Das Universum ist eine Scheißgegend
Die Science Busters (das sind die beiden Physiker Prof. Heinz Oberhummer und Werner Gruber sowie der preisgekrönte Satiriker Martin Puntigam), sind zurück und erklären uns...
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Produktinformationen zu „Das Universum ist eine Scheißgegend “
Die Science Busters (das sind die beiden Physiker Prof. Heinz Oberhummer und Werner Gruber sowie der preisgekrönte Satiriker Martin Puntigam), sind zurück und erklären uns wissenschaftlich fundiert und voller schwarzem Humor das Weltall. Der nach eigenem Bekunden „ungebrochen schärfsten Science-Boygroup der Milchstraße" zufolge ist das Universum eine „Scheißgegend", und die Autoren geben in ihren neuen Buch zu Protokoll, wieso sie diese Meinung vertreten. Die Science Busters geben eine Reisewarnung für den Kosmos und witzige Informationen zu außerirdischen Bakterien, den geheimen Wünschen von Sternschnuppen und dem Ende des Universums. Nach der amüsanten wie lehrreichen Lektüre kann der Leser letztendlich nur zustimmen: Der Kosmos ist kein Streichelzoo.
Klappentext zu „Das Universum ist eine Scheißgegend “
Das Universum riecht komisch, klingt komisch und ist so gut wie leer. Fast überall wird man entweder verstrahlt, bekommt keine Luft oder verbrennt. Und das sind noch die schönsten Plätze. Mit anderen Worten: Das Universum ist eine Scheißgegend. Oder, um mit Gerhard Polt zu sprechen: "Dort fahren wir nicht mehr hin." In diesem Buch geben die Science Busters - die beiden Physiker Prof. Heinz Oberhummer und Werner Gruber sowie der preisgekrönte Satiriker Martin Puntigam - eine Reisewarnung und erklären, warum der Kosmos kein Streichelzoo ist, wo man gegen außerirdische Bakterien unterschreiben kann, was sich Sternschnuppen wünschen, wenn sie einen Menschen sehen, wie das Universum endet - und wer das dann alles zusammenräumen muss.- Mit einem Vorwort von Gerhard Polt -
Lese-Probe zu „Das Universum ist eine Scheißgegend “
Heinz Oberhummer, Martin Puntigam, Werner Gruber - Das Universum ist eine ScheißgegendVorwort
... mehr
Wenn ich eine Zahl lese wie - zum Beispiel - eine Trillion, oder wenn
Sie mir so Zahlen aufzeigen wie 1 000 000 000 000, und wenn ich dann
noch höre, wie leer der Weltenraum ist, dann kann ich mir diese Leere
auch nur mit zwölf e vorstellen, also Leeeeeeeeeeeere, oder so. Das
Wort „Raum", wenn man es sich schon langsam vorspricht, klingt nicht
unschön, weil das au mit dem m am Schluss einem das Gefühl gibt,
es wäre noch Platz da. M am Schluss überhaupt macht die Sache
sonor, so wie - dumm. Da hört man einen Klang, es klingt nach Hohlraum,
wo nichts ist, besser gesagt, wo gar nichts ist. Wenn ich höre
und staunend lese, wie viele Sandkörner alle Gestade dieser Erde
bevölkern, und ich schau dann in den Himmel und zähle ein paar
Sternlein, dann ist es Schnuppe, wie viele ich zusammenbring. Mein
Spezi Rudi hat einmal sehr viele Sterne gesehen, weil ihm irgendein
Gegenuber ein Trumm über den Schädel gezogen hat, und als er
wieder ins Diesseits zurückgekehrt war, hat er gesagt, er hätte nicht
geglaubt, dass so eine Sternenpracht überhaupt existiert, und er
freut sich heute noch darüber. Eigentlich war er ja bereits drüben,
oder außerhalb, aber die Beschreibung seines kurzen Ausflugs ins
Jenseitige war doch eher karg. Jetzt weiß ich nicht - war er mit Lichtgeschwindigkeit
drüben? Dann ist er tatsächlich nicht sehr weit gekommen,
weil ja, wenn das Licht einen Schritt macht, der Raum
zwei macht. Das ist wie beim Hasen und dem Igel. Wenn einen also
der Heilige Geist erleuchten will, dann ist der Raum auch für ihn
eine Mordsherausforderung - und im All besonders, weil man ja
weiß, wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Trotzdem begeistert
mich, dass gerade da, wo nichts ist, so Erscheinungen auftreten,
wie sie die Seher und Seherinnen und die Astrologen und
Astrologinnen gegen Entgelt sehr deutlich vor Augen haben. Diese
Berufe erfreuen sich galaktischer Chancen, vielleicht weil wir selber
nichts sehen, oder auch weil Ungläubige eben mit der Unendlichkeit
große Probleme haben. Gerade wurde wieder eine Erde entdeckt und
in der Presse banalisiert, weil ja angeblich noch ein paar Milliarden
davon herumschwirren in der großen Leeeeeeere. Diese Erdenbewohner,
egal ob Bakterien oder Oktopusse, sind dann ja doch keine
Außerirdischen, sondern Innerirdische und das beruhigt mich.
Liebe Science Busters, Eure Abhandlung über das unbegreiflich
Begreifliche taugt mir sehr, weil Ihr großartige Erzähler seid, und
Eure Ironie mir bei meiner Ratlosigkeit diesem Universum gegenüber
eine wirkliche Hilfe ist. Mein alter Freund Otto Grünmandl hat
mir tröstend gesagt, als er kurz davor stand, diese Erde zu verlassen:
„Woasch Gerhard, i stirb jetz amal derweil, und dann schauma weiter!"
Mit Zuversicht, dass Euer Buch eine große Leserschaft findet!
Euer Gerhard Polt
Vorspiel im Himmel
Das war es also. Das Universum wurde tiefergelegt. Wer hatte damals
vor 13,8 Milliarden Jahren gedacht, dass es einmal so zu Ende
gehen wird. Wohl niemand, und das nicht nur deshalb, weil es damals
weit und breit noch niemanden gegeben hat, der sich auch nur
irgendwas hätte denken können.
Dass man einmal seine Brille nicht findet, okay. Ein Flugzeug
kann spurlos verschwinden,1 manchmal versinkt eine Straßenkreuzung
in einem Sinkloch,2 und dass die Welt untergehen konnte,
damit beschäftigt sich die Menschheit seit Jahrtausenden leidenschaftlich.
Viele Menschen sehnen sich sogar richtiggehend danach,
und die meisten Religionen haben einen farbenprächtigen
Weltuntergang im Schaufenster stehen. Aber dass ein ganzes Universum
von einer Sekunde auf die andere nicht mehr ist, damit
rechnet im Alltag niemand. Jede Wette, können Sie gerne einmal
bei Ihren Bekannten in die Runde fragen. Dabei ist das viel wahrscheinlicher
als etwa ein Weltuntergang. Weiß man heute. Weltuntergänge
sind wirklich sehr selten. Prophezeit werden sie zwar
alle paar Monate, der letzte große Popstar war der Weltuntergang
2012 anlässlich des vermeintlichen Endes des Mayakalenders,
aber in der Regel muss jedes Mal suppliert werden. Fix rechnen
können wir eigentlich erst in etwa 8 Milliarden Jahren damit,
wenn sich die Sonne zu einem Roten Riesen aufgebläht haben
wird. Bis dahin sollten wir allerspätestens die Erde verlassen haben,
vielleicht schon ein wenig eher, zirka in etwa einer Milliarde
Jahren sollten wir den Planeten gewechselt haben, die Erde wird
dann längst nicht mehr die alte sein.
Worauf können Sie sich einstellen, wenn Sie ab dann aus dem
Fenster schauen? Wie wird das Wetter, was wird uns die Sonne als
Show bieten? Da muss ich ganz kurz ein wenig ausholen: So wie
man vor einem halben Jahrhundert noch vielen Kindern geraten
hat, viele Knödel zu essen, damit sie groß und stark wurden, so
muss auch ein junger Stern massiv zulegen, um als solcher Karriere
zu machen. Am Beginn ihres Berufslebens als Sterne fusionieren die
noch kleinen Sonnen in ihrem Inneren Deuterium und Lithium.
Währenddessen fressen sie ununterbrochen Materie aus ihrer Umgebung,
alles, was sie erwischen können, um ihr Kampfgewicht zu
erreichen. Denn wenn nicht genug Masse zusammenkommt, dann
war es das, dann wird aus der kleinen Sonne kein richtiger Stern,
sondern nur ein Brauner Zwerg. Braune Zwerge sind die Loser
in der stellaren Hierarchie. Wie sie genau entstehen, ist allerdings
noch umstritten, kann sein, dass sie aus der Gas- und Staubwolke,
in der Sterne normalerweise geboren werden, hinauskatapultiert
werden. Quasi vom Tisch verwiesen, und müssen ohne Nachspeise
ins Bett. Deshalb können sie nicht mehr Masse aufnehmen. Es
könnte auch sein, dass sie sich am Rand eines entstehenden Sterns
ähnlich einer Zyste bilden, und wenn ein größerer Himmelskörper
vorbeikommt, dann macht er ihn weg, wenn er schon da ist. Wie ein
Chirurg, der bei einer Blinddarmoperation auch gleich die Wärzchen
unter der Achsel wegschneidet. Um nur zwei von mindestens
sechs Möglichkeiten zu nennen, die momentan diskutiert werden.*
Wenn der Stern es aber schafft, genug Masse einzusammeln und
die Kernfusion in Gang zu bringen, dann hat er eine strahlende Zu-
* Wenn Sie so was interessiert, dann halten Sie einfach Augen und Ohren offen. Um u.a. solche
Sachen zu klären, werden aktuell riesige Teleskope gebaut, die sind sehr teuer, deshalb wird
sicher jede kleine Entdeckung mit Trompetenschall publiziert.
Vorspiel im Himmel
kunft vor sich. Je nachdem, wie viel Masse er in die Waagschale
wirft, wird dann aus ihm ein Hyperriese mit bis zu 300 Sonnenmassen*
oder, wie vor rund 4,6 Milliarden Jahren, nur ein Gelber Zwerg
wie unsere Sonne mit, Sie haben es erraten, nur einer Sonnenmasse.
Kernfusion bedeutet vereinfacht gesagt, dass aufgrund der enormen
Hitze und Masse im Sonneninneren zunächst Wasserstoffkerne,
also Protonen, miteinander verschmelzen. Das tun sie nicht
freiwillig, denn Protonen sind positiv geladen, und gleiche Ladungen
stoßen sich ab. Hitze und Masse der Sonne zwingen sie aber ab
und zu doch, sich näherzukommen, als es ihnen angenehm ist.
Wenn Sie wollen, stellen Sie sich das so vor wie einen vollgestopften
U-Bahnwaggon. Dicht an dicht stehen die Menschen und versuchen
den Blicken der anderen auszuweichen und Körperkontakt
möglichst zu vermeiden. Aber ab und zu überkommt es ein paar
von ihnen, die Erregung geht mit ihnen durch, sie beginnen zu
schmusen und können nicht mehr voneinander lassen. Das gesamte
Hormonsystem des Körpers kommt in Wallung, was über rote
Backen als Wärmestrahlung abgeführt wird.
Nicht anders ist es bei Wasserstoffkernen im Inneren der Sonne.
Wenn die Protonen sich zu nahekommen, dann verschmelzen sie in
mehreren Schritten zu einem Heliumkern. Dessen Masse ist geringer
als die der an der Fusion beteiligten Wasserstoffkerne. Weil aber
Masse nicht einfach verschwinden kann, wendet sie sich an die beliebteste
Formel der Welt: E = mc2 und wird Energie, im vorliegenden
Fall Strahlung. Das klingt nach gröberen Reibungsverlusten im
Work-Flow, man nennt das auch Massendefekt, der aber sehr gut
ist in dem Fall. Denn die Sonne ist so schwer, dass sie eigentlich
lieber heute als morgen unter dem Druck ihrer Schwerkraft in sich
* Grobe Schätzung, bei so gewaltigen Objekten stoßen Theorie und Messverfahren an Grenzen:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_most_massive_known_stars#Uncertainties_and_
caveats, Zugriff 29.5.2015. Alle Links der Fußnoten sind online unter sciencebusters.at abrufbar.
zusammenstürzen wurde. Die Strahlung drückt aber von innen dagegen,
und so bleibt so ein Gelber Zwerg wie die Sonne Jahrmilliarden
stabil. Insgesamt werden rund 600 Millionen Tonnen Wasserstoff
in rund 596 Millionen Tonnen Helium umgewandelt, und zwar pro
Sekunde. Also jetzt, und jetzt, und jetzt und jetzt wieder, und auch
jetzt.
Ein Masseverlust von 4 Millionen Tonnen pro Sekunde klingt nach
viel, ist aber angesichts der Gesamtmasse der Sonne von knapp
2 x 1030 kg lange Zeit nicht sehr dramatisch. Wenn Sie eine Orange
schälen und in Spalten teilen, dann bleibt dabei auch immer wieder
ein wenig Fruchtfleisch an der Schale hängen, ein bisschen Saft
geht verloren, aber insgesamt werden Sie trotzdem den Eindruck
haben, in eine ganze, saftige Orange zu beißen, und merken den
Verlust gar nicht. So verhält es sich auch bei der Sonne, und wenn
alles passt, dann kann sich zumindest auf einem Planeten dieses
neuen Sonnensystems im Verlauf von gut vier Milliarden Jahren
Leben entwickeln, und zwar so weit, dass Menschen wie Sie und ich
in der Lage sind, sich Gedanken darüber zu machen, was in einer
weiteren Milliarde Jahren passieren wird.
Was hat die Sonne mit ihrem Leben sonst noch vor? Die Sechs-
Milliarden-Jahre-Prognose lautet: Etwa an ihrem 5,5-milliardsten
Geburtstag, in etwa einer Milliarde Jahren, hat die Leuchtkraft der
Sonne so sehr zugenommen, dass es auf der Erde deutlich wärmer
wird mit einer mittleren Temperatur von 30 °C. Klingt nach Sommer
ohne Ende, im Mittel bedeutet es aber, dass es an viel mehr Tagen
und in viel mehr Gegenden als heute viel öfter sehr heiß sein wird.
Das mögen Pflanzen nur bis zu einem gewissen Grad, dann stellen
viele von ihnen den Stoffwechsel ein und sterben ab, danach sind
höhere Lebewesen inklusive uns dran, weil wir ohne Nahrung leider
nur sehr schlecht über die Runden kommen. Eine weitere Milliarde
Jahre später betragt die Durchschnittstemperatur dann bereits
100 °C. Davon kriegen wir aber nichts mehr mit, keine Angst.* Äußerlich
merkt man auch der Sonne relativ lange nichts an, aber an
der Schwelle zum Teenageralter, also mit gut zwölf Milliarden Jahren,
wird sie viel heller und größer, gleichzeitig nimmt die Oberflächentemperatur
ab. Gabe es dann noch Menschen auf der Erde,
wäre der Himmel nie mehr blau, sondern rot, weil die Sonne als
Roter Riese praktisch den ganzen Himmel einnehmen wurde.
Zu dieser Zeit haben es Venus und Merkur bereits hinter sich,
aber was passiert mit der Erde, wenn der Mutterstern übergriffig
wird? Die Sonne wird deshalb viel größer, weil der Wasserstoff im
Inneren irgendwann doch zur Neige geht bzw. die meisten Atome
zu Heliumkernen verschmolzen sind. Die liegen aber nicht einfach
herum wie Minions und lachen über ihre hohen Stimmen, sondern
fusionieren auch. Nicht gleich, erst kommt die Kernfusion zum
Erliegen, und die Schwerkraft nimmt die Wärmestrahlung in den
Schwitzkasten. Das heißt, die Masse der Sonne macht von außen
auf das Sonneninnere Druck. So lange, bis das sagt: „Gut, wenn die
Gravitation sich derartig schwer macht, soll sie sehen, was sie davon
hat, dann fange ich mit der Kernfusion wieder an. Aber diesmal
mit Heliumkernen, hoho."
Dabei wird es aber noch heißer, und die Wärmestrahlung bläht
die Sonne auf. Sie gewinnt dramatisch an Größe, erreicht den bis zu
250-fachen Sonnenradius im Vergleich zu heute, und obwohl drinnen
geheizt wird wie wild, auf über 15 Millionen °C,** kühlt die Sonne
außen ab. Warum? Ganz einfach, es muss viel mehr Oberflache geheizt
werden als früher, die ihrerseits durch den Flächenzuwachs
* Vielleicht wird es auch schon viel früher sehr unwohnlich auf der Erde. Bereits heute beträgt
die Durchschnittstemperatur in manchen Gegenden 30 °C. Wenn durch den Klimawandel die
mittlere Temperatur weiter steigt, konnte es bereits in wenigen Tausend Jahren vorbei sein mit
höherem Leben.
** Oder auch Kelvin, wenn Sie wollen, aber bei derartigen Temperaturen fallen 272,15 °C nicht
ins Gewicht, die gehen aufs Haus.
auch viel mehr Wärme in derselben Zeit abgibt. Kartoffelpüree
kühlt auch schneller ab als ein heißer Erdapfel. Haube, Handschuh
und lange Unterhose brauchten Sie aber trotzdem auch auf der kälteren
Oberflache nicht, die Temperatur betragt noch immer an die
3000 °C. Die Erdoberfläche ist zu diesem Zeitpunkt bereits wieder
glutflüssig, ganz so wie am Beginn ihrer Laufbahn vor rund 4,6 Milliarden
Jahren, als das Sonnensystem entstanden ist. Das Aufblähen
der Sonne wäre dann sozusagen ein sehr wirkungsvolles Anti-
Aging-Programm für unseren Heimatplaneten.
Stellt sich die Frage: Wird die Sonne eigentlich auch schwerer, wenn
sie größer wird? Stellt sich die Gegenfrage: Warum sollte sie? Was
größer wird bei unveränderter Masse, also mehr Volumen einnimmt,
wird einfach weniger dicht. Dieser Tatsache verdankte auch
der berühmte Wissenschaftler Richard Reeds einmal sein Leben,
den Sie vielleicht als superelastisches Mastermind der Fantastic
Four kennen. Noch bevor er als Mr. Fantastic endgültig seinen Durchbruch
schaffte, bekam er es in einem frühen Abenteuer mit einem
haushohen, echsenartigen, grünen Monster in roter Unterhose vom
Planeten Kraloo zu tun. Sein Name: Gormuu. Es führte nichts Gutes
im Schilde, sondern wollte vielmehr die Weltherrschaft an sich
reißen. Angriffe der Luftwaffe konnten ihm nichts anhaben, das
Schicksal der Erde und ihrer Bewohnerinnen schien besiegelt, da
machte Mister Reeds eine Entdeckung. Wenn man das Monster
mit einem Energiestrahl beschoss, dann wurde es noch größer. Das
allein wäre noch kein Trost gewesen, aber eine Vermessung der
gleichermaßen immer größer werdenden Fußabdrücke zeigte, dass
Gormuu durch die Strahlenbehandlung offenbar nur größer, aber
nicht massereicher wurde. Der Rest war für den schlauen Richard
ein Kinderspiel. Gormuu wurde einfach so lange mit Energiestrahlung
beschossen, bis seine Dichte aufgrund des Größenwachstums
- er erreichte immerhin die Größe der Erde! - so gering wurde wie
die des Vakuums im Weltall, sodass die einzelnen Atome sich nicht
mehr aneinander festhalten konnten und sich allmählich im gesamten
Universum verteilten.3
Ganz so schlimm kommt es für unsere Sonne nicht, oder noch
nicht, das ist noch nicht geklärt, fest steht aber, sie wird nicht schwerer,
nur weil das Volumen zunimmt. Ähnlich wie Popcorn, für das
man ja auch nicht plötzlich zwei Hände zum Aufheben braucht, nur
weil es aufgeplatzt ist.
Je größer unsere Sonne wird, desto leichter wird sie sogar irgendwann
werden. Warum?
Sterne können, wenn sie sich ausdehnen, unter bestimmten Umständen,
wenn ein anderer großer Himmelskörper in der Nähe ist,
ihr Material durch die Schwerkraft nur bis zu einer bestimmten
Grenze an sich halten. Wird diese Grenze überschritten, man nennt
sie die Roche-Grenze - merken Sie sich den Namen, Sie werden
ihn noch brauchen, wenn wir später Vampire im Weltall treffen -,
dann macht sich die Materie in den Randbezirken selbstständig.
Menschen, die mit vielen kleinen Kindern zu Fuß unterwegs sind,
kennen das nur zu gut. Zwei Kinder kann man an der Hand nehmen,
aber je größer die Gruppe wird, desto schwieriger wird es, alle beisammenzuhalten,
und sobald man die Grenze zum Spielplatz überschritten
hat, auf dem noch dazu der Eiskiosk geöffnet ist, gibt es
kein Halten mehr, auch wenn man noch schnell etwas hätte sagen
wollen. Bei der Sonne ist zwar der Merkur in der Nähe, aber der ist
gravitativ kein Gegner. Die Sonne wird in diesem Aufblähungsstadium
nicht deshalb leichter, weil der Merkur ihr was wegnimmt,
sondern weil die neu angefachte Kernfusion im Zentrum des Sterns
derart hohe Temperaturen erzeugt, dass auch der restliche Wasserstoff
in der Schale, der sich dort noch befindet, ins muntere Fusionstreiben
mit einstimmt. Im Inneren der Sonne heizen also Heliumkerne
und außen Wasserstoffkerne. Man nennt das wenig originell,
aber zweckmäßig Wasserstoff-Schalenbrennen. Dadurch entstehen
enorme Sonnenwinde, die dann das Material der Sonnenoberflache
ins All schleudern. Hatte die Erde da noch ihre Atmosphäre, gäbe es
dauernd überall fantastische Polarlichter, nicht nur an den Polen.
Die Sonne feat. Roter Riese verliert in dieser Phase bis zu 28 Prozent
ihrer Masse durch Sonnenwind. Bis zu 0,13-milllionstel Sonnenmassen
pro Jahr verabschieden sich einfach ins Weltall. Das steckt
auch die Sonne nicht so ungerührt weg, und auf die Planeten hat
das natürlich auch Auswirkungen. Die bleiben ja nur deshalb so
brav auf ihren Umlaufbahnen um die Sonne, weil die vergleichsweise
so irrsinnig viel schwerer ist. Die Sonne kontrolliert 99,9 Prozent
der gesamten Masse in unserem Sonnensystem. Die daraus
resultierenden Gravitationskräfte geben Merkur, Venus, Erde, Mars
usw. die Route vor. Wenn die Sonne aber massiv schwächelt, konnte
das auch Auswirkungen auf die Bahnradien der Planeten haben.
Merkur und Venus hätten trotzdem keine Chance, aber der Bahnradius
von Erde und Mars könnte um 38 Prozent zunehmen. Damit
wäre die Erdbahn um die Sonne auf Höhe der Bahn des Mars, und
der wiederum würde noch weiter weg von der Sonne seine Kreise
ziehen. Wenn schon alles Leben vergangen ist, könnte wenigstens
der Planet einen Neustart unternehmen. Nach Abkühlen könnte
theoretisch alles wieder von vorne beginnen mit Prakambrium,
Phanerozoikum bis Pleistozan und Holozan zzgl. Menschen; wenn
alles gut geht. Könnte man meinen. Aber erstens wird die Sonne
nach ihrer Zwischenkarriere als Roter Riese irgendwann ein paar
Hundert Millionen Jahre später ein Weißer Zwerg. Das heißt durch
Kernfusion und Schalenbrennen wird die Hülle der Sonne abgestoßen,
ein bisschen so, wie bei einer Zwiebel eine Schale nach der
anderen abgeschält werden kann. Übrig bleibt ein heißer Kern,
nicht viel größer als die Erde, dessen Kernfusion schließlich völlig
erloschen ist. Eine strukturschwache Zone, wenn Sie so wollen.
Der Stern leuchtet zwar noch ein wenig und eventuell noch sehr
lange, aber die Wärmestrahlung ist gering. Für die Erde würde das
bedeuten, dass die Zeit von Roter Riese zu Weißer Zwerg viel zu
kurz ist, als dass sich noch einmal Leben entwickeln könnte, und
zweitens, dass sie sich mit der Zeit in eine eiskalte Steinwüste verwandelt,
denn ohne Atmosphäre ist es sehr schwer für einen Planeten,
Wärme festzuhalten. Ohne Wintermantel wird es auch uns
bei Minusgraden deutlich schneller kalt. Wenn uns dann niemand
wärmt und wir das bisschen Warme, das wir produzieren, nicht
festhalten können, dann erstarren wir irgendwo und frieren ab. An
Leben ist nicht mehr zu denken. Die schlechte Nachricht: Das wäre
das Best Case Scenario für die Erde, sie überlebt, aber ihre Gefühle
sind erkaltet. Die noch schlechtere: Jüngere Untersuchungen zeichnen
ein deutlich ungünstigeres Bild.4
Durch die Aufblähung zum Roten Riesen kommt die Rotation
der Sonne praktisch zum Stillstand. Warum? Es handelt sich dabei
quasi um einen umgekehrten Pirouetteneffekt. Gern würde ich jetzt
schreiben, dass das sicher jeder schon erlebt hat beim Eistanzen,
federleicht übers Gefrorene gleiten und einen doppelten Rittberger
unter dem Applaus der Umstehenden in eine Piroutte ausklingen
lassen, aber die meisten von uns würden am Eis keine Pirouette zusammenbringen,
sondern beim Versuch höchstens einen sehenswerten
Stern reißen, wie man in Wien sagt. Denn auch wenn wir
im Alltag die Reibung kaum bemerken und nur selten loben, wenn
man aufs Eis geht, dann weiß man, was man normalerweise an ihr
hat. Wenn man sich auf einen Drehstuhl setzt, kann man den Pirouetteneffekt
aber auch erleben, ohne für Holiday on Ice trainieren zu
müssen. Ist das schlecht für die Erde, wenn die Sonne sich nicht
mehr dreht? Ja, sehr sogar. Und zwar weil dann die Gezeitenkräfte
zeigen, was sie können, und die Erde irgendwann in die Sonne
stürzen würde.
©Hanser Verlag
Wenn ich eine Zahl lese wie - zum Beispiel - eine Trillion, oder wenn
Sie mir so Zahlen aufzeigen wie 1 000 000 000 000, und wenn ich dann
noch höre, wie leer der Weltenraum ist, dann kann ich mir diese Leere
auch nur mit zwölf e vorstellen, also Leeeeeeeeeeeere, oder so. Das
Wort „Raum", wenn man es sich schon langsam vorspricht, klingt nicht
unschön, weil das au mit dem m am Schluss einem das Gefühl gibt,
es wäre noch Platz da. M am Schluss überhaupt macht die Sache
sonor, so wie - dumm. Da hört man einen Klang, es klingt nach Hohlraum,
wo nichts ist, besser gesagt, wo gar nichts ist. Wenn ich höre
und staunend lese, wie viele Sandkörner alle Gestade dieser Erde
bevölkern, und ich schau dann in den Himmel und zähle ein paar
Sternlein, dann ist es Schnuppe, wie viele ich zusammenbring. Mein
Spezi Rudi hat einmal sehr viele Sterne gesehen, weil ihm irgendein
Gegenuber ein Trumm über den Schädel gezogen hat, und als er
wieder ins Diesseits zurückgekehrt war, hat er gesagt, er hätte nicht
geglaubt, dass so eine Sternenpracht überhaupt existiert, und er
freut sich heute noch darüber. Eigentlich war er ja bereits drüben,
oder außerhalb, aber die Beschreibung seines kurzen Ausflugs ins
Jenseitige war doch eher karg. Jetzt weiß ich nicht - war er mit Lichtgeschwindigkeit
drüben? Dann ist er tatsächlich nicht sehr weit gekommen,
weil ja, wenn das Licht einen Schritt macht, der Raum
zwei macht. Das ist wie beim Hasen und dem Igel. Wenn einen also
der Heilige Geist erleuchten will, dann ist der Raum auch für ihn
eine Mordsherausforderung - und im All besonders, weil man ja
weiß, wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Trotzdem begeistert
mich, dass gerade da, wo nichts ist, so Erscheinungen auftreten,
wie sie die Seher und Seherinnen und die Astrologen und
Astrologinnen gegen Entgelt sehr deutlich vor Augen haben. Diese
Berufe erfreuen sich galaktischer Chancen, vielleicht weil wir selber
nichts sehen, oder auch weil Ungläubige eben mit der Unendlichkeit
große Probleme haben. Gerade wurde wieder eine Erde entdeckt und
in der Presse banalisiert, weil ja angeblich noch ein paar Milliarden
davon herumschwirren in der großen Leeeeeeere. Diese Erdenbewohner,
egal ob Bakterien oder Oktopusse, sind dann ja doch keine
Außerirdischen, sondern Innerirdische und das beruhigt mich.
Liebe Science Busters, Eure Abhandlung über das unbegreiflich
Begreifliche taugt mir sehr, weil Ihr großartige Erzähler seid, und
Eure Ironie mir bei meiner Ratlosigkeit diesem Universum gegenüber
eine wirkliche Hilfe ist. Mein alter Freund Otto Grünmandl hat
mir tröstend gesagt, als er kurz davor stand, diese Erde zu verlassen:
„Woasch Gerhard, i stirb jetz amal derweil, und dann schauma weiter!"
Mit Zuversicht, dass Euer Buch eine große Leserschaft findet!
Euer Gerhard Polt
Vorspiel im Himmel
Das war es also. Das Universum wurde tiefergelegt. Wer hatte damals
vor 13,8 Milliarden Jahren gedacht, dass es einmal so zu Ende
gehen wird. Wohl niemand, und das nicht nur deshalb, weil es damals
weit und breit noch niemanden gegeben hat, der sich auch nur
irgendwas hätte denken können.
Dass man einmal seine Brille nicht findet, okay. Ein Flugzeug
kann spurlos verschwinden,1 manchmal versinkt eine Straßenkreuzung
in einem Sinkloch,2 und dass die Welt untergehen konnte,
damit beschäftigt sich die Menschheit seit Jahrtausenden leidenschaftlich.
Viele Menschen sehnen sich sogar richtiggehend danach,
und die meisten Religionen haben einen farbenprächtigen
Weltuntergang im Schaufenster stehen. Aber dass ein ganzes Universum
von einer Sekunde auf die andere nicht mehr ist, damit
rechnet im Alltag niemand. Jede Wette, können Sie gerne einmal
bei Ihren Bekannten in die Runde fragen. Dabei ist das viel wahrscheinlicher
als etwa ein Weltuntergang. Weiß man heute. Weltuntergänge
sind wirklich sehr selten. Prophezeit werden sie zwar
alle paar Monate, der letzte große Popstar war der Weltuntergang
2012 anlässlich des vermeintlichen Endes des Mayakalenders,
aber in der Regel muss jedes Mal suppliert werden. Fix rechnen
können wir eigentlich erst in etwa 8 Milliarden Jahren damit,
wenn sich die Sonne zu einem Roten Riesen aufgebläht haben
wird. Bis dahin sollten wir allerspätestens die Erde verlassen haben,
vielleicht schon ein wenig eher, zirka in etwa einer Milliarde
Jahren sollten wir den Planeten gewechselt haben, die Erde wird
dann längst nicht mehr die alte sein.
Worauf können Sie sich einstellen, wenn Sie ab dann aus dem
Fenster schauen? Wie wird das Wetter, was wird uns die Sonne als
Show bieten? Da muss ich ganz kurz ein wenig ausholen: So wie
man vor einem halben Jahrhundert noch vielen Kindern geraten
hat, viele Knödel zu essen, damit sie groß und stark wurden, so
muss auch ein junger Stern massiv zulegen, um als solcher Karriere
zu machen. Am Beginn ihres Berufslebens als Sterne fusionieren die
noch kleinen Sonnen in ihrem Inneren Deuterium und Lithium.
Währenddessen fressen sie ununterbrochen Materie aus ihrer Umgebung,
alles, was sie erwischen können, um ihr Kampfgewicht zu
erreichen. Denn wenn nicht genug Masse zusammenkommt, dann
war es das, dann wird aus der kleinen Sonne kein richtiger Stern,
sondern nur ein Brauner Zwerg. Braune Zwerge sind die Loser
in der stellaren Hierarchie. Wie sie genau entstehen, ist allerdings
noch umstritten, kann sein, dass sie aus der Gas- und Staubwolke,
in der Sterne normalerweise geboren werden, hinauskatapultiert
werden. Quasi vom Tisch verwiesen, und müssen ohne Nachspeise
ins Bett. Deshalb können sie nicht mehr Masse aufnehmen. Es
könnte auch sein, dass sie sich am Rand eines entstehenden Sterns
ähnlich einer Zyste bilden, und wenn ein größerer Himmelskörper
vorbeikommt, dann macht er ihn weg, wenn er schon da ist. Wie ein
Chirurg, der bei einer Blinddarmoperation auch gleich die Wärzchen
unter der Achsel wegschneidet. Um nur zwei von mindestens
sechs Möglichkeiten zu nennen, die momentan diskutiert werden.*
Wenn der Stern es aber schafft, genug Masse einzusammeln und
die Kernfusion in Gang zu bringen, dann hat er eine strahlende Zu-
* Wenn Sie so was interessiert, dann halten Sie einfach Augen und Ohren offen. Um u.a. solche
Sachen zu klären, werden aktuell riesige Teleskope gebaut, die sind sehr teuer, deshalb wird
sicher jede kleine Entdeckung mit Trompetenschall publiziert.
Vorspiel im Himmel
kunft vor sich. Je nachdem, wie viel Masse er in die Waagschale
wirft, wird dann aus ihm ein Hyperriese mit bis zu 300 Sonnenmassen*
oder, wie vor rund 4,6 Milliarden Jahren, nur ein Gelber Zwerg
wie unsere Sonne mit, Sie haben es erraten, nur einer Sonnenmasse.
Kernfusion bedeutet vereinfacht gesagt, dass aufgrund der enormen
Hitze und Masse im Sonneninneren zunächst Wasserstoffkerne,
also Protonen, miteinander verschmelzen. Das tun sie nicht
freiwillig, denn Protonen sind positiv geladen, und gleiche Ladungen
stoßen sich ab. Hitze und Masse der Sonne zwingen sie aber ab
und zu doch, sich näherzukommen, als es ihnen angenehm ist.
Wenn Sie wollen, stellen Sie sich das so vor wie einen vollgestopften
U-Bahnwaggon. Dicht an dicht stehen die Menschen und versuchen
den Blicken der anderen auszuweichen und Körperkontakt
möglichst zu vermeiden. Aber ab und zu überkommt es ein paar
von ihnen, die Erregung geht mit ihnen durch, sie beginnen zu
schmusen und können nicht mehr voneinander lassen. Das gesamte
Hormonsystem des Körpers kommt in Wallung, was über rote
Backen als Wärmestrahlung abgeführt wird.
Nicht anders ist es bei Wasserstoffkernen im Inneren der Sonne.
Wenn die Protonen sich zu nahekommen, dann verschmelzen sie in
mehreren Schritten zu einem Heliumkern. Dessen Masse ist geringer
als die der an der Fusion beteiligten Wasserstoffkerne. Weil aber
Masse nicht einfach verschwinden kann, wendet sie sich an die beliebteste
Formel der Welt: E = mc2 und wird Energie, im vorliegenden
Fall Strahlung. Das klingt nach gröberen Reibungsverlusten im
Work-Flow, man nennt das auch Massendefekt, der aber sehr gut
ist in dem Fall. Denn die Sonne ist so schwer, dass sie eigentlich
lieber heute als morgen unter dem Druck ihrer Schwerkraft in sich
* Grobe Schätzung, bei so gewaltigen Objekten stoßen Theorie und Messverfahren an Grenzen:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_most_massive_known_stars#Uncertainties_and_
caveats, Zugriff 29.5.2015. Alle Links der Fußnoten sind online unter sciencebusters.at abrufbar.
zusammenstürzen wurde. Die Strahlung drückt aber von innen dagegen,
und so bleibt so ein Gelber Zwerg wie die Sonne Jahrmilliarden
stabil. Insgesamt werden rund 600 Millionen Tonnen Wasserstoff
in rund 596 Millionen Tonnen Helium umgewandelt, und zwar pro
Sekunde. Also jetzt, und jetzt, und jetzt und jetzt wieder, und auch
jetzt.
Ein Masseverlust von 4 Millionen Tonnen pro Sekunde klingt nach
viel, ist aber angesichts der Gesamtmasse der Sonne von knapp
2 x 1030 kg lange Zeit nicht sehr dramatisch. Wenn Sie eine Orange
schälen und in Spalten teilen, dann bleibt dabei auch immer wieder
ein wenig Fruchtfleisch an der Schale hängen, ein bisschen Saft
geht verloren, aber insgesamt werden Sie trotzdem den Eindruck
haben, in eine ganze, saftige Orange zu beißen, und merken den
Verlust gar nicht. So verhält es sich auch bei der Sonne, und wenn
alles passt, dann kann sich zumindest auf einem Planeten dieses
neuen Sonnensystems im Verlauf von gut vier Milliarden Jahren
Leben entwickeln, und zwar so weit, dass Menschen wie Sie und ich
in der Lage sind, sich Gedanken darüber zu machen, was in einer
weiteren Milliarde Jahren passieren wird.
Was hat die Sonne mit ihrem Leben sonst noch vor? Die Sechs-
Milliarden-Jahre-Prognose lautet: Etwa an ihrem 5,5-milliardsten
Geburtstag, in etwa einer Milliarde Jahren, hat die Leuchtkraft der
Sonne so sehr zugenommen, dass es auf der Erde deutlich wärmer
wird mit einer mittleren Temperatur von 30 °C. Klingt nach Sommer
ohne Ende, im Mittel bedeutet es aber, dass es an viel mehr Tagen
und in viel mehr Gegenden als heute viel öfter sehr heiß sein wird.
Das mögen Pflanzen nur bis zu einem gewissen Grad, dann stellen
viele von ihnen den Stoffwechsel ein und sterben ab, danach sind
höhere Lebewesen inklusive uns dran, weil wir ohne Nahrung leider
nur sehr schlecht über die Runden kommen. Eine weitere Milliarde
Jahre später betragt die Durchschnittstemperatur dann bereits
100 °C. Davon kriegen wir aber nichts mehr mit, keine Angst.* Äußerlich
merkt man auch der Sonne relativ lange nichts an, aber an
der Schwelle zum Teenageralter, also mit gut zwölf Milliarden Jahren,
wird sie viel heller und größer, gleichzeitig nimmt die Oberflächentemperatur
ab. Gabe es dann noch Menschen auf der Erde,
wäre der Himmel nie mehr blau, sondern rot, weil die Sonne als
Roter Riese praktisch den ganzen Himmel einnehmen wurde.
Zu dieser Zeit haben es Venus und Merkur bereits hinter sich,
aber was passiert mit der Erde, wenn der Mutterstern übergriffig
wird? Die Sonne wird deshalb viel größer, weil der Wasserstoff im
Inneren irgendwann doch zur Neige geht bzw. die meisten Atome
zu Heliumkernen verschmolzen sind. Die liegen aber nicht einfach
herum wie Minions und lachen über ihre hohen Stimmen, sondern
fusionieren auch. Nicht gleich, erst kommt die Kernfusion zum
Erliegen, und die Schwerkraft nimmt die Wärmestrahlung in den
Schwitzkasten. Das heißt, die Masse der Sonne macht von außen
auf das Sonneninnere Druck. So lange, bis das sagt: „Gut, wenn die
Gravitation sich derartig schwer macht, soll sie sehen, was sie davon
hat, dann fange ich mit der Kernfusion wieder an. Aber diesmal
mit Heliumkernen, hoho."
Dabei wird es aber noch heißer, und die Wärmestrahlung bläht
die Sonne auf. Sie gewinnt dramatisch an Größe, erreicht den bis zu
250-fachen Sonnenradius im Vergleich zu heute, und obwohl drinnen
geheizt wird wie wild, auf über 15 Millionen °C,** kühlt die Sonne
außen ab. Warum? Ganz einfach, es muss viel mehr Oberflache geheizt
werden als früher, die ihrerseits durch den Flächenzuwachs
* Vielleicht wird es auch schon viel früher sehr unwohnlich auf der Erde. Bereits heute beträgt
die Durchschnittstemperatur in manchen Gegenden 30 °C. Wenn durch den Klimawandel die
mittlere Temperatur weiter steigt, konnte es bereits in wenigen Tausend Jahren vorbei sein mit
höherem Leben.
** Oder auch Kelvin, wenn Sie wollen, aber bei derartigen Temperaturen fallen 272,15 °C nicht
ins Gewicht, die gehen aufs Haus.
auch viel mehr Wärme in derselben Zeit abgibt. Kartoffelpüree
kühlt auch schneller ab als ein heißer Erdapfel. Haube, Handschuh
und lange Unterhose brauchten Sie aber trotzdem auch auf der kälteren
Oberflache nicht, die Temperatur betragt noch immer an die
3000 °C. Die Erdoberfläche ist zu diesem Zeitpunkt bereits wieder
glutflüssig, ganz so wie am Beginn ihrer Laufbahn vor rund 4,6 Milliarden
Jahren, als das Sonnensystem entstanden ist. Das Aufblähen
der Sonne wäre dann sozusagen ein sehr wirkungsvolles Anti-
Aging-Programm für unseren Heimatplaneten.
Stellt sich die Frage: Wird die Sonne eigentlich auch schwerer, wenn
sie größer wird? Stellt sich die Gegenfrage: Warum sollte sie? Was
größer wird bei unveränderter Masse, also mehr Volumen einnimmt,
wird einfach weniger dicht. Dieser Tatsache verdankte auch
der berühmte Wissenschaftler Richard Reeds einmal sein Leben,
den Sie vielleicht als superelastisches Mastermind der Fantastic
Four kennen. Noch bevor er als Mr. Fantastic endgültig seinen Durchbruch
schaffte, bekam er es in einem frühen Abenteuer mit einem
haushohen, echsenartigen, grünen Monster in roter Unterhose vom
Planeten Kraloo zu tun. Sein Name: Gormuu. Es führte nichts Gutes
im Schilde, sondern wollte vielmehr die Weltherrschaft an sich
reißen. Angriffe der Luftwaffe konnten ihm nichts anhaben, das
Schicksal der Erde und ihrer Bewohnerinnen schien besiegelt, da
machte Mister Reeds eine Entdeckung. Wenn man das Monster
mit einem Energiestrahl beschoss, dann wurde es noch größer. Das
allein wäre noch kein Trost gewesen, aber eine Vermessung der
gleichermaßen immer größer werdenden Fußabdrücke zeigte, dass
Gormuu durch die Strahlenbehandlung offenbar nur größer, aber
nicht massereicher wurde. Der Rest war für den schlauen Richard
ein Kinderspiel. Gormuu wurde einfach so lange mit Energiestrahlung
beschossen, bis seine Dichte aufgrund des Größenwachstums
- er erreichte immerhin die Größe der Erde! - so gering wurde wie
die des Vakuums im Weltall, sodass die einzelnen Atome sich nicht
mehr aneinander festhalten konnten und sich allmählich im gesamten
Universum verteilten.3
Ganz so schlimm kommt es für unsere Sonne nicht, oder noch
nicht, das ist noch nicht geklärt, fest steht aber, sie wird nicht schwerer,
nur weil das Volumen zunimmt. Ähnlich wie Popcorn, für das
man ja auch nicht plötzlich zwei Hände zum Aufheben braucht, nur
weil es aufgeplatzt ist.
Je größer unsere Sonne wird, desto leichter wird sie sogar irgendwann
werden. Warum?
Sterne können, wenn sie sich ausdehnen, unter bestimmten Umständen,
wenn ein anderer großer Himmelskörper in der Nähe ist,
ihr Material durch die Schwerkraft nur bis zu einer bestimmten
Grenze an sich halten. Wird diese Grenze überschritten, man nennt
sie die Roche-Grenze - merken Sie sich den Namen, Sie werden
ihn noch brauchen, wenn wir später Vampire im Weltall treffen -,
dann macht sich die Materie in den Randbezirken selbstständig.
Menschen, die mit vielen kleinen Kindern zu Fuß unterwegs sind,
kennen das nur zu gut. Zwei Kinder kann man an der Hand nehmen,
aber je größer die Gruppe wird, desto schwieriger wird es, alle beisammenzuhalten,
und sobald man die Grenze zum Spielplatz überschritten
hat, auf dem noch dazu der Eiskiosk geöffnet ist, gibt es
kein Halten mehr, auch wenn man noch schnell etwas hätte sagen
wollen. Bei der Sonne ist zwar der Merkur in der Nähe, aber der ist
gravitativ kein Gegner. Die Sonne wird in diesem Aufblähungsstadium
nicht deshalb leichter, weil der Merkur ihr was wegnimmt,
sondern weil die neu angefachte Kernfusion im Zentrum des Sterns
derart hohe Temperaturen erzeugt, dass auch der restliche Wasserstoff
in der Schale, der sich dort noch befindet, ins muntere Fusionstreiben
mit einstimmt. Im Inneren der Sonne heizen also Heliumkerne
und außen Wasserstoffkerne. Man nennt das wenig originell,
aber zweckmäßig Wasserstoff-Schalenbrennen. Dadurch entstehen
enorme Sonnenwinde, die dann das Material der Sonnenoberflache
ins All schleudern. Hatte die Erde da noch ihre Atmosphäre, gäbe es
dauernd überall fantastische Polarlichter, nicht nur an den Polen.
Die Sonne feat. Roter Riese verliert in dieser Phase bis zu 28 Prozent
ihrer Masse durch Sonnenwind. Bis zu 0,13-milllionstel Sonnenmassen
pro Jahr verabschieden sich einfach ins Weltall. Das steckt
auch die Sonne nicht so ungerührt weg, und auf die Planeten hat
das natürlich auch Auswirkungen. Die bleiben ja nur deshalb so
brav auf ihren Umlaufbahnen um die Sonne, weil die vergleichsweise
so irrsinnig viel schwerer ist. Die Sonne kontrolliert 99,9 Prozent
der gesamten Masse in unserem Sonnensystem. Die daraus
resultierenden Gravitationskräfte geben Merkur, Venus, Erde, Mars
usw. die Route vor. Wenn die Sonne aber massiv schwächelt, konnte
das auch Auswirkungen auf die Bahnradien der Planeten haben.
Merkur und Venus hätten trotzdem keine Chance, aber der Bahnradius
von Erde und Mars könnte um 38 Prozent zunehmen. Damit
wäre die Erdbahn um die Sonne auf Höhe der Bahn des Mars, und
der wiederum würde noch weiter weg von der Sonne seine Kreise
ziehen. Wenn schon alles Leben vergangen ist, könnte wenigstens
der Planet einen Neustart unternehmen. Nach Abkühlen könnte
theoretisch alles wieder von vorne beginnen mit Prakambrium,
Phanerozoikum bis Pleistozan und Holozan zzgl. Menschen; wenn
alles gut geht. Könnte man meinen. Aber erstens wird die Sonne
nach ihrer Zwischenkarriere als Roter Riese irgendwann ein paar
Hundert Millionen Jahre später ein Weißer Zwerg. Das heißt durch
Kernfusion und Schalenbrennen wird die Hülle der Sonne abgestoßen,
ein bisschen so, wie bei einer Zwiebel eine Schale nach der
anderen abgeschält werden kann. Übrig bleibt ein heißer Kern,
nicht viel größer als die Erde, dessen Kernfusion schließlich völlig
erloschen ist. Eine strukturschwache Zone, wenn Sie so wollen.
Der Stern leuchtet zwar noch ein wenig und eventuell noch sehr
lange, aber die Wärmestrahlung ist gering. Für die Erde würde das
bedeuten, dass die Zeit von Roter Riese zu Weißer Zwerg viel zu
kurz ist, als dass sich noch einmal Leben entwickeln könnte, und
zweitens, dass sie sich mit der Zeit in eine eiskalte Steinwüste verwandelt,
denn ohne Atmosphäre ist es sehr schwer für einen Planeten,
Wärme festzuhalten. Ohne Wintermantel wird es auch uns
bei Minusgraden deutlich schneller kalt. Wenn uns dann niemand
wärmt und wir das bisschen Warme, das wir produzieren, nicht
festhalten können, dann erstarren wir irgendwo und frieren ab. An
Leben ist nicht mehr zu denken. Die schlechte Nachricht: Das wäre
das Best Case Scenario für die Erde, sie überlebt, aber ihre Gefühle
sind erkaltet. Die noch schlechtere: Jüngere Untersuchungen zeichnen
ein deutlich ungünstigeres Bild.4
Durch die Aufblähung zum Roten Riesen kommt die Rotation
der Sonne praktisch zum Stillstand. Warum? Es handelt sich dabei
quasi um einen umgekehrten Pirouetteneffekt. Gern würde ich jetzt
schreiben, dass das sicher jeder schon erlebt hat beim Eistanzen,
federleicht übers Gefrorene gleiten und einen doppelten Rittberger
unter dem Applaus der Umstehenden in eine Piroutte ausklingen
lassen, aber die meisten von uns würden am Eis keine Pirouette zusammenbringen,
sondern beim Versuch höchstens einen sehenswerten
Stern reißen, wie man in Wien sagt. Denn auch wenn wir
im Alltag die Reibung kaum bemerken und nur selten loben, wenn
man aufs Eis geht, dann weiß man, was man normalerweise an ihr
hat. Wenn man sich auf einen Drehstuhl setzt, kann man den Pirouetteneffekt
aber auch erleben, ohne für Holiday on Ice trainieren zu
müssen. Ist das schlecht für die Erde, wenn die Sonne sich nicht
mehr dreht? Ja, sehr sogar. Und zwar weil dann die Gezeitenkräfte
zeigen, was sie können, und die Erde irgendwann in die Sonne
stürzen würde.
©Hanser Verlag
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Autoren-Porträt von Heinz Oberhummer, Martin Puntigam, Werner Gruber
Seit 2007 gibt es die "Science Busters" als Bühnenshow und Radiokolumne (FM4), seit 2010 auch als Fernsehsendung (ORFeins, mit Top-Quoten) und in Buchform. Ihr erstes Buch "Wer nichts weiß, muss alles glauben" war "Buchliebling 2011", "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln" (2012) wurde zum Wissensbuch des Jahres 2013 gekrönt. Beide waren Bestseller.Heinz Oberhummer, emeritierter Professor für Kern- und Astrophysik an der TU Wien, sorgte mit seinen Arbeiten über die Feinabstimmung des Universums für internationales Aufsehen. Sein Buch "Kann das alles Zufall sein?" wurde Wissenschaftsbuch des Jahres 2009. Heinz Oberhummer verstarb Ende des Jahres 2015. Autor für Film, Druck, Funk und Fernsehen, mit sage und schreibe zwölf Preisen ausgezeichneter Kabarettist, Gründungsmitglied und seitdem hautenger MC der Science Busters feat. Purpur, seit 2016 Universitäts-Lektor an der Karl-Franzens-Universität Graz. Initiator des seit 2016 jährlich vergebenen Heinz Oberhummer Awards für Wissenschaftskommunikation. Seit 2007 gibt es die Science Busters als Bühnenshow und Radiokolumne (FM4), seit 2010 auch als Fernsehsendung (ORFeins, mit Top-Quoten) und in Buchform. Ihr erstes Buch Wer nichts weiß, muss alles glauben war Buchliebling 2011, "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln" (2012) wurde zum Wissensbuch des Jahres 2013 gekrönt. Beide waren Bestseller.Werner Gruber ist Experimental- und Neurophysiker an der Uni Wien und Autor der Bestseller Unglaublich einfach. Einfach unglaublich und Die Genussformel. Er ist zudem Direktor der Wiener Planetarien. Die Science Busters sind längst Kult. Seit ihrer Gründung 2007 servieren sie Wissenschaft für alle, gastieren mit ihren Wissenschaftskabarett-Shows in Theatern im gesamten deutschsprachigen Raum und sind in Fernsehen und Radio präsent. Für ihr Kabarettprogramm erhielten sie den Deutschen Kleinkunstpreis sowie den Salzburger Stier. Ihre Bücher Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln und Das Universum ist eine Scheißgegend wurden als
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Wissensbücher des Jahres ausgezeichnet.
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Bibliographische Angaben
- Autoren: Heinz Oberhummer , Martin Puntigam , Werner Gruber
- 2015, 328 Seiten, Maße: 15,1 x 22,3 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446444777
- ISBN-13: 9783446444775
- Erscheinungsdatum: 23.09.2015
Pressezitat
"[...] komisch, verständlich und leichtfüßig erzählt." APA/Kleine Zeitung, 21.09.15"Was "Das Universum ist eine Scheißgegend" unter den nicht gerade wenigen populärastronomischen Büchern, die am Markt sind, einzigartig und wohl auch zum Bestseller macht, ist die Form und sein Stil." Klaus Taschwer, Der Standard, 30.09.15
"Reisen durchs All macht laut dem Autorentrio [...] keinen Spaß. Dieses Buch dafür umso mehr." Thomas Köster, NZZ am Sonntag, 27.09.15
"[...] ein höchst amüsantes Buch über unser Weltall". Österreich, 04.10.15
"[...] eine kurzweilige Tour vom Sonnensystem zu fernen Galaxien - gespickt mit überraschenden Seitenhieben und schrägen Assoziationen". Spektrum der Wissenschaft Online, 12.11.15
"[...] die Lektüre [bietet] bei allem Vergnügen auch ganz nebenbei viel Wissenswertes über unser Universum." Franziska Konitzer, Bild der Wissenschaft, August 2016
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