Königreich der Schatten
Clare Royland, die kinderlose Frau eines Londoner Bankiers und Erbin des schottischen Schlosses Duncairn, wird in ihren Träumen von teilweise dramatischen Ereignissen gequält, die ihrer Urahnin Isobel gehören. Nach einem Streit mit ihrem...
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Produktinformationen zu „Königreich der Schatten “
Clare Royland, die kinderlose Frau eines Londoner Bankiers und Erbin des schottischen Schlosses Duncairn, wird in ihren Träumen von teilweise dramatischen Ereignissen gequält, die ihrer Urahnin Isobel gehören. Nach einem Streit mit ihrem Mann flüchtet Clare in ihr Schloss nach Schottland, wo sie sich in Neil Forbes verliebt. Doch leider hat sie nicht mit ihrem Nochehemann gerechnet, der nun sein wahres Gesicht zeigt. Er will Clare wegen ihrer Alpträume für unzurechnungsfähig erklären lassen, um so an ihr Erbe zu kommen. Die Lage scheint hoffnungslos.
"Eine wirklich außergewöhnliche Erzählerin."
The Times
Lese-Probe zu „Königreich der Schatten “
Königreich der Schatten von Barbara Erskine
»Du bist Paul gegenüber wirklich sehr unfair! «
Gillian Royland griff nach ihrem Glas und nippte an dem Fruchtsaft. Sie schob die Sonnenbrille hoch und betrachtete ihre Schwägerin unter dem Schatten des Hutes hervor mit kurzsichtigen Augen. »Willst du etwa keine Kinder?«
»Du weißt, daß ich welche möchte.« Clare musterte den gewölbten Bauch der schwangeren Frau unter dem teuren maßgeschneiderten Badeanzug, dann legte sie sich wieder auf das Handtuch, machte die Augen zu und ließ eine Hand in den Pool baumeln, wo sie das seidige Wasser an den Fingerspitzen fühlte. Sie waren im Garten von Buckster's, Clares Landhaus.
»Warum läßt du dann keinen Test machen, um festzustellen, woran es liegt? «
Clare seufzte. »Paul und ich waren beide bei Dr. Stanford.«
»0 ja, ein Schwätzchen mit deinem Hausarzt.« Gillian zog sich höher auf die gepolsterte Liege. »Was weiß der denn schon davon? Ich hab' dir doch gesagt, du mußt zu meinem Gynäkologen in der Harley Street gehen.«
... mehr
»Mit mir ist alles in Ordnung, Gill.« Clare ballte im Wasser die Faust, sie wollte nicht über die Fragen, die Tests und die Demütigungen sprechen, die sie und Paul schon über sich ergehen lassen mußten. »John Stanford hat gesagt, ich soll lernen, mich etwas besser zu entspannen, das ist alles.«
»Und deine Reaktion darauf ist, daß du zu diesem verrückten Guru gehst! «
»Er ist kein Guru! « Clare richtete sich erbost auf und schüttelte das nasse Haar aus dem Gesicht. »Er unterrichtet Yoga. Millionen Menschen lernen Yoga. Daran ist nichts Schlimmes. Du solltest es auch versuchen. Ja, sogar in deinem Zustand! «
»He, beruhige dich.« Gillian zog sofort die Sonnenbrille auf die Nase, als wollte sie jeder Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Amüsiert musterte sie ihre aufbrausende Schwägerin. »Du mußt wahrhaftig lernen, dich zu entspannen.« Als Clare nicht reagierte, machte sie einen weiteren Vorstoß, da sie sich hinter der Brille offenbar sicher fühlte. »Zwischen dir und Paul ist doch alles in Ordnung?«
Die Frage hing einen Moment in der Luft. Clare schlang die Arme um die Knie und zog die Schultern ein, als ein kalter Wind über sie hinwegstrich. Ein paar Blätter wurden von der Buchenhecke in das ruhige blaue Wasser geweht. »Was sollte sein?« fragte sie schließlich.
Gillian betrachtete sie verstohlen. »Nur so. Ihr kommt doch beide zu unserer Party am Samstag, ja?« Der Themenwechsel kam so unvermittelt, daß Clare erstarrte.
»Wenn Paul sich dieses Wochenende in London freimachen kann.« Clare stand plötzlich mit müheloser Anmut auf und blieb einen Augenblick am Rand des Pools stehen, wobei sie sich des kritischen Blicks ihrer Schwägerin bewußt war. Dann sprang sie ins Wasser. Die Kälte war beißend, belebend und schon vom Herbst berührt, der in der Luft lag. Es war der erste Oktober.
Als sie sich an der Leiter am anderen Ende des Pools hochzog, zitterte sie am ganzen Körper.
»Er ist immer noch wütend über das Testament deiner Großtante, nicht?« Gillians kühle Stimme ließ Clare, die sich gerade nach dem Handtuch bückte, abrupt aufschrecken.
»Hat er dir das gesagt?« Clare drehte sich um und sah sie an.
»Eigentlich hat er es David gesagt. Aber wir haben vermutet, daß etwas faul ist. Alle haben gedacht, sie würde dir und David jeweils die Hälfte ihres Vermögens hinterlassen.«
»Das geht keinen etwas an!« antwortete Clare.
»Ach komm schon, wir sind doch eine Familie.« Gillian stand langsam auf. »Paul hat doch keine Geldsorgen, oder?«
»Paul?« Clare, die die Frage sichtlich schockierte, sah sie nur an. »Wie kommst du denn darauf? «
Die beiden Frauen sahen einander einen Moment an, bis Gillian sich unbehaglich abwandte. »Nichts. Nur so. Er schien nur völlig aus dem Häuschen zu sein, darum.«
»Das war meinetwegen.« Clare frottierte sich heftig das Haar. »Er dachte, es würde mir etwas ausmachen.«»Und? «
Clare schüttelte den Kopf. »Ich wollte immer nur Duncairn, mehr nicht.«
Sie stand noch lange draußen, nachdem Gillian gegangen war, und sah in den Pool, während eine neuerliche Böe goldene Blätter in den Pool wehte. Selbstverständlich hatte ihr die Sache mit dem Geld etwas ausgemacht. Sehr sogar. Es hätte ihr die Freiheit gegeben.
Sie trocknete sich träge ab und ließ das Handtuch fallen, als die Brise nachließ und die Sonne hervorkam und ihre kühle Haut wärmte. Sie strich mit den Händen stirnrunzelnd an ihrem schlanken Körper hinab und dachte an den geschwollenen, fruchtbaren Leib ihrer Schwägerin, als sie feststellte, daß eine Frau im Tor in der hohen Hecke aufgetaucht war, die den Bereich des Pools umgab. Sie winkte. »Komm schon, Sarah, geh schwimmen, solange die Sonne noch scheint«, rief sie.
Sarah Collins runzelte die Stirn. Sie war eine große, gut-
gekleidete Frau Anfang Fünfzig und trug eine Schürze über dem Rock. In einer Hand hielt sie ein Bündel Briefe.
»Die Post kam gerade, als Lady Royland gegangen ist«, rief sie zurück. »Ich dachte mir, ich bringe Ihre heraus. Ich kann jetzt nicht schwimmen. Ich habe heute morgen viel zu tun.«
Clare fragte sich, ob sie sich die schwache Betonung der letzten Worte eingebildet hatte: die unausgesprochene Andeutung, daß Clare natürlich überhaupt nichts zu tun hatte.
Clare lächelte sie entschlossen an. »Ich bin sicher, die Hausarbeit kann warten, Sarah. So schöne Tage werden wir nicht mehr viele haben.«
Sie wußte, daß die Frau nicht schwimmen würde. Sie schwamm nie. Obwohl sich Clare alle Mühe gab, Freundschaft mit ihr zu schließen, schien Sarah Collins entschlossen, distanziert zu bleiben, Demarkationslinien zu ziehen. Herrin und Dienerin. Hausherrin und Haushälterin. Auch Vertraute — das gehörte traditionell zur Rolle dazu —, aber ohne irgendwelche Gegenleistungen und daher keine echte Freundin. Niemals.
Clare griff achselzuckend nach dem Handtuch und trocknete sich die Hände ab, dann nahm sie die Briefe. Sie blätterte sie desinteressiert durch und warf sie auf den weißgestrichenen schmiedeeisernen Tisch.
Sarah ging schon wieder ins Haus. Das Tor fiel zu, und Clare war wieder allein. Sie schenkte sich seufzend Saft aus dem Krug auf dem Tisch ein, trank aber nicht. Statt dessen ging sie zur Matte am Rand des Pools. Sie würde zwanzig Minuten Yogaübungen machen, so lange ihr Körper noch sauber und belebt und vom Schwimmen entspannt war.
Sie zog den Bikini aus und setzte sich nackt anmutig auf die Matte. Tief durchatmend machte sie die Augen zu und entspannte sich bewußt, Muskel für Muskel, Glied für Glied; sie ließ ihren Verstand wandern, während sie die Beine langsam zum ersten Asana anzog.
»Yoga, Meditation, Entspannung. Erstklassig, meine Liebe. Alles erstklassig.« Sie konnte John Stanfords leicht väterliche Stimme immer noch hören. »Wenn es Sie entspannt und den Streß beseitigt. Keine Bange, die Tests werden beweisen, daß alles in Ordnung ist. Wenn die Natur der Meinung ist, daß Sie bereit sind, werden Sie empfangen, und keinen Augenblick vorher. Wir können das nicht beschleunigen. «
»Aber ich muß nicht ins Krankenhaus oder so?« Sie hatte Schlimmeres als diese Tests erwartet; einen Termin im Krankenhaus und so weiter. Kein Schulterklopfen wegen ihrer Yogaübungen.
Er hatte den Kopf geschüttelt. »Sie haben fünf Jahre die Pille genommen, Clare. Es dauert seine Zeit, bis Ihr Körper sich wieder umgestellt hat. Ich bin ganz sicher, mehr ist es nicht. Übt Paul Druck auf Sie aus, Teuerste? Möchte er einen Sohn und Erben und so weiter? Ich werde mit ihm darüber reden. Überlassen Sie das nur mir.«
Damit war das erledigt. Aber Pauls Familie mit ihren Kindern war wie ein stummer Vorwurf. Gillian hatte drei, ein viertes war unterwegs; Chloe, ihre andere Schwägerin, zwei; und sogar Em, ihre beste Freundin, Pauls jüngste Schwester, hatte Julia.
Auf dem Rückweg zum Haus — sie hatte, Sarahs Empfindlichkeit wegen, den Bikini wieder angezogen — las sie den ersten Brief.
Wir wurden darüber informiert, daß Sie Besitzerin von Hotel, Schloß ... und umliegenden Ländereien des Anwesens Duncairn in Schottland sind. Unser Klient hat angedeutet, daß er daran interessiert wäre, das oben genannte Anwesen als Ganzes zu kaufen ... Zu Verhandlungen über den Preis sind wir gerne bereit ...
Clare betrachtete den Brief fassungslos. Sie wurde wütend. Glaubten die ernsthaft, sie würde Duncairn verkaufen? Ihr Geburtsrecht, siebenhundert Jahre Geschichte, ihr Erbe von Tante Margaret; die Schönheit, Wildheit, alle Erinnerungen verkaufen? Der Brief hatte einen offiziellen, fordernden Tonfall; die unpersönlichen rechtlichen Ausdrücke kündeten von mehr als beiläufigem Interesse; sie sprachen für Kenntnis der Gegebenheiten und ihres Besitzanspruchs; das Recht zu kaufen sprach aus ihnen. Plötzlich war sie von Panik erfüllt.
Sie hielt den Brief fest und lief zum Haus zurück. Der Salon war kühl, die Jalousien halb heruntergelassen. Jocasta, ihr langhaariger Apportierhund, lag im Kühlen und schlief. Die Hündin hob den Kopf und wedelte mit dem Schwanz, als ihre Herrin den Rest der Post auf einen Sessel warf.
Clare las den Brief nicht noch einmal, sondern setzte sich an den Schreibtisch, zog einen Bogen Briefpapier aus der Schublade und nahm den Füller.
Nichts, nichts konnte sie dazu bringen zu verkaufen. Keine noch so große Geldsumme würde ausreichen. Das Anwesen war nicht zu verkaufen. Wie konnten es die Herren Mitchison und Archer wagen, auch nur zu fragen? Sie kritzelte die Unterschrift darunter und faltete den Brief in ein Couvert. Erst da merkte sie, daß ihre Hände vor Wut zitterten.
Die Hündin legte sich seufzend wieder hin und schloß die Augen. Das brachte Clare zur Besinnung. Sie sah Casta einen Moment an, dann zerriß sie den Umschlag langsam. Sie atmete wieder durch. Körperbewußtsein, so nannte Zak das. Nichts rechtfertigt so eine Aufregung ... Sie dachte an seine nüchterne Stimme. Zeit. Laß dir Zeit. Sie merkte, daß sie zitterte, daß sie auf die Bedrohung reagierte, als wäre der unbekannte Anwalt mit seinem anmaßenden Brief hier bei ihr im Zimmer.
Sie stand langsam auf. Was für eine Närrin sie war! Kein Grund zur Eile. Er konnte nichts tun. Das Land war nicht zu verkaufen. Sein Klient sollte sich einen anderen Landsitz suchen. Nichts und niemand konnte sie zum Verkauf bewegen ...
Sie dachte plötzlich an Paul und schluckte nervös. Was würde Paul sagen, wenn er von dem Angebot erfuhr?
Noch im selben Augenblick wußte sie mit absoluter Gewißheit, daß sie ihm nichts davon erzählen würde.
Sie ging nach oben, duschte, zog einen Morgenmantel an und ging ins Schlafzimmer. Es war ein hübsches, sonniges Zimmer, die rosa Vorhänge und Ornamente machten es gemütlich, während ihm der silbergraue Teppich eine Aura kühler Selbstsicherheit verlieh. Sie konnte die Rosen in der Vase aus Glas und Silber auf dem Tisch beim Fenster riechen. Meditieren. Das war Zaks Rat für Situationen, mit denen sie nicht fertig wurde. Meditieren, entspannen, sich Zeit lassen. Dann das Problem vornehmen und etwas dagegen tun. Und es danach vergessen.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 1988 by Barbara Erskine
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 1993 by Bastei-Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Übersetzung:»Joachim Körber«
»Und deine Reaktion darauf ist, daß du zu diesem verrückten Guru gehst! «
»Er ist kein Guru! « Clare richtete sich erbost auf und schüttelte das nasse Haar aus dem Gesicht. »Er unterrichtet Yoga. Millionen Menschen lernen Yoga. Daran ist nichts Schlimmes. Du solltest es auch versuchen. Ja, sogar in deinem Zustand! «
»He, beruhige dich.« Gillian zog sofort die Sonnenbrille auf die Nase, als wollte sie jeder Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Amüsiert musterte sie ihre aufbrausende Schwägerin. »Du mußt wahrhaftig lernen, dich zu entspannen.« Als Clare nicht reagierte, machte sie einen weiteren Vorstoß, da sie sich hinter der Brille offenbar sicher fühlte. »Zwischen dir und Paul ist doch alles in Ordnung?«
Die Frage hing einen Moment in der Luft. Clare schlang die Arme um die Knie und zog die Schultern ein, als ein kalter Wind über sie hinwegstrich. Ein paar Blätter wurden von der Buchenhecke in das ruhige blaue Wasser geweht. »Was sollte sein?« fragte sie schließlich.
Gillian betrachtete sie verstohlen. »Nur so. Ihr kommt doch beide zu unserer Party am Samstag, ja?« Der Themenwechsel kam so unvermittelt, daß Clare erstarrte.
»Wenn Paul sich dieses Wochenende in London freimachen kann.« Clare stand plötzlich mit müheloser Anmut auf und blieb einen Augenblick am Rand des Pools stehen, wobei sie sich des kritischen Blicks ihrer Schwägerin bewußt war. Dann sprang sie ins Wasser. Die Kälte war beißend, belebend und schon vom Herbst berührt, der in der Luft lag. Es war der erste Oktober.
Als sie sich an der Leiter am anderen Ende des Pools hochzog, zitterte sie am ganzen Körper.
»Er ist immer noch wütend über das Testament deiner Großtante, nicht?« Gillians kühle Stimme ließ Clare, die sich gerade nach dem Handtuch bückte, abrupt aufschrecken.
»Hat er dir das gesagt?« Clare drehte sich um und sah sie an.
»Eigentlich hat er es David gesagt. Aber wir haben vermutet, daß etwas faul ist. Alle haben gedacht, sie würde dir und David jeweils die Hälfte ihres Vermögens hinterlassen.«
»Das geht keinen etwas an!« antwortete Clare.
»Ach komm schon, wir sind doch eine Familie.« Gillian stand langsam auf. »Paul hat doch keine Geldsorgen, oder?«
»Paul?« Clare, die die Frage sichtlich schockierte, sah sie nur an. »Wie kommst du denn darauf? «
Die beiden Frauen sahen einander einen Moment an, bis Gillian sich unbehaglich abwandte. »Nichts. Nur so. Er schien nur völlig aus dem Häuschen zu sein, darum.«
»Das war meinetwegen.« Clare frottierte sich heftig das Haar. »Er dachte, es würde mir etwas ausmachen.«»Und? «
Clare schüttelte den Kopf. »Ich wollte immer nur Duncairn, mehr nicht.«
Sie stand noch lange draußen, nachdem Gillian gegangen war, und sah in den Pool, während eine neuerliche Böe goldene Blätter in den Pool wehte. Selbstverständlich hatte ihr die Sache mit dem Geld etwas ausgemacht. Sehr sogar. Es hätte ihr die Freiheit gegeben.
Sie trocknete sich träge ab und ließ das Handtuch fallen, als die Brise nachließ und die Sonne hervorkam und ihre kühle Haut wärmte. Sie strich mit den Händen stirnrunzelnd an ihrem schlanken Körper hinab und dachte an den geschwollenen, fruchtbaren Leib ihrer Schwägerin, als sie feststellte, daß eine Frau im Tor in der hohen Hecke aufgetaucht war, die den Bereich des Pools umgab. Sie winkte. »Komm schon, Sarah, geh schwimmen, solange die Sonne noch scheint«, rief sie.
Sarah Collins runzelte die Stirn. Sie war eine große, gut-
gekleidete Frau Anfang Fünfzig und trug eine Schürze über dem Rock. In einer Hand hielt sie ein Bündel Briefe.
»Die Post kam gerade, als Lady Royland gegangen ist«, rief sie zurück. »Ich dachte mir, ich bringe Ihre heraus. Ich kann jetzt nicht schwimmen. Ich habe heute morgen viel zu tun.«
Clare fragte sich, ob sie sich die schwache Betonung der letzten Worte eingebildet hatte: die unausgesprochene Andeutung, daß Clare natürlich überhaupt nichts zu tun hatte.
Clare lächelte sie entschlossen an. »Ich bin sicher, die Hausarbeit kann warten, Sarah. So schöne Tage werden wir nicht mehr viele haben.«
Sie wußte, daß die Frau nicht schwimmen würde. Sie schwamm nie. Obwohl sich Clare alle Mühe gab, Freundschaft mit ihr zu schließen, schien Sarah Collins entschlossen, distanziert zu bleiben, Demarkationslinien zu ziehen. Herrin und Dienerin. Hausherrin und Haushälterin. Auch Vertraute — das gehörte traditionell zur Rolle dazu —, aber ohne irgendwelche Gegenleistungen und daher keine echte Freundin. Niemals.
Clare griff achselzuckend nach dem Handtuch und trocknete sich die Hände ab, dann nahm sie die Briefe. Sie blätterte sie desinteressiert durch und warf sie auf den weißgestrichenen schmiedeeisernen Tisch.
Sarah ging schon wieder ins Haus. Das Tor fiel zu, und Clare war wieder allein. Sie schenkte sich seufzend Saft aus dem Krug auf dem Tisch ein, trank aber nicht. Statt dessen ging sie zur Matte am Rand des Pools. Sie würde zwanzig Minuten Yogaübungen machen, so lange ihr Körper noch sauber und belebt und vom Schwimmen entspannt war.
Sie zog den Bikini aus und setzte sich nackt anmutig auf die Matte. Tief durchatmend machte sie die Augen zu und entspannte sich bewußt, Muskel für Muskel, Glied für Glied; sie ließ ihren Verstand wandern, während sie die Beine langsam zum ersten Asana anzog.
»Yoga, Meditation, Entspannung. Erstklassig, meine Liebe. Alles erstklassig.« Sie konnte John Stanfords leicht väterliche Stimme immer noch hören. »Wenn es Sie entspannt und den Streß beseitigt. Keine Bange, die Tests werden beweisen, daß alles in Ordnung ist. Wenn die Natur der Meinung ist, daß Sie bereit sind, werden Sie empfangen, und keinen Augenblick vorher. Wir können das nicht beschleunigen. «
»Aber ich muß nicht ins Krankenhaus oder so?« Sie hatte Schlimmeres als diese Tests erwartet; einen Termin im Krankenhaus und so weiter. Kein Schulterklopfen wegen ihrer Yogaübungen.
Er hatte den Kopf geschüttelt. »Sie haben fünf Jahre die Pille genommen, Clare. Es dauert seine Zeit, bis Ihr Körper sich wieder umgestellt hat. Ich bin ganz sicher, mehr ist es nicht. Übt Paul Druck auf Sie aus, Teuerste? Möchte er einen Sohn und Erben und so weiter? Ich werde mit ihm darüber reden. Überlassen Sie das nur mir.«
Damit war das erledigt. Aber Pauls Familie mit ihren Kindern war wie ein stummer Vorwurf. Gillian hatte drei, ein viertes war unterwegs; Chloe, ihre andere Schwägerin, zwei; und sogar Em, ihre beste Freundin, Pauls jüngste Schwester, hatte Julia.
Auf dem Rückweg zum Haus — sie hatte, Sarahs Empfindlichkeit wegen, den Bikini wieder angezogen — las sie den ersten Brief.
Wir wurden darüber informiert, daß Sie Besitzerin von Hotel, Schloß ... und umliegenden Ländereien des Anwesens Duncairn in Schottland sind. Unser Klient hat angedeutet, daß er daran interessiert wäre, das oben genannte Anwesen als Ganzes zu kaufen ... Zu Verhandlungen über den Preis sind wir gerne bereit ...
Clare betrachtete den Brief fassungslos. Sie wurde wütend. Glaubten die ernsthaft, sie würde Duncairn verkaufen? Ihr Geburtsrecht, siebenhundert Jahre Geschichte, ihr Erbe von Tante Margaret; die Schönheit, Wildheit, alle Erinnerungen verkaufen? Der Brief hatte einen offiziellen, fordernden Tonfall; die unpersönlichen rechtlichen Ausdrücke kündeten von mehr als beiläufigem Interesse; sie sprachen für Kenntnis der Gegebenheiten und ihres Besitzanspruchs; das Recht zu kaufen sprach aus ihnen. Plötzlich war sie von Panik erfüllt.
Sie hielt den Brief fest und lief zum Haus zurück. Der Salon war kühl, die Jalousien halb heruntergelassen. Jocasta, ihr langhaariger Apportierhund, lag im Kühlen und schlief. Die Hündin hob den Kopf und wedelte mit dem Schwanz, als ihre Herrin den Rest der Post auf einen Sessel warf.
Clare las den Brief nicht noch einmal, sondern setzte sich an den Schreibtisch, zog einen Bogen Briefpapier aus der Schublade und nahm den Füller.
Nichts, nichts konnte sie dazu bringen zu verkaufen. Keine noch so große Geldsumme würde ausreichen. Das Anwesen war nicht zu verkaufen. Wie konnten es die Herren Mitchison und Archer wagen, auch nur zu fragen? Sie kritzelte die Unterschrift darunter und faltete den Brief in ein Couvert. Erst da merkte sie, daß ihre Hände vor Wut zitterten.
Die Hündin legte sich seufzend wieder hin und schloß die Augen. Das brachte Clare zur Besinnung. Sie sah Casta einen Moment an, dann zerriß sie den Umschlag langsam. Sie atmete wieder durch. Körperbewußtsein, so nannte Zak das. Nichts rechtfertigt so eine Aufregung ... Sie dachte an seine nüchterne Stimme. Zeit. Laß dir Zeit. Sie merkte, daß sie zitterte, daß sie auf die Bedrohung reagierte, als wäre der unbekannte Anwalt mit seinem anmaßenden Brief hier bei ihr im Zimmer.
Sie stand langsam auf. Was für eine Närrin sie war! Kein Grund zur Eile. Er konnte nichts tun. Das Land war nicht zu verkaufen. Sein Klient sollte sich einen anderen Landsitz suchen. Nichts und niemand konnte sie zum Verkauf bewegen ...
Sie dachte plötzlich an Paul und schluckte nervös. Was würde Paul sagen, wenn er von dem Angebot erfuhr?
Noch im selben Augenblick wußte sie mit absoluter Gewißheit, daß sie ihm nichts davon erzählen würde.
Sie ging nach oben, duschte, zog einen Morgenmantel an und ging ins Schlafzimmer. Es war ein hübsches, sonniges Zimmer, die rosa Vorhänge und Ornamente machten es gemütlich, während ihm der silbergraue Teppich eine Aura kühler Selbstsicherheit verlieh. Sie konnte die Rosen in der Vase aus Glas und Silber auf dem Tisch beim Fenster riechen. Meditieren. Das war Zaks Rat für Situationen, mit denen sie nicht fertig wurde. Meditieren, entspannen, sich Zeit lassen. Dann das Problem vornehmen und etwas dagegen tun. Und es danach vergessen.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 1988 by Barbara Erskine
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 1993 by Bastei-Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Übersetzung:»Joachim Körber«
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Autoren-Porträt von Barbara Erskine
Barbara Erskine studierte mittelalterliche Geschichte und hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht. Ihre Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und belegten stets die vorderen Plätze in den internationalen Bestsellerlisten. Barbara Erskine lebt mit ihrer Familie in Wales und auf einem alten Landsitz in North Essex.
Bibliographische Angaben
- Autor: Barbara Erskine
- 2010, 765 Seiten, Maße: 13,4 x 19,2 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828997163
- ISBN-13: 9783828997165
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