Cupido
Du kommst abends in dein Appartement. Du bist allein. Alles scheint wie immer, nur ein paar Kleinigkeiten lassen dich stutzen. Du kümmerst dich nicht darum. Du gehst schlafen. Und auf diesen Moment, hat der Mann, der unter deinem Fenster lauert, nur...
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Du kommst abends in dein Appartement. Du bist allein. Alles scheint wie immer, nur ein paar Kleinigkeiten lassen dich stutzen. Du kümmerst dich nicht darum. Du gehst schlafen. Und auf diesen Moment, hat der Mann, der unter deinem Fenster lauert, nur gewartet.
C. J. ist Staatsanwältin in Miami, und sie ist ein Ass. Eines Tages schnappt die Polizei bei einer zufälligen Verkehrskontrolle einen psychopathischen Serienkiller, nach dem seit Monaten gefahndet wird. Weil C. J. die Beste ist, betraut man sie mit der Anklage. Aber als ihr der Mann vorgeführt wird, den sie im Polizeijargon Cupido nennen, ist sie wie gelähmt. Es besteht kein Zweifel: ihr gegenüber sitzt der Mann, der sie vor 12 Jahren eine ganze, entsetzliche Nacht lang gefoltert und vergewaltigt hat. Wider alle Vernunft will C. J. nur eins: Vergeltung.
Dabei vergisst sie, dass Rache auch blind machen kann. Blind gegenüber der tödlichen Gefahr, die für sie von Cupido noch immer ausgeht.
Cupido von Jilliane Hoffmann
LESEPROBE
Juni 1988, NewYork City
Wie immerwar Chloe Larson in fürchterlicher Hetze. Sie hatte nur noch zehn Minuten, umsich für Das Phantom der Oper umzuziehen und zu schminken - derzeit der Renner am Broadwayund ein Jahr im Voraus ausverkauft -, und der Zug von Bayside in die Stadt fuhrum 18:52 Uhr. DreiMinuten brauchte Chloe allein mit dem Auto von ihrer Wohnung zur Bahnstation.Sie hatte also eigentlich nur noch sieben Minuten. Sie wühlte sich durch denvoll gestopften Kleiderschrank, den sie schon letzten Winter hatte ausmistenwollen, und entschied sich schnell für einen schwarzen Seidenrock mitpassendem Jackett und ein pinkfarbenes Top. Mit dem einen Schuh in der Handfischte sie, Michaels Namen vor sich hin murmelnd, aus einem großen Haufen aufdem Boden hektisch einen Schuh nach dem anderen heraus, bis sie ihn endlichgefunden hatte: den dazugehörigen zweiten Lackpump.
Sie hasteteins Bad, schlüpfte unterwegs in die Schuhe. So hatte es eigentlichnicht sein sollen, dachtesie, während sie sich mit einer Hand die blonde Mähne über den Kopf bürsteteund mit der anderen die Zähne putzte. Sie hätte entspannt und sorglos seinsollen, aufgeregt und voll Vorfreude, sie hätte den Kopf frei haben sollen vonallen Ablenkungen, wenn er die Frage aller Fragen endlich stellte. Kein übernächtigtesHin und Her, kein Gehetze vom Intensivkurs zur AG mit ihren nervösenKommilitonen, kein bevorstehendes Anwaltsexamen, das alles andereüberschattete. Sie spuckte die Zahnpasta aus, besprühte sich mit Chanel No. 5, rannte zur Tür. Nur noch vierMinuten, die nächste Bahn käme erst um 19:22 Uhr, und dann verpassten siewahrscheinlich den ersten Akt. Vor ihrem geistigen Auge tauchte das Bild einesgenervten Michael auf, der vor dem Majestic Theater auf sie wartete, eine Rosein der Hand, ein Schächtelchen in der Tasche, und dabei ständig auf die Uhrsah.
So hatte es eigentlich nicht sein sollen. Sie hättevorbereitet sein sollen.
Sie liefdurch den Innenhof zu ihrem Wagen. Fahrig steckte sie sich auf dem Weg dieOhrringe an, die sie sich eben noch vom Nachttisch geschnappt hatte, und spürtedabei im Rücken den Blick ihres sonderlichen Nachbarn aus dem erstern Stock,der wie jeden Tag oben an seinem Wohnzimmerfenster stand. Er beobachtete sie, alssie den Innenhof überquerte, hinaus in die Welt, in ihr Leben. Doch so schnell,wie es gekommen war, schüttelte Chloe das kalte, unangenehme Gefühl wieder abund stieg ins Auto. Das war der falsche Moment, über Marvin nachzudenken. Oderans Examen oder ans Repetitorium oder an die AG. Nein - im Moment wollte sie nurüber ihre Antwort auf die Frage aller Fragen nachdenken, die Michael ihr heuteAbend mit Sicherheit stellen würde.
DreiMinuten. Sie hatte nur noch drei Minuten, dachte sie, als sie das Stoppschildan der Ecke ignorierte und am Northern Boulevard bei Dunkelgelb über die Ampelfuhr.
Dasohrenbetäubende Schrillen der Trillerpfeife drang ihr in die Ohren, als sie mitRiesenschritten die Treppe zum Bahnsteig hinaufrannte. Die Türen schlossensich genau in dem Augenblick, als sie dem Zugführer, der gewartet hatte,dankbar zuwinkte und in den Waggon sprang. Sie lehnte sich in den rotenPlastiksitz zurück und versuchte, nach diesem Spurt wieder zu Atem zu kommen.Die Bahn fuhr an, Richtung Manhattan. Beinahe hätte sie den Zug verpasst.
Ganz ruhig, entspann dich, Chloe, ermahnte sie sich, während Queens inder Dämmerung am Fenster vorüberglitt. Denn heute war ein ganz besondererAbend: Das hatte sie im Gefühl.
© 2004 byRowohlt GmbH, Reinbek bei Hamburg
Übersetzung:Sophie Zeitz
Interview mit Jilliane Hoffman
In "Cupido" wird die Staatsanwältin C.J. Townsend mit dem Fall einesmutmaßlichen Vergewaltigers betraut. Sie erkennt in ihm den Mann wieder, dersie selbst 12 Jahre zuvor in ihrer Wohnung misshandelt und vergewaltigt hat. Umihn hinter Gitter zu bringen, muss sie Beweise manipulieren... Sie sagten einmal, der Leser solle sichselbst fragen, ob hier Gerechtigkeit hergestellt wurde und was Gerechtigkeitüberhaupt bedeutet. Was ist Ihrer Einschätzung nach in diesem konkreten Fall"gerecht"?
Diese Fragenmuss jeder Leser für sich selbst beantworten. Ich wollte zeigen, dass mandurchaus nicht immer eindeutig bestimmen kann, was gerecht ist. Es gibt hiernicht einfach nur Schwarz und Weiß. C.J. manipuliert die Beweise nicht nur, umVergeltung dafür zu erreichen, was William Bantling ihr angetan hat. Sie weißauch, dass er wieder Frauen vergewaltigen, quälen und vielleicht sogar tötenwird, sollte er wieder aus dem Gefängnis entlassen werden. William RupertBantling ist in jedem Fall ein sadistischer Serienvergewaltiger.Welche Verpflichtung hat C.J. gegenübermöglichen zukünftigen Opfern?
Cupido, das ist in der römischen Mythologie einLiebesgott, der seine Pfeile in die Herzen der Menschen schießt. In Ihrem Romanbezeichnet die Polizei den Serienvergewaltiger und Mörder, der seinen Opferndas Herz herausschneidet, mit diesem Namen. Sind solche Bezeichnungen bei derPolizei üblich, oder ist das dichterische Freiheit?
Die Polizei gibt Serienmördern oder anderenPersonen, deren Namen sie nicht kennt, häufig Spitznamen. "BTK" nannte maneinen Serienmörder aus Wichita, Kansas. Der Mann, den man später als DennisRader identifizierte, hatte zwischen 1974 und seiner Verhaftung 2005 zehnMenschen ermordet und Wichita jahrzehntelang terrorisiert. BTK stand für "BindTorture Kill" [deutsch: "Fesseln, Quälen, Töten"; Anm. d. Übers.], also fürdas, was er mit seinen Opfern machte. Und "Spider Man" hieß der Dieb, der sichin Palm Beach, Florida, zu hoch gelegenen Apartments hangelte, um dort seineRaubzüge durchzuführen. Dann gab es noch den "Hillside-Würger": einenkalifornischen Serienmörder, der die Leichen seiner Opfer gerne im Freienzurückließ, in Mulden oder auf Hügeln. Manchmal scheint es also, als seiendiese Bezeichnungen Ausdruck einer Gefühlskälte. Tatsächlich helfen sie dabei,den Mörder mit den Verbrechen zu verbinden, die er begeht.
Vor Ihrer Karriere als Schriftstellerin warenSie Staatsanwältin. Glauben Sie, Ihre Leser denken, dass "Cupido" deshalbwirklichkeitsnäher ist als andere Thriller?
Ich denke, besonders beiThrillern sind die Leser eher geneigt, diejenigen Romane für realitätsnah zuhalten, deren Autoren über Erfahrungen in der Strafverfolgung oder alsjuristische Berater der Polizei verfügen. Auch wenn ich natürlich hoffe, dassauch der Text selbst diese Realitätsnähe entstehen lässt. Ich bin mir sicher,dass die Leute schnell merken, ob ein Buch von jemandem geschrieben wurde, deraus eigener Erfahrung kennt, worüber er oder sie schreibt.
Als Staatsanwältin waren Sie mit extremer Gewalt undBrutalität konfrontiert. Wie kommt es, dass Sie Spaß daran haben, Thriller zuschreiben, die so zum Fürchten sind, dass manche Leute sie nicht lesen mögen,wenn sie abends allein zu Hause sind?
Ich möchte Bücher schreiben, in die eingeht,was ich in meiner Arbeit gesehen und erfahren habe. Manchmal denke ich, wirlesen so viel über Gewalt und Verbrechen, dass wir - als Gesellschaft - dasGefühl dafür verloren haben, worum es hier eigentlich geht. Die Worte berührenuns nicht mehr so, wie das eigentlich der Fall sein sollte. Beim Schreiben istes mir wichtig, dass die Leute erfahren, was es heißt, Opfer eines Verbrechenszu werden, Teil des Verbrechens zu sein. Wenn ich über ein Verbrechen schreibe,schulde ich es dem Leser, dass er sich in die jeweilige Figur versetzen kann;fühlt, was sie fühlt; sieht, was sie sieht; hört, was sie hört; und riecht, wassie riecht. Und wenn ich meine Arbeit gut mache, sind meine Bücher tatsächlich"zum Fürchten".
Waren Sie als Staatsanwältin jemals inVersuchung, Beweise zu manipulieren, um dem Recht ein wenig auf die Sprünge zuhelfen?
Jeder Staatsanwalt hat im Laufe seiner Karriere einen Fall, bei dem er sichwünscht, er hätte einen anderen Ausgang herbeiführen können. Irgendetwas istbei den Ermittlungen schief gelaufen, und man weiß, die Sache wäre andersausgegangen, wäre das nicht passiert. Das Resultat stimmt einfach nicht. Dasist natürlich besonders bitter, wenn es ein Verbrechensopfer gibt. Abernatürlich hat es seine Gründe, dass das amerikanische Rechtssystem die Rechteder Angeklagten schützt. Die Verfassung verlangt, dass bestimmteVerfahrensweisen eingehalten werden: dass Ermittlungen mit einer gutenBegründung aufgenommen werden, Verurteilungen auf Beweisen fußen und nicht aufHörensagen. Deshalb haben wir Richter und Geschworene. Es steht mir nicht zu,das Resultat eines Verfahrens zu ändern, nur weil ich es als Staatsanwältinmöglicherweise könnte. Dann würde das Rechtssystem tatsächlich erheblichenSchaden nehmen.
In "Morpheus", der Fortsetzung von"Cupido", wird erneut Rache geübt. Alle Polizisten, die an der Beweisfälschungim Cupido-Fall beteiligt waren, werden brutal ermordet. Ist der Kreislauf derRache damit geschlossen, oder wird sich die Spirale der Gewalt in einem drittenBuch weiterdrehen?
Ich bin gerade dabei,meinen dritten Roman zu beenden, der den englischen Arbeitstitel "Plea ofInsanity" trägt [auf Deutsch etwa: "Plädoyer: Unzurechnungsfähig"; Anm. d.Übers.]. Das mag sich vielleicht nach einer Fortsetzung anhören, ist es abernicht. Der Roman ist ein weiterer Justizthriller. Er spielt in Miami. Einigeder Charaktere sind alte Bekannte, aber die meisten sind ebenso wie neu wie derPlot insgesamt.
Alles beginntmit einem Notruf: Mitten in der Nacht ruft ein kleines Mädchen an, dasscheinbar furchtbare Angst hat. Wenige Minuten später finden Polizisten imgepflegten Zuhause von David und Jennifer Marquette einen Tatort vor, dessen Grauen selbst erfahrene Ermittler in die Kniezwingt. Es sieht so aus, als habe David Marquette selbst das Verbrechenbegangen. Unvorstellbar: er, der Ehemann, Vater, brillanter Chirurg und einzigeÜberlebende des brutalen Massakers...
Es ist sehr gut möglich, dass ich einesTages eine Fortsetzung von "Morpheus" schreibe. Denn es gibt noch immer das tödlicheGeheimnis von C.J. Townsend, undvielleicht wissen andere auch schon darüber Bescheid... Aber ich wollte meinenLesern zunächst eine andere, neue Geschichte erzählen, die aufregend und -hoffentlich - furchteinflößend ist.
Die Fragen stellte Astrid Vogelpohl, Literaturtest.
- Autor: Jilliane Hoffman
- 2006, Sonderausg., 480 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Zeitz, Sophie
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499243032
- ISBN-13: 9783499243035
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