Der Fotograf
Ein psychopathischer Serienkiller entführt die Literaturstudentin Anne Hampton. Anne hat keine andere Wahl: entweder wird sie die Chronistin seiner Morde oder sein nächstes Opfer. Ihr Peiniger Doug Jeffers dokumentiert alle seine Morde mit der Fotokamera....
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Ein psychopathischer Serienkiller entführt die Literaturstudentin Anne Hampton. Anne hat keine andere Wahl: entweder wird sie die Chronistin seiner Morde oder sein nächstes Opfer. Ihr Peiniger Doug Jeffers dokumentiert alle seine Morde mit der Fotokamera. Doch Fotos allein reichen ihm nicht mehr aus. Er will seine Taten auch in Worte gefasst haben. Und genau dafür soll Anne ihm als Instrument dienen. Annes einzige Chance ist Detective Mercedes Barren aus Miami, deren Nichte der Foto-Mörder ebenfalls auf dem Gewissen hat.
Der Fotograf von JohnKatzenbach
LESEPROBE
Sie träumte schlecht.
Sie sah ein treibendes Boot, zuerstvon fern, dann plötzlich aus der Nähe, bis sie merkte, dass sie selbst indiesem Boot saß und ringsum von Wasser eingeschlossen war. Zuerst
empfand sie Panik; sie wollte nachjemandem suchen und ihm klarmachen, dass sie nicht schwimmen konnte, doch jedesMal, wenn sie sich umsah, verlor sie fast den Halt, die Jolle hob sich auf dembewegten Wasser und verharrte einen Moment lang auf einem Wellenkamm, bevor siebeängstigend tief hinuntertauchte. Als sie sich mit aller Macht am Mastfestklammerte, schrillte plötzlich eine Sirene, und sie wusste, dass dies einLeck im Rumpf signalisierte und dass ihr jeden Moment das Wasser bis zu denKnöcheln stehen würde. Die Sirene dröhnte weiter, und sie machte den Mund auf,um verzweifelt um Hilfe zu rufen, während sie sich auf dem schwankenden Bodenmühsam aufrecht hielt.
Im Traum legte sich die Jolleplötzlich schräg, und sie herrschte ihr schlafendes Selbst an, Wach auf! Wachauf! Bring dich in Sicherheit!
Genau das tat sie auch.
Sie schnappte nach Luft, riss sichaus dem Halbschlaf und saß im nächsten Moment senkrecht, während sie mit derrechten Hand das Bettgestell packte - ein fester Halt inmitten der diffusen Ängsteaus ihrem Traum. Erst jetzt merkte sie, dass das Telefon klingelte.
Sie fluchte, rieb sich die Augen undfand den Apparat ein Stück weit entfernt auf dem Boden. Mit einem Räuspernmeldete sie sich: »Detective Barren. Was gibts?«
Ihr blieb keine Zeit, sich zufragen, was passiert sein könnte. Sie lebte allein - kein Ehemann, keineKinder, die Eltern längst tot, und so konnte sie ein Anruf mitten in der Nachtnicht so leicht wie die meisten Menschen, die beim ersten Klingeln im Dunkelneine schlimme Nachricht befürchtet hätten, in Angst und Schrecken versetzen. Dasich Verbrechen nicht an die Bürozeiten hielten, musste eine Kripobeamtin damitrechnen, nachts aus dem Bett geholt zu werden. Deshalb vermutete sie, dass imZuge einer Ermittlung ihr fachliches Können als Kriminaltechnikerin gefragtwar.
»Merce?Haben Sie schon geschlafen?«
»Ja, aber macht nichts. Wer ist dabitte?«
»Merce,Robert Wills vom Morddezernat, ich « Er brach mitten im Satz ab. Detective Barren wartete.
»Wie kann ich helfen?«, fragte sie.
»Merce, estut mir sehr leid, dass ich es Ihnen sagen muss «
Wie in einer Momentaufnahme sah sieBob Wills an seinem Schreibtisch im Morddezernat sitzen. Es war ein karges, nüchternesGroßraumbüro im grellen Neonlicht, mit Aktenschränken aus Metall und orangeleuchtenden Schreibtischen, deren Signalfarbe auf ihre Weise die entsetzlichenGeschichten spiegelte, die sie in den Gesprächen der Kollegen untereinander oderauch bei Zeugenbefragungen anhören mussten.
»Was?«
Für einen Moment war sie seltsamerregt - im Gegensatz zu der hilflosen Panik in ihrem Alptraum spürte sie jetztso etwas wie einen Nervenkitzel, eine gespannte Erwartung. Als ihr Anruferweiterhin schwieg, breitete sich ein Vakuum in ihrem Magen aus, dann ein flauesGefühl. »Worum geht es?«, fragte sie und merkte, wiesich die neue Empfindung in ihrer Stimme niederschlug.
»Merce,Sie haben eine Nichte «
»Ja, verdammt. Susan Lewis. Siestudiert an der Uni. Was ist mit ihr? Hatte sie einen Unfall?«
In diesem Moment traf sie dieErkenntnis mit aller Wucht: Bob Wills vom Morddezernat. Mord. Mord. Mord. Undsie wusste, worum es bei dem Anruf ging.
»Es tut mir leid«, wiederholteWills, doch seine Stimme kam wie aus der Ferne, und einen Moment lang wünschtesie sich in ihren Traum zurück.
Detective Mercedes Barren zog sich rasch anund machte sich durch die spätsommerliche Nacht zu der Adresse auf den Weg, dieeine fremde Hand notiert zu haben schien; obwohl ihr Herz raste, hatte dieseHand sorgfältig auf dem Block Zahlen und Buchstaben aneinandergereiht. Auch dasGespräch mit dem Kollegen vom Morddezernat hatte jemand anders beendet.Währenddessen hatte Merce miterlebt, wie jemand mitihrer eigenen, ausdruckslos gepressten Stimme nach den näheren Umständen, nachdem Ermittlungsstand, den Namen der mit dem Fall befassten Beamten, nach dem vermutlichenTathergang und ersten Theorien fragte, die man verfolgen wollte. NachZeugenaussagen. Beweismaterial. Hartnäckig widersetzte sich dieser Jemand Detective Wills Ausweichmanövern und begriff sehr schnell,dass der zwar nicht zuständig war, ihr aber sagen konnte, was sie wissen wollte.Dabei schrie alles in ihr auf, und es kostete sie die größte Kraft, ihre Qualzu unterdrücken, die sich in einem lauten Schluchzen Luft machen wollte.
Sie gestattete sich nicht eineneinzigen Gedanken an ihre Nichte.
© Verlag DroemerKnaur
Übersetzung: Anke Kreutzer
- Autor: John Katzenbach
- 2007, 9. Aufl., 679 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Anke Kreutzer
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426636980
- ISBN-13: 9783426636985
- Erscheinungsdatum: 01.10.2007
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