Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
Kater Maurizio und Rabe Jakob in einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit.
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Kater Maurizio und Rabe Jakob in einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit.
Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch von Michael Ende
Zauberei - gleich, ob gute oder böse - ist durchaus keine einfache Angelegenheit. Die meisten Laien glauben zwar, es genüge schon, irgendeine geheime Hokuspokus-Formel zu murmeln, äußerstenfalls gehöre vielleicht noch ein Zauberstab dazu, mit dein man ein bisschen herumfuchtelt wie ein Kapellmeister - und fertig sei die Verwandlung oder Erscheinung oder sonst was.
Aber so ist das eben nicht. In Wirklichkeit ist jede Art von magischer Handlung ungeheuer kompliziert; man braucht dazu ein enormes Wissen, eine Unmenge von Zubehör, Material, das meist sehr schwer zu beschaffen ist, und tagelange, manchmal monatelange Vorbereitung. Dazu kommt noch, dass die Sache immer höchst gefährlich ist, denn schon der kleinste Fehler kann völlig unabsehbare Folgen haben.
Beelzebub Irrwitzer lief mit wehendem Schlafrock durch die Zimmer und Korridore seines Hauses, auf der verzweifelten Suche nach einem Mittel zu seiner Rettung. Dabei wusste er selbst nur zu gut, dass es schon für alles zu spät war. Er stöhnte und seufzte wie ein unseliger Geist und führte gemurmelte Selbstgespräche. Seine Schritte hallten durch die Stille des Hauses.
Gewiss, er konnte sich verwandeln, zum Beispiel in eine Ratte oder einen biederen Schneemann - oder in ein Feld von elektromagnetischen Schwingungen (wodurch er dann allerdings auf allen Fernsehschirmen der Stadt als Bildstörung zu sehen sein würde), aber er wusste genau, dass er damit den Abgesandten seiner Höllischen Exzellenz nicht täuschen konnte. Der würde ihn in jeder Gestalt erkennen.
Ebenso aussichtslos war es, irgendwohin zu fliehen, weit fort, in die Wüste Sahara oder an den Nordpol oder auf die Bergspitzen Tibets, denn räumliche Entfernungen spielten für diesen Besucher überhaupt keine Rolle. Einen Augenblick lang dachte der Zauberer sogar daran, sich im Münster der Stadt hinter dem Altar oder auf dem Turm zu verstecken, aber er verwarf das sofort wieder, denn es schien ihm keineswegs sicher, dass höllische Amtspersonen heutzutage noch irgendwelche Schwierigkeiten haben, dort nach Belieben ein und aus zu gehen.
Irrwitzer eilte durch die Bibliothek, wo in vielen Reihen übereinander uralte Folianten und nagelneue Nachschlagewerke standen. Er überflog die Titel auf den Lederrücken der Bücher. »Abschaffung des Gewissens - ein Lehrgang für Fortgeschrittene« stand da oder »Leitfaden für Brunnenvergiftung« oder »Enzyklopädisches Lexikon der Flüche und Verwünschungen«, aber nichts, was ihm in seiner bedrängten Lage nützen konnte.
Er hastete weiter von Raum zu Raum.
Die Villa Albtraum war ein riesiger, finsterer Kasten, außen voller windschiefer Türmchen und Erker, innen voller verwinkelter Zimmer, krummer Gänge, wackeliger Treppen und spinnwebverhangener Gewölbe - genau so, wie man sich ein richtiges Zauberhaus vorstellt. Irrwitzer selbst hatte einstmals die Pläne zu diesem Haus entworfen, denn in architektonischer Hinsicht war sein Geschmack ganz konservativ. In Stunden guter Laune pflegte er die Villa oft sein »gemütliches kleines Heim« zu nennen. Aber von solchen Scherzen war er im Augenblick weit entfernt.
Er befand sich jetzt in einem langen, finsteren Korridor, an dessen Wänden in hohen Gestellen Hunderte und Tausende von großen Einmachgläsern standen. Es war die Sammlung, die er Herrn Made hatte zeigen wollen, und die er sein »Naturkundemuseum« nannte. In jedem dieser Gläser befand sich ein gefangenes Elementargeistchen. Da gab es alle Sorten von Zwergen, Heinzelmännchen, Koboldchen und Blumenelfen, daneben Undinen und kleine Nixen mit bunten Fischschwänzchen, Wassermännlein und Sylfen, sogar ein paar Feuergeisterchen, Salamander genannt, die sich in Irrwitzers Kamin versteckt gehalten hatten. Alle Behälter waren säuberlich etikettiert und mit der genauen Bezeichnung des Inhalts und dein Datum des Fangs beschriftet.
Die Wesen saßen vollkommen reglos in ihren Gefängnissen, denn der Zauberer hatte sie unter Dauerhypnose gesetzt. Er pflegte sie nur jeweils aufzuwecken, um seine grausamen Experimente an ihnen zu machen.
Übrigens gab es darunter auch ein besonders scheußliches kleines Monster, ein sogenanntes Büchernörgele, im Volksmund auch Klugscheißerchen oder Korinthenkackerli genannt. Diese kleinen Geister verbringen normalerweise ihr Dasein damit, dass sie an Büchern herumnörgeln. Es ist bisher noch nicht eindeutig erforscht, wozu es solche Wesen überhaupt gibt, und der Zauberer hielt sich dieses nur, um durch längere Beobachtung dahinterzukommen. Er war ziemlich sicher gewesen, dass es sich irgendwie für seine Zwecke verwenden ließ. Aber jetzt interessierte es ihn auch nicht mehr. Nur aus Gewohnheit klopfte er im Vorübergehen mit dem Fingerknöchel da und dort an die Glaswand eines Behälters. Nirgends regte sich etwas.
Schließlich gelangte er zu einem bestimmten kleinen Erkerzimmer, auf dessen Tür stand:
KAMMERSÄNGER MAURIZIO DI MAURO.
© Thienemann Verlag
Er zählt heute zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern und war immer ein ausgesprochen vielseitiger Autor. Neben Kinder- und Jugendbüchern hat er poetische Bilderbuchtexte und Bücher für Erwachsene, Theaterstücke, Opernlibretti und Gedichte geschrieben. Viele seiner Bücher wurden verfilmt oder für Funk und Fernsehen bearbeitet. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche deutsche und internationale Preise.
Seine Bücher haben bislang eine weltweite Gesamtauflage von über 20 Millionen erreicht und sind in nahezu 40 Sprachen übersetzt.
- Autor: Michael Ende
- Altersempfehlung: 10 - 12 Jahre
- 2008, 240 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12 x 18,7 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Carlsen
- ISBN-10: 3551358303
- ISBN-13: 9783551358301
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