Beim Häuten der Zwiebel
Günter Grass erzählt von sich selbst. Vom Ende seiner Kindheit beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Vom Knaben in Uniform, der so gern zur U-Boot-Flotte möchte und sich hungernd in einem Kriegsgefangenenlager wiederfindet. Von dem jungen Mann, der sich...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Günter Grass erzählt von sich selbst. Vom Ende seiner Kindheit beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Vom Knaben in Uniform, der so gern zur U-Boot-Flotte möchte und sich hungernd in einem Kriegsgefangenenlager wiederfindet. Von dem jungen Mann, der sich den Künsten verschreibt, den Frauen hingibt und in Paris an der "Blechtrommel" arbeitet. Günter Grass erzählt von der spannendsten Zeit eines Menschen: den Jahren, in denen eine Persönlichkeit entsteht, geformt wird, ihre einzigartige Gestalt annimmt.
"Wer sich ungenau erinnert, kommt manchmal dennoch der Wahrheit um Streichholzlänge näher, und sei es auf krummen Wegen."
Günter Grass
Günter Grass, 1927 in Danzig geboren, ist durch sein literarisches Werk weltberühmt geworden.
1999 wurde er mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet.
Jetzt, nach sechzig Jahren, schreibt er in seiner Biographie zum ersten Mal über ein dunkles Kapitel seines Lebens: seine Mitgliedschaft als Jugendlicher in der Waffen-SS.
Beim Häuten der Zwiebel von GünterGrass
LESEPROBE
Ob heute oder vor Jahren,lockend bleibt die Versuchung, sich in dritter Person zu verkappen: Als erannähernd zwölf zählte, doch immer noch liebend gern auf Mutters Schoß saß,begann und endete etwas. Aber läßt sich, was anfing,was auslief, so genau auf den Punkt bringen? Was mich betrifft, schon.
Auf engem Raum wurde meineKindheit beendet, als dort, wo ich aufwuchs, an verschiedenen Stellenzeitgleich der Krieg ausbrach. Er begann unüberhörbar mit den Breitseiten einesLinienschiffes und dem Anflug von Sturzkampfflugzeugen über dem HafenvorortNeufahrwasser, dem als polnischer Militärstützpunkt die Westerplattegegenüberlag, zudem entfernter mit den gezielten Schüssen zweierPanzerspähwagen beim Kampf um die Polnische Post in der Danziger Altstadt und nahbei verkündet aus unserem Radio, dem Volksempfänger, derim Wohnzimmer auf dem Büfett seinen Platz hatte: mit ehernen Worten wurde ineiner Parterrewohnung, die Teil eines dreistöckigen Mietshauses im Langfuhrer Labesweg war, das Endemeiner Kinderjahre ausgerufen.
Sogar die Uhrzeit wollte unvergeßlich sein. Ab dann herrschte auf dem Flugplatz desFreistaates, nahe der Schokoladenfabrik Baltic, nichtnur ziviler Betrieb. Aus den Dachluken des Mietshauses gesehen, stieg übermFreihafen schwärzlich Rauch auf, der sich unter fortgesetzten Angriffen und beileichtem Wind aus Nordwest erneuerte.
Aber sobald ich mich an denfernen Geschützdonner der Schleswig-Holstein, die eigentlich als Veteran derSkagerrakschlacht ausgedient hatte und nur noch als Schulschiff für Kadettentaugte, sowie an die abgestuften Geräusche von Flugzeugen erinnern will, dieStukas genannt wurden, weil sie hoch überm Kampfgebiet seitlich abkippten undim Sturzflug mit endlich ausgeklinkten Bomben ihr Ziel fanden, rundet sich dieFrage: Warum überhaupt soll Kindheit und deren so unverrückbar datiertes Endeerinnert werden, wenn alles, was mir ab den ersten und seit den zweiten Zähnenwiderfuhr, längst samt Schulbeginn, Murmelspiel und verschorften Knien, denfrühesten Beichtgeheimnissen und der späteren Glaubenspein zu Zettelkram wurde,der seitdem einer Person anhängt, die, kaum zu Papier gebracht, nicht wachsenwollte, Glas in jeder Gebrauchsform zersang, zweihölzerne Stöcke zur Hand hatte und sich dank ihrer Blechtrommel einen Namenmachte, der fortan zitierbar zwischen Buchdeckeln existierte und in weißnichtwieviel Sprachen unsterblich sein will?
Weil dies und auch dasnachgetragen werden muß. Weil vorlaut auffallendetwas fehlen könnte. Weil wer wann in den Brunnen gefallen ist: meine erstdanach überdeckelten Löcher, mein nicht zu bremsendesWachstum, mein Sprachverkehr mit verlorenen Gegenständen. Und auch dieser Grundsei genannt: weil ich das letzte Wort haben will. ()
© Steidl Verlag
Autoren-Porträtvon Günter Grass
Günter Grass ist einer der bedeutendsten Autoren derdeutschen Nachkriegsliteratur. Er wurde am 16.10.1927 in Danzig als Sohndeutsch-polnischer Eltern geboren. Mit 17 Jahren trat er in die Waffen-SS ein,wurde 1945 verwundet, geriet in amerikanische Gefangenschaft und wurde 1946 ausihr entlassen. Seine Familie lebte nach der Vertreibung im Rheinland. GünterGrass machte in Düsseldorf eine Ausbildung zum Steinmetz und studierte an derdortigen Kunstakademie Grafik und Bildhauerei, später setzte er sein Studium inBerlin fort.
Von 1956 bis 1960 lebte Günter Grass in Paris, wo er alsbildender Künstler und als Schriftsteller arbeitete. Dort entstand auch derRoman "Die Blechtrommel", der ihn in der ganzen Welt bekannt machte. Sein Stil,der Lyrik und Erzählkunst vereint, war für die damalige Zeit äußerstprovozierend. Kritiker warfen dem Autor u.a. Blasphemie und Pornografie vor,mussten aber gleichzeitig den scharfen Blick des Autors für geschichtlicheSituationen und menschliche Verhaltensweisen anerkennen. Auch die folgendenWerke, "Katz und Maus" und "Hundjahre", zeugen von Grass besonderemstilistischen Vermögen, aber auch von seinem großen Interesse für politischeFragestellungen. Grass war jahrelang SPD-Mitglied, formulierte entschiedenePositionen zu nationalen und internationalen Themen und avancierte im Laufeder Zeit zum "Gewissen der Nation". 1974 veröffentlichte er den Sammelband"Der Bürger und seine Stimme. Reden, Aufsätze, Kommentare." Sein Name wirdjedoch vor allem mit seinem erzählerischen Werk verbunden, etwa den in denfolgenden Jahren erscheinenden Romanen "Der Butt", "Die Rättin" und "Ein weitesFeld".
Eine späte Anerkennung seines Erfolgsromans "DieBlechtrommel" erfuhr Günter Grass 1999 durch die Verleihung des Nobelpreisesfür Literatur. Die Freie Universität Berlin ernannte den Autor 2005 zumEhrendoktor.
Unter dem Titel "Beim Häuten der Zwiebel" ist nun dieAutobiografie dieses immer noch und immer wieder kontrovers diskutiertenSchriftstellers erschienen. In ihr gibt er erstmals Auskunft über seine Zeitbei der Waffen-SS.
- Autor: Günter Grass
- 2006, 1., Aufl., 480 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13 x 20,5 cm, Leinen, Deutsch
- Verlag: Steidl
- ISBN-10: 3865213308
- ISBN-13: 9783865213303
5 von 5 Sternen
5 Sterne 2Schreiben Sie einen Kommentar zu "Beim Häuten der Zwiebel".
Kommentar verfassen