Der verkaufte Patient
Wie Ärzte und Patienten von der Gesundheitspolitik betrogen werden
Wohin steuert unser Gesundheitswesen?
Immer mehr Patienten, aber auch Ärzte fühlen sich betrogen und sind unsicher.
Krankenschwestern arbeiten für einen Hungerlohn. Alte Menschen verkommen. Aus Patienten werden Kunden,...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Der verkaufte Patient “
Wohin steuert unser Gesundheitswesen?
Immer mehr Patienten, aber auch Ärzte fühlen sich betrogen und sind unsicher.
Krankenschwestern arbeiten für einen Hungerlohn. Alte Menschen verkommen. Aus Patienten werden Kunden, aus Ärzten Händler und aus Krankenhäusern Abfertigungsanlagen.
Renate Hartwig, die kämpferische Sachbuchautorin, hat sich intensiv mit unserem Gesundheitswesen beschäftigt. Sie deckt auf der Grundlage fundierter Recherche Missstände und skandalöse Machenschaften in der Grauzone zwischen Politik und Wirtschaft auf. Sie nennt die Betreiber, Nutznießer und Trittbrettfahrer der Gesundheitsreform und fordert eine systematische Entfilzung von Politik und Lobbyismus. Ziel muss nach Ansicht der Autorin die Rückkehr zu einer humanen Medizin sein, die das Wohl des Patienten wieder in den Mittelpunkt rückt und zu einem neuen Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient führt.
Klappentext zu „Der verkaufte Patient “
Weil mit Gesundheit kein Staat mehr zu machen ist, liefern die Politiker unser Gesundheitssystem an den freien Markt aus. Der kranke Mensch gerät ins Visier von Kapitalgesellschaften, die nur ein Interesse haben: maximale Rendite. Was in Deutschland unter dem Etikett "Gesundheitsreform" läuft, ist Sprengstoff erster Ordnung. Es geht um 240 Milliarden Euro und um den größten jemals inszenierten Betrug am deutschen Bürger, um seine Ausplünderung als Patient. Noch haben die Bürger eine Chance, den Politikern die rote Karte zu zeigen.
Renate Hartwig, die Mutter Courage unter den deutschen Sachbuchautoren, gibt der wachsenden Empörung eine Stimme und klagt an: Krankenschwestern arbeiten für einen Hungerlohn. Alte Menschen verkommen in ihrem Dreck. Aus Patienten werden Kunden, aus Ärzten werden Händler, aus Krankenhäusern werden Abfertigungsanlagen. Und die Hausärzte, die letzten freien Anwälte der Patienten, werden ruiniert und ihrer Existenzgrundlage beraubt, weil sie nicht gleichzuschalten sind.
Lese-Probe zu „Der verkaufte Patient “
Der verkaufte Patient von Renate Hartwig LESEPROBE EinleitungWie viel Geld geben Sie für Gesundheit aus, Sie persönlich? Zählen Sie einmal zusammen, angefangen vom Krankenkassenbeitrag über Zuzahlungen in der Apotheke bis hin zu Vitamintabletten und der Rückenschule im Fitnessstudio. Sie werden schnell merken, was auch allgemeine Zahlen belegen: Das Gesundheitswesen beansprucht einen ordentlichen Brocken in Ihrem Budget. Gesamtwirtschaftlich betrachtet ist es ein beeindruckender Wirtschaftszweig, dessen Prognosen in einer alternden Gesellschaft prachtvoll sind. Für das Gesundheitswesen werden in den kommenden Jahren ordentliche Wachstumsraten erwartet – bis zu 3 Prozent pro Jahr. Im Jahr 2030 werden etwa 4,7 Millionen Menschen im Gesundheitsbereich tätig sein. In zwanzig Jahren, so wollen es die Hochrechnungen derer, die »Gesundheit« schon privatisiert sehen, werden wir pro Jahr nicht 240 Milliarden Euro in diesem Bereich ausgeben, sondern ca. 500 Milliarden Euro. Eine bemerkenswerte Zahl, die nachdenklich macht. Denn sie besagt: Gesundheit wird dann doppelt so teuer sein wie heute. Man könnte auch sagen: Nachdem wir unsere Ausgaben für Krankenkasse, Rezeptzuzahlungen, Vitamintabletten und Rückengymnastik zusammengezählt haben, bleibt nicht mehr viel für den Rest des Lebens.
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Das Gesundheitswesen war lange Zeit eine Domäne des Staates. Inzwischen bindet der Staat aber immer mehr privatwirtschaftliche Unternehmen in diese Aufgabe ein. Von Privatisierung ist die Rede. Privatisierung ist das Herzstück immer neuer Gesundheitsreformen. Privatisierung soll Wettbewerb entfachen und die Kosten dämpfen, die Qualität steigern und die Versorgung der Patienten verbessern. Ich bekenne: Das Wort »Reform«, wenn es aus einem Politikermund kommt, kann ich nicht mehr hören. Jeder halbwegs wache Bürger weiß doch: Wenn ein Politiker »Reform« sagt, geschehen innerhalb kürzester Zeit zwei Dinge: 1. Es funktioniert gar nichts mehr. 2. Die Kosten laufen uns erst recht davon. Bahn, Post, Energie, Rente – wo gibt es ein einziges Beispiel für Spar- und Effizienzeffekte durch Privatisierung? Deshalb lautet meine ganz persönlich Formel für »Reform«: Alles wird doppelt so teuer, aber halb so effizient.
Meine These: Gesundheitsreform ist nur der Deckname für einen undemokratischen und unsozialen Umbau in unserer Gesellschaft, der alle Bürger mit höheren Kosten bestraft und ihnen geringere Leistungen beschert. Aber ist es nicht wahr, dass unser Gesundheitssystem nicht mehr finanzierbar ist? Wir alle wissen doch: Die Kosten laufen uns davon. Es gibt nachhaltige demographische Veränderungen. Wir haben einen Zuwachs an Zivilisationskrankheiten. Sinkende Wachstumsraten in der Wirtschaft und eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit führen zu weniger Beitragszahlern. Wir müssen die Folgekosten der deutschen Einheit tragen. Und schließlich fordert der Fortschritt in der modernen Medizin seinen Tribut. Ich halte dagegen (und werde darin von vielen Fachleuten unterstützt): Es ist mehr als genug Geld da für eine ordentliche gesundheitliche Grundversorgung. Es wird nur für die falschen Dinge ausgegeben. Nehmen wir ein kleines Beispiel: Im Speckgürtel der Stadt München gibt es mehr Computertomographen (CT) als in ganz Italien (!). Italien hatte am 31. 12. 2006 genau 59 131 287 Einwohner. München hatte am 31. 3. 2007, also drei Monate später, genau 1 332 650 Einwohner. Wahrscheinlich ist es das Olivenöl, oder die Münchner leiden an einer besonderen Form von Knochenerweichung, so dass sie derart viele Computertomographen brauchen. Ein einziges dieser Geräte kostet rund 2,5 Millionen Euro – und die müssen sich amortisieren. Also wird am Fließband und rund um die Uhr untersucht. Leerlauf darf es nicht geben. Notfalls wird das halbe Altersheim aus der Nachbarschaft durchleuchtet!
Fazit: Es ist offenkundig jede Menge Geld vorhanden für Geräte, die einen Rattenschwanz an Folgekosten hinter sich herziehen. Bezahlt wird das alles von Ihren Beiträgen!
Doch sehen wir uns zunächst die Ausgangslage an: Das deutsche Gesundheitssystem wird fast ausschließlich über Versichertenbeiträge finanziert. Gut 90 % der Bevölkerung sind über eine gesetzliche Krankenversicherung (GKV) versichert, bis zu einer gewissen Einkommenshöhe sogar pflichtversichert. 9 % der Bevölkerung sind privat krankenversichert. Nur etwa 0,1–0,3 % der Bevölkerung sind ganz ohne Krankenversicherungsschutz. Immer mehr Gesundheitsleistungen werden in Deutschland allerdings nicht mehr über die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt, sondern aus Mitteln der Eigenbeteiligung erbracht (Zuzahlung). Neben dem System staatlicher Leistungen hat sich in den letzten Jahren ein regelrechter »Gesundheitsmarkt« etabliert, der von Wellness-Angeboten über Anti-Aging-Therapien und Fitnessprogrammen bis hin zu Schönheitsoperationen reicht, ein Markt, an dem auch Ärzte und Klinikeinrichtungen teilhaben. Die Rede ist von so genannten »IGeL-Leistungen«, sprich: individuellen Gesundheitsleistungen.
Mit 10,7 % Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) besitzt Deutschland das viertteuerste Gesundheitssystem der Welt. Auf 1000 Einwohner kommen 3,4 niedergelassene Ärzte und 9,7 Krankenpfleger/Krankenschwestern. 2004 arbeiteten 4,2 Millionen Menschen in der Gesundheitswirtschaft, das waren 10,6 % aller Beschäftigten. Die sogenannten Krankheitskosten beliefen sich im Jahr 2006 auf insgesamt 234 Milliarden Euro; pro Mann waren das 2240 Euro, pro Frau 3160 Euro. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006 verteilten sich wie folgt: 34,0 % Krankenhausbehandlung, 17,5 % Arzneimittel, 15,1 % ärztliche Behandlung, 5,5 % Verwaltungskosten, 5,2 % zahnärztliche Behandlung, 3,9 % Krankengeld, 3,1 % Hilfsmittel, 2,5 % Heilmittel, 2,0 % Fahrtkosten, 1,6 % Vorsorge und Reha-Maßnahmen, 1,4 % häusliche Krankenpflege; der Rest, immerhin 8,2 %, wurde für Sonstiges ausgegeben.
Warum sind mächtige Gruppen so heftig am Umbau unseres Gesundheitssystems interessiert, der unter dem Decknamen »Gesundheitsreform« vorangetrieben wird. Mehr noch: Warum möchten sie diesen Umbau steuern? Die Antwort ist eindeutig: Es ist die Aussicht auf hohe Gewinne, die private Investoren anlockt. Und dass im Gesundheitswesen künftig ordentlich verdient werden kann, dafür sprechen handfeste Gründe:
1. »Gesundheit« ist ein Produkt, das – greift man auf die Kategorien nice to have und must have zurück – eindeutig ein must have ist. Kaugummi muss niemand haben, er ist nice to have – aber Gesundheit braucht jeder, sie ist ein must have. Gesundheit ist nicht alles, heißt es, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. In den Augen der meisten Menschen ist Gesundheit deshalb das höchste Gut. Manch einer opfert sein Vermögen, rennt von Arzt zu Arzt, testet jede nur denkbare und Hoffnung vermittelnde Therapie, um von seinen Leiden erlöst zu werden. Bei der Gesundheit geht es buchstäblich um Kopf und Kragen. Das wissen die Anbieter von Gesundheitsprodukten und Gesundheitsdienstleistungen, und sie spielen geschickt auf dieser Klaviatur. Sie wissen, dass viele Menschen für die Wiedererlangung ihrer Gesundheit jeden Preis bezahlen würden. Und weil es die natürliche Logik jedes Wirtschaftsunternehmens ist, werden die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen alles daransetzen, dass erstens auch jeder Preis gezahlt wird und zweitens sie an genau der Stelle sitzen, an der das must-have-Produkt, die must-have-Dienstleistung, nachgefragt wird. Marketing orientiert sich bei der Preisgestaltung übrigens keineswegs primär an den Gestehungskosten eines Produkts; es versucht den Preis zu bekommen, der beim Kunden gerade noch durchsetzbar ist.
2. Wir leben in einer Gesellschaft, in der unglaublich viel Geld gehortet wird. Menschen werden alt und haben bedeutende Vermögen angespart. Diese Reserven haben die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen im Blick. Der Zugriff erfolgt nicht mit vorgehaltener Maschinenpistole. Die Leute geben ihr Geld ja freiwillig her, weil Gesundheit in unserer wohlhabenden Gesellschaft einen extrem hohen Stellenwert hat. Je wohlhabender eine Gesellschaft ist, desto mehr lässt sie sich ihre Gesundheit kosten. Die Businesspläne der Gesundheitskonzerne von morgen rechnen heute schon mit der bekannten Einsicht des Philosophen Voltaire: »In der ersten Hälfte unseres Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu verdienen. In der zweiten Hälfte unseres Lebens opfern wir das Geld, um unsere Gesundheit wiederzuerlangen.« Sollte je eine Gesundheitsindustrie ohne jegliche staatliche Kontrolle bei uns Wirklichkeit werden (und vieles spricht dafür), so dürfen wir eine Orwellsche Welt erwarten: Das »System« wird radikal alles in die Hand bekommen, was nur entfernt nach Gesundheit riecht; es wird alle Einrichtungen besitzen, alle Personen kontrollieren, alle Pflegekräfte, alle Ärzte. Freie Ärzte wird es nicht mehr geben. Man wird sie auf Linie bringen und zu Funktionären eines renditeorientierten Systems umschulen. Noch operieren die Investoren im Hintergrund, agieren als Partner von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Aber diese Verhältnisse sind in den USA längst an der Tagesordnung, und sie nahen mit atemberaubender Geschwindigkeit. Wann werden bei uns die Markennamen der Pharmariesen und Gesundheitsunternehmen auf den Kitteln der Ärzte und Pfleger prangen?
Ein kleiner Hinweis noch, bevor es losgeht: Für dieses Buch sollten Sie einen grünen und einen roten Stift bereitlegen. Bei allem, was Sie in Zukunft noch haben wollen, machen Sie einen grünen Punkt an den Rand, bei allem, was Sie ablehnen, einen roten.
Finden Sie es beispielsweise eine tolle Idee, dass Sie in Zukunft über ein Callcenter Ihrer Krankenkasse betreut werden statt von Ihrem Hausarzt, machen Sie einen grünen Punkt an die Seite. Wenn Sie das allerdings für Schwachsinn3 (sprich: Schwachsinn hoch drei) halten, dann setzen Sie einen roten Punkt. Sie führen damit ein einfaches und überschaubares Punktesystem ein, um das Sie jeder Kassenarzt beneidet. Denn bei allem, was Ärzte an Patienten diagnostisch und therapeutisch tun, müssen sie »Punkte« notieren; das ist die Grundlage des Abrechnungsverfahrens mit den Krankenkassen. Mit Recht halten die Ärzte das für Schwachsinn3; sie zahlen bei diesem System, zu dem sie durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gezwungen werden, Punkt für Punkt drauf.
Ihr Punktesystem allerdings lohnt sich. Denn aus der Addition der Dos and Don’ts ergeben sich klare politische Forderungen, an denen Sie Politiker und Parteien messen können. Dass ein Callcenter besser als ein Hausarzt ist – davon ist derzeit nämlich die Politik überzeugt, auch wenn 99 % der Bevölkerung dies wahrscheinlich für Schwachsinn3 halten. Trotzdem wird es durchgesetzt – ohne jede Rücksicht auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse. Ein Querdenker im Politikgeschäft, Friedrich Merz, hat von den »sog. Gesundheitsreformen« gesprochen, weshalb er auch wohl auch raus ist aus diesem Geschäft. Ich stimme ihm zu, zumindest in diesem Punkt. Warum, das werden Sie sehen, wenn Sie dieses Buch lesen.
© Pattloch Verlag
Meine These: Gesundheitsreform ist nur der Deckname für einen undemokratischen und unsozialen Umbau in unserer Gesellschaft, der alle Bürger mit höheren Kosten bestraft und ihnen geringere Leistungen beschert. Aber ist es nicht wahr, dass unser Gesundheitssystem nicht mehr finanzierbar ist? Wir alle wissen doch: Die Kosten laufen uns davon. Es gibt nachhaltige demographische Veränderungen. Wir haben einen Zuwachs an Zivilisationskrankheiten. Sinkende Wachstumsraten in der Wirtschaft und eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit führen zu weniger Beitragszahlern. Wir müssen die Folgekosten der deutschen Einheit tragen. Und schließlich fordert der Fortschritt in der modernen Medizin seinen Tribut. Ich halte dagegen (und werde darin von vielen Fachleuten unterstützt): Es ist mehr als genug Geld da für eine ordentliche gesundheitliche Grundversorgung. Es wird nur für die falschen Dinge ausgegeben. Nehmen wir ein kleines Beispiel: Im Speckgürtel der Stadt München gibt es mehr Computertomographen (CT) als in ganz Italien (!). Italien hatte am 31. 12. 2006 genau 59 131 287 Einwohner. München hatte am 31. 3. 2007, also drei Monate später, genau 1 332 650 Einwohner. Wahrscheinlich ist es das Olivenöl, oder die Münchner leiden an einer besonderen Form von Knochenerweichung, so dass sie derart viele Computertomographen brauchen. Ein einziges dieser Geräte kostet rund 2,5 Millionen Euro – und die müssen sich amortisieren. Also wird am Fließband und rund um die Uhr untersucht. Leerlauf darf es nicht geben. Notfalls wird das halbe Altersheim aus der Nachbarschaft durchleuchtet!
Fazit: Es ist offenkundig jede Menge Geld vorhanden für Geräte, die einen Rattenschwanz an Folgekosten hinter sich herziehen. Bezahlt wird das alles von Ihren Beiträgen!
Doch sehen wir uns zunächst die Ausgangslage an: Das deutsche Gesundheitssystem wird fast ausschließlich über Versichertenbeiträge finanziert. Gut 90 % der Bevölkerung sind über eine gesetzliche Krankenversicherung (GKV) versichert, bis zu einer gewissen Einkommenshöhe sogar pflichtversichert. 9 % der Bevölkerung sind privat krankenversichert. Nur etwa 0,1–0,3 % der Bevölkerung sind ganz ohne Krankenversicherungsschutz. Immer mehr Gesundheitsleistungen werden in Deutschland allerdings nicht mehr über die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt, sondern aus Mitteln der Eigenbeteiligung erbracht (Zuzahlung). Neben dem System staatlicher Leistungen hat sich in den letzten Jahren ein regelrechter »Gesundheitsmarkt« etabliert, der von Wellness-Angeboten über Anti-Aging-Therapien und Fitnessprogrammen bis hin zu Schönheitsoperationen reicht, ein Markt, an dem auch Ärzte und Klinikeinrichtungen teilhaben. Die Rede ist von so genannten »IGeL-Leistungen«, sprich: individuellen Gesundheitsleistungen.
Mit 10,7 % Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) besitzt Deutschland das viertteuerste Gesundheitssystem der Welt. Auf 1000 Einwohner kommen 3,4 niedergelassene Ärzte und 9,7 Krankenpfleger/Krankenschwestern. 2004 arbeiteten 4,2 Millionen Menschen in der Gesundheitswirtschaft, das waren 10,6 % aller Beschäftigten. Die sogenannten Krankheitskosten beliefen sich im Jahr 2006 auf insgesamt 234 Milliarden Euro; pro Mann waren das 2240 Euro, pro Frau 3160 Euro. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006 verteilten sich wie folgt: 34,0 % Krankenhausbehandlung, 17,5 % Arzneimittel, 15,1 % ärztliche Behandlung, 5,5 % Verwaltungskosten, 5,2 % zahnärztliche Behandlung, 3,9 % Krankengeld, 3,1 % Hilfsmittel, 2,5 % Heilmittel, 2,0 % Fahrtkosten, 1,6 % Vorsorge und Reha-Maßnahmen, 1,4 % häusliche Krankenpflege; der Rest, immerhin 8,2 %, wurde für Sonstiges ausgegeben.
Warum sind mächtige Gruppen so heftig am Umbau unseres Gesundheitssystems interessiert, der unter dem Decknamen »Gesundheitsreform« vorangetrieben wird. Mehr noch: Warum möchten sie diesen Umbau steuern? Die Antwort ist eindeutig: Es ist die Aussicht auf hohe Gewinne, die private Investoren anlockt. Und dass im Gesundheitswesen künftig ordentlich verdient werden kann, dafür sprechen handfeste Gründe:
1. »Gesundheit« ist ein Produkt, das – greift man auf die Kategorien nice to have und must have zurück – eindeutig ein must have ist. Kaugummi muss niemand haben, er ist nice to have – aber Gesundheit braucht jeder, sie ist ein must have. Gesundheit ist nicht alles, heißt es, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. In den Augen der meisten Menschen ist Gesundheit deshalb das höchste Gut. Manch einer opfert sein Vermögen, rennt von Arzt zu Arzt, testet jede nur denkbare und Hoffnung vermittelnde Therapie, um von seinen Leiden erlöst zu werden. Bei der Gesundheit geht es buchstäblich um Kopf und Kragen. Das wissen die Anbieter von Gesundheitsprodukten und Gesundheitsdienstleistungen, und sie spielen geschickt auf dieser Klaviatur. Sie wissen, dass viele Menschen für die Wiedererlangung ihrer Gesundheit jeden Preis bezahlen würden. Und weil es die natürliche Logik jedes Wirtschaftsunternehmens ist, werden die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen alles daransetzen, dass erstens auch jeder Preis gezahlt wird und zweitens sie an genau der Stelle sitzen, an der das must-have-Produkt, die must-have-Dienstleistung, nachgefragt wird. Marketing orientiert sich bei der Preisgestaltung übrigens keineswegs primär an den Gestehungskosten eines Produkts; es versucht den Preis zu bekommen, der beim Kunden gerade noch durchsetzbar ist.
2. Wir leben in einer Gesellschaft, in der unglaublich viel Geld gehortet wird. Menschen werden alt und haben bedeutende Vermögen angespart. Diese Reserven haben die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen im Blick. Der Zugriff erfolgt nicht mit vorgehaltener Maschinenpistole. Die Leute geben ihr Geld ja freiwillig her, weil Gesundheit in unserer wohlhabenden Gesellschaft einen extrem hohen Stellenwert hat. Je wohlhabender eine Gesellschaft ist, desto mehr lässt sie sich ihre Gesundheit kosten. Die Businesspläne der Gesundheitskonzerne von morgen rechnen heute schon mit der bekannten Einsicht des Philosophen Voltaire: »In der ersten Hälfte unseres Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu verdienen. In der zweiten Hälfte unseres Lebens opfern wir das Geld, um unsere Gesundheit wiederzuerlangen.« Sollte je eine Gesundheitsindustrie ohne jegliche staatliche Kontrolle bei uns Wirklichkeit werden (und vieles spricht dafür), so dürfen wir eine Orwellsche Welt erwarten: Das »System« wird radikal alles in die Hand bekommen, was nur entfernt nach Gesundheit riecht; es wird alle Einrichtungen besitzen, alle Personen kontrollieren, alle Pflegekräfte, alle Ärzte. Freie Ärzte wird es nicht mehr geben. Man wird sie auf Linie bringen und zu Funktionären eines renditeorientierten Systems umschulen. Noch operieren die Investoren im Hintergrund, agieren als Partner von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Aber diese Verhältnisse sind in den USA längst an der Tagesordnung, und sie nahen mit atemberaubender Geschwindigkeit. Wann werden bei uns die Markennamen der Pharmariesen und Gesundheitsunternehmen auf den Kitteln der Ärzte und Pfleger prangen?
Ein kleiner Hinweis noch, bevor es losgeht: Für dieses Buch sollten Sie einen grünen und einen roten Stift bereitlegen. Bei allem, was Sie in Zukunft noch haben wollen, machen Sie einen grünen Punkt an den Rand, bei allem, was Sie ablehnen, einen roten.
Finden Sie es beispielsweise eine tolle Idee, dass Sie in Zukunft über ein Callcenter Ihrer Krankenkasse betreut werden statt von Ihrem Hausarzt, machen Sie einen grünen Punkt an die Seite. Wenn Sie das allerdings für Schwachsinn3 (sprich: Schwachsinn hoch drei) halten, dann setzen Sie einen roten Punkt. Sie führen damit ein einfaches und überschaubares Punktesystem ein, um das Sie jeder Kassenarzt beneidet. Denn bei allem, was Ärzte an Patienten diagnostisch und therapeutisch tun, müssen sie »Punkte« notieren; das ist die Grundlage des Abrechnungsverfahrens mit den Krankenkassen. Mit Recht halten die Ärzte das für Schwachsinn3; sie zahlen bei diesem System, zu dem sie durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gezwungen werden, Punkt für Punkt drauf.
Ihr Punktesystem allerdings lohnt sich. Denn aus der Addition der Dos and Don’ts ergeben sich klare politische Forderungen, an denen Sie Politiker und Parteien messen können. Dass ein Callcenter besser als ein Hausarzt ist – davon ist derzeit nämlich die Politik überzeugt, auch wenn 99 % der Bevölkerung dies wahrscheinlich für Schwachsinn3 halten. Trotzdem wird es durchgesetzt – ohne jede Rücksicht auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse. Ein Querdenker im Politikgeschäft, Friedrich Merz, hat von den »sog. Gesundheitsreformen« gesprochen, weshalb er auch wohl auch raus ist aus diesem Geschäft. Ich stimme ihm zu, zumindest in diesem Punkt. Warum, das werden Sie sehen, wenn Sie dieses Buch lesen.
© Pattloch Verlag
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Bibliographische Angaben
- Autor: Renate Hartwig
- 2008, 283 Seiten, Maße: 12,5 x 20,8 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Pattloch
- ISBN-10: 3629022049
- ISBN-13: 9783629022042
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