennst Reisinger?“
„Und ob. Erstens natürlich aus dem Fernsehen. Ich mag Krimiserien.
Haben so wenig mit der kriminellen Realität zu tun. Und dann
noch wegen ‚Sonnenblumen‘.“
„Weswegen? Klingt nach einem Code.“
Hans Tobler seufzt. „Hast den Film wohl auch nicht gesehen. Haben
die wenigsten. Eine Komödie, die er nach dem Ende der Krimiserie
gedreht hat. Er fährt darin einen wunderschönen offenen Mustang.
Habe ich ihm geborgt. Trotzdem ein Flop, das Ganze. Im Kino
ist der Film nicht lang gelaufen und im Fernsehen haben sie ihn im
Nachtprogramm versteckt. Dabei: So schlimm war er gar nicht. Ich
habe ihn eigentlich ganz lustig gefunden.“
Ich lache. „Noch nie etwas davon gehört, ich gebe es zu. – Und warum
bist du bei ,Othello‘ dabei? Oldtimer war keiner auf der Bühne.“
„Weil ich mich mit Paulus gut verstehe. Er ist ein interessanter Typ.
Vielseitig. Und weil ich die österreichischen Aufführungen sponsere.
Du solltest das Programmheft genauer lesen! ,US-Speed‘ steht gleich
neben dem Logo der EU. Und da soll noch einer sagen, dass ich kleiner
Mechaniker es nicht weit gebracht habe!“
„Und wie hat es dir gefallen?“
„Ziemlich gut. Ich mag Theater, wenn sich etwas abspielt. Und die
Sache mit der Riesenleinwand ist großartig. Weil sonst sieht man die
Details nur, wenn man einen Feldstecher oder so ein dämliches Opernglas
hat. Dieses Wahnsinnsgesicht der Desdemona! Und dann das Rot!
Alles rot! Und dass sie in allen möglichen Sprachen reden, stört mich
nicht. Weil so genau höre ich sonst auch nicht immer zu. Ganz abgesehen
davon, dass man nie alles versteht. Da ist der Text auf der Leinwand
praktisch. – Ich nehme an, du schreibst drüber?“
Ich nicke. „Hast du Reisinger schon gesehen?“
„Nur ganz kurz, beim Anstoßen. – Wie geht’s eigentlich deiner
Freundin Vesna Krajner?“
„Sie wollte heute Abend mit dabei sein, aber sie hat eine ihrer SMS
geschickt, bei denen mir nie klar ist, was wirklich los ist.“
„Ich finde, sie spricht hervorragend Deutsch. Und ihr leichter Akzent
ist richtig sympathisch.“
„Das hab ich nicht gemeint, nur dass sie es liebt, sich so kurz zu
fassen, dass ich mich ärgere, weil ich nichts erfahre.“
„Ist sie noch mit diesem Fernsehproduzenten zusammen?“
„Valentin Freytag. Klar.“
„Eine schöne Villa. Und jede Menge Stil. Das verstehe ich schon.
Darauf fliegen die Frauen.“
Die meisten Männer quatschen solches Zeug, wenn sie zu viel getrunken
haben. Oder wenn … Ich hatte damals den Eindruck, Tobler
sei ein wenig in Vesna verliebt. Jetzt streckt er sich, lächelt und winkt.
„Wenn man von der Sonne spricht …“, sage ich und winke auch.
Meine Freundin trägt ein eng anliegendes schwarzes Kleid, ganz
einfach geschnitten. Es ist so ein Ding, das nicht knittert. Sie hat es
immer im Auto und zieht sich dort bisweilen um. Praktisch. Ich würde
darin allerdings aussehen wie eine verbrannte Knackwurst. Sie kann es
sich leisten. Seit sie selbst nur mehr selten bei Kunden putzt, joggt sie.
Und das oft mehr als eine Stunde lang. Ich sollte auch wieder regelmäßig
laufen. Aber geht sich bei meinem Leben nicht so gut aus. Rede ich
mir zumindest ein. Tobler küsst Vesna auf die Wangen. „Sag nicht, du
hast das Stück gar nicht gesehen“, sagt er zu ihr.
Weiß er doch.
„Oh, da war keine Zeit. Sonderauftrag. Delikat.“ Sie lächelt geheimnisvoll.
Okay, sie macht so etwas nicht nur bei mir.
„Und?“, fragen wir beide.
Vesna deutet auf das Glas des Autohändlers. „Cola. Ist besser als
lauwarmer Sekt.“
„Kommt gleich“, sagt Tobler und schießt davon.
„Er hat nach dir gefragt“, sage ich.
„Und jetzt ich bin da“, antwortet Vesna ungerührt. „Was macht er
hier?“
„Herumstehen.“
„Ach so.“
Ich nehme einen Schluck. Wirklich warm. Aber trotzdem besser als
Cola. Vesna wirkt nicht, als wollte sie mehr wissen. Ich nehme noch einen
Schluck. Mist. Ich bin nicht gut bei so etwas. Ich will erzählen.
Und ich erzähle, woher der Autohändler Reisinger kennt. Tobler hat
unterdessen eine Kellnerin organisiert, die mit einem Tablett samt Cola-
Glas, einem Glas mit Eiswürfeln und einem Glas Rotwein kommt. „Weil ich
nicht genau wusste, was dir am liebsten ist“, sagt er in Vesnas
Richtung. „Wenn, dann trinkst du lieber Rotwein, nicht wahr?“
Sie sieht ihn verblüfft an. „Das hast du dir gemerkt? Stimmt. Aber
jetzt trinke ich Cola. Mit Eis.“
„Ich hätte gerne einen weißen Sommergespritzten“, werfe ich ein.
„Bitte“, sagt Tobler zur blonden Servierkraft und drückt ihr einen
Geldschein in die Hand. Wegen mir geht er nicht persönlich. Ich
schnappe mir das Glas Rotwein. Nur für den Fall, dass sie nicht wiederkommt.
Wir stoßen an.
„Und was war das für ein Sonderauftrag?“, will Tobler von Vesna
wissen.
„Ach“, meint meine Freundin, „so etwas Besonderes war es auch
wieder nicht. Alter reicher Knacker, ich darf Firma nicht nennen, aber
ist ziemlich groß, hat junge Freundin und will sich scheiden lassen.
Frau ist ziemlich sicher, dass ihn die Junge von vorne und hinten betrügt
und nur sein Geld will.“
Tobler nickt. „Eifersucht, klar.“
„Eben nicht. Sie sagt, wenn er noch einmal jung sein möchte, er
soll versuchen. Sie sind beide über siebzig. Aber er darf Firma nicht
schaden. Und sich selbst auch nicht.“
„Du nimmst ihr das ab?“, frage ich.
„Ja. Üblicherweise ich mag nicht nach Beziehungskram forschen,
aber in diesem Fall mir ist die Frau sympathisch. Hat viel zu großer
Firma beigetragen, arbeitet jetzt noch dort.“
„Und?“, fragt Tobler.
„Sieht so aus, als wäre alter Mann ziemlicher alter Depp“, grinst
Vesna.
„Nur weil er sich verliebt?“, kontert Tobler. „Ich war schon ein
paarmal ein Depp und nicht einmal alt. Aber insgesamt zahlt es sich
aus.“
Vesna sieht ihn spöttisch an. „Ach, ich erinnere mich. Superauto
von Ehefrau zwei oder drei, das herumgestanden ist, weil sie ein anderes
hat wollen. Und dann war sie ganz weg. – Es zahlt sich aus?“
„Oh, die hab ich beinahe vergessen“, sagt Tobler und lacht.
„Mira Valensky?“, fragt eine junge Frau. Ich nicke. „Paulus Reisinger
hätte jetzt Zeit für Sie. Er wartet dort drüben.“ Sie deutet in Richtung
der Kulissen.
Wir sitzen in einer Ecke hinter der Bühne. Zwei Stühle, ein Tischchen,
das wirkt, als wäre es eine Requisite aus einem Tschechow-
Stück. Oder einem von Schnitzler. „Hier haben wir Ruhe und kriegen
trotzdem mit, was bei der Party läuft“, hat Reisinger gesagt. Stimmengewirr,
viele Schatten, die sich vor den Kulissen hin und her bewegen,
ab und zu jemand, der kommt und dann wieder abdreht. Reisinger
gibt mir das Pressematerial, das ich ohnehin schon in der
Redaktion habe, redet begeistert von der „europäischen Dimension“
seines Projekts. Und davon, dass letztlich auch die EU-Finanzkrise
eine Vertrauenskrise à la Shakespeare sei. Das Licht hier ist nicht besonders
gut. Es wirkt, als hätte er sich ganz gut gehalten. Sieht kaum
älter aus als damals in der Fernsehserie. Vielleicht hat er eine Spur zugelegt.
Aber ein richtig schlanker Typ war er ohnehin nie. Die Haare
noch immer dunkel, gerade so lang, dass es nicht affig wirkt. – Färbt
er sie?
„Soll ich einen Fotografen organisieren?“, fragt er.
„Wir haben jemanden da. Und meine Lieblingsfotografin war bei
der Generalprobe dabei. Ich mag die klassischen Interviewbilder nicht
so.“ Ich lege mein Telefon auf das Tischchen zwischen uns, schalte die
Aufnahmefunktion ein und deute darauf.
Er lächelt. „Schon in Ordnung, ich muss nicht groß im Bild sein.
Außerdem wirkt man in der Bewegung ohnehin meist besser. – Zumindest
dynamischer.“
Scheint ein wenig eitel zu sein. Aber wer ist das nicht. Als Schauspieler
ist es vielleicht geradezu Berufsvoraussetzung.
„Sie sind siebenundfünfzig? Oder fragt man so etwas nicht?“ Offenbar
ist mir das Glas Rotwein nach dem warmen Prosecco ein wenig
zu Kopf gestiegen. Dabei wollte ich doch nett zu ihm sein. Schon wegen
der Fernseh-Zicke Anabel.
Er sieht mich irritiert an. „Korrekt. – Ich meine, das Alter. Nicht,
dass man nicht fragt. Warum nicht? Steht ja auch überall. Und lässt
sich nicht verbergen.“
Ich lächle. „Sie sind gut in Form.“
Paulus Reisinger seufzt. „Und jetzt kommt wieder der Kommissar
Hinter. Alle vergleichen mich mit meinem Bild von damals. Dabei ist
das fünf Jahre her. Und ich hab eine Menge gemacht inzwischen.“
„So eine Rolle prägt eben. – Und ich weiß: Sie haben eine Komödie
gedreht. ‚Sonnenblumen‘.“Er sieht mich nicht eben begeistert an. „Wollten Sie mit mir nicht über ‚Othellos Erben‘ reden?“
„Klar, ich möchte bloß, dass Sie wissen, dass ich schon weiß, was
Sie gemacht haben.“ Oh, meine Güte. Dieses Interview hat gar nicht
gut begonnen. Ich sollte mich dem Getränk mit der dunklen Farbe
annähern, in dem kein Alkohol ist.
„Ich weiß, dass das Müll war“, kommt es zurück. „Es war das
Schlimmste, was ich je gedreht habe. Aber wenn so eine Serie ausläuft,
dann hat man plötzlich nicht sehr viele Optionen. Dafür Existenzängste.
Und zwei Exfrauen, die Geld haben wollen.“
Ich lächle ihn beruhigend an. „Verstehe ich gut. Ich hab den Film
nicht gesehen, Hans Tobler hat mir davon erzählt. Ihm scheint er übrigens
gefallen zu haben.“
Paulus Reisinger entspannt sich. „Woher kennen Sie Hans? Ich
mag ihn sehr. Ganz abgesehen davon, dass ihm am Film sicher sein
Mustang am meisten gefallen hat. Der war besser als ich und der Rest
zusammen.“
„Wissen Sie, dass er in jungen Jahren Schlagzeug gespielt hat? Dass
er davon geträumt hat, mit einer Band Erfolg zu haben?“
Reisinger nickt langsam. „Er hat mir einmal davon erzählt. Auch
davon, dass sich sein Bandkollege umgebracht hat. Und von der hochtalentierten
jungen Sängerin. – Er spielt jetzt übrigens in einer Hobby-
Formation, und zwar hervorragend. Alte Schlager, ein bisschen Jazz.
Ich würde sehr gern etwas mit ihm gemeinsam machen. Aber das
nächste Jahr ist noch für ,Othello‘ reserviert.“
„Diese Produktion ist Ihnen besonders wichtig, nicht wahr?“
Er nickt und lächelt. „Und stattdessen rede ich vom Alter und der
Vergangenheit.“ Er sieht sich um. „Irgendwo muss ich mein Glas verloren
haben. – Ich bin begeistert von der Idee, die hinter diesem Theaterstück
steht. Nicht, dass man nicht vieles besser umsetzen könnte …
Das hab ich heute schon in mehreren Interviews erklärt …“
„Die Kulturjournalisten waren nicht alle begeistert?“
Er lacht. Ein offenes, fröhliches Lachen. „So kann man es sagen. –
Susi!“ Die junge Frau, die mich zu ihm gebracht hat, kommt näher.
„Was hätten Sie gerne zu trinken?“, fragt er mich.
„Einen Sommergespritzten, wenn es geht.“
„Wunderbar. Bitte, Susi. Am besten einen Literkrug und zwei Gläser.“
Ich muss ihn erschrocken angesehen haben. „So lange …“
Er lacht schon wieder. „Keine Sorge, ich lasse Sie schon bald wieder
aus. Aber ich hab Durst.“
„Mir hat die Idee mit dem Videoscreen sehr gut gefallen. Dieses
Rot, wenn Desdemona stirbt …“
„Und es ist ganz wichtig, dass alle in ihrer Muttersprache reden.
Sie verstehen sich und verstehen sich nicht. Aber es gibt Mittel und
Wege, dass alle einander verstehen. Sie sind simpel: hinsehen, zuhören.
Das Andere akzeptieren. Neid nicht zulassen und allen misstrauen, die
das Vertrauen zueinander zerstören wollen. Darum geht es! Auch im
vereinigten Europa! Gerade jetzt!“
Wenn das keine Euphorie ist. „Noch immer stecken einige Staaten
in einer schweren Krise. Gar nicht zu reden von der Jugendarbeitslosigkeit,
neuen Rechtsradikalen wie in Griechenland oder Ungarn,
den Streiks, den gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die EU wirkt da
nicht besonders kompetent“, gebe ich zu bedenken.
„Die Finanzkrise ist eines. Dafür bin ich kein Experte. Aber ich
kann Ihnen sagen, dass viele selbst hier in der besten Absicht gehandelt
haben. Nicht, um sich zu bereichern, sondern um Geld für die
Gemeinschaft, fürs Gemeinwohl zu lukrieren. Blauäugig, das kann
schon sein, und sicher hat es auch Abzocker gegeben. Aber das, gegen
das wir jetzt antreten müssen, ist die Vertrauenskrise.“
„Sie meinen, die Deutschen sollten den Griechen endlich glauben,
dass sie ihr Geld samt Zinsen zurückbekommen?“
„Was weiß ich, über das Geld müssen Sie mit jemand anderem reden.
Aber wir müssen solidarisch sein. Und in die Kraft eines einheitlichen
Europa vertrauen. Ich meine: Was gibt es Besseres, als nach den
großen Kriegen endlich zu begreifen, wie nahe wir einander sind und
wie gut wir mit all unseren verschiedenen Möglichkeiten gemeinsam
leben können? Dann hätten die Rechten viel weniger Zulauf.“
„Und deswegen haben Sie ‚Othellos Erben‘ gemacht und spielen es,
mit Unterstützung der EU, in beinahe allen EU-Staaten.“
Es hat wohl ein wenig spöttisch geklungen, aber auf schwärmerische
Begeisterung reagiere ich einfach so. Er sieht mich erschrocken
an. „Ich weiß schon, dass ein Theaterstück nicht die Welt verändern
kann. Aber es kann eine Idee von der Welt sichtbar machen. – Wenn
es gut geht. Jede und jeder sollte dazu beitragen, was möglich ist.
Das Stück ist mein Anteil. Mag sein, nicht gut genug. Mag sein, zu politisch.
Oder zu wenig politisch. Mit zu vielen Metaphern. Oder zu heutig.
Hab ich alles schon durchklingen gehört, bei den Journalistenfragen,
den Kritiken und Reportagen.“
„Das Publikum heute war doch ziemlich begeistert. Und in Italien
und Deutschland hat es sehr positive Kritiken gegeben“, tröste ich ihn.
„Ja. Und es war mir schon klar, dass nicht alle jubeln werden. Die
EU ist nicht besonders beliebt. Da kannst du mehr mit einem kritischen
Chaosstück reißen. Aber was passt besser als der alte Othello!
Dazu noch Zypern! Die Insel der Aphrodite! Ihre wechselvolle Geschichte!
Krise! Hoffnung! Deswegen hab ich das Stück dann noch
mal, verkehrt herum, erzählt. Damit klar ist: Wenn wir mit geschärften
Sinnen und offenem Herzen durchs Leben gehen, dann kann man
Gefahren umschiffen, verhindern. Liebend bleiben.“ Er starrt mich an.
„Liebend bleiben“, wiederhole ich. „Das klingt schön.“
„Und deswegen auch der Chor, den ein paar Kritiker so verspottet
haben. Ein griechischer Chor! Was für ein Zeichen! Das alte Kulturvolk
wird wieder in seiner Weisheit sichtbar gemacht! Die Klugen, die
warnen! Im Gegensatz zu den Geldverschwendern, Misswirtschaftern
und Nehmern und Verlierern und Radikalen, als die die Griechen in
den letzten Jahren überall dargestellt wurden!“
Ich nicke und verkneife mir die Frage nach den Schottenröcken.
„Am Schluss des Stücks stehen Othello und Desdemona wieder
am Anfang, sie haben noch eine Chance … Jeder sollte immer wieder
eine Chance haben!“
Ich nicke. „Waren Sie immer schon so begeistert vom gemeinsamen
Europa?“
„Ich sehe natürlich auch die Fehler, die Unzulänglichkeiten. Aber
die EU ist viel besser als ihr Ruf. Und ich möchte von ihren faszinierenden
Möglichkeiten erzählen. Friede, sozialer Ausgleich. Das alles ist
drin, wenn wir an uns glauben. Als Europäer.“
Was hat Anabel gesagt? Vielleicht meine er es ja wirklich gut, aber
vor allem werde er ein Engagement gebraucht haben. Wirkt nicht, als
könnte man diese Begeisterung vortäuschen. Ich frage trotzdem: „Wie
lange sind Sie mit dem Stück unterwegs? Wer finanziert es?“ Gehört
einfach zum journalistischen Handwerk. Und bringt ihn vielleicht
wieder ein wenig auf den Boden.
Er runzelt die Stirn. „Vorstellungen in vierzehn EU-Ländern sind
schon fix, mit anderen gibt es Verhandlungen. Die EU hat dafür die
Basis-Finanzierung aufgestellt, aber wir brauchen vor Ort zusätzlich
Sponsoren. Oder eben Gelder der Theater, in denen wir spielen. – Eines
ist jedenfalls klar: Das ist kein Propagandastück, wie auch schon
zu lesen war! ,Othello‘! Ich bitte Sie! Es geht ja gerade darum, was alles
passieren kann, wenn Gier und Verrat und Vorurteile und falsch verstandene
Ehre wichtiger werden als die Liebe!“
Ich nicke. Ich habe mein Glas ausgetrunken. Im Krug sind gerade
noch zwei Zentimeter Flüssigkeit. Ich habe gar nicht bemerkt, wann
Reisinger sich nachgeschenkt hat. „Danke“, sage ich. „Auch für den
Gespritzten.“
„Sie … schreiben keine klassische Theaterkritik, oder?“
„Nein, es wird eine Reportage über das Projekt, als Teil unserer Serie
über die Menschen in der EU. Ich fliege übrigens demnächst nach
Zypern. Ich werde über das alltägliche Leben der Zyprer nach dem
Bankenzusammenbruch schreiben.“
Paulus Reisinger strahlt mich an. „Zypern. Wunderbar. Meine
Liebste lebt dort. Zumindest seit einiger Zeit. Meistens. Sie ist die Leiterin
der EU-Taskforce zur Umsetzung des Hilfsprogramms.“
„Der Sparpakete.“
„Ja, das auch.“
„Sie ist Österreicherin?“
„Nein, Deutsche.“
„Sehr beliebt sind die dort nicht, soviel ich weiß.“
„Dagmar schon. Sie sollten sie unbedingt treffen. Ich werde das arrangieren!
Wann fliegen Sie? Übernächste Woche bin ich dort!“
„Kann sein, dass wir uns sehen. – Hat Ihre Europa-Begeisterung
mit Ihrer Dagmar zu tun?“
„Nein, oder doch … aber anders. Ich hatte die Idee mit dem Stück
und war in Brüssel, um dafür Geld aufzutreiben. Und da ist sie mir
über den Weg gelaufen. Es war die berühmte Liebe auf den ersten
Blick. Noch nie im Leben …“ Er starrt mich wie ertappt an. „Aber das
wollen Sie wohl nicht so genau wissen.“
„Und da waren zwei Lieben vorher, nicht wahr?“
„Woher wissen Sie?“
„Sie haben davon erzählt. Und dass Sie zahlen müssen. Obwohl Sie
wenige Engagements hatten.“
„Oh. – Werden Sie das schreiben?“
„Nein. Aber Ihre Freundin in Zypern würde ich gerne erwähnen.“
„Ich weiß nicht …“, kommt es langsam zurück. „Es ist kein Geheimnis.
Aber da sollte man sie fragen. Sie ist eine hochrangige EUBeamtin.
Da ist man besser vorsichtig. – Die Finanzierung des Stücks
hatte übrigens gar nichts mit ihr zu tun. Die lief über den Wirtschaftsund
Sozialausschuss.“ Er zieht eine Visitenkarte aus seiner Jackentasche
und kritzelt eine E-Mail-Adresse darauf, lächelt wieder.
„Also, bitte: Fragen Sie sie. Und besuchen Sie uns! Das wäre großartig!
Es gibt so viel zu erzählen über dieses Land! Ich habe Hans auch
schon gesagt, dass er endlich einmal kommen muss!“
„Er ist sicher noch irgendwo hier auf der Party. Und ich nehme an,
meine Freundin ebenso. Gehen wir sie doch einfach suchen.“
Reisinger schüttelt den Kopf. „Ich habe noch ein letztes Interview.
Ich mache, was ich kriegen kann. Für unser Projekt. Schon möglich,
dass gewisse Leute das lächerlich finden. Aber ich bin eben so.“
„Ich finde es gar nicht lächerlich. – Vielleicht bis später.“
Die Fete ist noch in vollem Gang. Ich weiß nicht so recht, was ich von
Reisinger halten soll. Ein bisschen viel Emotion. Besser, dass Vesna
nicht mit dabei war. Sie schätzt übertriebene Gefühlsausbrüche noch
weniger als ich. Wo steckt sie? Die Soubrette hat sich in einen der wenigen
Sessel gesetzt und sieht schon ein wenig derangiert aus. Kein
Problem. Keine Kamera mehr in Sicht.
Ich gehe nach vorne bis zum Bühnenrand. Was muss das für ein
Gefühl sein, hier zu stehen und zu deklamieren? „Ha! Regst du dich
nicht mehr? – Mich selbst tötend sterbe ich nach deinem Kuss.“ Oder so
irgendwie. Nicht gerade ein Lustspiel. Aber Reisinger hat es umgedeutet.
So, dass es noch Hoffnung gibt. Samt Griechen im Schottenrock.
– Warum nicht?
Erschrocken bemerke ich, dass im Zuschauerraum einige Leute
sind und mich anstarren. Ich kneife die Augen zusammen. Vesna. Und
der Autohändler. Ich gehe zu ihnen nach unten.
„Party ist von da viel besser“, sagt Vesna.
„Und man kann sitzen“, ergänzt Hans Tobler. „Wie war das Interview
mit Paulus?“
„Er ist … nett. Und er gehört zu den wenigen, die sich noch so
richtig für eine Sache begeistern können.“
„Er ist Schauspieler.“
Ich sehe ihn irritiert an.
Tobler lacht. „Damit will ich nicht sagen, dass er das bloß spielt.
Sondern dass ein Schauspieler fähig sein muss zu den großen Gefühlen,
damit er sie spielen kann.“
Vesna nickt und lächelt ihn an.
„Er hat gemeint, du sollst ihn dringend in Zypern besuchen. –
Kennst du seine Freundin? Sie ist für die EU dort.“
„Er hat mir von ihr erzählt, genau gesagt erzählt er eigentlich immer
von ihr, wenn er nicht gerade über sein ,Othello‘-Projekt redet.
Ich habe selten jemand getroffen, der so verliebt ist.“
„Sehr lange scheinen sie einander noch nicht zu kennen.“
„Ist schon richtig. Ein Jahr oder so. Er ist einer, der mit Beziehungen
bisher kein großes Glück hatte. Er war mit dieser Deborah Weiss
verheiratet, du kennst sie sicher aus allen möglichen Fernsehserien.
Und als das mit dem Kommissar vorbei war, ist sie mit dem erstbesten
Regisseur abgehauen. Jetzt kriegt sie sogar Unterhalt. Sie hat dem Gericht
klargemacht, dass sie wegen ihm auf viele Engagements verzichtet
hat. Dass sie immer seine Karriere vor ihre gestellt hat. Was ein totaler
Quatsch ist.“
Irgendwie erinnere ich mich an die Geschichte sogar, ging durch
alle Klatschmedien.
„Na ja. Jetzt scheint er sein Glück gefunden zu haben.“
„Deutsche EU-Beamtin. Auf Erstes klingt nicht besonders spannend“,
mischt sich Vesna ein.
„Noch dazu eine, die die Hilfsgelder und die Sparpakete überwacht“,
ergänze ich.
„Vielleicht hat er es gern streng?“, grinst Vesna.
„Sie ist sogar die Chefin in dem Hilfszirkus. Bevollmächtigte der
EU oder so“, murmelt Hans. „Ich hab mich auch schon gefragt, wie
Paulus zu der gekommen ist. Andererseits: Es muss schon welche geben,
die auf unser Geld aufpassen.“
Ich lache. „Reisinger scheint viel Sympathie für die Griechen und
Zyprern zu haben.“
„Weiß ich, manchmal ist er eben ein wenig naiv. Wobei eines klar
ist: Die Hilfsgelder sind Kredite. Und wenn Zypern sie zurückzahlt,
dann bekommt die EU sogar Zinsen. Nicht sehr viel, aber immerhin.
Die Frage ist bloß, ob sie zurückgezahlt werden.“
„Darüber wird Reisingers Liebste schon wachen. Und er steuert die
großen Gefühle bei. Eigentlich keine üble Mischung.“
© Folio Verlag
... weniger
Autoren-Porträt von Eva Rossmann
Eva Rossmann, 1962 geboren in Graz, lebt im Weinviertel/Österreich. Verfassungsjuristin, politische Journalistin, seit 1994 freie Autorin und Publizistin. Seit ihrem Krimi Ausgekocht auch Köchin in Manfred Buchingers Gasthaus "Zur Alten Schule". Drehbuchautorin, Gastgeberin der ORF-TV-Talk-Sendung "Club 2". Zahlreiche Sachbücher. Österreichischer Buchliebling in der Kategorie Krimi & Thriller.
Autoren-Interview mit Eva Rossmann
Eva Rossmann im Gesprächmit ihrem Lektor Joe Rabl
„ALLES ROT“ spielt in Wien, auf Zypern und in Brüssel:
ein Europa-Krimi?
Ganz sicher! Wir leben ja alle in unserer eigenen kleinen Welt
und sind trotzdem Teil der größeren. Und alles, was wir tun
oder nicht tun, wie wir denken, handeln und wählen, hat Auswirkungen
… Es interessiert mich, wie wir mit den Folgen der
Finanzkrise umgehen. Und ganz abgesehen davon, mag ich
Zypern und Brüssel.
Was hat ein Bürgermeister einer kleinen Weinviertler
Gemeinde mit der globalen Finanzkrise zu tun?
Uns allen wurde jahrelang eingeredet, dass jeder dumm ist,
der nicht nimmt, was er kriegen kann. Man hat spekuliert.
Auch in den Gemeinden. Oft gar nicht, um sich persönlich zu
bereichern, sondern um genug Geld für Projekte zu haben.
Aber jetzt tun viele so, als wären bloß „die anderen“ die
Zocker gewesen.
Was ist die Zielrichtung des Krimis? Die Finanzkrise?
Die EU? Habgier und Größenwahn? …
Ich will eine spannende Geschichte erzählen von einer europäischen
Schauspieltruppe, deren Initiator an das Gute in
Europa glaubt und vor einer fatalen Vertrauenskrise warnt.
Bis er dann selbst in so eine schlittert …
Was kann man mit einem Roman bewirken? Ein paar
Vorurteile hinterfragen? Für aktuelle Themen sensibilisieren?
Oder bloß gut unterhalten?
Im allerbesten Fall kann ich über ein kleines Stückchen unserer
aktuellen Welt erzählen, unterhalten und trotzdem zum
Denken anregen. Ich kann hinter den schönen Schein schauen
und ein wenig deutlicher machen, was dahinter lauern könnte
… und ich hoffe, es gelingt mir, das eine oder andere Klischee
aufzudecken. Wobei der erhobene Zeigefinger in einem
Krimi
... mehr
wirklich gar nichts verloren hat. Es soll schon den
Leserinnen und Lesern überlassen bleiben, sich ihre eigene
Meinung zu bilden …
Was ist Miras Lieblingsrezept in „ALLES ROT“?
Hm, schwierig … aber eigentlich ist es etwas ganz Einfaches:
Das Tsatsiki mit viel frischer Minze und Knoblauch. Wenn es
dazu dann noch eine der wunderbaren zyprischen Kartoffeln
gibt … köstlich!
© Folio Verlag
Leserinnen und Lesern überlassen bleiben, sich ihre eigene
Meinung zu bilden …
Was ist Miras Lieblingsrezept in „ALLES ROT“?
Hm, schwierig … aber eigentlich ist es etwas ganz Einfaches:
Das Tsatsiki mit viel frischer Minze und Knoblauch. Wenn es
dazu dann noch eine der wunderbaren zyprischen Kartoffeln
gibt … köstlich!
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Bibliographische Angaben
- Autor: Eva Rossmann
- 2014, 272 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Folio, Wien
- ISBN-10: 3852566487
- ISBN-13: 9783852566481
- Erscheinungsdatum: 22.08.2014
Kommentar zu "Alles rot / Mira Valensky Bd.16"
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