Das Lächeln des Himmels
Roman. Originalausgabe
Der junge Professor Harvey ist überglücklich mit seiner großen Liebe Liv. Bis sie eines Tages stirbt. Seitdem fühlt er sich einsam und er kommt einfach nicht über sie hinweg. Doch dann, an Heilig Abend, trifft er Hannah. Und Hannah gleicht Liv bis aufs Haar.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Das Lächeln des Himmels “
Der junge Professor Harvey ist überglücklich mit seiner großen Liebe Liv. Bis sie eines Tages stirbt. Seitdem fühlt er sich einsam und er kommt einfach nicht über sie hinweg. Doch dann, an Heilig Abend, trifft er Hannah. Und Hannah gleicht Liv bis aufs Haar.
Klappentext zu „Das Lächeln des Himmels “
Manchmal muss man loslassen, um das Glück festzuhalten ... Beim nächsten Schnee wirst du deine große Liebe treffen. Ein wunderbares Versprechen, das Harvey nur noch einsamer macht. Denn der junge Professor aus Los Angeles hat seine große Liebe bereits getroffen - aber Liv ist schon lange tot. Doch dann, an Heiligabend, fallen weiche weiße Flocken vom Himmel und Hannah tritt in sein Leben. Hannah, die Liv bis aufs Haar gleicht ... Nach seinem großen Erfolg mit Solange es
Wunder gibt erzählt Ben Bennett einmal mehr von der Liebe und anderen Mysterien, die das Leben so lebenswert machen.
Lese-Probe zu „Das Lächeln des Himmels “
Das Lächeln des Himmels von Ben Bennett ... mehr
Endlich und sehr spät für New Yorker Verhältnisse hatte es doch noch zu schneien begonnen. Aus den aufwändig dekorierten Schaufenstern der 5th Avenue glitzerte und funkelte es wie jedes Jahr vor Weihnachten um die Wette, während ich am altehrwürdigen Plaza Hotel und dem benachbarten Oak Room vorbeiging, mich durch den Stau der Stoßstange an Stoßstange stehenden Taxis schlängelte und in Richtung Central Park stapfte. Mein Herz klopfte aufgeregt, als ich das Green Kitchen am Rand des Parks erblickte. Ein Heer von Seidenlampions verwandelte das Geäst der mächtigen Ulme vor dem festlich erleuchteten Restaurant in ein goldenes Lichtermeer. Ich klopfte mir den Schnee vom Mantel, als ich das Restaurant betrat, begleitet von Bing Crosbys Song »White Christmas«, dessen Klänge sanft wie Schneeflocken auf mich herabrieselten. Wie jedes Jahr hatte ich einen Tisch für zwei bestellt. Liv hatte noch in der Stadt zu tun, doch als sie schließlich nur wenige Minuten nach mir im gedämpften Licht der barocken Lüster in den Saal schwebte kein Wort könnte es besser treffen als dieses , wurde es für einen Augenblick still an den Tischen. Wie in Zeitlupe erhob ich mich von meinem Platz. Ich konnte die Augen nicht von ihr abwenden. Wie atemberaubend schön sie war! Vierzig Jahre Leben hatten nicht die kleinste Falte in ihrem makellosen Gesicht hinterlassen, und ihre Figur war noch immer so mädchenhaft wie bei unserer ersten Begegnung. Die Menschen im Saal folgten ihr andächtig mit den Blicken, ganz sicher Livs eleganten tänzelnden Gang, ihre unendliche Grazie, das golden von ihren Schultern fließende, von Schnee benetzte Haar bewundernd. Und ich freute mich schon darauf, ihre vor winterlicher Kälte zart rosa schimmernden Wangen zur Begrüßung zu küssen und die Liebe in ihren Augen zu lesen. Mich und niemand anderen lachte Liv voller Begeisterung an, während sie zielstrebig auf mich zusteuerte und ... »Frohe Weihnachten!« Es war Kathy, meine Lieblingskellnerin des P F. Chang's, die mich aus meinen Gedanken . riss. »Ich mache mir nichts aus Weihnachten, aber trotzdem danke«, entgegnete ich, bemüht, möglichst gelassen und fröhlich zu wirken. Was mir offensichtlich nicht sonderlich gut gelang, denn Kate schenkte mir ein warmes Lächeln, das zugleich voller Mitleid war. Wie alle meine Freunde würde auch sie morgen nach Hause zu ihrer Familie fahren und mich wie jedes Jahr allein hier zurücklassen. Nicht in New York, der Metropole, von der Liv und ich stets geträumt hatten, sondern in Los Angeles, der Stadt, die ich nie hatte verlassen können. Denn die vertrauten Straßen und Plätze waren das Einzige, was mich noch mit Liv verband. Kathys Blick wanderte von meinem Gesicht zu dem kleinen Zettel in meinen Händen. Beim nächsten Schnee wirst du deine große Liebe treffen stand darauf. Ich strich den schmalen Papierstreifen mit der Botschaft glatt und las die Nachricht langsam, Wort für Wort. Das Papier war mit den Jahren dünn und rissig geworden, die Druckerschwärze verblichen. Ich hatte den Zettel nicht weggeworfen, sondern trug ihn stets mit mir herum wie ein Atheist ein gesegnetes Heiligenbildchen. Und das, obwohl ich es eigentlich besser wusste: Meine große Liebe würde ich nicht mehr treffen. Ich hatte sie ja bereits getroffen. Hatte sie geliebt, mehr als alles andere auf der Welt. Jeden Tag. Bis sie in meinen Armen starb. »Ist schon gut, Kathy«, sagte ich, verbarg den Zettel mit meiner Hand und lächelte zurück, halbwegs überzeugend, wie ich hoffte. »Ich komm schon klar. Würdest du mir noch einen Wein bringen?« Sie zögerte, nickte dann und setzte sich in Bewegung. Draußen wurde es langsam dunkel. Noch dazu wehte ein ungewöhnlich eisiger Wind um die Häuserblöcke. Und so drückte ich mich tiefer in das bequeme braune Lederpolster der Bank, während ich den Klängen von Bing Crosby lauschte. Wehmütig lauschte, denn auch dieses Lied erinnerte mich an Liv.
Beim nächsten Schnee wirst du deine große Liebe treffen. Kathy hatte mir diese Weissagung vor Jahren persönlich überreicht, eingebacken in einen Glückskeks, der auf den Nachtisch folgte, an einem glutheißen Sommertag, während ein paar Meilen weiter Malibu in Flammen stand. Eigentlich machte ich mir gar nichts aus chinesischem Essen. Zu P F. Chang's ging ich nur wegen dieser Cookies. . Normalerweise glaubte ich nicht an Orakelsprüche, aber P F. Chang's war der einzige Chinese, dessen Glückskekse . die Wahrheit prophezeiten. Ich hatte bereits mehrere Male diese Erfahrung gemacht und konnte sie sogar belegen. Einige der Ratschläge in den Cookies hatten mir beruflich so großen Erfolg gebracht, dass ich zeitlebens dreimal täglich bei P F. Chang's essen . könnte auch viermal, so ich denn wollte. Aus diesem Grund war ich zu einem Sammler der kleinen Sprüchezettel geworden, süchtig nach immer neuen Botschaften. Auf der Rückseite der meisten hatte ich das Datum vermerkt, an dem ich sie erhalten hatte, und ich verwahrte sie alle daheim in einer Schublade meines Schreibtischs. Nur diese eine Prophezeiung trug ich immer bei mir, weil sie das Beste versprach, jedoch zugleich unerfüllbar war. Ja, es ist wahr: Irgendwann ein, vielleicht zwei Mal im Leben kommt für jeden von uns der Moment, in dem wir den einzigen Menschen auf dieser Welt treffen, mit dem wir alles teilen können. Es ist der bezauberndste Moment unseres Lebens. Er entschädigt uns für alles andere, für all die Schmerzen und das lange Warten. Es ist der Moment, in dem sich der Nebel endlich lichtet. Der Nebel, der uns all die Jahre zuvor davon abgehalten hat, das zu sein, was wir immer sein wollten. Und wir dürfen ihn um keinen Preis verderben. Denn eines ist sicher: Ein solcher Moment kommt angeflogen wie ein scheuer Vogel, der sich eines schönen Morgens auf das Fensterbrett vor deinem Zimmer setzt. Eine einzige falsche Bewegung, und schon ist er verschwunden, gone with the wind, forever. Niemand wusste das besser als ich. Während ich auf Kathys Rückkehr wartete, sah ich hinaus in die Dämmerung und betrachtete das Laub, das der stürmische Wind durch die Straßen trieb. Ich fühlte mich selbst wie ein Blatt im Wind, fernab jeder Möglichkeit, mein Schicksal selbst zu bestimmen. Schicksal. Noch so ein großes Wort. So wie die Liebe. Und der Tod. Erst jüngst hatte ich in einem meiner Seminare an der Universität darüber gesprochen, dass man die großen Themen der Weltliteratur an einer Hand abzählen kann. Dass ein und dieselbe Geschichte wieder und wieder erzählt wird und uns doch stets neu berührt Generation um Generation. Was ich meinen Studenten jedoch tunlichst verschwieg, war, dass mich eine schlichte, industriell gefertigte Botschaft aus einem Glückskeks mehr berührte als sämtliche Klassiker der Weltliteratur. Es war ein bisschen albern und kindisch, doch mir bedeutete dieser Zettel unendlich viel.
Unwillkürlich musste ich lächeln, und zwar über mich selbst. Ein ungewohntes Gefühl, denn seit Livs Tod lächelte ich nicht oft und lachte auch nur selten. Ich hatte mich zurückgezogen in einen Kokon aus gefrorener Zeit und verharrte dort. Darüber hatte ich nicht nur meine Freunde verloren, sondern auch die Freude an den schönen Dingen des Lebens, das dort draußen ohne mich stattfand. Aber eines hatte ich mir bewahrt, und dass dem so war, wurde mir tatsächlich an diesem Abend bewusst, in jenem Augenblick im P F. Chang's, in dem ich den Blättern nach. sah und meine Gedanken mit ihnen treiben ließ. Was ich mir bewahrt hatte aller Vernunft und allen Fakten zum Trotz, war die Hoffnung. Ja, es half nichts, ich musste es mir eingestehen: In einer kleinen Kammer meines Herzens lebte sie noch, die Hoffnung auf ein neues Glück; denn immer wieder träumte ich davon, die große Liebe ein zweites Mal zu treffen. Vielleicht sogar beim nächsten Schnee, wie das Glückskeks-Orakel es verhieß. Das Problem war nur, dass es in Los Angeles niemals schneite. Beim nächsten Waldbrand wirst du deine große Liebe treffen dieser Spruch hätte zumindest bedeutet, dass ich jedes Jahr mindestens einmal die reelle Chance für mein Glück besaß. Beim nächsten Schnee jedoch bedeutete nichts anderes, als dass ich meine große Liebe niemals treffen würde. Oder eben nie wieder. Es sei denn, der nächste Schnee würde die Zeit zurückdrehen auf jenen vierzehnten September 1988, kurz vor Mitternacht. Den Vorabend von Livs zwanzigstem Geburtstag, an dem ich sie zum Essen eingeladen
hatte. In dasselbe Restaurant in Santa Monica, nicht weit vom Meer, in dem ich gerade saß, nur dass die Inhaber damals noch italienische Einwanderer und die Menüs von den Speisen ihrer toskanischen Heimat inspiriert gewesen waren. Ich hatte mit Liv allein sein wollen und sie auch mit mir, was mich zum glücklichsten Studenten der Welt gemacht hatte. Ich fühle noch ihren ersten Kuss, den süßen Geschmack ihrer Lippen und ihrer vorsichtig suchenden Zunge, so, als sei es erst gestern passiert. Und doch trennen mich zwanzig Jahre von ihrem Mund und ihrem Leben, trennen mich zwanzig Jahre von meinem Leben und von jener Nacht, als sie mich fragte »Liebst du mich?« und ich nicht mehr herausbrachte als ein kaum hörbares »Ja«. Ich liebte sie so sehr, dass mir die Worte fehlten. »Träumst du?«, fragte Kathy, die sich unbemerkt mit meinem Wein mir gegenüber an den Tisch gesetzt hatte und das Glas nun zu mir herüber schob, vorsichtig, als wolle sie mich nicht stören. »Ein wenig schon«, sagte ich, bemüht, nicht allzu melancholisch zu wirken. »Du weißt ja: Die guten alten Zeiten«, ergänzte ich mit einem ironischen Augenzwinkern. Kathys aufmerksamer, forschender Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Ihre Augen weiteten sich, sahen plötzlich durch mich hindurch. »Nein! Das gibt's doch nicht!«, rief sie, und ihre Stimme kletterte dabei drei Oktaven in die Höhe, dass sie beinahe quietschte. »Nein?«, echote ich erstaunt, und da sie noch immer so
dreinschaute, als sei gerade eben etwas Unvorstellbares geschehen, fügte ich leicht verunsichert hinzu: »Na, so ungewöhnlich ist das nun auch wieder nicht, oder?« Doch Kathy hörte mir gar nicht richtig zu. »Dass es in Los Angeles schneit?« Jetzt lachte sie mich an. »Also, das finde ich schon ungewöhnlich. Ich lebe seit siebzehn Jahren hier, und es hat noch nie geschneit.« Ich wandte meinen Blick nach draußen, auf die Straße. Vor dem Fenster zogen sich einige Leute die Kapuzen ihrer Jacken über den Kopf, während andere lachend in die grauen Wolken schauten und beide Hände aufhielten, als würde es Manna vom Himmel regnen. Einige dieser Menschen hatten diese wunderbare Kapriole des Wetters, die für viele Europäer zu einem gelungenen Weihnachtsfest dazugehört, möglicherweise nie zuvor erlebt Schnee. Ja, es schneite in Los Angeles! Dicke, flauschige, strahlend weiße Schneeflocken, genau solche, wie man sie in Hollywood künstlich herstellt. Nur dass diese hier echt waren. Sofort hatten sich sämtliche Kellner und die Hand voll verbliebener Gäste an den Fensterscheiben versammelt und drückten sich die Nasen platt. Ich blieb sitzen und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Dennoch verspürte ich ein merkwürdiges Gefühl im Bauch, so, als hätte ich einen Basketball verschluckt. Langsam schloss sich meine Hand so fest um das Stück Papier mit der Botschaft aus einem unmöglichen Leben, dass ich das Pulsieren meines Herzschlags spüren konnte und meine Fingernägel sich schmerzhaft in den Handballen gruben. Wenn es in der Stadt der Engel schneien konnte, wenn Schneeflocken aus dem Himmel auf die Erde gelangen konnten, vielleicht konnten es dann auch die ... Engel? Nein!, rief ich mich selbst zur Ordnung und rang wie ein Ertrinkender um einen Halt in der aufgewühlten See meiner Seele. Es gibt keine Engel, wiederholte ich tonlos und ohne die Lippen zu bewegen. Du machst dich ja lächerlich! Lächerlich, genau. Das war das richtige Wort und traf meinen Gemütszustand perfekt. Ein paar Schneeflocken, eine belanglose Weissagung, und ich glaubte allen Ernstes daran, ein Wunder werde geschehen, hier und jetzt, zwei Tage vor Weihnachten im Jahr 2008, in einem chinesischen Restaurant an der Ecke 4th Street und Wilshire Boulevard, um mich aus den Fängen jahrelanger Depression und Verzweiflung zu retten und meinem verpfuschten Leben endlich eine neue Richtung zu verleihen. Langsam wurde der Schneefall dichter, während ich mich abzulenken versuchte zuerst, indem ich an einen festlich zubereiteten Truthahn dachte, danach an eine Herde Schafe, die friedlich auf einer Wiese graste, um schließlich die witzigsten Szenen meiner Lieblingskomödien als eine Art Gag Real vor meinem geistigen Auge abzuspulen. Doch all das gelang mir nicht, so fixiert war ich auf den verdammten Schnee und die blöde Cookie-Botschaft, von der ich nachgerade besessen war, und das schon seit Jahren. »Weinst du?« Kathy starrte mich betreten an. »Nein, ich hab nur was im Auge«, log ich und wischte eine kleine Träne mit dem Handrücken aus dem Gesicht. Es war mir mehr als peinlich. Ich war mehr als peinlich. Ich, der ich noch immer auf die fallenden Flocken vor dem Fenster starrte wie ein paralysiertes Nagetier. »Die Rechnung!«, krächzte ich. Sie brachte sie mir wortlos und reichte mir den Glückskeks des Tages. Dabei nickte sie ermunternd, als wolle sie sagen: Trau dich, es wird schon was Gutes drinstehen! Ich war viel zu neugierig, um den Cookie zu ignorieren. Während Kathy binnen Sekunden wieder in den Anblick des Schneefalls versunken war und mich und mein Schicksal vergessen zu haben schien, riss ich die Aluhülle auf, brach den Keks auseinander, zog den Zettel heraus und deponierte die Gebäckhälften neben dem Trinkgeld auf dem Tisch. Dann las ich: Du musst dich bewegen, damit das Glück dich finden kann. Unwillkürlich sprang ich auf. »Wohin willst du?«, fragte Kathy und sah mich stirnrunzelnd an. »Du kriegst noch Wechselgeld zurück.« »Ist schon gut. Danke, Kathy.« Ich lächelte leise in mich hinein, als ich Kathy und das Restaurant verließ. Während ich den Schnee auf meinem Gesicht und die beißende Kälte spürte, die genauso untypisch war für Los Angeles wie der dickflockige Schnee, fühlte ich zugleich eine Leichtigkeit in mir, die mir fremd geworden war. Wie ein Kind bestaunte ich die tanzenden Flocken, zog die Mütze vom Kopf und ließ das Leben auf mich einrieseln, ließ mich wach küssen von jedem einzelnen lichten Kristall, der den Weg zu mir fand, und warf für einen Moment alle Sorgen und Ängste über Bord. Niemand der Passanten, die wie ich verzaubert durch die Straßen spazierten, schwebten, tanzten, kannte mich. Mich, den Narren, der durch die Stadt der Engel lief, zwei Papierstreifen in den Taschen, und der soeben beschlossen hatte, an Wunder zu glauben. Aber das passte ja gut zu Weihnachten die Hoffnung auf ein Wunder. Die Illusion, dass eines Tages auch für mich die Erlösung kommen würde ... Nur wenige Tage später würde ich an diesen Augenblick zurückdenken und wissen, dass ich Recht behalten hatte. Dass es tatsächlich Wunder gibt. Auch wenn sie anders sind, als wir sie uns vorstellen. Und uns entgleiten können, weil wir in ihnen etwas anderes suchen, als sie sind. Damals aber damals wusste ich das noch nicht. Ich heiße Shakespeare. Eigentlich heiße ich Harvey, aber wen interessiert das schon.
BASTEI LÜBBE TASCHENBUCH Band 16 459
1. Auflage: Mai 2010
Bastei Lübbe Taschenbuch in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG Originalausgabe
Copyright © 2010 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln Lektorat: Regina Maria Hartig Titelillustration: © mauritius images Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München Autorenfoto: © Ben Bennett Satz: hanseatenSatz-bremen, Bremen Gesetzt aus der Goudy OldStyle Druck und Verarbeitung: GGP Media, Pößneck Printed in Germany ISBN 978-3-404-16459-2
Sie finden uns im Internet unter www.luebbe.de Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Beim nächsten Schnee wirst du deine große Liebe treffen. Kathy hatte mir diese Weissagung vor Jahren persönlich überreicht, eingebacken in einen Glückskeks, der auf den Nachtisch folgte, an einem glutheißen Sommertag, während ein paar Meilen weiter Malibu in Flammen stand. Eigentlich machte ich mir gar nichts aus chinesischem Essen. Zu P F. Chang's ging ich nur wegen dieser Cookies. . Normalerweise glaubte ich nicht an Orakelsprüche, aber P F. Chang's war der einzige Chinese, dessen Glückskekse . die Wahrheit prophezeiten. Ich hatte bereits mehrere Male diese Erfahrung gemacht und konnte sie sogar belegen. Einige der Ratschläge in den Cookies hatten mir beruflich so großen Erfolg gebracht, dass ich zeitlebens dreimal täglich bei P F. Chang's essen . könnte auch viermal, so ich denn wollte. Aus diesem Grund war ich zu einem Sammler der kleinen Sprüchezettel geworden, süchtig nach immer neuen Botschaften. Auf der Rückseite der meisten hatte ich das Datum vermerkt, an dem ich sie erhalten hatte, und ich verwahrte sie alle daheim in einer Schublade meines Schreibtischs. Nur diese eine Prophezeiung trug ich immer bei mir, weil sie das Beste versprach, jedoch zugleich unerfüllbar war. Ja, es ist wahr: Irgendwann ein, vielleicht zwei Mal im Leben kommt für jeden von uns der Moment, in dem wir den einzigen Menschen auf dieser Welt treffen, mit dem wir alles teilen können. Es ist der bezauberndste Moment unseres Lebens. Er entschädigt uns für alles andere, für all die Schmerzen und das lange Warten. Es ist der Moment, in dem sich der Nebel endlich lichtet. Der Nebel, der uns all die Jahre zuvor davon abgehalten hat, das zu sein, was wir immer sein wollten. Und wir dürfen ihn um keinen Preis verderben. Denn eines ist sicher: Ein solcher Moment kommt angeflogen wie ein scheuer Vogel, der sich eines schönen Morgens auf das Fensterbrett vor deinem Zimmer setzt. Eine einzige falsche Bewegung, und schon ist er verschwunden, gone with the wind, forever. Niemand wusste das besser als ich. Während ich auf Kathys Rückkehr wartete, sah ich hinaus in die Dämmerung und betrachtete das Laub, das der stürmische Wind durch die Straßen trieb. Ich fühlte mich selbst wie ein Blatt im Wind, fernab jeder Möglichkeit, mein Schicksal selbst zu bestimmen. Schicksal. Noch so ein großes Wort. So wie die Liebe. Und der Tod. Erst jüngst hatte ich in einem meiner Seminare an der Universität darüber gesprochen, dass man die großen Themen der Weltliteratur an einer Hand abzählen kann. Dass ein und dieselbe Geschichte wieder und wieder erzählt wird und uns doch stets neu berührt Generation um Generation. Was ich meinen Studenten jedoch tunlichst verschwieg, war, dass mich eine schlichte, industriell gefertigte Botschaft aus einem Glückskeks mehr berührte als sämtliche Klassiker der Weltliteratur. Es war ein bisschen albern und kindisch, doch mir bedeutete dieser Zettel unendlich viel.
Unwillkürlich musste ich lächeln, und zwar über mich selbst. Ein ungewohntes Gefühl, denn seit Livs Tod lächelte ich nicht oft und lachte auch nur selten. Ich hatte mich zurückgezogen in einen Kokon aus gefrorener Zeit und verharrte dort. Darüber hatte ich nicht nur meine Freunde verloren, sondern auch die Freude an den schönen Dingen des Lebens, das dort draußen ohne mich stattfand. Aber eines hatte ich mir bewahrt, und dass dem so war, wurde mir tatsächlich an diesem Abend bewusst, in jenem Augenblick im P F. Chang's, in dem ich den Blättern nach. sah und meine Gedanken mit ihnen treiben ließ. Was ich mir bewahrt hatte aller Vernunft und allen Fakten zum Trotz, war die Hoffnung. Ja, es half nichts, ich musste es mir eingestehen: In einer kleinen Kammer meines Herzens lebte sie noch, die Hoffnung auf ein neues Glück; denn immer wieder träumte ich davon, die große Liebe ein zweites Mal zu treffen. Vielleicht sogar beim nächsten Schnee, wie das Glückskeks-Orakel es verhieß. Das Problem war nur, dass es in Los Angeles niemals schneite. Beim nächsten Waldbrand wirst du deine große Liebe treffen dieser Spruch hätte zumindest bedeutet, dass ich jedes Jahr mindestens einmal die reelle Chance für mein Glück besaß. Beim nächsten Schnee jedoch bedeutete nichts anderes, als dass ich meine große Liebe niemals treffen würde. Oder eben nie wieder. Es sei denn, der nächste Schnee würde die Zeit zurückdrehen auf jenen vierzehnten September 1988, kurz vor Mitternacht. Den Vorabend von Livs zwanzigstem Geburtstag, an dem ich sie zum Essen eingeladen
hatte. In dasselbe Restaurant in Santa Monica, nicht weit vom Meer, in dem ich gerade saß, nur dass die Inhaber damals noch italienische Einwanderer und die Menüs von den Speisen ihrer toskanischen Heimat inspiriert gewesen waren. Ich hatte mit Liv allein sein wollen und sie auch mit mir, was mich zum glücklichsten Studenten der Welt gemacht hatte. Ich fühle noch ihren ersten Kuss, den süßen Geschmack ihrer Lippen und ihrer vorsichtig suchenden Zunge, so, als sei es erst gestern passiert. Und doch trennen mich zwanzig Jahre von ihrem Mund und ihrem Leben, trennen mich zwanzig Jahre von meinem Leben und von jener Nacht, als sie mich fragte »Liebst du mich?« und ich nicht mehr herausbrachte als ein kaum hörbares »Ja«. Ich liebte sie so sehr, dass mir die Worte fehlten. »Träumst du?«, fragte Kathy, die sich unbemerkt mit meinem Wein mir gegenüber an den Tisch gesetzt hatte und das Glas nun zu mir herüber schob, vorsichtig, als wolle sie mich nicht stören. »Ein wenig schon«, sagte ich, bemüht, nicht allzu melancholisch zu wirken. »Du weißt ja: Die guten alten Zeiten«, ergänzte ich mit einem ironischen Augenzwinkern. Kathys aufmerksamer, forschender Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Ihre Augen weiteten sich, sahen plötzlich durch mich hindurch. »Nein! Das gibt's doch nicht!«, rief sie, und ihre Stimme kletterte dabei drei Oktaven in die Höhe, dass sie beinahe quietschte. »Nein?«, echote ich erstaunt, und da sie noch immer so
dreinschaute, als sei gerade eben etwas Unvorstellbares geschehen, fügte ich leicht verunsichert hinzu: »Na, so ungewöhnlich ist das nun auch wieder nicht, oder?« Doch Kathy hörte mir gar nicht richtig zu. »Dass es in Los Angeles schneit?« Jetzt lachte sie mich an. »Also, das finde ich schon ungewöhnlich. Ich lebe seit siebzehn Jahren hier, und es hat noch nie geschneit.« Ich wandte meinen Blick nach draußen, auf die Straße. Vor dem Fenster zogen sich einige Leute die Kapuzen ihrer Jacken über den Kopf, während andere lachend in die grauen Wolken schauten und beide Hände aufhielten, als würde es Manna vom Himmel regnen. Einige dieser Menschen hatten diese wunderbare Kapriole des Wetters, die für viele Europäer zu einem gelungenen Weihnachtsfest dazugehört, möglicherweise nie zuvor erlebt Schnee. Ja, es schneite in Los Angeles! Dicke, flauschige, strahlend weiße Schneeflocken, genau solche, wie man sie in Hollywood künstlich herstellt. Nur dass diese hier echt waren. Sofort hatten sich sämtliche Kellner und die Hand voll verbliebener Gäste an den Fensterscheiben versammelt und drückten sich die Nasen platt. Ich blieb sitzen und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Dennoch verspürte ich ein merkwürdiges Gefühl im Bauch, so, als hätte ich einen Basketball verschluckt. Langsam schloss sich meine Hand so fest um das Stück Papier mit der Botschaft aus einem unmöglichen Leben, dass ich das Pulsieren meines Herzschlags spüren konnte und meine Fingernägel sich schmerzhaft in den Handballen gruben. Wenn es in der Stadt der Engel schneien konnte, wenn Schneeflocken aus dem Himmel auf die Erde gelangen konnten, vielleicht konnten es dann auch die ... Engel? Nein!, rief ich mich selbst zur Ordnung und rang wie ein Ertrinkender um einen Halt in der aufgewühlten See meiner Seele. Es gibt keine Engel, wiederholte ich tonlos und ohne die Lippen zu bewegen. Du machst dich ja lächerlich! Lächerlich, genau. Das war das richtige Wort und traf meinen Gemütszustand perfekt. Ein paar Schneeflocken, eine belanglose Weissagung, und ich glaubte allen Ernstes daran, ein Wunder werde geschehen, hier und jetzt, zwei Tage vor Weihnachten im Jahr 2008, in einem chinesischen Restaurant an der Ecke 4th Street und Wilshire Boulevard, um mich aus den Fängen jahrelanger Depression und Verzweiflung zu retten und meinem verpfuschten Leben endlich eine neue Richtung zu verleihen. Langsam wurde der Schneefall dichter, während ich mich abzulenken versuchte zuerst, indem ich an einen festlich zubereiteten Truthahn dachte, danach an eine Herde Schafe, die friedlich auf einer Wiese graste, um schließlich die witzigsten Szenen meiner Lieblingskomödien als eine Art Gag Real vor meinem geistigen Auge abzuspulen. Doch all das gelang mir nicht, so fixiert war ich auf den verdammten Schnee und die blöde Cookie-Botschaft, von der ich nachgerade besessen war, und das schon seit Jahren. »Weinst du?« Kathy starrte mich betreten an. »Nein, ich hab nur was im Auge«, log ich und wischte eine kleine Träne mit dem Handrücken aus dem Gesicht. Es war mir mehr als peinlich. Ich war mehr als peinlich. Ich, der ich noch immer auf die fallenden Flocken vor dem Fenster starrte wie ein paralysiertes Nagetier. »Die Rechnung!«, krächzte ich. Sie brachte sie mir wortlos und reichte mir den Glückskeks des Tages. Dabei nickte sie ermunternd, als wolle sie sagen: Trau dich, es wird schon was Gutes drinstehen! Ich war viel zu neugierig, um den Cookie zu ignorieren. Während Kathy binnen Sekunden wieder in den Anblick des Schneefalls versunken war und mich und mein Schicksal vergessen zu haben schien, riss ich die Aluhülle auf, brach den Keks auseinander, zog den Zettel heraus und deponierte die Gebäckhälften neben dem Trinkgeld auf dem Tisch. Dann las ich: Du musst dich bewegen, damit das Glück dich finden kann. Unwillkürlich sprang ich auf. »Wohin willst du?«, fragte Kathy und sah mich stirnrunzelnd an. »Du kriegst noch Wechselgeld zurück.« »Ist schon gut. Danke, Kathy.« Ich lächelte leise in mich hinein, als ich Kathy und das Restaurant verließ. Während ich den Schnee auf meinem Gesicht und die beißende Kälte spürte, die genauso untypisch war für Los Angeles wie der dickflockige Schnee, fühlte ich zugleich eine Leichtigkeit in mir, die mir fremd geworden war. Wie ein Kind bestaunte ich die tanzenden Flocken, zog die Mütze vom Kopf und ließ das Leben auf mich einrieseln, ließ mich wach küssen von jedem einzelnen lichten Kristall, der den Weg zu mir fand, und warf für einen Moment alle Sorgen und Ängste über Bord. Niemand der Passanten, die wie ich verzaubert durch die Straßen spazierten, schwebten, tanzten, kannte mich. Mich, den Narren, der durch die Stadt der Engel lief, zwei Papierstreifen in den Taschen, und der soeben beschlossen hatte, an Wunder zu glauben. Aber das passte ja gut zu Weihnachten die Hoffnung auf ein Wunder. Die Illusion, dass eines Tages auch für mich die Erlösung kommen würde ... Nur wenige Tage später würde ich an diesen Augenblick zurückdenken und wissen, dass ich Recht behalten hatte. Dass es tatsächlich Wunder gibt. Auch wenn sie anders sind, als wir sie uns vorstellen. Und uns entgleiten können, weil wir in ihnen etwas anderes suchen, als sie sind. Damals aber damals wusste ich das noch nicht. Ich heiße Shakespeare. Eigentlich heiße ich Harvey, aber wen interessiert das schon.
BASTEI LÜBBE TASCHENBUCH Band 16 459
1. Auflage: Mai 2010
Bastei Lübbe Taschenbuch in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG Originalausgabe
Copyright © 2010 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln Lektorat: Regina Maria Hartig Titelillustration: © mauritius images Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München Autorenfoto: © Ben Bennett Satz: hanseatenSatz-bremen, Bremen Gesetzt aus der Goudy OldStyle Druck und Verarbeitung: GGP Media, Pößneck Printed in Germany ISBN 978-3-404-16459-2
Sie finden uns im Internet unter www.luebbe.de Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
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Autoren-Porträt von Ben Bennett
Ben Bennett, geboren 1970, ist Werbetexter und lebt mit seiner Familie auf Mallorca.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ben Bennett
- 2010, 237 Seiten, Maße: 12,4 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404164598
- ISBN-13: 9783404164592
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