Das Geheimnis der Hebamme / Hebammen-Romane Bd.1
Der Ritter Christian verliebt sich in Marthe. Doch er hat einen einflussreichen Nebenbuhler.
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Der Ritter Christian verliebt sich in Marthe. Doch er hat einen einflussreichen Nebenbuhler.
Das Deutsche Reich unter Kaiser Barbarossa: Weil sein Sohn tot geboren wurde, will Burgherr Wulfhart der jungen Hebamme Marthe Hände und Füße abschlagen lassen. Nur mit knapper Not gelingt ihr die Flucht aus ihrem Dorf. Um zu überleben, schließt sich das Mädchen einer Gruppe Siedler an, die ostwärts in das heutige Sachsen ziehen, um sich in dem noch unerschlossenen Gebiet ein neues, freies Leben aufzubauen. Angeführt werden sie von dem edlen Ritter Christian, der sofort von Marthe fasziniert ist. Doch ihre Schönheit und ihre besondere heilende Gabe haben auch die Aufmerksamkeit von Randolf erregt, Christians erbittertstem Feind. Da wird in Christians Dorf Silber gefunden ...
Das Geheimnis der Hebamme von Sabine Ebert!
Das Geheimnisder Hebamme von Sabine Ebert
LESEPROBE
1167 in Franken
"Mach schon, prügle sie, bis sie Gehorsam gelernt hat«,forderte Ludolf wutschnaubend seinen älteren Begleiter auf. Oswald, derAnführer der schwer bewaffneten Knechte von der Burg, hatte bereits die rechteFaust geballt. Doch noch musterte er eher mit Staunen und grimmiger Belustigungdas zierliche Mädchen mit dem kastanienbraunen Zopf, das vor ihm stand.
Nochnie hatte es jemand gewagt, sich ihnen zu widersetzen - und schon gar keinWeibsbild. Die hier war ja außerdem noch fast ein Kind und reichte ihm nichteinmal bis an die Schulter. Er hätte ihr mit einem einzigen Hieb seinermächtigen Faust das Kinn zerschmettern oder die Nase zertrümmern können. Nurwürde er damit seinem Herrn schlecht dienen. Der brauchte das aufsässigeWeibsstück unversehrt - vorerst. Marthe, um die sich der ganze Ärger drehte,war so verzweifelt, dass sie vollkommen vergaß, wie gefährlich es war, sich mitden zwei im ganzen Dorf gefürchteten Raufbolden anzulegen. »Seht ihr nicht,dass sie stirbt? Ich kann jetzt nicht weg«, rief sie außer sich und wandte sichab, um in der Kate wieder nach der todkranken Serafine zu sehen, ihrerZiehmutter und weisen Frau des Dorfes.
Nunflammte auch in Oswald Zorn auf. Wenn dieses dreiste Ding meinem Herrn ersteinmal gedient hat, werde ich ihr schon Gehorsam beibringen, dachte er wütend.Einen köstlichen Moment lang stellte er sich vor, wie sie wimmernd vor ihm aufdem Boden lag und um Gnade bettelte.
Erpackte Marthe grob am Arm, zerrte sie aus der winzigen Hütte am Waldrand undbrüllte: »Du kommst jetzt mit, du kleine Hexe, oder du kriegst die Peitsche zuspüren! Wenn die Alte nicht kann, musst du eben dem Erben des Burgherrn auf dieWelt helfen.«
Oswald,dessen linke Gesichtshälfte von einer schlecht verheilten Narbe entstellt war,saß auf, zerrte das Mädchen unsanft vor sich aufs Pferd und ritt scharf an.»Mutter Fine!«, schrie Marthe Hilfe suchend und wollte sich noch einmalumdrehen. Doch Oswald hielt sie fest umklammert und trieb sein Pferd RichtungBurg. Sie ritten rasch durch den kalten, regnerischen Märzmorgen. Ludolf,stämmig und mit strähnigem hellen Haar, hatte noch Marthes Korb mit Salben undTinkturen geholt und folgte nun dicht hinter ihnen.
Marthefror. Ihr Körper schmerzte von den Kanten des hölzernen Sattels und vom grobenGriff des dunkelhaarigen Reiters, der nach Bier, Zwiebeln und Schweiß roch.Bald ließ Oswald seine rechte Hand über ihren filzigen Umhang wandern. DasMädchen erstarrte vor Schreck. In ihrer Angst zog sie das Pferd so heftig ander Mähne, dass es scheute und Oswald beide Hände brauchte, um es wieder unterKontrolle zu bringen.
Hastigdrehte sie sich zu ihm um. »Können wir nicht wenigstens im Dorf Bescheid sagen,damit Pater Johannes zu meiner Mutter geht? Ihr wollt doch nicht, dass sie ohneAbsolution stirbt und im Höllenfeuer brennen muss?«
Ludolfschloss zu ihnen auf. »Was will die Kleine? Zärtlicher umfasst werden?«, riefer anzüglich grinsend herüber. Die Bewegung des anderen war ihm nichtentgangen. »Nein, nen Priester für die alte Hexe. Als wenn die nicht sowiesoschnurstracks in die Hölle fährt.« Oswald lachte boshaft.
Schlagartigwurde das Gesicht seines jüngeren Begleiters ernst.
»Damit istnicht zu spaßen. Mit dem Höllenfeuer nicht und auch nicht mit der Alten. AmEnde legt sie noch einen Fluch über dich.«
»Sie istkeine Hexe. Sie ist eine weise Frau, die nie jemandem etwas Böses tun würde.Bitte, lasst sie nicht allein sterben«, bat Marthe.
»Wir habenkeine Zeit zu verlieren«, brummte Oswald und rieb mit dem Handrücken über diegezackte Narbe in seinem Gesicht. »Aber meinetwegen. Im Dorf soll jemand denPriester losschicken.«
Erleichtertatmete Marthe auf. Pater Johannes würde Serafine beistehen. Und Oswald hatteaufgehört, nach ihrer Brust zu tasten. Seine Rechte hielt sie nun wieder mithartem Griff umklammert.
Ein paarHühner stoben laut gackernd beiseite, als die zwei Reiter durch das Dorfunterhalb der Burg preschten. Während sie an einem alten Mann vorbeiritten, derversuchte, ein mageres Schwein vom Weg zu treiben, brüllte Ludolf: »Du da! Laufzum Priester und schick ihn zu der alten Wehmutter. Die liegt im Sterben.«
Der Alteblickte ängstlich auf. Aber als Marthe ihm nachschaute, sah sie erleichtert,dass er in Richtung der hölzernen Kirche humpelte.
Inscharfem Galopp ritten die Männer durch das Burgtor und grüßten mit lässigerHandbewegung die Wache.
Oswaldstieß Marthe vom Pferd und saß ab. Er warf die Zügel einem Stallburschen zu undschickte Ludolf auf die Suche nach dem Verwalter. Mit einem Blick erfasste dasMädchen das übliche Durcheinander auf dem schlammigen Burghof. Schweine suhltensich in einer Lache, gleich neben den Ställen lag ein riesiger Misthaufen, ausder Küche drang lautes Geschrei, neben dem verwitterten Brunnen lagenherausgebrochene Steine.
AmSchandpfahl hing ein Mann bewusstlos in Stricken. Sein Rücken war vonPeitschenhieben zerfetzt und blutverkrustet. Marthe wusste, wer derUnglückliche war. Im Dorf hatte sich am Vortag in Windeseile herumgesprochen,dass der Burgherr einen der armen Bauern für ein Strafgericht auf die Burgschaffen ließ. Oswalds Werk, erkannte sie beklommen angesichts des blutiggeschlagenen Rückens. Jeder im Ort wusste, dass der Narbengesichtige einkrankes Vergnügen dabei empfand, die Peitsche zu schwingen. Seine Grausamkeitwurde nur von der des Burgherrn übertroffen.
Als ob dieBauern ihre Schulden schneller zahlen könnten, wenn er sie zu Tode prügelt,dachte sie bitter. Sie unterdrückte den Impuls, zu dem Unglücklichen zu laufenund ihm zu helfen. So etwas wurde auf der Burg nicht geduldet. Wenn dieDunkelheit hereinbrach, würde sie versuchen, ihm wenigstens etwas Wasser zubringen. Ein Schmerzensschrei gellte aus den oberen Fensterluken desBergfrieds.
»Hörst du,die Herrin braucht deine Hilfe«, knurrte Oswald.
Martheschwieg.
Sie warnicht nur deshalb besorgt, weil dies ihre erste Entbindung ohne Serafines Hilfesein würde. Ihre Lehrmeisterin hatte angesichts der fortschreitenden Krankheitdarauf bestanden, dass Marthe auch allein Kranke behandelte und Kinder auf dieWelt holte. Aber bisher war Fine immer dabei gewesen und hatte darauf geachtet,dass ihre junge Nachfolgerin alles richtig machte.
DochIrmhild, die junge Frau des Burgherrn, hatte noch nie ein gesundes Kindgeboren. Bei einer Fehlgeburt und einer Totgeburt waren Serafine und Martheschon an ihrer Seite gewesen.
Jetzt kamsie vor der Zeit nieder, drei Monate zu früh nach Marthes Rechnung.
Wiedergellte ein Schrei über den Burghof. Der Verwalter näherte sich Marthe undOswald. Er war ein übellauniger Mann, dessen Augen in dem aufgedunsenen Gesichtfast verschwanden. Sein dunkelbraunes Übergewand war aus feinem Stoff, aberverschlissen und verschmutzt.
»Wasbringt ihr da? Wo ist die alte Wehmutter?«, fragte er den Reisigen unwirsch.
»Die liegtim Sterben - nichts zu machen.« Bedauernd hob Oswald die Arme. »Da haben wirdie junge mitgebracht.« Der Verwalter musterte die zierliche Marthe.
»Du hastdoch selbst noch kein Kind geboren - wie willst du da eines auf die Weltholen?«, fragte er abfällig.
»Ich werdemich bemühen, Herr«, antwortete sie so ruhig sie konnte. »Aber es ist noch vielzu früh für die Geburt eines gesunden Kindes. Vielleicht wäre es besser, eineerfahrene Hebamme von weiter her zu holen.«
»Hat dirniemand Benehmen beigebracht?«, fauchte der Verwalter.
»Auf dieKnie! Die Frau hat zu schweigen und den Blick zu senken.«
Wie sollich erkennen, was den Menschen fehlt, wenn ich sie nicht einmal anschauendarf?, dachte Marthe grimmig, während sie gehorchte. Dabei könnte ich schwören,dass deine Galle bald überläuft. Du solltest weniger üppig essen! Doch sieschwieg wohlweislich. Widerworte wurden nicht geduldet. Für ihren Rat hätte siestatt Dank nur Prügel bekommen. Kalt betrachtete der Verwalter das kniendeMädchen, bis er ihr schließlich mit einem Wink bedeutete, aufzustehen und ihmzu folgen. Die Halle war düster, eiskalt und rußgeschwärzt. In einer Eckerauften ein paar Hunde. Burgherr Wulfhart saß allein am Tisch, vor sich Becherund Krug. Den Kopf auf einem Arm gestützt, blickte er nur kurz auf und starrtedann wieder ins Leere.
»MeinHerr, dieses junge Ding hier wird Eurer Gemahlin beistehen «, sagte derVerwalter ehrerbietig.
Schnellschob er Marthe nach vorn, die pflichtgemäß vor dem Ritter auf die Knie sank.
Wulfhartstarrte sie aus glasigen Augen an.
Er istschon am frühen Morgen betrunken, erkannte Marthe sofort und blickte schauderndzu Boden. Ihr war, als könnte sie das Böse, das von Wulfhart ausging, um ihnwabern sehen.
»Du willstdich aufs Kinderholen verstehen? Wie alt bist du?«, raunzte Wulfhart.
»Beinahevierzehn, Herr«, sagte Marthe und hielt den Blick starr nach unten auf dieverdreckten Binsen gerichtet, die den Boden der Halle bedeckten. Genau wusstesie ihr Alter nicht; sie war eine Waise. Vor zehn Jahren hatte ein HaufenGesetzloser Marthes Eltern totgeschlagen und die Schafe geraubt, die sie fürden Burgherrn hüteten. Serafi ne, die bei der Schäfersfrau frische Kräuterhatte eintauschen wollen, entdeckte die Bluttat und fand die völlig verstörteMarthe in einem Gebüsch versteckt. Sie nahm sie bei sich auf und brachte ihrmit der Zeit alles bei, was sie selbst als Heilkundige wusste.
»Verzeiht,mein Herr, in der Kürze der Zeit konnten wir keine andere Wehmutterauftreiben«, beeilte sich der Verwalter hinzuzufügen und breitete bedauernd dieArme aus.
Aus denRäumen über ihnen hallte erneut ein Schrei. Wulfhart blickte träge auf. »Mach,dass das Gejammer ein Ende hat, und verhilf mir endlich zu einem Sohn«, sagteer mit befehlsgewohnter Stimme. Dann plötzlich beugte er sich vor und brüllte:»Und sieh zu, dass es diesmal einer wird und nicht wieder so eine toteMissgeburt! Sonst lasse ich dir Hände und Füße abschlagen!«
DerVerwalter zerrte Marthe hoch und schob sie hinaus.
»Du hastgehört, was der Herr gesagt hat. Er pfl egt seine Versprechen zu halten.«
»Ja, Herr«,antwortete Marthe kreidebleich. Daran hatte sie keinen Zweifel.
© Verlagsgruppe DroemerKnaur
- Autor: Sabine Ebert
- 2006, 31. Aufl., 656 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426634120
- ISBN-13: 9783426634127
- Erscheinungsdatum: 04.10.2006