Bis dein Herz mich findet
Roman. Deutsche Erstausgabe
Laura sitzt im Gefängnis und wird beschuldigt, ihre Freundin Jackie ermordet zu haben. Nach langem Kampf fügt sie sich in ihr Schicksal. Bis sie einen Brief von ihrer Jugendliebe Stuart erhält. Er hat sie nie vergessen und will ihr nun helfen, ihre Unschuld zu beweisen.
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Produktinformationen zu „Bis dein Herz mich findet “
Laura sitzt im Gefängnis und wird beschuldigt, ihre Freundin Jackie ermordet zu haben. Nach langem Kampf fügt sie sich in ihr Schicksal. Bis sie einen Brief von ihrer Jugendliebe Stuart erhält. Er hat sie nie vergessen und will ihr nun helfen, ihre Unschuld zu beweisen.
Klappentext zu „Bis dein Herz mich findet “
Laura verband eine tiefe Freundschaft zu Jackie. Doch nun sitzt sie im Gefängnis - sie wird beschuldigt, Jackie ermordet zu haben. Ausgerechnet die Frau, die Laura Zuflucht vor ihrem Stiefvater gewährt und fortan alle Höhen und Tiefen mit ihr durchlebt hatte!Nach langem Kampf ist Laura schließlich bereit, sich in ihr Schicksal zu ergeben. Doch da erreicht sie im Gefängnis ein Brief, der die schönen Momente der Vergangenheit wieder lebendig werden lässt: Ihre Jugendliebe Stuart hat sie in all den Jahren nie vergessen und ist fest entschlossen, den Fall aufzuklären und Lauras Unschuld zu beweisen - selbst wenn er dadurch selbst in Gefahr gerät -
Lese-Probe zu „Bis dein Herz mich findet “
Bis dein Herz mich findet von Lesley PearseKapitel 1
1995
Verdorrter alter Kohlkopf!«, sagte Donna Ferguson laut und schneidend, als sie Laura Brannigan Brokkoli auf den Teller löffelte. Laura hatte diese spezielle schottische Schmähung stets amüsant gefunden, doch sie unterdrückte jeden Ausdruck von Heiterkeit denn den hätte Donna, die achtzehnjährige Bedienung hinter der Theke, nur als weiteren Beweis ihrer Demenz angesehen. Aber vermutlich hielt Donna mit ihrem Kampfgewicht von hundertfünfundzwanzig Kilo ohnehin jeden, der mehr Brokkoli und weniger Kartoffelpüree verlangte, für ernsthaft geschädigt. »Ich mag alt und verdorrt sein, doch Brokkoli hält meinen Verstand scharf und meinen Körper schlank«, gab Laura zurück. »Vielleicht sollten Sie es auch mal versuchen.« Als sie sich mit ihrem Tablett abwandte, um sich einen Platz im Speisesaal zu suchen, spürte sie die Spannung, die immer dann in der Luft lag, wenn ihre Mitgefangenen glaubten, dass es möglicherweise zu einem Streit oder Kampf kommen würde. Aber wie schon so viele Male zuvor, wenn jemand Laura beleidigt hatte, würden sie auch heute enttäuscht werden. Es war ohne zusätzlichen Ärger schon hart genug, mit fünfzig eine lebenslängliche Haftstrafe für ein Verbrechen zu verbüßen, das sie nicht begangen hatte. Außerdem hatte Laura Mitleid mit Donna: Der jungen Frau blieb bei ihrem Aussehen wie ein gestrandeter Wal gar nichts anderes übrig, als sich hart zu geben. Während sie die etwa dreißig Frauen im Speisesaal betrachtete, dachte Laura darüber nach, wie sehr die Filmemacher sich doch irrten, wenn sie weibliche Gefangene porträtierten. Hier gab es keine Schönheiten mit erotischer Ausstrahlung, und man fand auch nur herzlich wenig Intelligenz. Die Frauen kamen
... mehr
in allen Formen und Größen und jedem Alter daher, von siebzehn bis über sechzig, aber allen gemein waren die stumpfe Haut, das glanzlose Haar und der mutlose Blick. Den gleichen Blick sah sie jedes Mal, wenn sie töricht genug war, in einen Spiegel zu schauen. »Komm und setz dich zu mir, Law«, rief Maureen Crosby. »Wir alten Kohlköpfe sollten zusammenhalten!« Jetzt lächelte Laura doch, denn so ein Aufblitzen von Humor war völlig untypisch für Maureen und musste entsprechend gewürdigt werden. Normalerweise war die Zweiundfünfzigjährige aus Glasgow ziemlich mürrisch, blieb gern für sich und ließ sich nur selten auf ihre Umgebung ein. »Danke, Maureen«, sagte Laura und nahm ihr Angebot an. »War es eine Todsünde, um mehr Brokkoli zu bitten?« Als Laura zwei Jahre zuvor in Untersuchungshaft nach Cornton Vale, Schottlands einziges Frauengefängnis, gekommen war, hatten nur Maureen und einige wenige andere Gefangene dort keine sarkastischen Bemerkungen über Lauras Alter, ihren englischen Akzent oder ihre beharrliche Behauptung gemacht, es sei ein schrecklicher Fehler, sie wegen Mordes vor Gericht zu stellen. Möglicherweise hatte Maureen sich nur deshalb so verhalten, weil sie ungefähr in ihrem Alter war, wahrscheinlicher war jedoch, dass sie in ihrem eigenen Leben zu viel Elend erfahren hatte, um das eines anderen Menschen noch vermehren zu wollen. Sie hatte Narben auf den Wangen, die von einer Rasierklinge stammten, und ihr Handgelenk stand in einem unnatürlichen Winkel ab, das Ergebnis eines Bruchs, der nie richtig verheilt war. Die meisten ihrer Zähne waren abgebrochen, und sie hatte ein immer wiederkehrendes Rückenproblem. »Du siehst heute sehr hübsch aus. Erwartest du Besuch?«, fragte Laura, während sie zu essen begann. Maureen war eine massige Frau und schlurfte normalerweise in einem schwarzen Trainingsanzug herum, der weder ihrer rundlichen Figur noch ihrem talgigen Teint schmeichelte. Aber heute trug sie eine elegante graue Hose und eine hellrosa Bluse. Sie hatte sich das graue Haar gewaschen und gefönt und war sogar geschminkt. »Aye, meine Jenny kommt«, antwortete Maureen, und ihre Stimme, die normalerweise so mutlos klang, wirkte ein wenig fröhlicher. »Wie schön!«, rief Laura. Maureen hatte ihr einige Wochen zuvor anvertraut, dass ihre Tochter sie nie wiedersehen wolle. Das war nach Maureens Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung gewesen sie hatte ihren Mann mit einem Wagen überfahren. »Wie kommt es, dass sie ihre Meinung geändert hat?« Maureen zuckte die Schultern zum Zeichen, dass sie den genauen Grund nicht kannte. »Ich hab getan, was du gesagt hast, und ihr geschrieben und ihr erzählt, welche Gefühle ich für sie habe. Vielleicht war es das.« Laura nickte. Maureen war drauf und dran gewesen, ihren Ehemann, von dem sie misshandelt wurde, zu verlassen, als sie entdeckte, dass er ihr Geld gestohlen hatte Geld, das sie gespart hatte, um ihm entfliehen zu können. Am selben Abend hatte er sie abermals verprügelt, und als sie früh am nächsten Morgen von ihrer Putzstelle in einem Büro nach Hause gefahren war, hatte sie ihn aus dem Haus einer Frau kommen sehen. Maureen hatte schon lange den Verdacht gehegt, dass er eine Affäre mit dieser Frau hatte. In einem Anfall von Zorn war sie mit dem Wagen direkt auf ihn zugefahren, hatte ihm beide Beine gebrochen und ihm massive innere Verletzungen zugefügt, von denen er sich wahrscheinlich niemals ganz erholen würde. Jenny schlug sich auf die Seite ihres Vaters und weigerte sich, die Demütigungen und die Brutalität in Rechnung zu stellen, unter denen Maureen im Laufe der Jahre zu leiden gehabt hatte.
Sie gestattete noch nicht einmal ihren jüngeren Geschwistern, ihre Mutter zu besuchen. »Ich nehme an, dein Mann hat auch ihr gegenüber sein wahres Gesicht gezeigt«, sagte Laura nachdenklich. »Und deine anderen Kinder werden Jenny wahrscheinlich erzählt haben, was er dir in der Vergangenheit angetan hat. Sie wird das alles gegeneinander aufgewogen und begriffen haben, dass du am Ende deiner Kraft und Weisheit warst. Ein Mädchen braucht seine Mutter, und ich bin davon überzeugt, dass sie dich schrecklich vermisst hat.« »Du bist ein guter Mensch«, erwiderte Maureen unerwartet. »Zuerst hab ich nicht geglaubt, dass du unschuldig warst, aber jetzt tu ich es. Du hast es nicht in dir, jemanden zu töten, erst recht nicht eine alte Freundin.« Laura lächelte kläglich. Vor zwei Jahren hätte eine solche Bemerkung ihr Hoffnung gemacht; sie hätte geglaubt, dass die Anwälte, die Polizei und die Geschworenen sie im gleichen Licht sehen würden. Aber die Geschworenen hatten sie für schuldig befunden, und ihr Anwalt sah keinen Grund dafür, in Berufung zu gehen. Jetzt wusste sie, dass alle, die mit dem Fall zu tun gehabt hatten, fest von ihrer Schuld überzeugt waren, und das zu ertragen war das Schlimmste von allem. »Es bedeutet mir viel, dass du mir glaubst«, seufzte sie. »Aber lass uns heute nicht darüber reden. Du musst schon sehr aufgeregt sein wegen deines Besuchs.« »Das bin ich.« Maureen strahlte. »Einfach ihr hübsches kleines Gesichtchen wiederzusehen, wird genug sein. Sie ist jetzt dreißig, und ein zweites Kleines ist unterwegs. Ich wusste bisher nicht mal, dass ich einen Enkelsohn hatte.« »Versuche, ihren Vater nicht zu erwähnen«, meinte Laura sanft. »Frag sie nach deinem Enkel, nach ihrer Schwangerschaft und ihrem Zuhause und solchen Dingen. Sie wird verlegen sein wegen der Art, wie sie dich behandelt hat, aber sie muss den Wunsch haben, Brücken zu bauen, sonst würde sie nicht kommen.« Maureen sah Laura versonnen an. »Warum bekommst du nie Besuch, Law?«, wollte sie wissen. »Eine gute Frau wie du muss jede Menge Freunde gehabt haben.« »Ich war keine gute Frau«, erwiderte Laura kläglich. »Ich habe Menschen schlecht behandelt und sie benutzt. Jackie war die Einzige, deren Meinung über mich je gezählt hat, und ich habe sie geliebt. Aber jetzt, da ich wegen Mordes an ihr verurteilt wurde, sind die wenigen Menschen, die ich gern als Freunde betrachtet habe, verschwunden, und es ist niemand mehr da, der sich auch nur ein Jota um mich schert.«
Als Laura nach dem Essen in ihre Zelle zurückkam, legte sie sich auf ihr Bett und schloss die Augen. Ihre Mitgefangenen hatten ihre Zellen mit Bildern und Fotos geschmückt, aber abgesehen von einem Bild von einer weißen Rose, das sie aus einer Zeitschrift ausgeschnitten hatte, waren Lauras Wände so nackt wie an dem Tag vor einem Jahr, als man sie nach der Urteilsverkündung hierher gebracht hatte. Damals war sie zu zornig gewesen, um den Gedanken auch nur in Erwägung zu ziehen, sich häuslich einzurichten, denn das wäre ihr so vorgekommen, als akzeptierte sie ihr Schicksal. In ihren dunkelsten Augenblicken hatte sie das Gitter vor dem Fenster angestarrt und darüber nachgedacht, sich daran zu erhängen. Doch Selbstmord schien mehr ein Eingeständnis von Schuld zu sein als eine Bekräftigung ihrer Unschuld. Es war eine Form des Protestes, die Zelle trostlos und unpersönlich zu lassen. Laura hatte nichts dagegen, dass sie winzig war sie hatte in der Vergangenheit in gleichermaßen kleinen Räumen gelebt. Bis zu einem gewissen Maß konnte sie der Enge entfliehen, indem sie Radio hörte und von ihrem Fenster aus zu den Hügeln hinüberblickte. Aber der ständige Lärm um sie herum vermittelte ihr oft das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Im Bravo-Block wurde unablässig gegen Gitterstäbe geschlagen, gesungen, geweint, geschrien, geredet und heiser gelacht. Laura konnte ihre Zelle vor den anderen Frauen schließen, sie konnte sogar dem Rauch und dem Gestank ihrer Zigaretten ausweichen, aber der Lärm war ständig da, und manchmal hätte sie am liebsten geschrien, sie sollten endlich still sein. Sie konnte sich daran erinnern, wie sehr sie den schottischen Akzent geliebt hatte, als sie seinerzeit nach Schottland gezogen war, doch jetzt schmerzte er ihr in den Ohren; selbst die sanfteren Töne jener, die aus Städten wie Inverness kamen, irritierten sie. Laura hätte alles dafür gegeben, einen Londoner Akzent zu hören, doch nach dreiundzwanzig Jahren in Schottland waren selbst ihrer Sprechweise nur noch geringe Spuren ihrer Londoner Herkunft anzumerken. Sie stand erschöpft von ihrem Bett auf, um ihre Ohrstöpsel zu suchen. Sie blendeten den Lärm nicht aus, dämpften ihn jedoch zumindest. Laura fand sie auf dem Waschbecken, und als sie sie in ihre Ohren schob, sah sie für einen Moment ihr Gesicht im Spiegel. Der Anblick verstärkte ihre Niedergeschlagenheit noch, denn ihre Züge spiegelten ihren müden, hoffnungslosen Geisteszustand wider, und ihr Haar hatte die Farbe und Beschaffenheit von schmutzigem Stroh. Als Kind war es mausbraun gewesen, aber während ihres ganzen Erwachsenenlebens hatte sie es sich gefärbt schwarz, rot, dunkelbraun, blond und einmal sogar pink , daher war es schwer, sich an die genaue ursprüngliche Farbe zu erinnern. Dennoch wusste sie sehr wohl noch, wie es an dem Tag ausgesehen hatte, als sie Jackie tot aufgefunden hatte, denn tags zuvor war sie beim Friseur gewesen und hatte sich das Haar kurz schneiden und blonde Strähnchen einfärben lassen. Jetzt fiel es ihr lang und formlos auf die Schultern, daher band sie es stets mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammen. Und wenn sie es bürstete, konnte sie von den blonden Strähnchen nur noch orangefarbene Spitzen entdecken. Alles andere war von einem hässlichen, ungleichmäßigen Grau. Glamourös, chic, elegant, perfekt gepflegt das waren die Ausdrücke, mit denen man sie vor zwei Jahren beschrieben hatte, als sie noch ihren Laden gehabt hatte. Mit ihren eins fünfundsechzig und Kleidergröße sechsunddreißig hatten ihr noch immer die Arbeiter nachgepfiffen, wenn sie an einer Baustelle vorbeigekommen war, und sie war kaum einmal abends ausgegangen, ohne von irgendeinem Mann angesprochen zu werden. Man hatte sie eher auf fünfunddreißig geschätzt als auf Ende vierzig. Jetzt hätte kein Mann einen zweiten Blick an sie verschwendet. Sie mochte immer noch schlank sein, doch ihre Haut war so grau wie ihr Haar, und ihren braunen Augen, die so oft als leuchtend beschrieben worden waren, fehlte nun jeder Glanz. Selbst wenn sie ein elegantes Kostüm und hochhackige Schuhe anzöge, sich das Haar schneiden und färben ließe und sich schminkte, würde sie niemals mehr so aussehen können, wie sie einst ausgesehen hatte. Es war, als wäre ein Licht in ihr ausgeschaltet worden. »Brannigan!« Beim Klang ihres Namens drehte Laura sich um und sah Justizvollzugsbeamtin Beadington allgemein bekannt als Beady an der Tür stehen. Laura zog ihre Ohrstöpsel heraus. »Es ist ein Brief für Sie abgegeben worden«, sagte Beady und hielt ihr ein Blatt Papier hin. »Der Mann war gerade hier und wollte Sie besuchen. Die Beamten am Tor mussten ihn wegschicken, doch sie haben ihm erklärt, er könne schreiben und Sie um eine Besucherkarte bitten.« Lauras Herz machte einen Satz, als sie die vertraute Handschrift sah. Sie mochte sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben, aber sie war unverkennbar.
»Es ist doch nicht wieder einer von diesen Journalisten, oder?«, fragte Beady. »Sie wissen, wie der Anstaltsleiter dazu steht!« Laura war zu verblüfft über den Brief in ihrer Hand, um sofort antworten zu können. Sie sah Beady einige Sekunden lang mit leerem Blick an, als wäre sie in einer unbekannten Sprache angesprochen worden. »Nein. Nein, kein Journalist«, sagte sie, als ihr klar wurde, dass sie antworten musste. Sie hatte kurz nach ihrer Verurteilung mehreren Journalisten Besucherkarten geschickt in der Hoffnung, sie würden sich ihres Falles annehmen. Fast alle waren gekommen, aber ihre Notlage hatte sie nicht gekümmert; niemand hatte ihr geglaubt, dass sie unschuldig war. In Wirklichkeit waren sie alle nur darauf aus gewesen, mehr Schmutz über sie in Erfahrung zu bringen und etwas über die Reihe von Selbstmorden zu hören, die sich in den letzten Monaten in diesem Gefängnis ereignet hatten. Die Journalisten hatten Laura als Vorwand benutzt, um Sensationsartikel über das Gefängnis zu schreiben, und der Leiter war sehr wütend darüber gewesen, dass sie ihnen unwissentlich Insider-Informationen gegeben hatte. »Der Brief ist von einem Mann, den ich vor langer Zeit gekannt habe«, sagte Laura schwach. »Es ist ein kleiner Schock!« »Es heißt, er sei ausgesprochen sexy«, bemerkte Beady mit einem breiten Lächeln. Laura erwiderte das Lächeln müde. Beady war eine anständige Frau; sie hatte eine harte Schale und konnte wie ein Bulldozer jeden überrollen, der sie in Rage brachte, doch auf diese Weise versuchte sie nur, ihren weichen Kern zu schützen. Laura hatte sie junge Mädchen trösten sehen, wenn deren Partner ihnen den Laufpass gegeben hatten oder ihre Kinder der Fürsorge übergeben worden waren. Beady hatte das Herz am rechten Fleck. »Er war schon immer sexy«, stimmte Laura traurig zu.
Übersetzung: Hans Link
Copyright © 2010 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Sie gestattete noch nicht einmal ihren jüngeren Geschwistern, ihre Mutter zu besuchen. »Ich nehme an, dein Mann hat auch ihr gegenüber sein wahres Gesicht gezeigt«, sagte Laura nachdenklich. »Und deine anderen Kinder werden Jenny wahrscheinlich erzählt haben, was er dir in der Vergangenheit angetan hat. Sie wird das alles gegeneinander aufgewogen und begriffen haben, dass du am Ende deiner Kraft und Weisheit warst. Ein Mädchen braucht seine Mutter, und ich bin davon überzeugt, dass sie dich schrecklich vermisst hat.« »Du bist ein guter Mensch«, erwiderte Maureen unerwartet. »Zuerst hab ich nicht geglaubt, dass du unschuldig warst, aber jetzt tu ich es. Du hast es nicht in dir, jemanden zu töten, erst recht nicht eine alte Freundin.« Laura lächelte kläglich. Vor zwei Jahren hätte eine solche Bemerkung ihr Hoffnung gemacht; sie hätte geglaubt, dass die Anwälte, die Polizei und die Geschworenen sie im gleichen Licht sehen würden. Aber die Geschworenen hatten sie für schuldig befunden, und ihr Anwalt sah keinen Grund dafür, in Berufung zu gehen. Jetzt wusste sie, dass alle, die mit dem Fall zu tun gehabt hatten, fest von ihrer Schuld überzeugt waren, und das zu ertragen war das Schlimmste von allem. »Es bedeutet mir viel, dass du mir glaubst«, seufzte sie. »Aber lass uns heute nicht darüber reden. Du musst schon sehr aufgeregt sein wegen deines Besuchs.« »Das bin ich.« Maureen strahlte. »Einfach ihr hübsches kleines Gesichtchen wiederzusehen, wird genug sein. Sie ist jetzt dreißig, und ein zweites Kleines ist unterwegs. Ich wusste bisher nicht mal, dass ich einen Enkelsohn hatte.« »Versuche, ihren Vater nicht zu erwähnen«, meinte Laura sanft. »Frag sie nach deinem Enkel, nach ihrer Schwangerschaft und ihrem Zuhause und solchen Dingen. Sie wird verlegen sein wegen der Art, wie sie dich behandelt hat, aber sie muss den Wunsch haben, Brücken zu bauen, sonst würde sie nicht kommen.« Maureen sah Laura versonnen an. »Warum bekommst du nie Besuch, Law?«, wollte sie wissen. »Eine gute Frau wie du muss jede Menge Freunde gehabt haben.« »Ich war keine gute Frau«, erwiderte Laura kläglich. »Ich habe Menschen schlecht behandelt und sie benutzt. Jackie war die Einzige, deren Meinung über mich je gezählt hat, und ich habe sie geliebt. Aber jetzt, da ich wegen Mordes an ihr verurteilt wurde, sind die wenigen Menschen, die ich gern als Freunde betrachtet habe, verschwunden, und es ist niemand mehr da, der sich auch nur ein Jota um mich schert.«
Als Laura nach dem Essen in ihre Zelle zurückkam, legte sie sich auf ihr Bett und schloss die Augen. Ihre Mitgefangenen hatten ihre Zellen mit Bildern und Fotos geschmückt, aber abgesehen von einem Bild von einer weißen Rose, das sie aus einer Zeitschrift ausgeschnitten hatte, waren Lauras Wände so nackt wie an dem Tag vor einem Jahr, als man sie nach der Urteilsverkündung hierher gebracht hatte. Damals war sie zu zornig gewesen, um den Gedanken auch nur in Erwägung zu ziehen, sich häuslich einzurichten, denn das wäre ihr so vorgekommen, als akzeptierte sie ihr Schicksal. In ihren dunkelsten Augenblicken hatte sie das Gitter vor dem Fenster angestarrt und darüber nachgedacht, sich daran zu erhängen. Doch Selbstmord schien mehr ein Eingeständnis von Schuld zu sein als eine Bekräftigung ihrer Unschuld. Es war eine Form des Protestes, die Zelle trostlos und unpersönlich zu lassen. Laura hatte nichts dagegen, dass sie winzig war sie hatte in der Vergangenheit in gleichermaßen kleinen Räumen gelebt. Bis zu einem gewissen Maß konnte sie der Enge entfliehen, indem sie Radio hörte und von ihrem Fenster aus zu den Hügeln hinüberblickte. Aber der ständige Lärm um sie herum vermittelte ihr oft das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Im Bravo-Block wurde unablässig gegen Gitterstäbe geschlagen, gesungen, geweint, geschrien, geredet und heiser gelacht. Laura konnte ihre Zelle vor den anderen Frauen schließen, sie konnte sogar dem Rauch und dem Gestank ihrer Zigaretten ausweichen, aber der Lärm war ständig da, und manchmal hätte sie am liebsten geschrien, sie sollten endlich still sein. Sie konnte sich daran erinnern, wie sehr sie den schottischen Akzent geliebt hatte, als sie seinerzeit nach Schottland gezogen war, doch jetzt schmerzte er ihr in den Ohren; selbst die sanfteren Töne jener, die aus Städten wie Inverness kamen, irritierten sie. Laura hätte alles dafür gegeben, einen Londoner Akzent zu hören, doch nach dreiundzwanzig Jahren in Schottland waren selbst ihrer Sprechweise nur noch geringe Spuren ihrer Londoner Herkunft anzumerken. Sie stand erschöpft von ihrem Bett auf, um ihre Ohrstöpsel zu suchen. Sie blendeten den Lärm nicht aus, dämpften ihn jedoch zumindest. Laura fand sie auf dem Waschbecken, und als sie sie in ihre Ohren schob, sah sie für einen Moment ihr Gesicht im Spiegel. Der Anblick verstärkte ihre Niedergeschlagenheit noch, denn ihre Züge spiegelten ihren müden, hoffnungslosen Geisteszustand wider, und ihr Haar hatte die Farbe und Beschaffenheit von schmutzigem Stroh. Als Kind war es mausbraun gewesen, aber während ihres ganzen Erwachsenenlebens hatte sie es sich gefärbt schwarz, rot, dunkelbraun, blond und einmal sogar pink , daher war es schwer, sich an die genaue ursprüngliche Farbe zu erinnern. Dennoch wusste sie sehr wohl noch, wie es an dem Tag ausgesehen hatte, als sie Jackie tot aufgefunden hatte, denn tags zuvor war sie beim Friseur gewesen und hatte sich das Haar kurz schneiden und blonde Strähnchen einfärben lassen. Jetzt fiel es ihr lang und formlos auf die Schultern, daher band sie es stets mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammen. Und wenn sie es bürstete, konnte sie von den blonden Strähnchen nur noch orangefarbene Spitzen entdecken. Alles andere war von einem hässlichen, ungleichmäßigen Grau. Glamourös, chic, elegant, perfekt gepflegt das waren die Ausdrücke, mit denen man sie vor zwei Jahren beschrieben hatte, als sie noch ihren Laden gehabt hatte. Mit ihren eins fünfundsechzig und Kleidergröße sechsunddreißig hatten ihr noch immer die Arbeiter nachgepfiffen, wenn sie an einer Baustelle vorbeigekommen war, und sie war kaum einmal abends ausgegangen, ohne von irgendeinem Mann angesprochen zu werden. Man hatte sie eher auf fünfunddreißig geschätzt als auf Ende vierzig. Jetzt hätte kein Mann einen zweiten Blick an sie verschwendet. Sie mochte immer noch schlank sein, doch ihre Haut war so grau wie ihr Haar, und ihren braunen Augen, die so oft als leuchtend beschrieben worden waren, fehlte nun jeder Glanz. Selbst wenn sie ein elegantes Kostüm und hochhackige Schuhe anzöge, sich das Haar schneiden und färben ließe und sich schminkte, würde sie niemals mehr so aussehen können, wie sie einst ausgesehen hatte. Es war, als wäre ein Licht in ihr ausgeschaltet worden. »Brannigan!« Beim Klang ihres Namens drehte Laura sich um und sah Justizvollzugsbeamtin Beadington allgemein bekannt als Beady an der Tür stehen. Laura zog ihre Ohrstöpsel heraus. »Es ist ein Brief für Sie abgegeben worden«, sagte Beady und hielt ihr ein Blatt Papier hin. »Der Mann war gerade hier und wollte Sie besuchen. Die Beamten am Tor mussten ihn wegschicken, doch sie haben ihm erklärt, er könne schreiben und Sie um eine Besucherkarte bitten.« Lauras Herz machte einen Satz, als sie die vertraute Handschrift sah. Sie mochte sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben, aber sie war unverkennbar.
»Es ist doch nicht wieder einer von diesen Journalisten, oder?«, fragte Beady. »Sie wissen, wie der Anstaltsleiter dazu steht!« Laura war zu verblüfft über den Brief in ihrer Hand, um sofort antworten zu können. Sie sah Beady einige Sekunden lang mit leerem Blick an, als wäre sie in einer unbekannten Sprache angesprochen worden. »Nein. Nein, kein Journalist«, sagte sie, als ihr klar wurde, dass sie antworten musste. Sie hatte kurz nach ihrer Verurteilung mehreren Journalisten Besucherkarten geschickt in der Hoffnung, sie würden sich ihres Falles annehmen. Fast alle waren gekommen, aber ihre Notlage hatte sie nicht gekümmert; niemand hatte ihr geglaubt, dass sie unschuldig war. In Wirklichkeit waren sie alle nur darauf aus gewesen, mehr Schmutz über sie in Erfahrung zu bringen und etwas über die Reihe von Selbstmorden zu hören, die sich in den letzten Monaten in diesem Gefängnis ereignet hatten. Die Journalisten hatten Laura als Vorwand benutzt, um Sensationsartikel über das Gefängnis zu schreiben, und der Leiter war sehr wütend darüber gewesen, dass sie ihnen unwissentlich Insider-Informationen gegeben hatte. »Der Brief ist von einem Mann, den ich vor langer Zeit gekannt habe«, sagte Laura schwach. »Es ist ein kleiner Schock!« »Es heißt, er sei ausgesprochen sexy«, bemerkte Beady mit einem breiten Lächeln. Laura erwiderte das Lächeln müde. Beady war eine anständige Frau; sie hatte eine harte Schale und konnte wie ein Bulldozer jeden überrollen, der sie in Rage brachte, doch auf diese Weise versuchte sie nur, ihren weichen Kern zu schützen. Laura hatte sie junge Mädchen trösten sehen, wenn deren Partner ihnen den Laufpass gegeben hatten oder ihre Kinder der Fürsorge übergeben worden waren. Beady hatte das Herz am rechten Fleck. »Er war schon immer sexy«, stimmte Laura traurig zu.
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Autoren-Porträt von Lesley Pearse
Lesley Pearse wurde in Rochester, Kent, geboren und lebt seit 25 Jahren mit ihrer Familie in Bristol. Ihre Romane sind in England stets auf den ersten Plätzen der Bestsellerlisten zu finden.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lesley Pearse
- 2010, 2. Aufl., 672 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Hans Link
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404163737
- ISBN-13: 9783404163731
- Erscheinungsdatum: 11.01.2010
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