Azorenhoch
"Für dich kommt auch noch der Richtige!" Da mag Lenas Mutter recht haben, aber wer würde zwischen Grabsteinen mit ihm rechnen? Trauerrednerin Lena jedenfalls nicht. Marco Müller ist eine Naturgewalt mit stiefmütterchenblauen Augen, die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Azorenhoch “
"Für dich kommt auch noch der Richtige!" Da mag Lenas Mutter recht haben, aber wer würde zwischen Grabsteinen mit ihm rechnen? Trauerrednerin Lena jedenfalls nicht. Marco Müller ist eine Naturgewalt mit stiefmütterchenblauen Augen, die sie schier überrollt. Und er ist ein Mann mit einem Plan. Auf der Azoreninsel São Miguel will er ein altes Dorf restaurieren. Ausgerechnet mit Lena, die so reiselustig ist wie Hausstaub. Gegen alle Widerstände, vor allem die eigenen, lässt sie sich auf den charismatischen Marco ein und fliegt zu ihm auf die Insel. Eine Entscheidung mit ungeahnten Folgen ...
Klappentext zu „Azorenhoch “
»Für dich kommt auch noch der Richtige!« Da mag Lenas Mutter recht haben, aber wer würde zwischen Grabsteinen mit ihm rechnen? Trauerrednerin Lena jedenfalls nicht. Marco Müller ist eine Naturgewalt mit stiefmütterchenblauen Augen, die sie schier überrollt. Und er ist ein Mann mit einem Plan. Auf der Azoreninsel São Miguel will er ein altes Dorf restaurieren. Ausgerechnet mit Lena, die so reiselustig ist wie Hausstaub. Gegen alle Widerstände, vor allem die eigenen, lässt sie sich auf den charismatischen Marco ein und fliegt zu ihm auf die Insel. Eine Entscheidung mit ungeahnten Folgen.
Lese-Probe zu „Azorenhoch “
Azorenhoch von Bettina Haskamp 1
DIESE AUGEN. Fast hätte ich einen Schritt zurück gemacht und wäre in das offene Grab hinter mir gefallen.
Stiefmütterchenblau mit langen schwarzen Wimpern. Der Blick schien sich direkt in meine Seele zu bohren. Wie kamen Julians Augen in dieses Gesicht? Zum Teufel.
Mein Gegenüber streckte mir die Hand entgegen. »Vielen Dank, Frau Janssen.« erstaunlich, dass meine Hand nicht zitterte. Wenn er bloß aufhören würde, mich so anzusehen. Das gehörte sich doch nicht. Schließlich waren wir nicht beim Speeddating, sondern auf dem Friedhof und hatten soeben seinen Vater beerdigt. »Ich würde Sie in den nächsten Tagen gern anrufen.« Die Stimme warm, weich, einladend. Gar nicht so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich nickte, ohne zu wissen, warum. Noch immer hielt er meine Hand. eine kleine Ewigkeit lang standen wir da, als hätte uns jemand zusammengeklebt.
Er hieß Marco, das wusste ich von seiner Mutter.
Zum ersten Mal hatte ich ihn vor ein paar Tagen gesehen. Da stand er in der Tür zu ihrem Wohnzimmer und sagte: »Mein Vater war ein Arschloch.« Sonst nichts. Dann war er verschwunden.
Bis eben war Marco Müller für mich eine zornige, dunkle Gestalt gewesen, die mit halbgeschlossenen Lidern meine Trauerrede anhörte. Bis eben hatte ich ihm nicht in die Augen gesehen.
Seine Mutter brach den Bann. »Frau Janssen, Sie haben sehr schön gesprochen.«
Fünf Minuten danach verabschiedete ich mich von den beiden und lief, so schnell es mir auf einem Friedhof eben noch schicklich schien, zum Ausgang.
... mehr
Mein brauner Fiat mit der Aufschrift Helena Janssen - Lebens- und Trauerfeiern stand auf dem Parkplatz gleich neben dem Tor. Leise vor mich hin schimpfend, stieg ich ein, schlug die Autotür zu und merkte zu spät, dass ein Zipfel meines Mantels noch draußen hing. Verdammter Mist. Reiß dich zusammen, Lena. Noch mal aussteigen und den Mantel ausziehen, der war ohnehin viel zu warm. Ich konnte mich nicht erinnern, je einen so sonnigen Aprilbeginn erlebt zu haben. Wieder einsteigen. Ich ließ den Wagen an und würgte den Motor ab. Falscher Gang. Also bitte! Ich konnte doch nicht durchdrehen, nur weil jemand mich an Julian erinnerte. Nur weil jemand mich mit traumhaft schönen Augen auf eine Weise ansah, die ... ja, was eigentlich? Mein Blut zum Kochen brachte? So wie bei Julian? Als Nächstes würde ich noch anfangen, anstelle von Trauerreden Kitschromane zu schreiben.
Ich startete den Motor zum zweiten Mal. Julian war Vergangenheit. Seit mehr als drei Jahren. Schluss. Aus. Punkt. Ich kam bestens allein zurecht. Allmählich beruhigte sich mein Puls. Ich fädelte mich in den Verkehr ein und fuhr Richtung Maschsee. Jetzt auf der Terrasse vom Pier 51 einen Milchkaffee trinken, auf den See gucken, vielleicht Zeitung lesen. Auf keinen Fall mehr an alte Zeiten denken. Nicht an Julians dunkelblaue Augen. Und auch nicht an die von Marco Müller.
»Hey, neue Strähnchen, oder liegt es an der Frühlingssonne? Dein Haar leuchtet wie bei einem Rauschgoldengel.« Ich lachte, drehte mich auf meinem Stuhl um und erblickte meine Freundin Andrea.
»Beides. Was machst du hier um diese Zeit?«
Normalerweise war Andrea an einem späten Dienstagvormittag nicht am Maschsee, sondern am anderen Ende von Hannover im Klinikum Nordstadt, wo sie Patienten in den Tiefschlaf versetzte.
»Stell dir vor, auch Ärztinnen haben gelegentlich einen freien Tag. Ich hab gerade meinen neuen Führerschein abgeholt und eine volle Stunde im Warteraum gehockt. Jetzt brauche ich dringend den Seeblick und Kaffee.«
Sie sah mich fragend an. Andrea ist eigentlich kein zögerlicher Typ, aber ich trug noch meine Arbeitskleidung, einen schwarzen Rock mit beigefarbener Bluse. Die schwarze Jacke hing über einem freien Stuhl. Andrea wusste, dass ich gern allein war, wenn ich von einer Beisetzung kam. »Ist schon okay, setz dich.«
eine Weile sagten wir nichts, genossen schweigend die Wärme.
»Mir ist gerade was Merkwürdiges passiert.«
»Ich dachte, du kommst vom Friedhof.«
»Hm, ja. Ich glaube, ich habe eben zum ersten Mal in meiner Laufbahn an einem Grab geflirtet.«
Jetzt, wo ich es aussprach, kam mir die Szene noch bizarrer vor.
Andrea lachte. »Schräg! Mit einem trauernden Witwer?«
»Mit einem nichttrauernden Sohn. Denke ich jedenfalls. Also, dass der nicht trauert.« Ich erzählte Andrea von Marcos wenig schmeichelhafter Bemerkung über den Vater. Die Mutter hatte dagegen beteuert, dass Hans-Georg Müller ein wunderbarer Mann gewesen sei. Merkwürdig. Genauso merkwürdig wie die Tatsache, dass nur wir drei am Grab gestanden hatten - Marco, seine Mutter und ich.
»Andererseits ist Wut die Schwester der Trauer«, dachte ich laut, »vielleicht will er mich nur anrufen, weil er eine Trauerbegleitung braucht, um den Tod seines Vaters zu verarbeiten. «
»Und deshalb hat er mit dir geflirtet, ja, sicher.« Andrea verkniff sich sichtlich ein Grinsen. »Sieht er gut aus?«
»Jedenfalls nicht gerade hässlich. Blaue Augen und schwarze Haare. ein bisschen klein.« Wenn man, wie ich, einen Meter zweiundachtzig misst, sind viele Männer ein bisschen klein. Ich sagte nichts über die Ähnlichkeit seiner Augen mit Julians. Nichts von seiner Ausstrahlung, dieser seltsamen Mischung aus Zurückhaltung und offenem Blick, die mich so neugierig gemacht hatte wie ein schön verpacktes Paket mit unbekanntem Inhalt. »Ist ja auch egal, wie er aussieht. es war nur so seltsam. Wahrscheinlich hab ich mir das eingebildet.«
»Wenn du dir bei einer Beerdigung einen Flirt einbildest, schicke ich dich zum Psychiater. Oder vielleicht besser zu einer Partnervermittlung für besonders Bedürftige.« Sie sah auf ihr Handy. »Tut mir leid, ich muss los, ich bin mit Peter zum Essen verabredet.« Andrea stand auf, streckte ihren kurzen, üppigen Körper und nahm ihre Tasche vom Stuhl.
»Bis Donnerstag?«
»Bis Donnerstag.«
~
Auf der Azoreninsel São Miguel brauchte Mariana lange für die einhundertundfünfzig Stufen, die zur Kapelle Nossa Senhora da Paz führten. Sie hatte keinen Blick für die kunstvoll mit Bibelszenen bemalten Kacheln, die jeden einzelnen Treppenabsatz schmückten, registrierte kaum das Klicken der Touristenkameras, die die Kapelle und die Aussicht über Vila Franca auf das Meer einfingen. Schweiß stand ihr auf der Stirn.
es gab bequemere Wege zum Beten, aber Menschen mit bösen Gedanken verdienten keinen bequemen Weg. endlich stand sie in der winzigen Kirche vor dem Altar und sah auf die Muttergottes und ihr Kind. Sie war allein. »Mach bitte, dass diese Hure die Finger von meinem Paulo lässt, sonst kann ich für nichts garantieren«, flüsterte sie. eine vom Alter gebeugte Frau in Schwarz betrat die Kapelle, den Arm voll frischer Blumen für den Altar. Mariana bekreuzigte sich, nickte der Alten zu und ging.
Mit dem Auto brauchte sie eine gute halbe Stunde bis zum Haus der Kanaille. Sie musste sie sehen, musste wissen, wie die Frau aussah, die ihr den Mann wegnahm. Sie parkte den Wagen ein Stück die Straße hinunter, den Eingang des Hauses im Blick. eine halbe Stunde verging, eine Dreiviertelstunde. Dann öffnete sich die Tür. Und Mariana wünschte sich, sie wäre nicht hergekommen.
Sie war höchstens dreißig. Ihr Körper gertenschlank, mit vollen Brüsten und knackigem Po, der in einer knapp sitzenden grünen Jeans steckte. Das wellige blonde Haar trug sie locker zu einem Pferdeschwanz gebunden. An ihren Ohren blinkten goldene Kreolen in der Sonne. Mariana schloss die Augen. Sie hatte genug gesehen, mehr als genug.
Eine weitere halbe Stunde später saß sie im Garten ihrer Freundin Inés. Inés sah in den blauen Himmel und schnupperte. »es gibt bald Regen.« Mariana interessierte das Wetter nicht im mindesten. »Hättest du mir doch nur nichts von ihr und Paulo erzählt!«
»Dann, meine Liebe, könntest du nichts unternehmen.«
»Aber du hast doch gesagt, ich soll einfach abwarten. Und nichts sagen.«
»Mariana, sei bitte nicht so ein Schaf. Ich rede nicht von Streit und Zank. Du musst Paulo daran erinnern, was er an dir hat. Sei besonders lieb, sei attraktiv für ihn.«
Sei attraktiv? Genauso gut hätte Inés sagen können: Sei ein Schmetterling. Wieder stand ihr das Bild der Blonden vor Augen. Außerdem: Wie sollte sie besonders lieb zu ihrem Mann sein, wenn sie so enttäuscht von ihm war? Wenn sie das Gefühl hatte, ihn gar nicht mehr zu kennen?
»Ich weiß, das ist nicht leicht. Aber bei mir hat es funktioniert. «
Mariana dachte, sie höre nicht richtig. »Bei dir?«
»Du glaubst doch wohl nicht, so was würde nur dir passieren. «
»Du meinst, dein Luís ...?«
Inés lachte auf. es klang eher wie ein Schnauben. »Ja, mein kreuzsolider Luís. Vor zwei Jahren. Und wie du weißt, sind wir immer noch verheiratet.«
Mariana konnte nicht anders, sie musste fragen. »Mit wem? Etwa auch mit ihr?«
»Nein. es war eine Frau vom Festland, du kennst sie nicht. Sie ist nicht mehr auf der Insel.« Inés beugte sich vor. In ihren Augen stand ein Funkeln. »Ich habe dafür gesorgt, dass er sie vergisst, das kannst du mir glauben.« Sie zwinkerte. »Unserer Ehe hat es nicht geschadet. Ganz im Gegenteil, wenn du weißt, was ich meine ... Also, meine Liebe, gib dir ein bisschen Mühe und hab Geduld.«
Mühe, Geduld? Wie sollte sie das hinkriegen? »Lieber würde ich das Weib vergiften!«
»Wenn du dich unglücklich machen willst, nur weil bei deinem Mann kurz vor seinem Fünfzigsten die Hormone verrückt spielen - nur zu.«
~
Ich saß im Büro und arbeitete an meinem Internetauftritt, als der Anruf kam. Obwohl er nur »Guten Tag, Frau Janssen « sagte, wusste ich sofort, wer am Telefon war. Seit der denkwürdigen Beerdigung war genau eine Woche vergangen. Dennoch sagte ich: »Ja, bitte? Wer spricht?«
»Marco Müller, Sie erinnern sich sicher an die Beisetzung meines Vaters.«
»Natürlich, Herr Müller. Wie geht es Ihrer Mutter?«
»So weit gut, danke. Warum ich anrufe ...«
Weiteratmen, Lena, sei nicht albern.
»... ich würde Sie gern wiedersehen.«
Also doch. »Wir können uns gern zusammensetzen, um über Ihren Verlust zu sprechen. Ich berechne sechzig Euro die Stunde.« Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann ein belustigtes Glucksen.
»Zur Not zahle ich auch sechzig Euro, aber eigentlich wollte ich Sie zum Essen einladen. Und ich kann mir tausend schönere Themen vorstellen als den Tod meines Vaters ...«
»Warum sollte ich mit Ihnen Essen gehen?«
»Weil ich Sie darum bitte?« Wieder lachte er leise. »Nein, im ernst. Ich würde mich gern für meinen Auftritt in der Wohnung meiner Mutter entschuldigen. Wahrscheinlich halten Sie mich für total unhöflich. Und herzlos. Was ich nicht bin.«
Ich spielte mit der Maus meines Rechners. Der Cursor glitt auf den Menüpunkt »Über mich«. Ohne nachzudenken, klickte ich ihn an und sah mein Bild. Andrea hatte es ausgesucht. »Auf keinen Fall eins, auf dem du so streng in die Kamera guckst!« So lächelte ich mir also vom Bildschirm entgegen. Ich fand mich trotzdem nicht besonders schön. Das Blau meiner Augen viel zu hell, die Nase zu klein, der Mund - okay, mein Mund war ganz nett.
»Frau Janssen? Sind Sie noch dran?«
© Marion von Schröder
Mein brauner Fiat mit der Aufschrift Helena Janssen - Lebens- und Trauerfeiern stand auf dem Parkplatz gleich neben dem Tor. Leise vor mich hin schimpfend, stieg ich ein, schlug die Autotür zu und merkte zu spät, dass ein Zipfel meines Mantels noch draußen hing. Verdammter Mist. Reiß dich zusammen, Lena. Noch mal aussteigen und den Mantel ausziehen, der war ohnehin viel zu warm. Ich konnte mich nicht erinnern, je einen so sonnigen Aprilbeginn erlebt zu haben. Wieder einsteigen. Ich ließ den Wagen an und würgte den Motor ab. Falscher Gang. Also bitte! Ich konnte doch nicht durchdrehen, nur weil jemand mich an Julian erinnerte. Nur weil jemand mich mit traumhaft schönen Augen auf eine Weise ansah, die ... ja, was eigentlich? Mein Blut zum Kochen brachte? So wie bei Julian? Als Nächstes würde ich noch anfangen, anstelle von Trauerreden Kitschromane zu schreiben.
Ich startete den Motor zum zweiten Mal. Julian war Vergangenheit. Seit mehr als drei Jahren. Schluss. Aus. Punkt. Ich kam bestens allein zurecht. Allmählich beruhigte sich mein Puls. Ich fädelte mich in den Verkehr ein und fuhr Richtung Maschsee. Jetzt auf der Terrasse vom Pier 51 einen Milchkaffee trinken, auf den See gucken, vielleicht Zeitung lesen. Auf keinen Fall mehr an alte Zeiten denken. Nicht an Julians dunkelblaue Augen. Und auch nicht an die von Marco Müller.
»Hey, neue Strähnchen, oder liegt es an der Frühlingssonne? Dein Haar leuchtet wie bei einem Rauschgoldengel.« Ich lachte, drehte mich auf meinem Stuhl um und erblickte meine Freundin Andrea.
»Beides. Was machst du hier um diese Zeit?«
Normalerweise war Andrea an einem späten Dienstagvormittag nicht am Maschsee, sondern am anderen Ende von Hannover im Klinikum Nordstadt, wo sie Patienten in den Tiefschlaf versetzte.
»Stell dir vor, auch Ärztinnen haben gelegentlich einen freien Tag. Ich hab gerade meinen neuen Führerschein abgeholt und eine volle Stunde im Warteraum gehockt. Jetzt brauche ich dringend den Seeblick und Kaffee.«
Sie sah mich fragend an. Andrea ist eigentlich kein zögerlicher Typ, aber ich trug noch meine Arbeitskleidung, einen schwarzen Rock mit beigefarbener Bluse. Die schwarze Jacke hing über einem freien Stuhl. Andrea wusste, dass ich gern allein war, wenn ich von einer Beisetzung kam. »Ist schon okay, setz dich.«
eine Weile sagten wir nichts, genossen schweigend die Wärme.
»Mir ist gerade was Merkwürdiges passiert.«
»Ich dachte, du kommst vom Friedhof.«
»Hm, ja. Ich glaube, ich habe eben zum ersten Mal in meiner Laufbahn an einem Grab geflirtet.«
Jetzt, wo ich es aussprach, kam mir die Szene noch bizarrer vor.
Andrea lachte. »Schräg! Mit einem trauernden Witwer?«
»Mit einem nichttrauernden Sohn. Denke ich jedenfalls. Also, dass der nicht trauert.« Ich erzählte Andrea von Marcos wenig schmeichelhafter Bemerkung über den Vater. Die Mutter hatte dagegen beteuert, dass Hans-Georg Müller ein wunderbarer Mann gewesen sei. Merkwürdig. Genauso merkwürdig wie die Tatsache, dass nur wir drei am Grab gestanden hatten - Marco, seine Mutter und ich.
»Andererseits ist Wut die Schwester der Trauer«, dachte ich laut, »vielleicht will er mich nur anrufen, weil er eine Trauerbegleitung braucht, um den Tod seines Vaters zu verarbeiten. «
»Und deshalb hat er mit dir geflirtet, ja, sicher.« Andrea verkniff sich sichtlich ein Grinsen. »Sieht er gut aus?«
»Jedenfalls nicht gerade hässlich. Blaue Augen und schwarze Haare. ein bisschen klein.« Wenn man, wie ich, einen Meter zweiundachtzig misst, sind viele Männer ein bisschen klein. Ich sagte nichts über die Ähnlichkeit seiner Augen mit Julians. Nichts von seiner Ausstrahlung, dieser seltsamen Mischung aus Zurückhaltung und offenem Blick, die mich so neugierig gemacht hatte wie ein schön verpacktes Paket mit unbekanntem Inhalt. »Ist ja auch egal, wie er aussieht. es war nur so seltsam. Wahrscheinlich hab ich mir das eingebildet.«
»Wenn du dir bei einer Beerdigung einen Flirt einbildest, schicke ich dich zum Psychiater. Oder vielleicht besser zu einer Partnervermittlung für besonders Bedürftige.« Sie sah auf ihr Handy. »Tut mir leid, ich muss los, ich bin mit Peter zum Essen verabredet.« Andrea stand auf, streckte ihren kurzen, üppigen Körper und nahm ihre Tasche vom Stuhl.
»Bis Donnerstag?«
»Bis Donnerstag.«
~
Auf der Azoreninsel São Miguel brauchte Mariana lange für die einhundertundfünfzig Stufen, die zur Kapelle Nossa Senhora da Paz führten. Sie hatte keinen Blick für die kunstvoll mit Bibelszenen bemalten Kacheln, die jeden einzelnen Treppenabsatz schmückten, registrierte kaum das Klicken der Touristenkameras, die die Kapelle und die Aussicht über Vila Franca auf das Meer einfingen. Schweiß stand ihr auf der Stirn.
es gab bequemere Wege zum Beten, aber Menschen mit bösen Gedanken verdienten keinen bequemen Weg. endlich stand sie in der winzigen Kirche vor dem Altar und sah auf die Muttergottes und ihr Kind. Sie war allein. »Mach bitte, dass diese Hure die Finger von meinem Paulo lässt, sonst kann ich für nichts garantieren«, flüsterte sie. eine vom Alter gebeugte Frau in Schwarz betrat die Kapelle, den Arm voll frischer Blumen für den Altar. Mariana bekreuzigte sich, nickte der Alten zu und ging.
Mit dem Auto brauchte sie eine gute halbe Stunde bis zum Haus der Kanaille. Sie musste sie sehen, musste wissen, wie die Frau aussah, die ihr den Mann wegnahm. Sie parkte den Wagen ein Stück die Straße hinunter, den Eingang des Hauses im Blick. eine halbe Stunde verging, eine Dreiviertelstunde. Dann öffnete sich die Tür. Und Mariana wünschte sich, sie wäre nicht hergekommen.
Sie war höchstens dreißig. Ihr Körper gertenschlank, mit vollen Brüsten und knackigem Po, der in einer knapp sitzenden grünen Jeans steckte. Das wellige blonde Haar trug sie locker zu einem Pferdeschwanz gebunden. An ihren Ohren blinkten goldene Kreolen in der Sonne. Mariana schloss die Augen. Sie hatte genug gesehen, mehr als genug.
Eine weitere halbe Stunde später saß sie im Garten ihrer Freundin Inés. Inés sah in den blauen Himmel und schnupperte. »es gibt bald Regen.« Mariana interessierte das Wetter nicht im mindesten. »Hättest du mir doch nur nichts von ihr und Paulo erzählt!«
»Dann, meine Liebe, könntest du nichts unternehmen.«
»Aber du hast doch gesagt, ich soll einfach abwarten. Und nichts sagen.«
»Mariana, sei bitte nicht so ein Schaf. Ich rede nicht von Streit und Zank. Du musst Paulo daran erinnern, was er an dir hat. Sei besonders lieb, sei attraktiv für ihn.«
Sei attraktiv? Genauso gut hätte Inés sagen können: Sei ein Schmetterling. Wieder stand ihr das Bild der Blonden vor Augen. Außerdem: Wie sollte sie besonders lieb zu ihrem Mann sein, wenn sie so enttäuscht von ihm war? Wenn sie das Gefühl hatte, ihn gar nicht mehr zu kennen?
»Ich weiß, das ist nicht leicht. Aber bei mir hat es funktioniert. «
Mariana dachte, sie höre nicht richtig. »Bei dir?«
»Du glaubst doch wohl nicht, so was würde nur dir passieren. «
»Du meinst, dein Luís ...?«
Inés lachte auf. es klang eher wie ein Schnauben. »Ja, mein kreuzsolider Luís. Vor zwei Jahren. Und wie du weißt, sind wir immer noch verheiratet.«
Mariana konnte nicht anders, sie musste fragen. »Mit wem? Etwa auch mit ihr?«
»Nein. es war eine Frau vom Festland, du kennst sie nicht. Sie ist nicht mehr auf der Insel.« Inés beugte sich vor. In ihren Augen stand ein Funkeln. »Ich habe dafür gesorgt, dass er sie vergisst, das kannst du mir glauben.« Sie zwinkerte. »Unserer Ehe hat es nicht geschadet. Ganz im Gegenteil, wenn du weißt, was ich meine ... Also, meine Liebe, gib dir ein bisschen Mühe und hab Geduld.«
Mühe, Geduld? Wie sollte sie das hinkriegen? »Lieber würde ich das Weib vergiften!«
»Wenn du dich unglücklich machen willst, nur weil bei deinem Mann kurz vor seinem Fünfzigsten die Hormone verrückt spielen - nur zu.«
~
Ich saß im Büro und arbeitete an meinem Internetauftritt, als der Anruf kam. Obwohl er nur »Guten Tag, Frau Janssen « sagte, wusste ich sofort, wer am Telefon war. Seit der denkwürdigen Beerdigung war genau eine Woche vergangen. Dennoch sagte ich: »Ja, bitte? Wer spricht?«
»Marco Müller, Sie erinnern sich sicher an die Beisetzung meines Vaters.«
»Natürlich, Herr Müller. Wie geht es Ihrer Mutter?«
»So weit gut, danke. Warum ich anrufe ...«
Weiteratmen, Lena, sei nicht albern.
»... ich würde Sie gern wiedersehen.«
Also doch. »Wir können uns gern zusammensetzen, um über Ihren Verlust zu sprechen. Ich berechne sechzig Euro die Stunde.« Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann ein belustigtes Glucksen.
»Zur Not zahle ich auch sechzig Euro, aber eigentlich wollte ich Sie zum Essen einladen. Und ich kann mir tausend schönere Themen vorstellen als den Tod meines Vaters ...«
»Warum sollte ich mit Ihnen Essen gehen?«
»Weil ich Sie darum bitte?« Wieder lachte er leise. »Nein, im ernst. Ich würde mich gern für meinen Auftritt in der Wohnung meiner Mutter entschuldigen. Wahrscheinlich halten Sie mich für total unhöflich. Und herzlos. Was ich nicht bin.«
Ich spielte mit der Maus meines Rechners. Der Cursor glitt auf den Menüpunkt »Über mich«. Ohne nachzudenken, klickte ich ihn an und sah mein Bild. Andrea hatte es ausgesucht. »Auf keinen Fall eins, auf dem du so streng in die Kamera guckst!« So lächelte ich mir also vom Bildschirm entgegen. Ich fand mich trotzdem nicht besonders schön. Das Blau meiner Augen viel zu hell, die Nase zu klein, der Mund - okay, mein Mund war ganz nett.
»Frau Janssen? Sind Sie noch dran?«
© Marion von Schröder
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Autoren-Porträt von Bettina Haskamp
Bettina Haskamp hat drei Jahre mit einem Segelboot die Welt bereist, danach als Journalistin für den NDR und Radio Bremen gearbeitet. Heute lebt sie als Autorin in Hamburg und Portugal.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bettina Haskamp
- 2014, 279 Seiten, Maße: 13,6 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: MARION VON SCHRÖDER
- ISBN-10: 3547711975
- ISBN-13: 9783547711974
- Erscheinungsdatum: 11.04.2014
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