1000 Orte, die man knicken kann
Sie wollen sich endlich einen Traum erfüllen und nach Florenz reisen? Vielleicht sollten Sie es sich noch einmal überlegen. Denn Alberto Moravia meint: ''Die Altstadt ist immer schön, wenn sie wegen einer Bombendrohung geräumt werden...
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Sie wollen sich endlich einen Traum erfüllen und nach Florenz reisen? Vielleicht sollten Sie es sich noch einmal überlegen. Denn Alberto Moravia meint: ''Die Altstadt ist immer schön, wenn sie wegen einer Bombendrohung geräumt werden muss.''
Auch vor Traumzielen wie Paris,die Seychellen oder Macchu Picchu warnt dieses Buch. Aber lesen Sie selbst!
Mark Twain
Man muss nicht in New York gewesen sein. Auch nicht in Rio, auf den Seychellen oder in Prag. Nicht mal auf dem Markusplatz. Gerade Plätze, die von der Tourismusindustrie zu Traumzielen ausgerufen werden, erweisen sich vor Ort als Flops. Von allen Sehenswürdigkeiten bleibt nur das Café in Erinnerung, in dem man sie vergessen durfte. Mit frechem Charme erzählt Dietmar Bittrich, welche Highlights man ganz entspannt streichen kann, wie man dabei lästige Mitreisende loswird, wie man alles Wichtige gekonnt umgeht - und anschließend trotzdem fachkundig darüber redet.
«Das beste Mittel gegen Fernweh.» (RadioEINS)
«Die vergnüglichste Urlaubslektüre, die sich
die Daheimbleiber auf dem Balkon unterm Regenschirm wünschen können.» (Abendzeitung)
«Voller Ironie!» (stern.de)
1000 Orte, die man knicken kann von Dietmar Bittrich
FRANKREICH
PARIS
Es ist nicht wahr, dass Paris die Menschen kalt und unfreundlich macht», beteuerte der frühere Bürgermeister Jacques Chirac.
«Es ist umgekehrt: Immer mehr kalte und unfreundliche Leute kommen nach Paris.» Wie sonderbar! Gleichwohl verlieren sich auch warmherzige und gutwillige Menschen in die aschgraue Smog-Metropole. Bei der Abreise sind sie meist froh, wenn nur ihre Brieftasche geklaut worden und lediglich ihr Auto in Flammen aufgegangen ist.
Die peinlichsten Sehenswürdigkeiten
Eiffelturm.
Champs-Élysées.
Frittenbuden, Planet Hollywood, McDonald’s, Löwenbräukeller, grottige Straßencafés und Filialen der abgenudeltsten Modeketten säumen das, was Uneingeweihte für eine Prachtstraße hielten. Es handelt sich um eine für Militärparaden angelegte Meile, die an Nationalfeiertagen von Nuklearbombern überdonnert wird. Gewöhnlich herrscht hier einfach nur Verkehrsstau. Seit Nachkriegsgeneral Charles de Gaulles seine Landsleute aufforderte zu hupen, wenn sie in Europa nicht vorankämen, tun sie das auch zu Hause unaufhörlich. Das permanente Quäken auf den Champs-Élysées zieht magnetisch Greisinnen und taube Rentner an, die hier Reste ihres Gehörs wiederzuerlangen glauben. Alle anderen büßen es ein.
Arc de Triomphe.
Die Champs-Élysées beginnen an der trübsinnigen Place de la Concorde mit dem Denkmal für den Erfinder der Stecknadel und enden zwei Kilometer weiter an der trübsinnigen Place de l’Étoile mit dem Triumphklotz. Dort treffen sich Autos aus zwölf Straßen zum gemeinsamen Stop and Go. Es geht immer im Kreis. In der Platzmitte der massige Triumphbogen, den Napoleon noch rasch in Auftrag gab, bevor er besiegt wurde. Seit einiger Zeit wird hier täglich eine Schadstoffkonzentration gemessen, die laut Weltklimarat selbst beim Tragen von Atemmasken das Leben gefährdet. Wer keine Maske hat, begibt sich ins Museum unter dem Bogen, das Frankreichs Armee zur siegreichsten aller Zeiten kürt.
Louvre.
Pop-Artist Andy Warhol riet zum Besuch dieses Museumspalastes, weil man hier «die eindrucksvollste Versammlung von Heuchlern» antreffe. Acht Millionen Besucher pro Jahr (zwanzigtausend am Tag) tun so, als würden sie sich für Rembrandt und Rubens interessieren und für die Schlafsäle mit ägyptischen, orientalischen, römischen, griechischen, etruskischen Altertümern, zu schweigen von Möbeln, Textilien, Suppengeschirr. Das laut Henri Matisse «zweitdümmste Gesicht der Porträtmalerei» hängt ebenfalls hier, die Mona Lisa, wegen der kurzsichtigen Studienreisenden unter Panzerglas. Matisse verriet nie, welches er für das dümmste Gesicht hielt. Das von Paris selbst? Der verblichene François Mitterrand nannte die gläserne Eingangspyramide des Louvre einen «Pickel im Gesicht von Paris». Von den zahllosen Hautunreinheiten ist sie noch eine der bestgeputzten. Ein Muss im Louvre: die Toiletten in der Antikenabteilung.
Weitere Mausoleen. Museen seien die Leichenhallen der Kunst, erklärte der surreale Bastler Max Ernst. Überreste von ihm selbst sind in einem Heizkraftwerk namens Centre Pompidou zu sehen. Das Beste an dem trostlosen Gebäude mit Wechselausstellungen: die langen Rolltreppen. Tote Impressionisten finden sich auf der anderen Seine-Seite im Musée d’Orsay. Wer sich dem Besucherstrom anschließt, gelangt zu den Seerosen von Claude Monet. Vorteil dieses Museums: Es war mal ein Bahnhof und vermittelt das Gefühl, der Aufenthalt dürfe kurz sein. Die zahnstumpfige Kathedrale Notre -Dame ist wegen des Glöckners berühmt. Touristen fotografieren das Portal, die Fensterrosette und die Wasserspeier. Nur die Kühnsten folgen dem Glöckner und stürzen sich aus Verzweiflung über das düstere Bauwerk vom Turm. Allerdings: Der Friedhof Père Lachaise ist bereits ausgebucht. Die vielen greisen Gäste dort suchen nicht Verwandte, sondern den bekritzelten Grabstein eines schwindsüchtigen Sängers der sechziger Jahre.
Montmartre und Sacré-Cœur
Ahnungslose halten den Hügel für ein romantisches Künstlerviertel, in dem einst Toulouse-Lautrec gewohnt hat. Nur wenn man zu Fuß hinaufsteige, bekäme man die Atmosphäre so richtig mit. In Wahrheit kostet der Anstieg auf löchrigem Pflaster in dicker Luft zwar nicht sofort das Leben, verkürzt es aber entscheidend. Kunstbeflissene jenseits der fünfzig sind erst mal für zwei Tage außer Gefecht gesetzt, zumal sie hier keinen einzigen Künstler antreffen, dafür aber jede Menge Nippesgeschäfte und die schlechtesten Restaurants der Stadt. Vor der zuckrigen Sacré-Coeur finden sich dann doch lauter Künstler. Ihre Aquarelle würden in Deutschland nicht mal in einer Apotheke ausgestellt werden.
Sonst noch was? Eigentlich nicht. Der Pont-Neuf ist die älteste Brücke von Paris, doch das macht sie nicht sehenswerter. Alte Menschen, die noch vom Existenzialismus wissen, zieht es hinüber auf das linke Seine-Ufer. Irgendwo da soll der Philosoph Sartre seine Lebensgefährtin Beauvoir angeschielt haben. Flussabwärts steht der Invalidendom, in dem Hitler vor dem Grab Napoleons betete. Auf das Hochhausviertel La Defense reicht der Fernblick.
So wird man lästige mitreisende los
Freunde von Königshäusern schicken wir zum Diana-Tunnel. Sie sollen genau die Route nachgehen, oder noch besser nachfahren, die Dodi und die Prinzessin von Wales am 31. August 1997 nahmen. Sie führt vom Hotel Ritz zum Alma-Tunnel und endet dort am 13. Pfeiler. «Sieh dir das aufgemalte Herz und das Kreuz genau an, Tante!» Tante muss sich dazu durch eines der Löcher im mannshohen Drahtzaun bemühen, der Pilger von dieser Heiligenstätte abhalten soll. Genauer: der sie vor dem mörderischen Verkehr schützen soll. «Nur Mut! Du schaffst das! Leg ein paar Blumen nieder.»
Kauflustige werden wir für einen Tag los, weil sie unbedingt die Galeries Lafayette besichtigen müssen. In dem angejahrten Kaufhaus treffen sich mehr Schaulustige als tatsächliche Käufer. Die Touristenmassen kommen wegen des klingenden Namens und wegen der Jugendstilkuppel. Einheimische bleiben wegen der Preise fern. Designermarken werden hier grundsätzlich mit fünfzig Prozent Rabatt angeboten, sind aber immer noch doppelt so teuer wie in heimischen Läden oder im Printemps gegenüber. Die Lebensmittelabteilung glänzt mit einer großen Auswahl an Konservendosen. Den Inhalt gibt es kaum merklich erwärmt auf der Dachterrasse.
Jüngere Quälgeister müssen unbedingt den trendmäßig extrem faszinierenden Hochhaus-Gürtel rund um die Stadt kennenlernen. «Das ist das Paris von heute, wie es wirklich ist. Da wird überall szenige Musik gemacht, und die Schafe werden live auf der Straße geschächtet.» Naive Reisende auch. Faustregel: Alle NeufTrois-Vorstädte (deren Postleitzahl mit 9–3 beginnt) offenbaren das Leben von Einwanderern in seiner unverdorbenen Ursprünglichkeit. Einfach mal hinfahren, am besten mit dem eigenen Wagen, und bei Dämmerung den Rauchsäulen folgen. Vierzigtausend abgefackelte Autos pro Jahr ersetzen mühelos die mangelnde Straßenbeleuchtung.
Copyright © 2010 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
- Autor: Dietmar Bittrich
- 2010, 5. Aufl., 208 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499626268
- ISBN-13: 9783499626265
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