Bloß keine halben Sachen
Deutschland - ein Rollstuhlmärchen. Mit e. Vorw. v. Paul Panzer
Wie behindertenfreundlich ist Deutschland? Ein Praxistest
»Sie parken auf einem Behindertenparkplatz!«
»Ich hab ja auch keine Beine.«
Wie rollt es sich eigentlich durch Deutschland, wenn man keine Beine hat? In seinem...
»Sie parken auf einem Behindertenparkplatz!«
»Ich hab ja auch keine Beine.«
Wie rollt es sich eigentlich durch Deutschland, wenn man keine Beine hat? In seinem...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Bloß keine halben Sachen “
Wie behindertenfreundlich ist Deutschland? Ein Praxistest
»Sie parken auf einem Behindertenparkplatz!«
»Ich hab ja auch keine Beine.«
Wie rollt es sich eigentlich durch Deutschland, wenn man keine Beine hat? In seinem zweiten Buch nimmt Florian Sitzmann die Leserinnen und Leser mit in seine Welt und lässt sie miterleben, was es heißt, als Mensch mit Handicap seinen Mann zu stehen - pardon: zu rollen ...
In seinen Geschichten erzählt er von Freundschaft und Vatersein, von Glück und Unglück, Vertrauen und Misstrauen und vielen Dingen mehr, die ihm wichtig sind. Dies geschieht mal heiter, mal nachdenklich, bisweilen aber auch kritisch und voller Skepsis. Sitzmanns Suche nach Alltagshelden ist getrieben von dem Wunsch, Menschen in schweren Lebenslagen Mut zu machen und zu bestärken: Bitte niemals aufgeben!
Ein kämpferisches Buch gegen Klischees und für eine etwas andere Form der Barrierefreiheit
Das frech-witzige Mutmachbuch auf der Suche nach Alltagshelden
»Sie parken auf einem Behindertenparkplatz!«
»Ich hab ja auch keine Beine.«
Wie rollt es sich eigentlich durch Deutschland, wenn man keine Beine hat? In seinem zweiten Buch nimmt Florian Sitzmann die Leserinnen und Leser mit in seine Welt und lässt sie miterleben, was es heißt, als Mensch mit Handicap seinen Mann zu stehen - pardon: zu rollen ...
In seinen Geschichten erzählt er von Freundschaft und Vatersein, von Glück und Unglück, Vertrauen und Misstrauen und vielen Dingen mehr, die ihm wichtig sind. Dies geschieht mal heiter, mal nachdenklich, bisweilen aber auch kritisch und voller Skepsis. Sitzmanns Suche nach Alltagshelden ist getrieben von dem Wunsch, Menschen in schweren Lebenslagen Mut zu machen und zu bestärken: Bitte niemals aufgeben!
Ein kämpferisches Buch gegen Klischees und für eine etwas andere Form der Barrierefreiheit
Das frech-witzige Mutmachbuch auf der Suche nach Alltagshelden
Klappentext zu „Bloß keine halben Sachen “
Wie behindertenfreundlich ist Deutschland? Ein Praxistest"Sie parken auf einem Behindertenparkplatz!"
"Ich hab ja auch keine Beine."
Wie rollt es sich eigentlich durch Deutschland, wenn man keine Beine hat? In seinem zweiten Buch nimmt Florian Sitzmann die Leserinnen und Leser mit in seine Welt und lässt sie miterleben, was es heißt, als Mensch mit Handicap seinen Mann zu stehen - pardon: zu rollen ...
In seinen Geschichten erzählt er von Freundschaft und Vatersein, von Glück und Unglück, Vertrauen und Misstrauen und vielen Dingen mehr, die ihm wichtig sind. Dies geschieht mal heiter, mal nachdenklich, bisweilen aber auch kritisch und voller Skepsis. Sitzmanns Suche nach Alltagshelden ist getrieben von dem Wunsch, Menschen in schweren Lebenslagen Mut zu machen und zu bestärken: Bitte niemals aufgeben!
Ein kämpferisches Buch gegen Klischees und für eine etwas andere Form der Barrierefreiheit
Das frech-witzige Mutmachbuch auf der Suche nach Alltagshelden
Lese-Probe zu „Bloß keine halben Sachen “
Bloß keine halben Sachen von Florian SitzmannVorwort
Wie kommt ein Komiker dazu, ein Vorwort für einen Behinderten zu schreiben? Was manch einem »unpassend« oder gar »geschmacklos« vorkommen könnte, ist wieder mal typisch für Flo: »Nur bitte ja keine Samthandschuhe!«
Nichts von dem, was man als Mensch »ohne« Handicap über jene »mit« zu wissen glaubt, hat noch Gültigkeit, wenn man sich einmal mit dem außergewöhnlichen Menschen Florian Sitzmann beschäftigt. In seinem neuen Buch geht es auch um Barrieren, um fehlende Kommunikation und um zwei Welten, eingeteilt in »normale« Menschen und Menschen mit Behinderung.
Für mich ist Florian Sitzmann mehr als nur eine Brücke zwischen diesen Welten. Er ist »der« Brückenbauer und deshalb ist dieses Buch so wichtig! Damit aus diesen beiden Welten eine wird, damit wir nicht mehr sprechen müssen über behindertengerecht, sondern nur noch über menschengerecht.
Einmal mehr hat er mit diesem Buch eine neue Brücke gebaut, der »Brückenbauer«, der »Sitzmann« ... der eigentlich »Fliegmann« heißen sollte.
Paul Panzer
Einleitung - Beinlos im Fußgängerdschungel
Vor drei Jahren erschien mein erstes Buch Der halbe Mann. Darin habe ich von meinem Unfall und meinem Leben danach erzählt. Wie ich von einem Riesen von einer Größe von
... mehr
2.04 m zu einem Sitzmann auf zwei Rädern wurde. Nachdem das Buch auf dem Markt war und ich die ersten Lesungen und Fernsehauftritte hinter mir hatte, bekam ich jede Menge Post. Es waren Briefe von Menschen, die Anteil nehmen wollten oder sich Anteilnahme von mir wünschten. Darüber hinaus jede Menge Zuschriften von Lesern und Zuschauern, die froh waren, dass endlich mal einer vom Leben als Behinderter erzählt, ohne gleich in Selbstmitleid, Trauer oder Besserwisserei zu verfallen. Viele Leser schrieben mir, dass es für sie gut war, ein Buch von einem Menschen mit Behinderung zu lesen, der sie - die Nicht-Behinderten - in diese Parallelwelt mitnimmt. Eine Welt, die mit Tabus belegt ist, obwohl Tausende von Menschen in ihr leben. Ich erzählte davon, wie es ist, und erlaubte den Blick über den Rollstuhltellerrand, denn ich weiß, wie rollstuhlgerecht Deutschland wirklich ist und dass das große Ziel der Inklusion von kleinen Teilzielen lebt, die aus Begegnungen, Aufmerksamkeiten und Gesprächen aller Art bestehen. Denn damit transparent wird, wie ein gemeinsames Leben funktioniert, ist Austausch nötig. Vielen »gesunden « Menschen mangelt es nicht an gutem Willen, sondern an Mut. Die Kommunikation zwischen Menschen mit und ohne Handicap ist nicht so ohne weiteres barrierefrei. Einen Hinkenden, einen, der im Rollstuhl sitzt oder nur einen Arm hat, fragt man nicht, wie er das macht. Mit »das« ist das Leben gemeint, das vielfältig und vielschichtig ist. Es gehört sich nicht, sich direkt zu erkundigen, das anzusprechen. Das gilt in vielen Köpfen als unhöflich. Und weil es unhöflich, merkwürdig und ungeübt ist, sprechen auch viele Behinderte nicht über sich und sorgen auf diese Weise dafür, dass vieles weiter unvertraut und mit Vorurteilen behaftet bleibt. So vertraute mir nach einer Lesung ein Zuhörer an, dass er nur auf einem Auge sehen könne, aber nie darüber spreche, um kein Mitleid bei seinen Kollegen zu erregen. Alle sollten denken, dass er ganz normal, also »gesund« wäre. Er wolle keinen Behindertenbonus, gestand er mir, und das schon drei Mal nicht, wenn es um die Karriereleiter geht. Meine Erfahrung ist: Je öfter Menschen von ihren Beeinträchtigungen und Grenzen erzählen, desto geringer werden die Barrieren und desto greifbarer werden Lösungen. Sollten wir uns je begegnen, Sie und ich, dann fragen Sie mich also ruhig, was immer Sie interessiert oder bewegt. Was ich nicht sagen oder beantworten will, das behalte ich sowieso für mich, mögen Sie auch noch so freundlich und attraktiv sein. Die Welt ist vielfältig und die Menschen, die darin leben, sind sehr verschieden. Menschen können einen begeistern oder einem auf die Nerven gehen. Welche Rolle spielt es da, ob jemandem zwei Füße, ein Auge oder ein paar Finger fehlen? Ich bin froh, dass ich erzähle, auch ohne gefragt zu werden; das hat mein Leben sehr erleichtert und eine wirkungsvolle Art von Transparenz ermöglicht. Meine Behinderung ist für mich inzwischen etwas Natürliches. Meine Authentizität hat mir Türen geöffnet, und ich nutze diese Möglichkeiten jetzt für diejenigen, die noch keinen natürlichen Umgang mit Behinderten oder ihrer eigenen Behinderung haben. Ich betrachte es als meinen Auftrag zu berichten, und weil ich dies am besten vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen kann, drehte sich im ersten Buch alles Geschriebene um mich.
Dass das Interesse am Leben im Behindertenbereich so rege ist, bekomme ich ganz stark bei meinen vielen Besuchen in Schulen mit. Junge Menschen erleben Behinderungen oft nur als einen Schreckmoment. Es passiert etwas, man hört davon und dann ist der Klassenkamerad oder der Lehrer auch schon weg - in der Klinik oder in der Reha. Nach einem größeren Unfall können Jahre vergehen, bis ein Mensch in sein früheres Umfeld zurückkommt. Natürlich gibt es integrative Kindergärten und Schulen. Doch die meisten Kinder und Jugendlichen, die ich traf, hatten wenig Kontakt mit Menschen, die in irgendeiner Form beeinträchtigt sind. Das gilt nicht nur für körperliche Behinderungen. Auf einem Sommerfest konnte ich die Plauderei von zwei kleinen Mädchen belauschen. Die eine sagte zur anderen: »Du siehst aber komisch aus!«, worauf die andere entgegnete: »Weil ich ein Mongo bin!« Als wäre es das Normalste der Welt. Ich fand das großartig! Wie es formuliert wird, ist unwichtig, es geht allein um den natürlichen Umgang damit, so wie ihn dieses kleine Mädchen zeigte. Nach dieser Erklärung war alles geklärt und die beiden spielten eine Weile miteinander. Die beste Integration beginnt für mich da, wo jemand sich traut zu fragen und jemand offen und gerne antwortet. Wenn jemand einen anderen Menschen als Gast mitnimmt und ihm dann auch zeigt, wo es schwierig wird. Dies ist für mich das Ziel dieses Buches. Ich möchte Sie gern einladen und mitnehmen und Ihnen zeigen, wo es in Deutschland problematisch ist, sich als Behinderter normal zu fühlen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die einem das Leben im Rollstuhl »zur Hölle« machen können. Oft genug ist es sehr bequem und komfortabel. Aber an anderer Stelle eben auch nicht - und darauf will ich aufmerksam machen. Denn noch mal: Nur so können Lösungen gefunden werden.
Es ist eine Illusion, wenn wir davon ausgehen, das Leben von behinderten und nicht-behinderten Menschen wäre gleich - eine Gleichbehandlung gibt es noch längst nicht. Wenn das so wäre, dann könnte ich an jeder Tankstelle tanken, die gute Preise hat. Kann ich aber nicht, denn auch hier kommt es auf Barrierefreiheit an. Achten Sie beim nächsten Tanken mal darauf, ob Sie mit einem Rollstuhl in den Kassenraum zum Bezahlen kommen. Von der Toilette wollen wir jetzt mal gar nicht reden. Es sind oft kleine alltägliche Dinge, die mit dem Rollstuhl kaum zu bewältigen sind, dabei wäre Abhilfe ganz leicht zu schaffen. Zum Beispiel soll die Welt zwar kein Behindertenparkplatz werden, aber sie muss mir helfen, einen zu finden! Der Berater im Reisebüro muss nicht wissen, welche genauen Bedingungen ich als Reisender benötige, aber er sollte wissen, dass auch Menschen mit Behinderung reisen, dass sie besondere Bedürfnisse haben und Auskünfte brauchen und dass es genau hierfür spezielle Anbieter gibt. Nicht jeder Kindergarten muss für alle Kinder offen sein, aber es wäre für unsere Gesellschaft vorteilhaft, wenn sich mehr pädagogische Einrichtungen zu dieser Öffnung entschließen würden.
Mit diesem Buch will ich anstoßen, provozieren. Deutschland ist in Teilen barrierefrei, aber es geht noch viel mehr! Das Buch zeigt einige Bereiche auf, in denen es sich auch als Mensch ohne Behinderung lohnt, einmal nachzudenken, wie er oder sie dazu beitragen kann, dass Integration, oder noch besser Inklusion, in den nächsten Jahren fußfassen kann. Unser aller Ziel muss es sein, dafür zu sorgen, dass sich Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft bewegen können, ohne darin aufzufallen. Wir haben ja schon eine gute Ausgangsposition geschaffen, aber es gibt immer noch viel zu tun. Also: Lassen wir's anrollen!
Kapitel 1
Erste Schritte ohne Füße
Menschen mit einer Beeinträchtigung sind in Deutschland gut versorgt. Ärzte, Krankenschwestern, Krankengymnasten, Masseure, Reha-Einrichtungen, Krankenkassen, Apotheken, die unterschiedlichsten Berater und nicht zuletzt die Forschung sorgen dafür, dass Heilung und Wiedereingliederung funktionieren und das Leben weiter gehen kann. Aber obwohl wir hier in Deutschland so gut aufgestellt sind, reicht das alles noch längst nicht aus, um wirkliche Gleichbehandlung und Inklusion zu erreichen. Inklusion beginnt für mich an dem Punkt, an dem du in der Öffentlichkeit nicht mehr als Zirkusfigur bestaunt wirst, bloß weil dir zwei Beine fehlen oder du irgendeinen anderen körperlichen »Makel« hast. Nur wenn viele wissen, wie es ist, und die Scheu verlieren, kann sich etwas ändern und wirkliche Begegnung stattfinden. Kinder machen uns das vor, indem sie einfach fragen: »Wie is 'n das so?« Wären Sie ein Kind, würde ich Ihnen jetzt antworten: »Es ist nicht schlecht - es ist aber auch noch nicht so gut, wie es sein könnte.« Will heißen: Deutschland ist, vergleicht man es mit armen Ländern, ein gelobtes Land für Menschen mit Handicap. Vergleicht man es dagegen mit dem, was es sein könnte, fallen kleine Macken und große Mängel auf. Damit dies besser wird, sind alle Menschen gefragt, denn jene, die einen Unfall oder eine Krankheit erleiden, sind erst einmal auf die Hilfe von anderen angewiesen. Wir brauchen die Wahrnehmung und das Denken aller, damit wirkliche Barrierefreiheit und eben Inklusion erreicht werden können. Ohne Beine aufzuwachen ist erst einmal ein Schock, egal wie
Copyright © 2012 by Gütersloher Verlagshaus
2.04 m zu einem Sitzmann auf zwei Rädern wurde. Nachdem das Buch auf dem Markt war und ich die ersten Lesungen und Fernsehauftritte hinter mir hatte, bekam ich jede Menge Post. Es waren Briefe von Menschen, die Anteil nehmen wollten oder sich Anteilnahme von mir wünschten. Darüber hinaus jede Menge Zuschriften von Lesern und Zuschauern, die froh waren, dass endlich mal einer vom Leben als Behinderter erzählt, ohne gleich in Selbstmitleid, Trauer oder Besserwisserei zu verfallen. Viele Leser schrieben mir, dass es für sie gut war, ein Buch von einem Menschen mit Behinderung zu lesen, der sie - die Nicht-Behinderten - in diese Parallelwelt mitnimmt. Eine Welt, die mit Tabus belegt ist, obwohl Tausende von Menschen in ihr leben. Ich erzählte davon, wie es ist, und erlaubte den Blick über den Rollstuhltellerrand, denn ich weiß, wie rollstuhlgerecht Deutschland wirklich ist und dass das große Ziel der Inklusion von kleinen Teilzielen lebt, die aus Begegnungen, Aufmerksamkeiten und Gesprächen aller Art bestehen. Denn damit transparent wird, wie ein gemeinsames Leben funktioniert, ist Austausch nötig. Vielen »gesunden « Menschen mangelt es nicht an gutem Willen, sondern an Mut. Die Kommunikation zwischen Menschen mit und ohne Handicap ist nicht so ohne weiteres barrierefrei. Einen Hinkenden, einen, der im Rollstuhl sitzt oder nur einen Arm hat, fragt man nicht, wie er das macht. Mit »das« ist das Leben gemeint, das vielfältig und vielschichtig ist. Es gehört sich nicht, sich direkt zu erkundigen, das anzusprechen. Das gilt in vielen Köpfen als unhöflich. Und weil es unhöflich, merkwürdig und ungeübt ist, sprechen auch viele Behinderte nicht über sich und sorgen auf diese Weise dafür, dass vieles weiter unvertraut und mit Vorurteilen behaftet bleibt. So vertraute mir nach einer Lesung ein Zuhörer an, dass er nur auf einem Auge sehen könne, aber nie darüber spreche, um kein Mitleid bei seinen Kollegen zu erregen. Alle sollten denken, dass er ganz normal, also »gesund« wäre. Er wolle keinen Behindertenbonus, gestand er mir, und das schon drei Mal nicht, wenn es um die Karriereleiter geht. Meine Erfahrung ist: Je öfter Menschen von ihren Beeinträchtigungen und Grenzen erzählen, desto geringer werden die Barrieren und desto greifbarer werden Lösungen. Sollten wir uns je begegnen, Sie und ich, dann fragen Sie mich also ruhig, was immer Sie interessiert oder bewegt. Was ich nicht sagen oder beantworten will, das behalte ich sowieso für mich, mögen Sie auch noch so freundlich und attraktiv sein. Die Welt ist vielfältig und die Menschen, die darin leben, sind sehr verschieden. Menschen können einen begeistern oder einem auf die Nerven gehen. Welche Rolle spielt es da, ob jemandem zwei Füße, ein Auge oder ein paar Finger fehlen? Ich bin froh, dass ich erzähle, auch ohne gefragt zu werden; das hat mein Leben sehr erleichtert und eine wirkungsvolle Art von Transparenz ermöglicht. Meine Behinderung ist für mich inzwischen etwas Natürliches. Meine Authentizität hat mir Türen geöffnet, und ich nutze diese Möglichkeiten jetzt für diejenigen, die noch keinen natürlichen Umgang mit Behinderten oder ihrer eigenen Behinderung haben. Ich betrachte es als meinen Auftrag zu berichten, und weil ich dies am besten vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen kann, drehte sich im ersten Buch alles Geschriebene um mich.
Dass das Interesse am Leben im Behindertenbereich so rege ist, bekomme ich ganz stark bei meinen vielen Besuchen in Schulen mit. Junge Menschen erleben Behinderungen oft nur als einen Schreckmoment. Es passiert etwas, man hört davon und dann ist der Klassenkamerad oder der Lehrer auch schon weg - in der Klinik oder in der Reha. Nach einem größeren Unfall können Jahre vergehen, bis ein Mensch in sein früheres Umfeld zurückkommt. Natürlich gibt es integrative Kindergärten und Schulen. Doch die meisten Kinder und Jugendlichen, die ich traf, hatten wenig Kontakt mit Menschen, die in irgendeiner Form beeinträchtigt sind. Das gilt nicht nur für körperliche Behinderungen. Auf einem Sommerfest konnte ich die Plauderei von zwei kleinen Mädchen belauschen. Die eine sagte zur anderen: »Du siehst aber komisch aus!«, worauf die andere entgegnete: »Weil ich ein Mongo bin!« Als wäre es das Normalste der Welt. Ich fand das großartig! Wie es formuliert wird, ist unwichtig, es geht allein um den natürlichen Umgang damit, so wie ihn dieses kleine Mädchen zeigte. Nach dieser Erklärung war alles geklärt und die beiden spielten eine Weile miteinander. Die beste Integration beginnt für mich da, wo jemand sich traut zu fragen und jemand offen und gerne antwortet. Wenn jemand einen anderen Menschen als Gast mitnimmt und ihm dann auch zeigt, wo es schwierig wird. Dies ist für mich das Ziel dieses Buches. Ich möchte Sie gern einladen und mitnehmen und Ihnen zeigen, wo es in Deutschland problematisch ist, sich als Behinderter normal zu fühlen. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die einem das Leben im Rollstuhl »zur Hölle« machen können. Oft genug ist es sehr bequem und komfortabel. Aber an anderer Stelle eben auch nicht - und darauf will ich aufmerksam machen. Denn noch mal: Nur so können Lösungen gefunden werden.
Es ist eine Illusion, wenn wir davon ausgehen, das Leben von behinderten und nicht-behinderten Menschen wäre gleich - eine Gleichbehandlung gibt es noch längst nicht. Wenn das so wäre, dann könnte ich an jeder Tankstelle tanken, die gute Preise hat. Kann ich aber nicht, denn auch hier kommt es auf Barrierefreiheit an. Achten Sie beim nächsten Tanken mal darauf, ob Sie mit einem Rollstuhl in den Kassenraum zum Bezahlen kommen. Von der Toilette wollen wir jetzt mal gar nicht reden. Es sind oft kleine alltägliche Dinge, die mit dem Rollstuhl kaum zu bewältigen sind, dabei wäre Abhilfe ganz leicht zu schaffen. Zum Beispiel soll die Welt zwar kein Behindertenparkplatz werden, aber sie muss mir helfen, einen zu finden! Der Berater im Reisebüro muss nicht wissen, welche genauen Bedingungen ich als Reisender benötige, aber er sollte wissen, dass auch Menschen mit Behinderung reisen, dass sie besondere Bedürfnisse haben und Auskünfte brauchen und dass es genau hierfür spezielle Anbieter gibt. Nicht jeder Kindergarten muss für alle Kinder offen sein, aber es wäre für unsere Gesellschaft vorteilhaft, wenn sich mehr pädagogische Einrichtungen zu dieser Öffnung entschließen würden.
Mit diesem Buch will ich anstoßen, provozieren. Deutschland ist in Teilen barrierefrei, aber es geht noch viel mehr! Das Buch zeigt einige Bereiche auf, in denen es sich auch als Mensch ohne Behinderung lohnt, einmal nachzudenken, wie er oder sie dazu beitragen kann, dass Integration, oder noch besser Inklusion, in den nächsten Jahren fußfassen kann. Unser aller Ziel muss es sein, dafür zu sorgen, dass sich Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft bewegen können, ohne darin aufzufallen. Wir haben ja schon eine gute Ausgangsposition geschaffen, aber es gibt immer noch viel zu tun. Also: Lassen wir's anrollen!
Kapitel 1
Erste Schritte ohne Füße
Menschen mit einer Beeinträchtigung sind in Deutschland gut versorgt. Ärzte, Krankenschwestern, Krankengymnasten, Masseure, Reha-Einrichtungen, Krankenkassen, Apotheken, die unterschiedlichsten Berater und nicht zuletzt die Forschung sorgen dafür, dass Heilung und Wiedereingliederung funktionieren und das Leben weiter gehen kann. Aber obwohl wir hier in Deutschland so gut aufgestellt sind, reicht das alles noch längst nicht aus, um wirkliche Gleichbehandlung und Inklusion zu erreichen. Inklusion beginnt für mich an dem Punkt, an dem du in der Öffentlichkeit nicht mehr als Zirkusfigur bestaunt wirst, bloß weil dir zwei Beine fehlen oder du irgendeinen anderen körperlichen »Makel« hast. Nur wenn viele wissen, wie es ist, und die Scheu verlieren, kann sich etwas ändern und wirkliche Begegnung stattfinden. Kinder machen uns das vor, indem sie einfach fragen: »Wie is 'n das so?« Wären Sie ein Kind, würde ich Ihnen jetzt antworten: »Es ist nicht schlecht - es ist aber auch noch nicht so gut, wie es sein könnte.« Will heißen: Deutschland ist, vergleicht man es mit armen Ländern, ein gelobtes Land für Menschen mit Handicap. Vergleicht man es dagegen mit dem, was es sein könnte, fallen kleine Macken und große Mängel auf. Damit dies besser wird, sind alle Menschen gefragt, denn jene, die einen Unfall oder eine Krankheit erleiden, sind erst einmal auf die Hilfe von anderen angewiesen. Wir brauchen die Wahrnehmung und das Denken aller, damit wirkliche Barrierefreiheit und eben Inklusion erreicht werden können. Ohne Beine aufzuwachen ist erst einmal ein Schock, egal wie
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Autoren-Porträt von Florian Sitzmann
Florian Sitzmann, geb. 1976, hat nach einem schweren Motorrad-Unfall 1992 beide Beine verloren. 1999 schloss er eine kaufmännische Ausbildung ab. Im Jahr 2002 startete er eine international erfolgreiche Karriere als Leistungssportler im Handbiken. Seine positive Art, seinen Lebenswillen und seine Lebenserfahrung versucht er in verschiedenen Projekten an Menschen weiterzugeben, die sich in ähnlich schwierigen Lebenslagen befinden. Aus diesen Projekten entsteht eine immer größer werdende Vernetzung mit Gleichgesinnten, die wie Florian Sitzmann etwas bewegen wollen. Einer seiner Wegbegleiter ist Xavier Naidoo.
Bibliographische Angaben
- Autor: Florian Sitzmann
- 2012, 191 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Gütersloher Verlagshaus
- ISBN-10: 3579066498
- ISBN-13: 9783579066493
- Erscheinungsdatum: 26.11.2012
Rezension zu „Bloß keine halben Sachen “
"Sitzmann will, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand ein Handicap hat oder nicht." Anna Seegers, Evangelische Sonntagszeitung
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