Das schwarze Blut
Jaques Reverdi, Serienmörder und vormals Champion im "free-diving" wartet im Gefängnis von Malaysia auf sein Urteil. Wie eine Blutspur ziehen sich seine merkwürdigen Ritualmorde durch Südostasien.Mark Dupeyrat, Pariser Sensationsreporter, plant einen...
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Jaques Reverdi, Serienmörder und vormals Champion im "free-diving" wartet im Gefängnis von Malaysia auf sein Urteil. Wie eine Blutspur ziehen sich seine merkwürdigen Ritualmorde durch Südostasien. Mark Dupeyrat, Pariser Sensationsreporter, plant einen Bestseller über diesen Mann. Er erfindet "Elisabeth", die mit Reverdi schriftlich Kontakt aufnimmt, um sich sein makabres Universum zu erschließen. Als der Mörder Feuer fängt, sich sogar in die unbekannte Briefeschreiberin verliebt, schickt Mark ein Foto seiner Bekannten Khadidscha. Doch dann entkommt Reverdi aus dem Gefängnis - und für Mark und Khadidscha beginnt ein Alptraum.
Mark Dupeyrat, Pariser Sensationsreporter, plant einen Bestseller über diesen Mann. Er erfindet "Elisabeth", die mit Reverdi schriftlich Kontakt aufnimmt, um sich sein makabres Universum zu erschließen. Als der Mörder Feuer fängt, sich sogar in die unbekannte Briefeschreiberin verliebt, schickt Mark ein Foto seiner Bekannten Khadidscha. Doch dann entkommt Reverdi aus dem Gefängnis - und für Mark und Khadidscha beginnt ein Alptraum ...
Das schwarze Blut von Jean-Christophe Grangé
LESEPROBE
Kapitel 1
Der Bambus
AufDschungelpfaden und zwischen raschelnden Blätterwänden hatte er ihn bis hierhergeführt. Wie immer hatten ihm die Bäume die Richtung gewiesen, der er folgenmusste - und hatten ihm zugeraunt, was er zu tun hatte. So war es immergewesen. In Kambodscha. In Thailand. Und jetzt hier, in Malaysia. Die Blätterstreiften sein Gesicht, riefen ihn, gaben ihm das Signal
Doch aufeinmal wandten die Bäume sich gegen ihn.
Auf einmalstellten sie ihm eine Falle. Er wusste nicht, wie ihm geschah - die Stämme desBambuswalds waren zusammengerückt, standen in Reih und Glied, hatten sich ineine hermetisch verschlossene Zelle verwandelt.
Mit denFingern fuhr er die Tür entlang, versuchte sie unter die Kante zu schieben.Unmöglich. Er scharrte auf dem Fußboden in der Hoffnung, die Bretterauseinander zu schieben. Vergeblich. Er hob den Blick und sah über sich nichtsals ein dichtes Dach aus Palmenblättern. Wie lange hatte er nicht geatmet? EineMinute? Zwei Minuten?
EineBruthitze herrschte hier, wie in einem Backofen. Sein Gesicht troff vonSchweiß. Er konzentrierte sich auf die Wand: Rattanhalme verstopften jedeRitze. Wenn es ihm gelang, eine dieser Fasern zu lösen, käme vielleicht einwenig Luft herein. Mit zwei Fingern versuchte er es - aber es war nichts zumachen. Er krallte sich in die Wand und zerschrammte sich dabei nur die Nägel.Wütend hämmerte er mit der Faust dagegen und ließ sich auf die Knie fallen. Erwürde krepieren. Er, der Meister des Freitauchens, er würde in dieser Hütteersticken.
Dann fielihm die eigentliche Gefahr wieder ein. Er warf einen Blick über die Schulter:Dunkle Schlieren kamen auf ihn zu; langsam, schwer, wie Ströme von Teer. DasBlut. Es würde ihn bald erreichen, überschwemmen, ertränken
Stöhnendpresste er sich an die Wand. Je mehr er sich bewegte, desto mehr wuchs derDrang zu atmen - eine Gier nach Luft, die seine Lungen marterte und ihm wieeine giftige Blase in die Kehle stieg.
Er kauertesich nieder und folgte der unteren Kante der Wand in der Hoffnung, eine kleineLücke zu entdecken. Während er sich auf allen vieren vorwärts bewegte, blickteer noch einmal zurück. Das Blut war nur noch wenige Zentimeter entfernt. Erschrie auf, rücklings an die Wand gedrückt, stemmte die Fersen in den Boden undversuchte zurückzuweichen.
Die Wandhinter ihm gab nach. Ein mächtiger Schwall weißes Licht drang in die Zelle,gemischt mit Stroh und Staub. Hände rissen ihn vom Boden hoch. Er hörteSchreie, Befehle auf Malaiisch. Von unten sah er die Palmen, den grauen Strand,das tief blaue Meer. Er japste nach Luft. Es roch nach Fisch. Zwei Namenschossen ihm durch den Kopf: Papan, Chinesisches Meer
Die Händeschleppten ihn fort, während die Männer sich über die Schwelle der Strohhüttebeugten. Fäuste schlugen auf ihn ein, Harpunen stachen ihn. Er nahm esgleichgültig hin. Er hatte nur einen Gedanken: Jetzt, da er frei war, wollte ersie sehen.
Die Quelledes Blutes.
DieBewohnerin des Zwielichts.
Er blicktezu der herausgerissenen Tür hinüber. Im Hintergrund war eine nackte junge Frau aneinen behelfsmäßigen Pranger gefesselt. Ihr Körper war übersät von Wunden - anden Schenkeln, den Armen, am Rumpf, im Gesicht. Jemand hatte sie ausblutenlassen. Hatte sie aufgeschlitzt und dafür gesorgt, dass sich ihr Blut inlangsamen, unaufhaltsamen Rinnsalen auf den Boden ergoss.
Im selbenMoment überkam ihn die Erkenntnis: Diese Obszönität war sein Werk. Über dieSchreie, die Schläge hinweg, die ihn ins Gesicht trafen, gestand er sich dieentsetzliche Wahrheit ein.
Er war derMörder.
Der Urheberdes Gemetzels.
Er wandteden Blick ab. Die Horde der Fischer zerrte ihn wütend zum Strand hinunter.
Durch denTränenschleier sah er an einem Ast das Seil baumeln.
Kapitel 2
[Exklusivbericht]
EINMASSENMÖRDER IN DEN TROPEN?
7. Februar2003. Elf Uhr Ortszeit. In Papan, einem kleinen Dorf im Sultanat Johor an derSüdostküste der Malaiischen Halbinsel, ist es ein Tag wie jeder andere.Touristen, Händler, Seeleute begegnen einander auf der Straße entlang demendlosen Strand aus grauem Sand. Auf einmal erhebt sich Geschrei. Ein Aufruhrvon Fischern unter den Palmen. Etliche sind bewaffnet: Stöcke, Harpunen,Messer
Sie biegenin den Pfad am Ende des Strands ein, der zum Wald hinaufführt. In ihren Augenglimmt der Hass, in ihren Mienen steht Mordlust geschrieben. Bald erreichen sieden nächsten Hügel, wo der eigentliche Dschungel einem Bambuswald weicht. Jetztzwingen sie sich zur Ruhe, sie marschieren stumm weiter. Sie haben entdeckt,was sie suchten: das getarnte Dach einer Hütte. Sie nähern sich. Die Tür istverschlossen. Ohne zu zögern rammen sie ihre Harpunen hinein und reißen sieheraus.
Was siesehen, ist ein Anblick aus der Hölle. Ein Mann, ein mat salleh (ein Weißer),kauert mit nacktem Oberkörper halb besinnungslos vor der Türschwelle. Imhinteren Teil der Hütte ist eine Frau an einen Sitz gefesselt, ihr Körper isteine einzige blutende Wunde. Zu ihren Füßen liegt die Tatwaffe: einTauchermesser.
Die Fischerpacken den Täter und schleifen ihn zum Strand hinunter, wo schon ein Galgen aufihn wartet. In dem Moment aber kommt es zu einer überraschenden Wende: DiePolizisten aus Mersing, einer zehn Kilometer nördlich von Papan gelegenenStadt, treten auf den Plan. Von Augenzeugen herbeigerufen, treffen sie geraderechtzeitig ein, um den Lynchmord zu verhindern. Der Mann wird gerettet und imzentralen Polizeirevier von Mersing inhaftiert.
Das ist dieverblüffende Szene, die sich vor drei Tagen unweit der Grenze zu Singapurabgespielt hat. In Wahrheit ist sie weniger erstaunlich, als es den Anscheinhat. Standrechtliche Hinrichtungen sind in Südostasien noch recht verbreitet.Ungewöhnlich ist diesmal aber der mutmaßliche Täter: Jacques Reverdi, einFranzose, der kein Unbekannter ist. Als Freitaucher von internationalem Ranghat er zwischen 1977 und 1984 in den Kategorien »No Limits« und »KonstantesGewicht« mehrfach den Weltrekord gebrochen.
Nach seinemAusstieg aus dem aktiven Tauchsport Mitte der Achtziger lebt der heute49-Jährige seit mehr als fünfzehn Jahren als Tauchlehrer in Südostasien,abwechselnd in den Ländern Malaysia, Thailand und Kambodscha. Nach den Aussagender ersten Zeugen war er ein freundlicher, umgänglicher Mensch, aber auch einEinzelgänger, der es vorzog, in den abgeschiedenen kleinen Buchten derKüstenregion ein Robinson- Dasein zu führen. Was ist am 7. Februar 2003geschehen? Wie ist die Leiche einer jungen Frau in die Hütte gelangt, die erseit mehreren Monaten bewohnte? Und warum wollten die malaiischen Fischersofort Selbstjustiz üben?
JacquesReverdi war bereits 1997 in Kambodscha wegen Mordes an Linda Kreutz, einerjungen deutschen Touristin, festgenommen, aber aus Mangel an Beweisen wiederfreigelassen worden. In Südostasien jedoch hatte die Sache weite Kreisegezogen. Als er sich in Papan niederließ, erkannten alle ihn wieder - undbehielten ihn im Auge. Als bekannt wurde, dass eine Dänin, eine gewissePernille Mosensen, zu ihm in seine Hütte gezogen war, wuchs der Argwohn. Dannwar die junge Europäerin mehrere Tage nicht im Dorf gesehen worden - mehrbrauchte es nicht, um den schwelenden Verdacht auflodern zu lassen und dieGemüter zu erhitzen
ErstenVerlautbarungen zufolge stellten die Ärzte im Allgemeinen Krankenhaus von JohorBaharu an den Gliedmaßen, im Gesicht, an der Kehle, am Rumpf sowie in derGenitalregion der Leiche siebenundzwanzig Wunden fest, »zugefügt mit einerHieb-, Stich- und Stoßwaffe«. Ein »pathologisches Gemetzel«, kommentierten dieExperten auf der am 9. Februar abgehaltenen Pressekonferenz.
In Malaysiareden die Zeitungen bereits von amok, jenem wütenden Zerstörungs- undTötungswahn, der sich gelegentlich der malaiischen Eingeborenen bemächtigt.
Nach einerNacht in Mersing wurde Reverdi in das psychiatrische Krankenhaus von Ipohverlegt, die bekannteste Fachklinik von Malaysia. Seit seiner Festnahme hat erkein Wort gesprochen, anscheinend steht er unter Schock. Nach Meinung der Ärzteist dieser posttraumatische Zustand vorübergehender Natur. Wird er, sobald erwieder bei Sinnen ist, ein Geständnis ablegen? Oder wird er seine Unschuldbeteuern?
Wir, dieRedaktion des Limier, sind fest entschlossen, Licht in den Fall zu bringen.Schon am Tag nach der Festnahme ist unser Team auf den Spuren von JacquesReverdi nach Kuala Lumpur aufgebrochen. Wir wollen seine Route nachzeichnen undüberprüfen, ob noch weitere Leichen seinen Weg pflastern
Zumgegenwärtigen Zeitpunkt besitzen wir exklusive Informationsquellen, die daraufhindeuten, dass es sich lediglich um die Spitze des Eisbergs handelt. Inunserer nächsten Ausgabe erfahren Sie sehr mehr über das geheime Gesicht diesesunheilbringenden »Fürsten der Meere«.
MarkDupeyrat,
Sonderberichterstatterdes Limier aus Kuala Lumpur
©Verlagsgruppe Lübbe
Übersetzung:Barbara Schaden
Barbara Schaden, Jahrgang 1959, studierte Romanistik und Turkolgoie in Wien und München. Nach ein paar Jahren in der Filmbranche und im Verlagslektorat seit 1992 freiberufliche Übersetzerin, u.a. von Patricia Duncker, Margaret Atwood, Nadine Gordimer, Jean-Claude Guillebrand, MaurizioMaggiani, Fleur Jaeggy, Kazuo Ishiguro und Cindy Dyson.
- Autor: Jean-Christophe Grangé
- 2010, 4. Aufl., 541 Seiten, Maße: 12,4 x 18,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Schaden, Barbara
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404158083
- ISBN-13: 9783404158089
4 von 5 Sternen
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