Das 9. Urteil / Der Club der Ermittlerinnen Bd.9
Thriller
Es beginnt mit einem Juwelenraub in einer Promivilla. Wenig später wird die Beraubte tot aufgefunden. Doch ein anderer Fall beunruhigt Det. Lindsay Boxer noch mehr: ein Killer macht Jagd auf junge Familien. Lindsay verfolgt eine heiße Spur. Da wird ein Bombenanschlag auf sie verübt.
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch (Gebunden)
19.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Das 9. Urteil / Der Club der Ermittlerinnen Bd.9 “
Es beginnt mit einem Juwelenraub in einer Promivilla. Wenig später wird die Beraubte tot aufgefunden. Doch ein anderer Fall beunruhigt Det. Lindsay Boxer noch mehr: ein Killer macht Jagd auf junge Familien. Lindsay verfolgt eine heiße Spur. Da wird ein Bombenanschlag auf sie verübt.
Klappentext zu „Das 9. Urteil / Der Club der Ermittlerinnen Bd.9 “
Dieser Mörder kennt nur ein Prinzip: Die Schwächsten müssen sterben !Er hat dem Tod ins Auge geblickt und seither mordet er selbst. Die Schutzlosesten sind seine Opfer. Seine Rachsucht kennt keine Grenzen
Eine Juwelendiebin hat in einer Prominentenvilla reiche Beute gemacht und konnte gerade noch unerkannt entkommen. Unmittelbar nach dem Einbruch wird die Bestohlene tot aufgefunden. Detective Lindsay Boxer ermittelt wegen Raubmords. Doch ein anderer Fall geht ihr viel näher: Ein skrupelloser Mörder macht in den Parkhäusern der Shopping Malls Jagd auf junge Familien. Als Lindsay eine erste heiße Spur verfolgt, wird ein Bombenanschlag auf sie verübt. Jetzt geht die Angst um in San Francisco; besorgte Bürger fangen an, sich zu bewaffnen. Und während der Mörder die Stadt in Atem hält, trifft im Polizeirevier ein Paket mit gestohlenen Juwelen ein. Ist die Einbrecherin der Schlüssel zu der unheimlichen Mordserie ?
Lese-Probe zu „Das 9. Urteil / Der Club der Ermittlerinnen Bd.9 “
Das 9. Urteil von James PattersonProlog
Eine Diebin in der Nacht
1
... mehr
Sarah Wells stand auf dem Dach des Carports und schob ihre behandschuhte Hand durch das kleine Loch, das sie in das Glas geschnitten hatte. Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren, während sie die Verriegelung löste, das Fenster nach oben schob und sich leise in das dunkle Zimmer gleiten ließ. Innen angekommen drückte sie sich mit dem Rücken flach gegen die Wand und lauschte.
Aus dem unteren Stockwerk drangen Stimmen nach oben. Sie hörte das Klirren von Besteck auf Porzellan. Guter Zeitpunkt, dachte Sarah. Um nicht zu sagen, perfekt.
Doch Zeitpunkt und Ausführung waren zwei vollkommen verschiedene Dinge.
Sie knipste ihre Stirnlampe an und ließ den Strahl einmal von links nach rechts durch das Schlafzimmer wandern. Sie registrierte das Wandtischchen zu ihrer Linken, das über und über mit allerhand Krimskrams beladen war. Das musste sie gut im Auge behalten, genau wie die Läufer, die überall auf dem glatten Holzfußboden verteilt lagen.
Mit geschmeidigen Schritten durchquerte die junge Frau den Raum, zog die Tür zum Flur ins Schloss und betrat das Schrankzimmer, das einen kaum wahrnehmbaren Parfümduft verströmte. Die Schranktür nur einen Spaltbreit geöffnet, so ließ Sarah den Strahl ihrer Lampe über die Kleiderregale gleiten. Sie teilte einen Vorhang aus langen, perlenbestickten Nachthemden und sah ihn sofort: ein Safe in der Rückwand.
Genau darauf hatte Sarah gewettet. Wenn Casey Dowling sich nicht großartig von den meisten anderen Damen der Gesellschaft unterschied, dann machte sie sich für eine Dinner-Party sorgfältig zurecht. Dazu gehörte auch, dass sie ihren Schmuck anlegte. Und den Safe ließ sie unter Umständen offen stehen, damit sie den Schmuck später wieder zurücklegen konnte, ohne erneut die Kombination eingeben zu müssen. Sarah zog leicht am Griff der Safetür ... und die schwere Tür schwang auf.
Sie hatte freie Bahn!
Aber jetzt musste es schnell gehen. Drei Minuten, mehr nicht.
Sarahs Stirnlampe leuchtete über den Inhalt des Tresors, sodass sie die Hände frei hatte, um sich durch das Durcheinander aus Satin-Täschchen und seidenumhüllten Kästchen zu wühlen. Ganz hinten entdeckte sie eine Brokatschachtel, ungefähr so groß wie ein kleiner Brotlaib. Sie schob den Riegel beiseite und klappte den Deckel auf.
Sarah schnappte nach Luft.
Zwei Monate lang hatte sie alle möglichen Berichte über Casey Dowling gelesen, hatte Dutzende Fotos gesehen, die sie bei irgendwelchen gesellschaftlichen Ereignissen zeigten, beladen mit glitzernden Juwelen. Aber diese Masse an Diamanten und Edelsteinen, diese funkelnden Berge aus pompösen Perlen ... damit hatte sie nicht gerechnet.
EIN WAAAHNSINN. Und alles das gehörte Casey Dowling.
Na ja, nicht mehr lange.
Sarah holte Armbänder, Ohrringe und Ringe aus der Schachtel und stopfte sie in einen der beiden kleinen Stoffbeutel, die vor ihrer Brust hingen. Sie verharrte kurz, um einen bestimmten Ring in einem Lederetui etwas eingehender zu bewundern, sich seiner unfassbar fantastischen Wirkung hinzugeben - da ging das Licht im Schlafzimmer an, nur wenige Meter von ihrem Standort im Kleiderschrank entfernt.
Sarah schaltete ihre Stirnlampe aus und kauerte sich zusammen. Ihr Puls schnellte hoch, als Marcus Dowling, Superstar auf der Theaterbühne und der Kinoleinwand gleichermaßen, leibhaftig und mit dröhnender Stimme das Zimmer betrat, während er sich mit seiner Frau zankte.
Sarah rollte sich mit ihren ganzen eins zweiundsiebzig hinter den Nachthemden und Kleiderhüllen zu einer Kugel zusammen.
Gott, war sie dämlich.
Während sie noch die Juwelen angeglotzt hatte, war die Dinner-Party der Dowlings zu Ende gegangen. Jetzt würde sie wegen schweren Diebstahls hinter Gittern landen. Sie. Englischlehrerin an einer Highschool. Das würde einen Skandal geben - und das war noch das geringste der Probleme.
Unter ihrer Strickmütze brach Sarah der Schweiß aus. Dicke Tropfen krochen von ihren Achselhöhlen unter ihrem schwarzen Rollkragenpullover entlang, während sie darauf wartete, dass die Dowlings das Schranklicht anknipsten und sie dort in der Ecke kauern sahen - als Diebin in der Nacht.
2
Casey Dowling versuchte, ihrem Ehemann ein Geständnis zu entlocken, doch Marcus weigerte sich standhaft.
»Was soll denn der Mist, Casey?«, zischte er. »Ich habe Sheila nicht auf die Titten gestarrt, mein Gott. Jedes Mal, wenn wir uns mit anderen Leuten treffen, fängst du damit an, dass ich angeblich anderen Frauen hinterherschiele, und, um ganz offen zu sein, Liebling, ich finde deinen Verfolgungswahn ausgesprochen unattraktiv.«
»Ohhh, Marcus, nein. Du? Anderen Frauen hinterherschielen? Wie beschämend, dass ich so was auch nur denken konnte.« Casey besaß ein reizendes Lachen, auch wenn es vor Sarkasmus triefte.
»Blöde Kuh«, murmelte Marcus Dowling.
Sarah stellte sich sein attraktives Gesicht vor, das dichte graue Haar, das ihm über die Augenbraue fiel, während er eine mürrische Grimasse zog. Und auch Casey hatte sie genau vor Augen - die gertenschlanke Figur, die weißblonden Haare, die sich wie ein silbernes Tuch über ihre Schulterblätter ergossen.
Casey gurrte: »Da, siehst du. Jetzt hab ich deine Gefühle verletzt.«
»Vergiss es, Liebling. Ich bin jetzt nicht in der Stimmung.« »Oh, tut mir leid. Mein Fehler.«
Sarah empfand die Zurückweisung genauso intensiv, als hätte sie ihr gegolten.
»Ach, du meine Güte. Jetzt heul doch nicht. Komm her«, sagte Marcus schließlich.
Daraufhin war es ein paar Minuten lang still, dann hörte Sarah zwei Körper in die Betten plumpsen, gemurmelte Worte, die sie nicht verstehen konnte. Irgendwann schlug das Kopfbrett leise gegen die Wand, und Sarah dachte: Ach, du lieber Gott, jetzt treiben sie's.
Sie hatte Bilder von Marcus Dowling mit Jennifer Lowe in Susan and James und mit Kimberly Kerry in Redboy vor Augen. Sie dachte an Casey, wie sie in Marcus' Armen lag, ihn mit ihren langen Beinen umschlang. Das Klopfen wurde rhythmischer, das Stöhnen lauter, und endlich drang ein langer, seufzender Laut aus Marcus' Mund. Es war vorbei ... Gott sei Dank.
Irgendjemand ging ins Badezimmer, und danach wurde es dunkel.
Sarah blieb noch mindestens zwanzig Minuten lang lautlos hinter dem Nachthemdvorhang sitzen. Als die Atemgeräusche im Zimmer schließlich in Gurgeln und Schnarchen übergegangen waren, schob sie die Schranktür auf und krabbelte zum Fenster.
Sie war fast da ... aber nur fast.
Schnell und lautlos schwang sie sich auf das Fensterbrett, doch als sie das zweite Bein nachzog, stieß sie an die Seite des Wandtischchens - und von da an ging alles schief.
Der Krimskrams kam klirrend ins Rutschen, während der Tisch sich zur Seite neigte und sämtliche Bilderrahmen und Parfümfläschchen zu Boden fielen.
Verdammter Mist.
Sarah erstarrte, innerlich und äußerlich, als Casey Dowling aufschreckte und schrie: »Wer ist da?«
Von panischer Angst getrieben stürzte Sarah zum Fenster hinaus. Sie hing sich mit der gesamten Kraft ihrer Fingerspitzen an das Dach des Carports und ließ sich dann nach unten fallen.
Sie landete auf dem Rasen, ging in die Knie, empfand keinen Schmerz. Und als das Licht im Schlafzimmer der Dowlings aufleuchtete, rannte Sarah los. Sie riss sich die Stirnlampe vom Kopf und stopfte sie in eine der Stofftaschen, während sie durch Nob Hill, ein vornehmes Wohnviertel von San Francisco, stürmte.
Wenige Minuten später war sie bei ihrem alten Saturn auf dem Parkplatz eines Drugstores angelangt. Sie stieg ein, machte die Tür zu und verriegelte den Wagen, als könnte sie dadurch die Angst aussperren. Sie ließ den Motor an und löste die Handbremse, atmete schwer. Auf der ganzen Fahrt nach Hause kämpfte sie mit dem Brechreiz.
Als sie die langgezogene Pine Street erreicht hatte, zog sie die Mütze und die Handschuhe aus, wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und musste ununterbrochen an ihre überstürzte Flucht aus dem Schlafzimmer der Dowlings denken.
Sie hatte nichts zurückgelassen: kein Werkzeug, keine Fingerabdrücke, keine DNA. Rein gar nichts.
Im Augenblick zumindest war sie in Sicherheit.
Ganz ehrlich. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
3
Casey riss die Augen auf. Es war dunkel.
Irgendetwas war umgefallen.
Der Tisch am Fenster! Sie spürte einen Luftzug im Gesicht. Das Fenster war offen. Weder sie noch Marcus hatten es aufgemacht.
Irgendjemand war im Haus.
Casey richtete sich auf. »Wer ist da?« Sie zog die Bettdecke bis ans Kinn und kreischte. »Marc! Da ist jemand im Zimmer!«
Ihr Mann ächzte: »Du hast schlecht geträumt. Schlaf weiter.«
»Wach auf. Da ist jemand«, zischte sie.
Casey tastete nach der Nachttischlampe, stieß ihre Brille zu Boden, fand den Schalter und knipste das Licht an. Da. Das Wandtischchen war umgestürzt, alles lag auf dem Boden, die Vorhänge blähten sich im Wind.
»Tu doch was, Marc. So tu doch was.«
Marcus Dowling ging jeden Tag ins Fitnessstudio. Er war immer noch in der Lage, neunzig Kilogramm zu stemmen und konnte auch gut mit einer Pistole umgehen. Er sagte seiner Frau, sie solle leise sein, zog seine Nachttischschublade auf und nahm die geladene Vierundvierziger aus dem weichen Leder etui. Er schälte sich aus dem Bett und nahm die Waffe fest in die Hand.
Casey griff nach dem Telefon auf dem Nachttischchen und wählte mit zitternden Fingern die Notrufnummer. Sie verwählte sich und nahm einen erneuten Anlauf, während Marc, immer noch halb betrunken, bellte: »Ist da jemand?« Obwohl er es absolut ernst meinte, hörte es sich an wie ein Satz aus einem Drehbuch. »Zeig dich!«
Marcus sah im Badezimmer und im Flur nach, dann sagte er: »Da ist niemand, Casey. Genau, wie ich gesagt habe.«
Casey legte den Hörer auf die Gabel, schlug die Bettdecke zurück, ging zum Schrank, um sich ihren Morgenmantel zu holen ... und schrie auf.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
Mit bleichem Gesicht und splitterfasernackt drehte Casey sich zu ihrem Ehemann um und sagte: »O mein Gott, Marc, mein Schmuck ist weg. Der Safe ist so gut wie leer.«
Da huschte ein Ausdruck über Marcs Gesicht, den Casey nicht entschlüsseln konnte. Als wäre ihm plötzlich ein Gedanke gekommen, der in Windeseile in seinem Kopf Gestalt annahm. Wusste er, wer sie ausgeraubt hatte?
»Marc? Was ist denn los? Was denkst du gerade?«
»Ähm, ich habe gedacht: Das kannst du nicht mit ins Grab nehmen.«
»Was soll denn der Quatsch? Was soll das denn heißen?«
Dowling streckte den rechten Arm aus und zielte mit der Pistole auf einen Leberfleck zwischen den Brüsten seiner Frau. Dann drückte er ab. Bumm.
»Das soll es heißen«, sagte er.
Casey Dowling machte den Mund auf, holte Luft und stieß sie wieder aus, während sie auf ihre Brust starrte, wo das Blut stoßweise aus der Wunde blubberte. Sie schlug die Hände vor die Brust, blickte ihren Mann an und keuchte: »Hilf mir.«
Er schoss noch einmal.
Dann gaben ihre Knie nach, und sie sackte zu Boden.
...
Übersetzung: Leo Strohm
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Limes Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Sarah Wells stand auf dem Dach des Carports und schob ihre behandschuhte Hand durch das kleine Loch, das sie in das Glas geschnitten hatte. Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren, während sie die Verriegelung löste, das Fenster nach oben schob und sich leise in das dunkle Zimmer gleiten ließ. Innen angekommen drückte sie sich mit dem Rücken flach gegen die Wand und lauschte.
Aus dem unteren Stockwerk drangen Stimmen nach oben. Sie hörte das Klirren von Besteck auf Porzellan. Guter Zeitpunkt, dachte Sarah. Um nicht zu sagen, perfekt.
Doch Zeitpunkt und Ausführung waren zwei vollkommen verschiedene Dinge.
Sie knipste ihre Stirnlampe an und ließ den Strahl einmal von links nach rechts durch das Schlafzimmer wandern. Sie registrierte das Wandtischchen zu ihrer Linken, das über und über mit allerhand Krimskrams beladen war. Das musste sie gut im Auge behalten, genau wie die Läufer, die überall auf dem glatten Holzfußboden verteilt lagen.
Mit geschmeidigen Schritten durchquerte die junge Frau den Raum, zog die Tür zum Flur ins Schloss und betrat das Schrankzimmer, das einen kaum wahrnehmbaren Parfümduft verströmte. Die Schranktür nur einen Spaltbreit geöffnet, so ließ Sarah den Strahl ihrer Lampe über die Kleiderregale gleiten. Sie teilte einen Vorhang aus langen, perlenbestickten Nachthemden und sah ihn sofort: ein Safe in der Rückwand.
Genau darauf hatte Sarah gewettet. Wenn Casey Dowling sich nicht großartig von den meisten anderen Damen der Gesellschaft unterschied, dann machte sie sich für eine Dinner-Party sorgfältig zurecht. Dazu gehörte auch, dass sie ihren Schmuck anlegte. Und den Safe ließ sie unter Umständen offen stehen, damit sie den Schmuck später wieder zurücklegen konnte, ohne erneut die Kombination eingeben zu müssen. Sarah zog leicht am Griff der Safetür ... und die schwere Tür schwang auf.
Sie hatte freie Bahn!
Aber jetzt musste es schnell gehen. Drei Minuten, mehr nicht.
Sarahs Stirnlampe leuchtete über den Inhalt des Tresors, sodass sie die Hände frei hatte, um sich durch das Durcheinander aus Satin-Täschchen und seidenumhüllten Kästchen zu wühlen. Ganz hinten entdeckte sie eine Brokatschachtel, ungefähr so groß wie ein kleiner Brotlaib. Sie schob den Riegel beiseite und klappte den Deckel auf.
Sarah schnappte nach Luft.
Zwei Monate lang hatte sie alle möglichen Berichte über Casey Dowling gelesen, hatte Dutzende Fotos gesehen, die sie bei irgendwelchen gesellschaftlichen Ereignissen zeigten, beladen mit glitzernden Juwelen. Aber diese Masse an Diamanten und Edelsteinen, diese funkelnden Berge aus pompösen Perlen ... damit hatte sie nicht gerechnet.
EIN WAAAHNSINN. Und alles das gehörte Casey Dowling.
Na ja, nicht mehr lange.
Sarah holte Armbänder, Ohrringe und Ringe aus der Schachtel und stopfte sie in einen der beiden kleinen Stoffbeutel, die vor ihrer Brust hingen. Sie verharrte kurz, um einen bestimmten Ring in einem Lederetui etwas eingehender zu bewundern, sich seiner unfassbar fantastischen Wirkung hinzugeben - da ging das Licht im Schlafzimmer an, nur wenige Meter von ihrem Standort im Kleiderschrank entfernt.
Sarah schaltete ihre Stirnlampe aus und kauerte sich zusammen. Ihr Puls schnellte hoch, als Marcus Dowling, Superstar auf der Theaterbühne und der Kinoleinwand gleichermaßen, leibhaftig und mit dröhnender Stimme das Zimmer betrat, während er sich mit seiner Frau zankte.
Sarah rollte sich mit ihren ganzen eins zweiundsiebzig hinter den Nachthemden und Kleiderhüllen zu einer Kugel zusammen.
Gott, war sie dämlich.
Während sie noch die Juwelen angeglotzt hatte, war die Dinner-Party der Dowlings zu Ende gegangen. Jetzt würde sie wegen schweren Diebstahls hinter Gittern landen. Sie. Englischlehrerin an einer Highschool. Das würde einen Skandal geben - und das war noch das geringste der Probleme.
Unter ihrer Strickmütze brach Sarah der Schweiß aus. Dicke Tropfen krochen von ihren Achselhöhlen unter ihrem schwarzen Rollkragenpullover entlang, während sie darauf wartete, dass die Dowlings das Schranklicht anknipsten und sie dort in der Ecke kauern sahen - als Diebin in der Nacht.
2
Casey Dowling versuchte, ihrem Ehemann ein Geständnis zu entlocken, doch Marcus weigerte sich standhaft.
»Was soll denn der Mist, Casey?«, zischte er. »Ich habe Sheila nicht auf die Titten gestarrt, mein Gott. Jedes Mal, wenn wir uns mit anderen Leuten treffen, fängst du damit an, dass ich angeblich anderen Frauen hinterherschiele, und, um ganz offen zu sein, Liebling, ich finde deinen Verfolgungswahn ausgesprochen unattraktiv.«
»Ohhh, Marcus, nein. Du? Anderen Frauen hinterherschielen? Wie beschämend, dass ich so was auch nur denken konnte.« Casey besaß ein reizendes Lachen, auch wenn es vor Sarkasmus triefte.
»Blöde Kuh«, murmelte Marcus Dowling.
Sarah stellte sich sein attraktives Gesicht vor, das dichte graue Haar, das ihm über die Augenbraue fiel, während er eine mürrische Grimasse zog. Und auch Casey hatte sie genau vor Augen - die gertenschlanke Figur, die weißblonden Haare, die sich wie ein silbernes Tuch über ihre Schulterblätter ergossen.
Casey gurrte: »Da, siehst du. Jetzt hab ich deine Gefühle verletzt.«
»Vergiss es, Liebling. Ich bin jetzt nicht in der Stimmung.« »Oh, tut mir leid. Mein Fehler.«
Sarah empfand die Zurückweisung genauso intensiv, als hätte sie ihr gegolten.
»Ach, du meine Güte. Jetzt heul doch nicht. Komm her«, sagte Marcus schließlich.
Daraufhin war es ein paar Minuten lang still, dann hörte Sarah zwei Körper in die Betten plumpsen, gemurmelte Worte, die sie nicht verstehen konnte. Irgendwann schlug das Kopfbrett leise gegen die Wand, und Sarah dachte: Ach, du lieber Gott, jetzt treiben sie's.
Sie hatte Bilder von Marcus Dowling mit Jennifer Lowe in Susan and James und mit Kimberly Kerry in Redboy vor Augen. Sie dachte an Casey, wie sie in Marcus' Armen lag, ihn mit ihren langen Beinen umschlang. Das Klopfen wurde rhythmischer, das Stöhnen lauter, und endlich drang ein langer, seufzender Laut aus Marcus' Mund. Es war vorbei ... Gott sei Dank.
Irgendjemand ging ins Badezimmer, und danach wurde es dunkel.
Sarah blieb noch mindestens zwanzig Minuten lang lautlos hinter dem Nachthemdvorhang sitzen. Als die Atemgeräusche im Zimmer schließlich in Gurgeln und Schnarchen übergegangen waren, schob sie die Schranktür auf und krabbelte zum Fenster.
Sie war fast da ... aber nur fast.
Schnell und lautlos schwang sie sich auf das Fensterbrett, doch als sie das zweite Bein nachzog, stieß sie an die Seite des Wandtischchens - und von da an ging alles schief.
Der Krimskrams kam klirrend ins Rutschen, während der Tisch sich zur Seite neigte und sämtliche Bilderrahmen und Parfümfläschchen zu Boden fielen.
Verdammter Mist.
Sarah erstarrte, innerlich und äußerlich, als Casey Dowling aufschreckte und schrie: »Wer ist da?«
Von panischer Angst getrieben stürzte Sarah zum Fenster hinaus. Sie hing sich mit der gesamten Kraft ihrer Fingerspitzen an das Dach des Carports und ließ sich dann nach unten fallen.
Sie landete auf dem Rasen, ging in die Knie, empfand keinen Schmerz. Und als das Licht im Schlafzimmer der Dowlings aufleuchtete, rannte Sarah los. Sie riss sich die Stirnlampe vom Kopf und stopfte sie in eine der Stofftaschen, während sie durch Nob Hill, ein vornehmes Wohnviertel von San Francisco, stürmte.
Wenige Minuten später war sie bei ihrem alten Saturn auf dem Parkplatz eines Drugstores angelangt. Sie stieg ein, machte die Tür zu und verriegelte den Wagen, als könnte sie dadurch die Angst aussperren. Sie ließ den Motor an und löste die Handbremse, atmete schwer. Auf der ganzen Fahrt nach Hause kämpfte sie mit dem Brechreiz.
Als sie die langgezogene Pine Street erreicht hatte, zog sie die Mütze und die Handschuhe aus, wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und musste ununterbrochen an ihre überstürzte Flucht aus dem Schlafzimmer der Dowlings denken.
Sie hatte nichts zurückgelassen: kein Werkzeug, keine Fingerabdrücke, keine DNA. Rein gar nichts.
Im Augenblick zumindest war sie in Sicherheit.
Ganz ehrlich. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
3
Casey riss die Augen auf. Es war dunkel.
Irgendetwas war umgefallen.
Der Tisch am Fenster! Sie spürte einen Luftzug im Gesicht. Das Fenster war offen. Weder sie noch Marcus hatten es aufgemacht.
Irgendjemand war im Haus.
Casey richtete sich auf. »Wer ist da?« Sie zog die Bettdecke bis ans Kinn und kreischte. »Marc! Da ist jemand im Zimmer!«
Ihr Mann ächzte: »Du hast schlecht geträumt. Schlaf weiter.«
»Wach auf. Da ist jemand«, zischte sie.
Casey tastete nach der Nachttischlampe, stieß ihre Brille zu Boden, fand den Schalter und knipste das Licht an. Da. Das Wandtischchen war umgestürzt, alles lag auf dem Boden, die Vorhänge blähten sich im Wind.
»Tu doch was, Marc. So tu doch was.«
Marcus Dowling ging jeden Tag ins Fitnessstudio. Er war immer noch in der Lage, neunzig Kilogramm zu stemmen und konnte auch gut mit einer Pistole umgehen. Er sagte seiner Frau, sie solle leise sein, zog seine Nachttischschublade auf und nahm die geladene Vierundvierziger aus dem weichen Leder etui. Er schälte sich aus dem Bett und nahm die Waffe fest in die Hand.
Casey griff nach dem Telefon auf dem Nachttischchen und wählte mit zitternden Fingern die Notrufnummer. Sie verwählte sich und nahm einen erneuten Anlauf, während Marc, immer noch halb betrunken, bellte: »Ist da jemand?« Obwohl er es absolut ernst meinte, hörte es sich an wie ein Satz aus einem Drehbuch. »Zeig dich!«
Marcus sah im Badezimmer und im Flur nach, dann sagte er: »Da ist niemand, Casey. Genau, wie ich gesagt habe.«
Casey legte den Hörer auf die Gabel, schlug die Bettdecke zurück, ging zum Schrank, um sich ihren Morgenmantel zu holen ... und schrie auf.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
Mit bleichem Gesicht und splitterfasernackt drehte Casey sich zu ihrem Ehemann um und sagte: »O mein Gott, Marc, mein Schmuck ist weg. Der Safe ist so gut wie leer.«
Da huschte ein Ausdruck über Marcs Gesicht, den Casey nicht entschlüsseln konnte. Als wäre ihm plötzlich ein Gedanke gekommen, der in Windeseile in seinem Kopf Gestalt annahm. Wusste er, wer sie ausgeraubt hatte?
»Marc? Was ist denn los? Was denkst du gerade?«
»Ähm, ich habe gedacht: Das kannst du nicht mit ins Grab nehmen.«
»Was soll denn der Quatsch? Was soll das denn heißen?«
Dowling streckte den rechten Arm aus und zielte mit der Pistole auf einen Leberfleck zwischen den Brüsten seiner Frau. Dann drückte er ab. Bumm.
»Das soll es heißen«, sagte er.
Casey Dowling machte den Mund auf, holte Luft und stieß sie wieder aus, während sie auf ihre Brust starrte, wo das Blut stoßweise aus der Wunde blubberte. Sie schlug die Hände vor die Brust, blickte ihren Mann an und keuchte: »Hilf mir.«
Er schoss noch einmal.
Dann gaben ihre Knie nach, und sie sackte zu Boden.
...
Übersetzung: Leo Strohm
© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Limes Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
... weniger
Autoren-Porträt von James Patterson
James Patterson wuchs in Newburgh, New York, auf, studierte englische Literatur am Manhattan College und an der Vanderbilt University. Während seines Studiums, das er mit Auszeichnung abschloss, jobbte er in einer psychiatrischen Klinik. Danach war Patterson lange Zeit Chef einer großen New Yorker Werbeagentur. Nebenher begann er mit dem Schreiben von Kriminalromanen und das mit großem Erfolg. Denn bereits für seinen Debütroman erhielt er den begehrten Edgar Allan Poe Award, Amerikas wichtigsten Krimipreis. Mittlerweile gilt James Patterson als der Mann, der nur Bestseller schreibt: In den letzten Jahren standen 63 seiner Bücher auf der New York Times Hardcover-Bestsellerliste. Seine Romane wurden bisher in 38 Sprachen übersetzt und erreichten weltweit eine Gesamtauflage von über 260 Millionen Exemplaren. James Patterson lebt heute mit seiner Familie in Palm Beach, Florida.
Bibliographische Angaben
- Autor: James Patterson
- 2011, 349 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Strohm, Leo
- Übersetzer: Leo Strohm
- Verlag: Limes
- ISBN-10: 3809025526
- ISBN-13: 9783809025528
Rezension zu „Das 9. Urteil / Der Club der Ermittlerinnen Bd.9 “
Das 9. Urteil von James Patterson hetzt seine Leser durch eine rasante und aufregende Geschichte in guter, alter Patterson-Manier."
Kommentare zu "Das 9. Urteil / Der Club der Ermittlerinnen Bd.9"
5 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu "Das 9. Urteil / Der Club der Ermittlerinnen Bd.9".
Kommentar verfassen