Das Erbe der Nibelungen / Die Nibelungensaga Bd.3
Roman. Originalausgabe
Ein Jahrhundert ist vergangen, seit der Sohn des Drachentöters Siegfried sich den Göttern verweigerte und in der Unterwelt Utgard seine Freiheit erkämpfte. Doch die Nibelungen schreien nach Rache und machen Jagd auf die letzten Nachfahren Siegfrieds.
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Produktinformationen zu „Das Erbe der Nibelungen / Die Nibelungensaga Bd.3 “
Ein Jahrhundert ist vergangen, seit der Sohn des Drachentöters Siegfried sich den Göttern verweigerte und in der Unterwelt Utgard seine Freiheit erkämpfte. Doch die Nibelungen schreien nach Rache und machen Jagd auf die letzten Nachfahren Siegfrieds.
Klappentext zu „Das Erbe der Nibelungen / Die Nibelungensaga Bd.3 “
Der Mythos lebt weiterEin Jahrhundert ist vergangen, seit der Sohn des Drachentöters Siegfried sich den alten Göttern verweigerte und in der Unterwelt Utgard seine Freiheit erkämpfte. Doch die Nibelungen haben nicht vergessen, was Siegfried und sein Blutclan ihnen angetan haben. Ihre schwarzen Herzen schrei en nach Rache. Auf einem Kontinent, der von der Pest erschüttert wird, machen sie Jagd auf Sigfinn und Calder, den letzten Nachfahren Siegfrieds.
"Hohlbein vermischt Überlieferung mit Phantasie und schafft ein fantastisches Spektakel." -- Schwäbische Zeitung
"Hohlbeins große Stärken sind die Bilder, die er heraufbeschwört." -- Die Welt
"Hohlbeins große Stärken sind die Bilder, die er heraufbeschwört." -- Die Welt
Lese-Probe zu „Das Erbe der Nibelungen / Die Nibelungensaga Bd.3 “
Das Erbe der Nibelungen von Torsten Dewi und Wolfgang HohlbeinEinleitung
Ein Lied von hundert Jahren
... mehr
Mein Name ist Regin. Ich gehöre nicht in diese Welt - und habe doch keine andere. Inmitten der Dinge,
die geschehen, schaue ich nur von außen zu. Immer neue Namen, immer neue Gesichter - und doch immer dieselbe Geschichte. Was in Liebe beginnt, wird in Eifersucht getränkt, um dann als Hass zu enden, mit dem Tod als einzigem Vertrauten. Diese Geschichte will ich nun erzählen, zur Lehre und Warnung. Man verzeihe mir, wenn das Gedächtnis stockt, gar trügt, doch die Zeit hat so manche Erinnerung getilgt.
Ich weiß noch gut, wie es begann. Nicht zum ersten Mal, doch zum ersten Mal vor meinen Augen. Ein stolzer König, Siegmund, führte Krieg gegen den niederträchtigen Hjalmar von Dänemark. Der Preis sollte das Reich Xanten sein, bezahlt in Blut und Vernichtung. Inmitten der Schlacht entzogen die Götter Siegmund ihre Gunst, und sein gerechtes Schwert Nothung brach entzwei. In jener Nacht, bevor er der Klinge des Feindes unterlag, zeugte der König einen Sohn, und er schickte seine Frau fort, damit sie nicht sein Schicksal teile. Ihr zur Seite stand Laurens, der treue Vasall mit dem gebrochenen Schwert. Ihr Ziel war die kleine Hütte am Rhein, Heim und Werkstatt des weisen Waffenschmieds Regin. Und ja, das ist mein Name. Meine Erinnerungen sagen mir, ich sei es selbst gewesen, doch glauben mag ich es oft nicht mehr. Laurens gab mir das Schwert, es zu vergraben, und die Königin, sie zu beschützen. Dann ritt er davon, den Widerstand gegen den Thronräuber Hjalmar anzuführen.
Schützen konnte ich die Königin, doch nur, bis ihr Leib den Knaben gebar. Sie starb, als sei ihre letzte Aufgabe erfüllt, und ließ Siegfried in meiner Obhut. Ein stolzes Kind, mit Kraft und Mut, doch Leichtsinn auch, und dummer Kühnheit. Zum Schmied erzogen, aber zum König geboren, musste Siegfried unweigerlich dem Ruf seines Blutes folgen, und mein Bemühen, ihn aus dem Spiel der Götter zu halten, würde keine Früchte tragen. Und so traf er als Junge im Wald auf das Mädchen Brunhilde, das sich als Krieger tarnte und ihn mit Leichtigkeit verdrosch. Der Kampf sprühte dabei Funken aus Leidenschaft, die beider Herzen entflammten, und Brunhilde versprach, auf den mutigen Siegfried zu warten - als Prinzessin von Isenstein, Thronfolgerin des Insel-Reiches Island. Spitzte man in dieser Nacht die Ohren, konnte man die wuchtigen hölzernen Zahnräder des Schicksals hören, wie sie ineinandergriffen und sich ächzend zu bewegen begannen ...
Siegfried zog es in der Folge nach Norden - zu Brunhilde und zum unruhigen Reich Xanten, wo Waffen gebraucht wurden und Krieger. Stattdessen nahm ich ihn mit auf die Reise nach Süden, dem Schicksal und dem Willen der Götter trotzend. Wir bekamen keine Kunde, dass Hakan von Island starb und seine Tochter den Thron bestieg - mit dem Schwur, nur den zu heiraten, der ihr auf dem Feld aus Eis und Feuer ebenbürtig war.
Den Rhein entlang führte unser Weg nach Burgund, in der Hoffnung, dort in Frieden Arbeit zu finden. Doch die Straßen waren dunkel getränkt mit Blut, und verkrustete Leichen sah ich unter verkohlten Bäumen. Das Reich der Sonne und des Weins, dem Gott der Christen geweiht, war in den Schatten der alten Mächte gefallen, und das Volk verkroch sich hinter den Mauern von Worms, betend und klagend. Der Drache Fafnir, den Schatz der Nibelungen bewachend, hatte Leid und Feuer über das Land gebracht, Ernten verbrannt, Vieh verschlungen und König Gundomar zum Gespött gemacht. Umgeben von Feindesreichen, die aus der Schwäche von Burgund Nutzen ziehen wollten, fanden wir als Waffenschmiede freundliche Aufnahme bei Hofe. Ich riet Siegfried, sich aus den Ränkespielen des Adels herauszuhalten, doch schon beim Anblick der edlen Prinzessin Kriemhild war sein Versprechen vergessen: er verliebte sich so närrisch und blind, wie es kaum ein Mann je zuvor getan hat - vergaß Stand, Anstand, sogar Brunhilde, die ihm ihr Herz gewidmet hatte. Doch die Flamme für Kriemhild war nicht die einzige Leidenschaft, die bei Hof brannte: der bedächtige Prinz Gernot fand Liebe ausgerechnet in der schwermütigen Elsa, der Tochter des verschlagenen Hagen von Tronje. Dessen schwarzes Herz, wenn es denn schlug, schlug für Burgund und für nichts sonst. Keine Pestilenz, keine Folter war zu schrecklich für jene, die er schädlich fand.
Um seine Macht im Reich zu stärken, entschloss sich König Gundomar, Kriemhild einem starken Prinzen zu geben und dadurch ein Bündnis zu besiegeln. So ist es seit Jahrhunderten Brauch und hat sich oft bewährt. Doch die törichte Prinzessin war dem jungen Schmied Siegfried verfallen und ließ daher Etzel, den Sohn des Hunnenführers Mundzuk, vergeblich freien. Der König und sein Berater Hagen waren außer sich, und der Schaden für das Reich war groß. Die Hunnen jenseits der Grenzen, der Drache Fafnir diesseits! Um Burgund vor dem Untergang zu retten, rief Gundomar seine besten Krieger zusammen, und auch die Söhne Giselher und Gunther. Drachentöter sollten sie werden, in mutiger Tat den Gegnern Respekt abverlangen. Doch nach drei Tagen kamen sie nicht mehr, um das Blut auf ihren Klingen glänzen zu lassen. Giselher war tot, Gunther verletzt, und der König rang mit dem letzten Atemzug, so der grausige Preis ihres Hochmuts.
Der Drache regierte nun Burgund, und die Feinde des Reiches warteten geduldig, dass es fiel. Währenddessen verbrannte ein adeliger Freier nach dem anderen im Ring der Flammen, den Brunhilde von Island als Prüfung um ihr Schloss gelegt hatte. Nicht eine Sekunde schwand in ihr die Hoffnung, dass der mutige Siegfried kommen werde, sie zu seiner Frau und Königin zu machen.
Doch Siegfried war mit Herz und Auge nur bei Kriemhild, und um sie zu erobern, war er bereit, sich Fafnir zu stellen - der tote Drache sollte sein Geschenk an den neuen König Gunther sein. Regin - war ich es wirklich? - mühte sich, den Wahnsinn zu verhindern, doch die Rückkehr des alten Laurens, von jahrelangem Widerstand gegen Hjalmar verkrüppelt, nahm mir jede weitere Gelegenheit. Durch ihn erfuhr Siegfried von Nothung, mit dem das Untier zu besiegen war - und von seinem königlichen Blut, das ihn zum legitimen Bewerber um die Hand Kriemhilds machte. In finsterer Nacht rang er dem trunkenen Gunther das Versprechen ab, die Prinzessin heiraten zu dürfen, sofern er des Drachen Haupt und ein eigenes Reich vorweisen könne. Selten war ein Mann entschlossener als Siegfried, alles zu erreichen. Und für diese Gier nach Macht und Einfluss, die nun seine Seele verdunkelte, stach ich Laurens meine Klinge in die Brust.
Wie ein Tier drosch Siegfried fortan mit dem Hammer auf das alte Schwert, schärfte die Klinge neu, machte sich die Waffe der Götter untertan, bis er sie fast so führte, wie sie heimlich ihn führte. Er wurde zum Sklaven des Schwertes, ein Diener des Krieges. Ich sah nur zu - und entschied endlich, den Menschen den Rücken zu kehren. Mein Weg führte mich zurück in den Wald, Körper und Stimme zurücklassend. Mein Geist glitt in die Bäume, in den Boden, durch die Luft, und vereinte sich mit meinen Brüdern, den Nibelungen, die mich mit Häme begrüßten für den Narrengedanken, Siegfrieds Schicksal auf friedlichen Pfaden halten zu können.
Nun mochte der Weg dunkel sein, den Siegfried mit erhobenem Schwert beschritt, doch er tat es mit Geschick und Wagemut. Dem Drachen stellte er sich wie ein Krieger, und in einem langen Kampf besiegte er das geschuppte Untier, stach ihm vor seiner Höhle das Schwert Nothung durch den Gaumen in den Schädel. Vom Blut des Drachen war Siegfried benetzt, und wir Nibelungen konnten nur hilflos zusehen, wie er sich des Schatzes bemächtigte, den zu hüten uns die Götter geheißen hatten. Wir warnten Siegfried, drohten ihm, doch er nahm, was nicht sein war. Zum Gold noch den verfluchten Ring, zum Ring noch die Tarnkappe. Alles auf einen hölzernen Schlitten gepackt, darauf das Haupt Fafnirs, um in Worms als Held begrüßt zu werden. Zur feierlichen Krönung König Gunthers warf er den Schädel auf den Marktplatz und ließ sich vom Volk als Drachentöter feiern. Niemand hasste ihn mehr dafür als der knurrige Hagen, der die Liebe Burgunds zum König in Gefahr wähnte. Wer war denn der wahre Beschützer der Menschen - der Mann mit der Krone oder der Mann mit dem Schwert, der den verhassten Drachen erlegt hatte? So dachte er, und er dachte nicht falsch.
Trunken vor Freude machte Siegfried gleich den nächsten Fehler: mit dem Nibelungengold kaufte er die Dienste Gunthers und seiner Armee, um von Hjalmar sein Erbrecht zu fordern - das Reich Xanten. Dabei begehrte Siegfried nicht den Thron, nur Prinzessin Kriemhild, die er dann freien durfte. König Gunther, Freund Siegfrieds und doch in Furcht vor ihm, hatte kein Pfund, um zu wuchern, und willigte ein. Obendrauf versprach er dem ehemaligen Schmied die eigene Schwester, um die Reiche Burgund und Xanten aneinander zu binden. Hagen vermied es lange und wohlweislich, ihn darauf hinzuweisen, dass die Prinzessin nur heiraten durfte, wenn der König selbst eine Königin an der Seite hatte. So wollte er Zwietracht säen zwischen Gunther und Siegfried.
Wie Siegfried es versprochen hatte, blieb der blutige und lange Krieg zwischen Burgund und Hjalmars Xanten aus. In einem wüsten Duell nahm der Herausforderer dem Usurpator das Leben - und entdeckte, dass das Bad im Blut des Drachen seine Haut zu Eisen hatte werden lassen, die keine Klinge ritzen konnte. So überzeugte er erst das Heer, dann das ganze Volk, dass er als Siegmunds Sohn rechtmäßiger Erbe von Xanten sei. Er kehrte sodann mit Gunther als König zurück nach Burgund - und als Verlobter Kriemhilds, die ihn mit Sehnsucht erwartete. Zwar war sein Zorn groß, als er von dem alten Brauch erfuhr, nachdem es Gunther sein musste, der zuerst getraut wurde, doch zögerte er keinen Augenblick, seinen Freund nach Island zu begleiten - nicht ahnend, wer dort Königin war. Und was diese ihm einst bedeutet hatte.
Es ist leicht zu verstehen, welch Entzücken Brunhilde empfand, als Siegfried nach so vielen Jahren endlich ihren Hafen anlief - und wie groß der Schmerz war, als er für einen anderen warb. Gebrochen und doch von königlicher Größe, akzeptierte sie Gunther als Freier und forderte ihn zum Duell auf dem Feld aus Feuer und Eis. Nicht ahnen konnte sie, dass Siegfried, mit dem Tarnhelm für das Auge unsichtbar, seinem unterlegenen Freund beistand und ihren Arm beugte. So verlor sie den Kampf und damit das Recht, den König von Burgund als Gatten abzulehnen. Sie unterwarf sich ihm mit tiefen Schatten auf der Seele und reiste ab nach Burgund, den klugen Eolind als Statthalter auf Burg Isenstein lassend.
Gleich eine Doppelhochzeit nach christlichem Gebot wurde nun in Worms gefeiert - prachtvoll und glücklich für das Volk, doch schon zersetzt von Intrigen und Niedertracht. Weder konnte Hagen hinnehmen, dass Siegfried als Kriemhilds Gemahl nur einen Freundesmord vom Thron Burgunds entfernt war, noch ertrug Brunhilde den Gedanken, am Festtisch neben ihrem Mann, aber gegenüber ihrer wahren Liebe zu speisen. Kein Flehen Siegfrieds, die Dinge zu nehmen, wie die Götter es verlangten, konnte ihr Herz erreichen. Zurückgewiesen hasste sie Kriemhild bald wie den eigenen Mann. Schon in der Hochzeitsnacht hatte Gunther wieder Siegfrieds Hilfe und den Tarnhelm gebraucht, Brunhilde zu bändigen, und vielleicht war es diese schändliche Tat, die endgültig die Bande der Freundschaft zerschnitt: Gunther fand sich von Siegfried herabgesetzt, und Kriemhild konnte nicht verzeihen, was ihr Mann und König der Schwägerin angetan. In einem eitlen Streit mit Brunhilde wählte sie die falschen Worte, und schnell erkannte die Isländerin das kalte Spiel der Macht.
In seinem Bemühen, allen gerecht und gut Freund zu sein, hatte der glorreiche Siegfried sich Feind um Feind geschaffen, und in dieser Stunde gelang es Hagen, Gunther einzuflüstern, dass Burgund als Reich nur blühen könne, wenn es wieder aus dem Schatten Siegfrieds trete. Gunther, schwach und zweifelnd, gab Hagen die Erlaubnis, Siegfried heimtückisch zu ermorden, getarnt als Jagdunglück. Auch Brunhilde verlangte Siegfrieds Tod als Preis für ihr Schweigen. Im letzten Moment kamen Gunther doch christliche Zweifel, und er machte sich auf, Siegfried zur Seite zu stehen, wie es sich für einen Freund ziemte. Aber Hagen hatte die blutige Tat schon vollbracht, den Speer durch die einzige Stelle an Siegfrieds Körper gestoßen, die verwundbar war. König Gunther fand seinen Gefährten tot - und richtete mit dem Schwert seinen Ratgeber. Das Blut an seinen Händen kündete nicht nur von Schuld, sondern bald auch von Wahnsinn, denn Gunthers gute Seele konnte mit der eigenen Niedertracht nicht leben. Nicht einmal der erhoffte Friede mit Brunhilde war ihm vergönnt, denn die Isländerin verleitete ihn zu einem Kampf, um in sein Schwert zu fallen. Im Tode hoffte sie, an Siegfrieds Seite zu sein. Endlich und für immer. So gewann Gunther alle Ränkespiele - und verlor alles, was sein Leben bedeutet hatte. Trost fand er nicht einmal bei Kriemhild, die bald schon herausfand, dass ihr Bruder mitschuldig am Tode ihres Gatten gewesen war. Sie entschied sich, mit dem Gold der Nibelungen nach Xanten zu gehen - und mit dem Kind von Siegfried unter dem Herzen. Als Xantens Königin wollte sie Vergeltung für ihr erlittenes Unrecht üben.
Siegfried und Brunhilde wurden Seite an Seite verbrannt, wie es Sitte des alten Glaubens war. Hagens Leichnam warf man in den Rhein, in Schande und Verachtung.
Seine Tochter Elsa, die nun keinen Platz bei Hofe mehr beanspruchen konnte, wollte Burgund verlassen, fand aber endlich ihr Herz bei Prinz Gernot. Ihre war die einzig reine Liebe in dieser schwarzen Zeit.
In Xanten wurde der Knabe geboren, den Kriemhild Siegfried nannte, zum Gedenken an den gefallenen Vater. Obwohl sie das Reich mit Umsicht regierte und Wohlstand herrschte überall, konnte sie vom Gedanken an Rache nicht lassen. Sie ließ den Etzel zu sich rufen, dessen Krieger stark und entschlossen waren. Ihm gab sie sich zur Ehefrau und zog nach Gran, weit im Osten. Dort richteten die beiden ihre Hochzeit aus, ganz im Brauch der Steppenvölker. Der Hof von Burgund wurde zur Feier geladen, und mit großem Gefolge kam Gunther über die Donau. Er hoffte, die Zeit habe seine Schwester milde gestimmt - auch wenn der tote Hagen, in seinen wirren Augen ständig zugegen, ihm Vorsicht einflüsterte.
An einem lauen Abend, bei einem großen Gelage, dem friedlichsten seit langem, tranken Hunnen, Xantener und Burgunder auf die Freundschaft - und Kriemhild gab das Signal, alle Männer ihres Heimatreiches aus Rache für den Verrat an Siegfried abzuschlachten. Die Klinge gegen ihren Bruder führte sie selbst, und sie starb mit ihm zusammen. Etzel konnte nur zusehen, wie seine Frau dem Fluch der Nibelungen erlag, die niemals vergessen hatten, wer mit ihrem Gold sich schmückte. Der Hunnenkönig nahm das Kind Siegfried, übergab es dem entsetzten Prinz Gernot und schickte ihn heim nach Burgund. Noch über Generationen erzählten sich die Hunnen am Feuer von der Bluthochzeit und der rachsüchtigen Königin Kriemhild von Xanten.
Gernot kehrte tatsächlich nach Xanten zurück - doch nicht, um den Thron zu besteigen. Stattdessen gab er den Nibelungen ihr Gold zurück und nahm die wunderbare Elsa zur Frau. Gemeinsam zogen sie mit Jung-Siegfried nach Island. Weit weg von Burgund, von Xanten, von den Nibelungen. Weit weg vom Spiel der Götter.
So dachten sie.
Siebzehn Jahre lang sahen die alten Götter zu, wie Elsa und Gernot Island in Liebe und christlichem Glauben führten, wie sie die eigene Tochter Lilja bekamen, während sie Siegfried unter dem Namen Sigurd als eigenes Fleisch und Blut aufzogen. Doch der Junge war von der Seele her wie der Vater, den er nie kennengelernt hatte. Es trieb ihn zu Abenteuern in die Welt hinaus, und auch die vielen Jagden mit seinen Freunden Jon und Gelen konnten ihn nicht genug ermüden, um davon abzulassen. Während Gernot einsah, dass Sigurd den Kontinent bereisen musste, um ein Mann zu werden, war Königin Elsa von ganzem Herzen dagegen. Im Traum war ihr die Walküre Brunhilde auf dem Flammenross erschienen und hatte für Sigurd die Freiheit gefordert, sein Erbe anzutreten. Nichts hatte Elsa je mehr geängstigt, und sie war entschlossen, einer neuen Generation Leid und Elend zu ersparen.
Doch ein junges Herz passt in keinen Käfig, und so machte sich Sigurd gegen den Willen seiner Eltern auf ins dänische Fjällhaven, wo er von willigen Weibern und Weinfässern im Überfluss gehört hatte. Die Männer fanden, was Männer suchen, und schlugen sich im Trunk vergnügt mit rauflustigen Langobarden, bis der Wirt sie aus der Taverne warf und die junge Schankmagd Liv dem Sigurd im Heu das Feuer seiner Lust löschen half.
So wäre es vielleicht ein paar Monate oder ein Jahr gegangen, bis Sigurd nach Island zurückgekehrt wäre und er seine Eltern um Verzeihung gebeten hätte. Er konnte nicht ahnen - und es war im Sinne der Götter, dass er es nicht ahnen konnte -, dass Wulfgar, der finstere König von Xanten, mit seinem Heer übergesetzt hatte, um das kleine Island zu unterwerfen. Es war sicher nicht das Schwert Sigurds, das zur Verteidigung von Burg Isenstein fehlte, und schnell war der Königssitz belagert. Auf keinen Verbündeten konnte König Gernot setzen, auf keinen kleinen Pfad, der die Familie ins Exil hätte retten können. Um Erniedrigung und Folter zu entgehen, entschieden sich Gernot und Elsa, Wulfgar mit einem letzten Trank die Genugtuung zu nehmen, das Königshaus Island gemeuchelt zu haben. So starb Sigurds Familie, während er in Fjällhaven zechte und durch die Nacht hurte.
Woher ich all das weiß? Wir Nibelungen sind überall und nirgends, und wenn der Wald auch unsere Heimat ist, so sehen unsere Augen von den Wolken herab, hören unsere Ohren aus dem Gras unter deinen Füßen. Wir sprechen mit den Göttern - und wir hadern mit der Walküre Brunhilde, die uns den letzten Triumph über die Blutlinie Siegfrieds nicht gönnen mag.
Wo war ich? Ach ja. Island war gefallen. Es war der alte Eolind, der Sigurd endlich in Fjällhaven fand und in die Heimat zurückbrachte. Nach schwerer Überfahrt fand der Junge die Burg unter fremder Flagge und das Volk unterjocht. Sogleich wollte er Wulfgar an die Kehle, doch Eolind öffnete ihm die Augen und zeigte ihm einen anderen Weg auf - den einzigen Weg, wirklich Rache an Wulfgar zu nehmen und den geknechteten Königreichen einen gerechten Herrscher zu geben. Er erzählte Sigurd von seiner wahren Herkunft, von seinem Vater Siegfried, von seinem Anrecht auf den Thron Xantens. Er erzählte auch vom Schatz der Nibelungen als Schlüssel zur Macht wie zur Rache. Es war die Nacht, in der Sigurd das Erbe seines Vaters annahm - und seinen Namen. Er befahl Jon und Gelen, sich verborgen zu halten und die Regentschaft Xantens in Island nach Kräften zu hintertreiben. An den Rhein wolle er selber reisen, um sich die Insignien der Macht zu sichern.
Die Götter mögen grausam sein und in hämischer Freude das Leben der Menschen heimlich führen, doch ihre Spiele benötigen immer auch die Möglichkeit, sich ihnen zu widersetzen. Wo wäre der Kitzel, gäbe es nicht wenigstens einen Einsatz, den der Mensch verspielen könnte? Und so hatte Odin Xandria geschaffen und als Tochter des Wüterichs Wulfgar auf die Erde gebracht. Schön, zerbrechlich und von wildem Herzen, kümmerte sie sich um das verfallende Xanten, während ihr Vater mit seinem Heer andere Reiche überfiel. Sie hasste ihn und sehnte sich nach einem Mann, der sie von ihm und ihrer Einsamkeit befreite. Es war nicht schwer zu erraten, wen die Götter dafür ausersehen hatten...
Copyright © 2010 dieser Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Mein Name ist Regin. Ich gehöre nicht in diese Welt - und habe doch keine andere. Inmitten der Dinge,
die geschehen, schaue ich nur von außen zu. Immer neue Namen, immer neue Gesichter - und doch immer dieselbe Geschichte. Was in Liebe beginnt, wird in Eifersucht getränkt, um dann als Hass zu enden, mit dem Tod als einzigem Vertrauten. Diese Geschichte will ich nun erzählen, zur Lehre und Warnung. Man verzeihe mir, wenn das Gedächtnis stockt, gar trügt, doch die Zeit hat so manche Erinnerung getilgt.
Ich weiß noch gut, wie es begann. Nicht zum ersten Mal, doch zum ersten Mal vor meinen Augen. Ein stolzer König, Siegmund, führte Krieg gegen den niederträchtigen Hjalmar von Dänemark. Der Preis sollte das Reich Xanten sein, bezahlt in Blut und Vernichtung. Inmitten der Schlacht entzogen die Götter Siegmund ihre Gunst, und sein gerechtes Schwert Nothung brach entzwei. In jener Nacht, bevor er der Klinge des Feindes unterlag, zeugte der König einen Sohn, und er schickte seine Frau fort, damit sie nicht sein Schicksal teile. Ihr zur Seite stand Laurens, der treue Vasall mit dem gebrochenen Schwert. Ihr Ziel war die kleine Hütte am Rhein, Heim und Werkstatt des weisen Waffenschmieds Regin. Und ja, das ist mein Name. Meine Erinnerungen sagen mir, ich sei es selbst gewesen, doch glauben mag ich es oft nicht mehr. Laurens gab mir das Schwert, es zu vergraben, und die Königin, sie zu beschützen. Dann ritt er davon, den Widerstand gegen den Thronräuber Hjalmar anzuführen.
Schützen konnte ich die Königin, doch nur, bis ihr Leib den Knaben gebar. Sie starb, als sei ihre letzte Aufgabe erfüllt, und ließ Siegfried in meiner Obhut. Ein stolzes Kind, mit Kraft und Mut, doch Leichtsinn auch, und dummer Kühnheit. Zum Schmied erzogen, aber zum König geboren, musste Siegfried unweigerlich dem Ruf seines Blutes folgen, und mein Bemühen, ihn aus dem Spiel der Götter zu halten, würde keine Früchte tragen. Und so traf er als Junge im Wald auf das Mädchen Brunhilde, das sich als Krieger tarnte und ihn mit Leichtigkeit verdrosch. Der Kampf sprühte dabei Funken aus Leidenschaft, die beider Herzen entflammten, und Brunhilde versprach, auf den mutigen Siegfried zu warten - als Prinzessin von Isenstein, Thronfolgerin des Insel-Reiches Island. Spitzte man in dieser Nacht die Ohren, konnte man die wuchtigen hölzernen Zahnräder des Schicksals hören, wie sie ineinandergriffen und sich ächzend zu bewegen begannen ...
Siegfried zog es in der Folge nach Norden - zu Brunhilde und zum unruhigen Reich Xanten, wo Waffen gebraucht wurden und Krieger. Stattdessen nahm ich ihn mit auf die Reise nach Süden, dem Schicksal und dem Willen der Götter trotzend. Wir bekamen keine Kunde, dass Hakan von Island starb und seine Tochter den Thron bestieg - mit dem Schwur, nur den zu heiraten, der ihr auf dem Feld aus Eis und Feuer ebenbürtig war.
Den Rhein entlang führte unser Weg nach Burgund, in der Hoffnung, dort in Frieden Arbeit zu finden. Doch die Straßen waren dunkel getränkt mit Blut, und verkrustete Leichen sah ich unter verkohlten Bäumen. Das Reich der Sonne und des Weins, dem Gott der Christen geweiht, war in den Schatten der alten Mächte gefallen, und das Volk verkroch sich hinter den Mauern von Worms, betend und klagend. Der Drache Fafnir, den Schatz der Nibelungen bewachend, hatte Leid und Feuer über das Land gebracht, Ernten verbrannt, Vieh verschlungen und König Gundomar zum Gespött gemacht. Umgeben von Feindesreichen, die aus der Schwäche von Burgund Nutzen ziehen wollten, fanden wir als Waffenschmiede freundliche Aufnahme bei Hofe. Ich riet Siegfried, sich aus den Ränkespielen des Adels herauszuhalten, doch schon beim Anblick der edlen Prinzessin Kriemhild war sein Versprechen vergessen: er verliebte sich so närrisch und blind, wie es kaum ein Mann je zuvor getan hat - vergaß Stand, Anstand, sogar Brunhilde, die ihm ihr Herz gewidmet hatte. Doch die Flamme für Kriemhild war nicht die einzige Leidenschaft, die bei Hof brannte: der bedächtige Prinz Gernot fand Liebe ausgerechnet in der schwermütigen Elsa, der Tochter des verschlagenen Hagen von Tronje. Dessen schwarzes Herz, wenn es denn schlug, schlug für Burgund und für nichts sonst. Keine Pestilenz, keine Folter war zu schrecklich für jene, die er schädlich fand.
Um seine Macht im Reich zu stärken, entschloss sich König Gundomar, Kriemhild einem starken Prinzen zu geben und dadurch ein Bündnis zu besiegeln. So ist es seit Jahrhunderten Brauch und hat sich oft bewährt. Doch die törichte Prinzessin war dem jungen Schmied Siegfried verfallen und ließ daher Etzel, den Sohn des Hunnenführers Mundzuk, vergeblich freien. Der König und sein Berater Hagen waren außer sich, und der Schaden für das Reich war groß. Die Hunnen jenseits der Grenzen, der Drache Fafnir diesseits! Um Burgund vor dem Untergang zu retten, rief Gundomar seine besten Krieger zusammen, und auch die Söhne Giselher und Gunther. Drachentöter sollten sie werden, in mutiger Tat den Gegnern Respekt abverlangen. Doch nach drei Tagen kamen sie nicht mehr, um das Blut auf ihren Klingen glänzen zu lassen. Giselher war tot, Gunther verletzt, und der König rang mit dem letzten Atemzug, so der grausige Preis ihres Hochmuts.
Der Drache regierte nun Burgund, und die Feinde des Reiches warteten geduldig, dass es fiel. Währenddessen verbrannte ein adeliger Freier nach dem anderen im Ring der Flammen, den Brunhilde von Island als Prüfung um ihr Schloss gelegt hatte. Nicht eine Sekunde schwand in ihr die Hoffnung, dass der mutige Siegfried kommen werde, sie zu seiner Frau und Königin zu machen.
Doch Siegfried war mit Herz und Auge nur bei Kriemhild, und um sie zu erobern, war er bereit, sich Fafnir zu stellen - der tote Drache sollte sein Geschenk an den neuen König Gunther sein. Regin - war ich es wirklich? - mühte sich, den Wahnsinn zu verhindern, doch die Rückkehr des alten Laurens, von jahrelangem Widerstand gegen Hjalmar verkrüppelt, nahm mir jede weitere Gelegenheit. Durch ihn erfuhr Siegfried von Nothung, mit dem das Untier zu besiegen war - und von seinem königlichen Blut, das ihn zum legitimen Bewerber um die Hand Kriemhilds machte. In finsterer Nacht rang er dem trunkenen Gunther das Versprechen ab, die Prinzessin heiraten zu dürfen, sofern er des Drachen Haupt und ein eigenes Reich vorweisen könne. Selten war ein Mann entschlossener als Siegfried, alles zu erreichen. Und für diese Gier nach Macht und Einfluss, die nun seine Seele verdunkelte, stach ich Laurens meine Klinge in die Brust.
Wie ein Tier drosch Siegfried fortan mit dem Hammer auf das alte Schwert, schärfte die Klinge neu, machte sich die Waffe der Götter untertan, bis er sie fast so führte, wie sie heimlich ihn führte. Er wurde zum Sklaven des Schwertes, ein Diener des Krieges. Ich sah nur zu - und entschied endlich, den Menschen den Rücken zu kehren. Mein Weg führte mich zurück in den Wald, Körper und Stimme zurücklassend. Mein Geist glitt in die Bäume, in den Boden, durch die Luft, und vereinte sich mit meinen Brüdern, den Nibelungen, die mich mit Häme begrüßten für den Narrengedanken, Siegfrieds Schicksal auf friedlichen Pfaden halten zu können.
Nun mochte der Weg dunkel sein, den Siegfried mit erhobenem Schwert beschritt, doch er tat es mit Geschick und Wagemut. Dem Drachen stellte er sich wie ein Krieger, und in einem langen Kampf besiegte er das geschuppte Untier, stach ihm vor seiner Höhle das Schwert Nothung durch den Gaumen in den Schädel. Vom Blut des Drachen war Siegfried benetzt, und wir Nibelungen konnten nur hilflos zusehen, wie er sich des Schatzes bemächtigte, den zu hüten uns die Götter geheißen hatten. Wir warnten Siegfried, drohten ihm, doch er nahm, was nicht sein war. Zum Gold noch den verfluchten Ring, zum Ring noch die Tarnkappe. Alles auf einen hölzernen Schlitten gepackt, darauf das Haupt Fafnirs, um in Worms als Held begrüßt zu werden. Zur feierlichen Krönung König Gunthers warf er den Schädel auf den Marktplatz und ließ sich vom Volk als Drachentöter feiern. Niemand hasste ihn mehr dafür als der knurrige Hagen, der die Liebe Burgunds zum König in Gefahr wähnte. Wer war denn der wahre Beschützer der Menschen - der Mann mit der Krone oder der Mann mit dem Schwert, der den verhassten Drachen erlegt hatte? So dachte er, und er dachte nicht falsch.
Trunken vor Freude machte Siegfried gleich den nächsten Fehler: mit dem Nibelungengold kaufte er die Dienste Gunthers und seiner Armee, um von Hjalmar sein Erbrecht zu fordern - das Reich Xanten. Dabei begehrte Siegfried nicht den Thron, nur Prinzessin Kriemhild, die er dann freien durfte. König Gunther, Freund Siegfrieds und doch in Furcht vor ihm, hatte kein Pfund, um zu wuchern, und willigte ein. Obendrauf versprach er dem ehemaligen Schmied die eigene Schwester, um die Reiche Burgund und Xanten aneinander zu binden. Hagen vermied es lange und wohlweislich, ihn darauf hinzuweisen, dass die Prinzessin nur heiraten durfte, wenn der König selbst eine Königin an der Seite hatte. So wollte er Zwietracht säen zwischen Gunther und Siegfried.
Wie Siegfried es versprochen hatte, blieb der blutige und lange Krieg zwischen Burgund und Hjalmars Xanten aus. In einem wüsten Duell nahm der Herausforderer dem Usurpator das Leben - und entdeckte, dass das Bad im Blut des Drachen seine Haut zu Eisen hatte werden lassen, die keine Klinge ritzen konnte. So überzeugte er erst das Heer, dann das ganze Volk, dass er als Siegmunds Sohn rechtmäßiger Erbe von Xanten sei. Er kehrte sodann mit Gunther als König zurück nach Burgund - und als Verlobter Kriemhilds, die ihn mit Sehnsucht erwartete. Zwar war sein Zorn groß, als er von dem alten Brauch erfuhr, nachdem es Gunther sein musste, der zuerst getraut wurde, doch zögerte er keinen Augenblick, seinen Freund nach Island zu begleiten - nicht ahnend, wer dort Königin war. Und was diese ihm einst bedeutet hatte.
Es ist leicht zu verstehen, welch Entzücken Brunhilde empfand, als Siegfried nach so vielen Jahren endlich ihren Hafen anlief - und wie groß der Schmerz war, als er für einen anderen warb. Gebrochen und doch von königlicher Größe, akzeptierte sie Gunther als Freier und forderte ihn zum Duell auf dem Feld aus Feuer und Eis. Nicht ahnen konnte sie, dass Siegfried, mit dem Tarnhelm für das Auge unsichtbar, seinem unterlegenen Freund beistand und ihren Arm beugte. So verlor sie den Kampf und damit das Recht, den König von Burgund als Gatten abzulehnen. Sie unterwarf sich ihm mit tiefen Schatten auf der Seele und reiste ab nach Burgund, den klugen Eolind als Statthalter auf Burg Isenstein lassend.
Gleich eine Doppelhochzeit nach christlichem Gebot wurde nun in Worms gefeiert - prachtvoll und glücklich für das Volk, doch schon zersetzt von Intrigen und Niedertracht. Weder konnte Hagen hinnehmen, dass Siegfried als Kriemhilds Gemahl nur einen Freundesmord vom Thron Burgunds entfernt war, noch ertrug Brunhilde den Gedanken, am Festtisch neben ihrem Mann, aber gegenüber ihrer wahren Liebe zu speisen. Kein Flehen Siegfrieds, die Dinge zu nehmen, wie die Götter es verlangten, konnte ihr Herz erreichen. Zurückgewiesen hasste sie Kriemhild bald wie den eigenen Mann. Schon in der Hochzeitsnacht hatte Gunther wieder Siegfrieds Hilfe und den Tarnhelm gebraucht, Brunhilde zu bändigen, und vielleicht war es diese schändliche Tat, die endgültig die Bande der Freundschaft zerschnitt: Gunther fand sich von Siegfried herabgesetzt, und Kriemhild konnte nicht verzeihen, was ihr Mann und König der Schwägerin angetan. In einem eitlen Streit mit Brunhilde wählte sie die falschen Worte, und schnell erkannte die Isländerin das kalte Spiel der Macht.
In seinem Bemühen, allen gerecht und gut Freund zu sein, hatte der glorreiche Siegfried sich Feind um Feind geschaffen, und in dieser Stunde gelang es Hagen, Gunther einzuflüstern, dass Burgund als Reich nur blühen könne, wenn es wieder aus dem Schatten Siegfrieds trete. Gunther, schwach und zweifelnd, gab Hagen die Erlaubnis, Siegfried heimtückisch zu ermorden, getarnt als Jagdunglück. Auch Brunhilde verlangte Siegfrieds Tod als Preis für ihr Schweigen. Im letzten Moment kamen Gunther doch christliche Zweifel, und er machte sich auf, Siegfried zur Seite zu stehen, wie es sich für einen Freund ziemte. Aber Hagen hatte die blutige Tat schon vollbracht, den Speer durch die einzige Stelle an Siegfrieds Körper gestoßen, die verwundbar war. König Gunther fand seinen Gefährten tot - und richtete mit dem Schwert seinen Ratgeber. Das Blut an seinen Händen kündete nicht nur von Schuld, sondern bald auch von Wahnsinn, denn Gunthers gute Seele konnte mit der eigenen Niedertracht nicht leben. Nicht einmal der erhoffte Friede mit Brunhilde war ihm vergönnt, denn die Isländerin verleitete ihn zu einem Kampf, um in sein Schwert zu fallen. Im Tode hoffte sie, an Siegfrieds Seite zu sein. Endlich und für immer. So gewann Gunther alle Ränkespiele - und verlor alles, was sein Leben bedeutet hatte. Trost fand er nicht einmal bei Kriemhild, die bald schon herausfand, dass ihr Bruder mitschuldig am Tode ihres Gatten gewesen war. Sie entschied sich, mit dem Gold der Nibelungen nach Xanten zu gehen - und mit dem Kind von Siegfried unter dem Herzen. Als Xantens Königin wollte sie Vergeltung für ihr erlittenes Unrecht üben.
Siegfried und Brunhilde wurden Seite an Seite verbrannt, wie es Sitte des alten Glaubens war. Hagens Leichnam warf man in den Rhein, in Schande und Verachtung.
Seine Tochter Elsa, die nun keinen Platz bei Hofe mehr beanspruchen konnte, wollte Burgund verlassen, fand aber endlich ihr Herz bei Prinz Gernot. Ihre war die einzig reine Liebe in dieser schwarzen Zeit.
In Xanten wurde der Knabe geboren, den Kriemhild Siegfried nannte, zum Gedenken an den gefallenen Vater. Obwohl sie das Reich mit Umsicht regierte und Wohlstand herrschte überall, konnte sie vom Gedanken an Rache nicht lassen. Sie ließ den Etzel zu sich rufen, dessen Krieger stark und entschlossen waren. Ihm gab sie sich zur Ehefrau und zog nach Gran, weit im Osten. Dort richteten die beiden ihre Hochzeit aus, ganz im Brauch der Steppenvölker. Der Hof von Burgund wurde zur Feier geladen, und mit großem Gefolge kam Gunther über die Donau. Er hoffte, die Zeit habe seine Schwester milde gestimmt - auch wenn der tote Hagen, in seinen wirren Augen ständig zugegen, ihm Vorsicht einflüsterte.
An einem lauen Abend, bei einem großen Gelage, dem friedlichsten seit langem, tranken Hunnen, Xantener und Burgunder auf die Freundschaft - und Kriemhild gab das Signal, alle Männer ihres Heimatreiches aus Rache für den Verrat an Siegfried abzuschlachten. Die Klinge gegen ihren Bruder führte sie selbst, und sie starb mit ihm zusammen. Etzel konnte nur zusehen, wie seine Frau dem Fluch der Nibelungen erlag, die niemals vergessen hatten, wer mit ihrem Gold sich schmückte. Der Hunnenkönig nahm das Kind Siegfried, übergab es dem entsetzten Prinz Gernot und schickte ihn heim nach Burgund. Noch über Generationen erzählten sich die Hunnen am Feuer von der Bluthochzeit und der rachsüchtigen Königin Kriemhild von Xanten.
Gernot kehrte tatsächlich nach Xanten zurück - doch nicht, um den Thron zu besteigen. Stattdessen gab er den Nibelungen ihr Gold zurück und nahm die wunderbare Elsa zur Frau. Gemeinsam zogen sie mit Jung-Siegfried nach Island. Weit weg von Burgund, von Xanten, von den Nibelungen. Weit weg vom Spiel der Götter.
So dachten sie.
Siebzehn Jahre lang sahen die alten Götter zu, wie Elsa und Gernot Island in Liebe und christlichem Glauben führten, wie sie die eigene Tochter Lilja bekamen, während sie Siegfried unter dem Namen Sigurd als eigenes Fleisch und Blut aufzogen. Doch der Junge war von der Seele her wie der Vater, den er nie kennengelernt hatte. Es trieb ihn zu Abenteuern in die Welt hinaus, und auch die vielen Jagden mit seinen Freunden Jon und Gelen konnten ihn nicht genug ermüden, um davon abzulassen. Während Gernot einsah, dass Sigurd den Kontinent bereisen musste, um ein Mann zu werden, war Königin Elsa von ganzem Herzen dagegen. Im Traum war ihr die Walküre Brunhilde auf dem Flammenross erschienen und hatte für Sigurd die Freiheit gefordert, sein Erbe anzutreten. Nichts hatte Elsa je mehr geängstigt, und sie war entschlossen, einer neuen Generation Leid und Elend zu ersparen.
Doch ein junges Herz passt in keinen Käfig, und so machte sich Sigurd gegen den Willen seiner Eltern auf ins dänische Fjällhaven, wo er von willigen Weibern und Weinfässern im Überfluss gehört hatte. Die Männer fanden, was Männer suchen, und schlugen sich im Trunk vergnügt mit rauflustigen Langobarden, bis der Wirt sie aus der Taverne warf und die junge Schankmagd Liv dem Sigurd im Heu das Feuer seiner Lust löschen half.
So wäre es vielleicht ein paar Monate oder ein Jahr gegangen, bis Sigurd nach Island zurückgekehrt wäre und er seine Eltern um Verzeihung gebeten hätte. Er konnte nicht ahnen - und es war im Sinne der Götter, dass er es nicht ahnen konnte -, dass Wulfgar, der finstere König von Xanten, mit seinem Heer übergesetzt hatte, um das kleine Island zu unterwerfen. Es war sicher nicht das Schwert Sigurds, das zur Verteidigung von Burg Isenstein fehlte, und schnell war der Königssitz belagert. Auf keinen Verbündeten konnte König Gernot setzen, auf keinen kleinen Pfad, der die Familie ins Exil hätte retten können. Um Erniedrigung und Folter zu entgehen, entschieden sich Gernot und Elsa, Wulfgar mit einem letzten Trank die Genugtuung zu nehmen, das Königshaus Island gemeuchelt zu haben. So starb Sigurds Familie, während er in Fjällhaven zechte und durch die Nacht hurte.
Woher ich all das weiß? Wir Nibelungen sind überall und nirgends, und wenn der Wald auch unsere Heimat ist, so sehen unsere Augen von den Wolken herab, hören unsere Ohren aus dem Gras unter deinen Füßen. Wir sprechen mit den Göttern - und wir hadern mit der Walküre Brunhilde, die uns den letzten Triumph über die Blutlinie Siegfrieds nicht gönnen mag.
Wo war ich? Ach ja. Island war gefallen. Es war der alte Eolind, der Sigurd endlich in Fjällhaven fand und in die Heimat zurückbrachte. Nach schwerer Überfahrt fand der Junge die Burg unter fremder Flagge und das Volk unterjocht. Sogleich wollte er Wulfgar an die Kehle, doch Eolind öffnete ihm die Augen und zeigte ihm einen anderen Weg auf - den einzigen Weg, wirklich Rache an Wulfgar zu nehmen und den geknechteten Königreichen einen gerechten Herrscher zu geben. Er erzählte Sigurd von seiner wahren Herkunft, von seinem Vater Siegfried, von seinem Anrecht auf den Thron Xantens. Er erzählte auch vom Schatz der Nibelungen als Schlüssel zur Macht wie zur Rache. Es war die Nacht, in der Sigurd das Erbe seines Vaters annahm - und seinen Namen. Er befahl Jon und Gelen, sich verborgen zu halten und die Regentschaft Xantens in Island nach Kräften zu hintertreiben. An den Rhein wolle er selber reisen, um sich die Insignien der Macht zu sichern.
Die Götter mögen grausam sein und in hämischer Freude das Leben der Menschen heimlich führen, doch ihre Spiele benötigen immer auch die Möglichkeit, sich ihnen zu widersetzen. Wo wäre der Kitzel, gäbe es nicht wenigstens einen Einsatz, den der Mensch verspielen könnte? Und so hatte Odin Xandria geschaffen und als Tochter des Wüterichs Wulfgar auf die Erde gebracht. Schön, zerbrechlich und von wildem Herzen, kümmerte sie sich um das verfallende Xanten, während ihr Vater mit seinem Heer andere Reiche überfiel. Sie hasste ihn und sehnte sich nach einem Mann, der sie von ihm und ihrer Einsamkeit befreite. Es war nicht schwer zu erraten, wen die Götter dafür ausersehen hatten...
Copyright © 2010 dieser Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Torsten Dewi, Wolfgang Hohlbein
Torsten Dewi ist ein erfahrener Roman- und Drehbuchautor, der sich auf die Bereiche Fantasy und Science Fiction spezialisiert hat. Er lebt in München.Wolfgang Hohlbein, geb. 1953 in Weimar geboren, ist der meistgelesene und erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor. Seine Bücher decken die ganze Palette der Unterhaltungsliteratur ab von Kinder- und Jugendbüchern über Romane und Drehbücher zu Filmen, von Fantasy über Sciencefiction bis hin zum Horror. Der Durchbruch gelang ihm 1982 mit dem Jugendbuch 'Märchenmond', für das er mit dem Fantastik-Preis der Stadt Wetzlar ausgezeichnet wurde. 1993 schaffte er mit seinem phantastischen Thriller 'Das Druidentor' im Hardcover für Erwachsene den Sprung auf die Spiegel-Bestsellerliste. Die Auflagen seiner Bücher gehen in die Millionen und immer noch wird seine Fangemeinde Tag für Tag größer. Der passionierte Motorradfahrer und Zinnfigurensammler lebt zusammen mit seiner Frau und Co-Autorin Heike, seinen Kindern und zahlreichen Hunden und Katzen am Niederrhein.Claudia Kern ist Mitbegründerin des Science-Fiction-Magazins "Space View", das sie mehrere Jahre als Chefredakteurin betreute und für das sie auch heute noch eine regelmäßige Kolumne schreibt. 1999 war sie als Serienredakteurin für ProSieben tätig und zog danach als hauptberufliche Autorin zurück nach Bonn. Claudia Kern hat einige Sachbücher zu Fernsehserien verfasst, schreibt Film- und TV-Kritiken und entwirft Stories und Dialoge für Computerspiele. Inzwischen lebt und arbeitet Claudia Kern in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
- 2010, 414 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Mitarbeit: Kern, Claudia
- Herausgegeben: Wolfgang Hohlbein
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 345353333X
- ISBN-13: 9783453533332
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