Bestellnummer: 5533307
- Kauf auf Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
18.50 €
18.50 €
12.40 €
Feuer und Blut - Aufstieg und Fall des Hauses Targaryen von Westeros
George R. R. Martin
26.80 €
16.50 €
18.50 €
17.40 €
15.50 €
17.50 €
20.60 €
17.50 €
18.50 €
24.70 €
12.10 €
17.50 €
30.90 €
12.40 €
18.50 €
18.50 €
16.50 €
16.50 €
18.50 €
18.50 €
Der Thron der Sieben Königreiche / Das Lied von Eis und Feuer Bd.3
George R. R. Martin
18.50 €
16.50 €
18.50 €
134.99 €
17.99 €
17.99 €
50.40 €
George R.R. Martins Game of Thrones - Königsfehde (Collectors Edition)
George R. R. Martin, Mel Rubi, Landry Q. Walker
35.00 €
George R.R. Martins Game of Thrones - Königsfehde
George R. R. Martin, Mel Rubi, Landry Q. Walker
24.70 €
30.90 €
18.50 €
18.50 €
8.99 €
9.99 €
24.60 €
ALAYNE
Als die aufgehende Sonne durch die Fenster hereinschien, setzte sich Alayne im Bett auf und räkelte sich. Gretchel hörte, dass sie sich rührte, und stand sofort auf, um ihren Morgenrock zu holen. In der Nacht war es kalt geworden. Wenn der Winter uns erst im Griff hält, wird es noch schlimmer, dachte sie. Im Winter herrscht hier eine Kälte wie in einer Gruft. Alayne schlüpfte in die Robe und verknotete die Kordel. »Das Feuer ist fast aus«, stellte sie fest. »Würdest du bitte ein Scheit nachlegen?«
»Wie Mylady wünscht«, sagte die alte Frau.
Alaynes Gemächer im Jungfrauenturm waren größer und luxuriöser als das kleine Schlafgemach, das Lady Lysa ihr zugewiesen hatte, bevor sie gestorben war. Sie hatte ein Ankleidezimmer und einen eigenen Abtritt, dazu einen Balkon aus behauenem weißem Stein, von dem aus sie das Grüne Tal überblicken konnte. Während Gretchel sich um das Feuer kümmerte, tappte Alayne barfuß durch den Raum und schlich hinaus. Der Stein unter ihren Füßen war eisig, der Wind wehte kräftig, wie stets hier oben, doch der Ausblick ließ sie für einen halben Herzschlag all das vergessen. Der Jungfrauenturm war der östlichste der sieben schlanken Türme von Hohenehr, und so lag das ganze Grüne Tal mit seinen Wäldern und Flüssen und Feldern im diesigen Morgenlicht vor ihr ausgebreitet da. Die Sonne strahlte die Berge an und ließ sie wie gediegenes Gold glänzen.
Wunderschön. Der in Schnee gehüllte Gipfel der Riesenlanze ragte über ihr auf, ein Riese aus Stein und Eis, neben dem die Burg auf seiner Schulter wie ein Zwerg wirkte. Eiszapfen von sechs Metern Länge hingen über den Rand der Felswand, über den im Sommer Alyssas Tränen in die Tiefe stürzten. Ein Falke kreiste mit weit in den Morgenhimmel gebreiteten blauen Flügeln über dem gefrorenen Wasserfall. Wenn ich nur auch Flügel hätte.
Sie legte die Hände auf die Steinbrüstung und zwang sich, über die Kante zu spähen. Über einhundertachtzig Meter unter sich konnte sie die Himmelsburg und die in den Fels gehauenen Stufen sehen, den gewundenen Weg, der an der Schneeburg und der Steinburg vorbei hinabführte bis zur Talsohle. Sie sah die Türme und Bergfriede der Tore des Mondes, klein wie Kinderspielzeuge. Vor den Mauern kam gerade Bewegung in die Heere der Lords der Deklaration, und die Soldaten krochen wie Ameisen in ihrem Hügel aus den Zelten. Wenn es nur wirklich Ameisen wären, dachte sie, könnten wir sie einfach zertreten.
Vor zwei Tagen war der Junge Lord Jäger mit seinen Truppen eingetroffen. Nestor Rois hatte ihm zwar die Tore vor der Nase zugeschlagen, doch er hatte weniger als dreihundert Mann in der Burg. Von den Lords der Deklaration hatte jeder tausend mitgebracht, und sie waren zu sechst. Alayne kannte ihre Namen so gut wie ihren eigenen. Benedar Belmor, Lord von Starklied. Symond Tempelheim, der Ritter von Neunsternen. Hortan Rotfest, Lord von Rotfest. Anya Waynwald, Lady von Eiseneichen. Gilwald Jäger, von jedermann der Junge Lord Jäger genannt, Lord von Langbogenhall. Und Yohn Rois, der mächtigste von ihnen allen, der Furcht einflößende Bronze Yohn, Lord von Runenstein, Nestors Vetter und Oberhaupt des älteren Zweigs des Hauses Rois. Die sechs hatten sich nach Lysa Arryns Sturz in Runenstein getroffen und dort ein Bündnis geschmiedet, in dem sie sich verpflichteten, Lord Robert, das Grüne Tal und einander zu verteidigen. In ihrer Deklaration hatten sie den Lord Protektor nicht erwähnt, sprachen jedoch von »schlechter Regierung«, die beendet werden müsse, und auch von »falschen Freunden und schlechten Beratern«.
Eine kalte Bö wehte um ihre Beine. Sie ging hinein und wählte ein Kleid für das Frühstück. Petyr hatte ihr die Garderobe seiner verstorbenen Gemahlin überlassen, einen Schatz aus Seide, Satin, Samt und Pelzen, der alles übertraf, was sie sich je erträumt hatte, wenngleich ihr das meiste davon zu groß war; Lady Lysa hatte im Laufe ihrer vielen Schwangerschaften, Fehl- und Totgeburten deutlich zugenommen. Einige der ältesten Kleider, die noch für die junge Lysa Tully von Schnellwasser genäht worden waren, und ein paar andere, die Gretchel hatte ändern können, passten Alayne, die mit dreizehn schon fast so lange Beine hatte wie ihre Tante mit zwanzig.
An diesem Morgen fiel ihr Blick auf ein buntes Kleid im Rot und Blau der Tullys mit einem Saum aus Grauwerk. Gretchel half ihr, die Arme durch die Glockenärmel zu schieben, und schnürte ihr das Rückenteil. Dann bürstete sie das Haar und steckte es hoch. Alayne hatte es gestern Abend vor dem Schlafengehen erneut dunkel gefärbt. Das Mittel, das ihre Tante ihr gegeben hatte, verwandelte ihr leuchtendes goldbraunes Haar in ein stumpfes Braun, doch dauerte es selten lange, bis der Rotton am Ansatz wieder durchschimmerte. Und was soll ich tun, wenn mir das Färbemittel ausgeht? Es stammte aus Tyrosh jenseits der Meerenge.
Unterwegs zum Frühstück wurde sich Alayne abermals der Stille bewusst, die auf der Ehr herrschte. In den Sieben Königslanden gab es keine ruhigere Burg. Die wenigen Diener waren alt und hielten die Stimmen gesenkt, um den jungen Lord nicht aufzuregen. Auf dem Berg gab es keine Pferde, keine Hunde, die bellten und knurrten, keine Ritter, die sich im Hof im Kampf übten. Sogar die Schritte der Wachen wirkten eigenartig gedämpft, wenn sie durch die hellen Steinhallen schritten. Alayne hörte das Seufzen und Ächzen des Windes, der um die Türme strich, doch das war alles. Als sie auf der Ehr angekommen war, hatten zumindest Alyssas Tränen noch gemurmelt, doch jetzt war der Wasserfall eingefroren. Gretchel sagte, bis zum Frühjahr würde es so still bleiben.
Sie fand Lord Robert allein in der Morgenhalle über der Küche vor, wo er mit dem Holzlöffel lustlos in seiner großen Schüssel honiggesüßten Haferbreis rührte. »Ich wollte Eier«, beklagte er sich, als er sie erblickte. »Ich wollte drei weichgekochte Eier und ein bisschen Schinken.«
Sie hatten keine Eier mehr und auch keinen Schinken. In den Kornspeichern von Hohenehr gab es reichlich Hafer und Weizen und Gerste, genug, um sie alle ein Jahr zu ernähren, doch was frische Lebensmittel anging, waren sie von einem Bastardmädchen namens Mya Stein abhängig, die derlei Vorräte aus dem Tal heraufbrachte. Da die Lords der Deklaration am Fuß des Berges lagerten, gab es für Mya kein Durchkommen. Lord Belmor, der als Erster von den sechs an den Toren eingetroffen war, hatte Kleinfinger einen Raben mit der Botschaft geschickt, dass keine weiteren Lebensmittel mehr nach Hohenehr durchgelassen würden, bis er nicht Lord Robert heruntergeschickt habe. Zwar handelte es sich nicht direkt um eine Belagerung, allerdings fehlte auch nicht mehr viel daran.
»Ihr bekommt Eier, wenn Mya kommt, so viele, wie Ihr mögt«, versprach Alayne dem kleinen Lord. »Sie bringt Eier und Butter und Melonen, ganz viele leckere Sachen.«
Den Jungen besänftigte das nicht. »Ich will die Eier aber heute.«
»Süßrobin, wir haben keine Eier, Ihr wisst das. Bitte, esst Euren Haferbrei, er schmeckt sehr gut.« Sie aß selbst einen Löffel.
Robert schob seinen Löffel in der Schale hin und her, brachte ihn jedoch nicht zum Mund. »Ich habe keinen Hunger«, entschied er. »Ich will wieder ins Bett. Letzte Nacht habe ich überhaupt nicht geschlafen. Ich habe Gesang gehört. Maester Colemon hat mir Traumwein gegeben, aber ich konnte das Singen trotzdem hören.«
Alayne legte ihren Löffel hin. »Ich hätte es auch hören müssen, wenn jemand gesungen hätte. Ihr habt schlecht geträumt, mehr nicht.«
»Nein, es war kein Traum.« Die Tränen standen ihm in den Augen. »Marillion hat wieder gesungen. Dein Vater sagt, er sei tot, aber das ist er nicht.«
»Ist er doch.« Es jagte ihr einen Schrecken ein, wenn er so redete. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er klein und kränklich ist; wenn er nun auch noch verrückt ist? »Süßrobin, er ist tot. Marillion liebte Eure Hohe Mutter zu sehr und konnte nicht mehr mit dem Gedanken leben, was er ihr angetan hat, daher ist er in den Himmel gegangen.« Alayne hatte die Leiche nicht gesehen und Robert ebenfalls nicht, dennoch zweifelte sie nicht am Tod des Sängers. »Er ist tot, wirklich.«
»Trotzdem höre ich ihn jede Nacht. Sogar, wenn ich die Fensterläden schließe und mir ein Kissen über den Kopf ziehe. Dein Vater hätte ihm die Zunge rausreißen sollen. Ich habe es ihm gesagt, aber er hat es nicht gemacht.«
Er brauchte die Zunge, um sein Geständnis ablegen zu können. »Seid ein guter Junge und esst Euren Haferbrei«, bat Alayne. »Bitte? Für mich?«
»Ich will keinen Haferschleim.« Robert schleuderte seinen Löffel durch die Halle. Der Löffel prallte von einem Wandteppich ab und hinterließ verschmierten Brei auf einem weißen Seidenmond. »Der Lord will Eier!«
»Der Lord wird Haferschleim essen und dankbar dafür sein«, sagte Petyrs Stimme hinter ihnen.
Alayne wandte sich um und entdeckte ihn mit Maester Colemon im Türbogen. »Ihr solltet auf den Lord Protektor hören, Mylord«, pflichtete der Maester bei. »Die Vasallen Eurer Lordschaft kommen auf den Berg, um Euch zu huldigen, dafür braucht Ihr Eure ganze Kraft.«
Robert rieb sich das linke Auge mit einem Fingerknöchel. »Schickt sie fort. Ich will sie nicht sehen. Wenn sie kommen, lasse ich sie fliegen.«
»Ihr führt mich sehr in Versuchung, Mylord, nur leider habe ich ihnen freies Geleit zugesagt«, erwiderte Petyr. »Jedenfalls ist es zu spät, um sie zurückzuschicken. Inzwischen werden sie wohl schon bis zur Steinburg hinaufgestiegen sein.«
»Warum lassen sie uns nicht in Ruhe?«, beklagte sich Alayne. »Wir haben ihnen doch nichts getan. Was wollen sie von uns?«
»Nur Lord Robert. Ihn und das Grüne Tal.« Petyr lächelte. »Sie werden zu acht kommen. Lord Nestor begleitet sie, und sie haben Lyn Corbray bei sich. Ser Lyn ist nicht die Sorte Mann, die gern zurückbleibt, wenn Aussicht auf Blutvergießen besteht.«
Seine Worte trugen wenig dazu bei, ihre Ängste zu besänftigen. Lyn Corbray hatte fast ebenso viele Männer in Duellen getötet wie in der Schlacht. Seine Sporen hatte er sich während Roberts Rebellion verdient, wie sie wusste, als er zuerst vor den Toren von Möwenstadt gegen Lord Jon Arryn und später unter seinem Banner am Trident gekämpft hatte, wo er Prinz Lewyn von Dorne erschlagen hatte, einen weißen Ritter der Königsgarde. Petyr behauptete, Prinz Lewyn sei schon schwer verwundet gewesen, als ihn die Wogen der Schlacht zu seinem letzten Tanz mit Lady Einsam trugen, doch er fügte hinzu: »Das Thema schneidet man lieber nicht an, wenn Corbray zugegen ist. Tut man es trotzdem, bekommt man bald Gelegenheit, Martell persönlich nach der Wahrheit zu fragen, und zwar unten in den Hallen der Hölle.« Falls nur die Hälfte dessen stimmte, was sie von Lord Roberts Wachen gehört hatte, war Lyn Corbray gefährlicher als die übrigen sechs Lords der Deklaration zusammen. »Warum kommt er mit?«, fragte sie. »Ich dachte, die Corbrays stehen auf Eurer Seite.«
»Lord Lyonel steht meiner Regierung wohlwollend gegenüber«, antwortete Petyr, »aber sein Bruder geht eigene Wege. Als ihr Vater am Trident verwundet zu Boden ging, war es Lyn, der sich Lady Einsam schnappte und den Mann erschlug, der dem alten Herrn die Klinge in den Leib gestoßen hatte. Während Lyonel den alten Mann nach hinten zu den Maestern trug, führte Lyn seinen Angriff gegen die Dornischen, die Roberts Linke bedrohten, zermalmte ihre Linien und erschlug Lewyn Martell. Daher überließ der alte Lord Corbray im Tode die Lady seinem jüngeren Sohn. Lyonel bekam das Land, den Titel, die Burg und die Münzen und fühlte sich trotzdem um sein Geburtsrecht betrogen, derweil Ser Lyn ... nun, er liebt Lyonel ungefähr genauso sehr wie mich. Er wollte Lysas Hand für sich.«
»Ich mag Ser Lyn nicht«, beharrte Robert. »Ich will ihn nicht hier haben. Ihr schickt ihn wieder nach unten. Ich habe nie gesagt, dass er kommen darf. Nicht hierher. Hohenehr ist uneinnehmbar, hat Mutter immer gesagt.«
»Eure Mutter ist tot, Mylord. Bis zu Eurem sechzehnten Namenstag herrsche ich in Hohenehr.« Petyr wandte sich an die gebeugte Dienerin, die an der Treppe zur Küche wartete. »Mela, hol seiner Lordschaft einen neuen Löffel. Er möchte seinen Haferbrei essen.«
»Will ich nicht! Ich lasse meinen Haferbrei fliegen!« Diesmal schleuderte Robert die Schale durch den Raum samt dem ganzen Haferschleim mit Honig. Petyr Baelish duckte sich gewandt zur Seite, doch Maester Colemon war nicht schnell genug. Die Holzschüssel traf ihn direkt auf die Brust, der Inhalt spritzte ihm auf Gesicht und Schultern. Er schrie in höchst unmaesterlicher Weise auf, während Alayne versuchte, den kleinen Lord zu beruhigen, doch zu spät: Der Anfall hatte begonnen. Ein Krug Milch kippte um, als Robert ihn mit seinem fuchtelnden Arm traf. Der Lord versuchte aufzustehen, stieß jedoch den Stuhl um und stürzte darauf. Ein Fuß traf Alayne so hart in den Bauch, dass ihr die Luft aus den Lungen wich. »Oh, bei den guten Göttern«, hörte sie Petyr angewidert sagen.
Haferbreiklümpchen klebten in Gesicht und Haar des Maesters, der sich über seinen Schutzbefohlenen beugte und beruhigende Worte murmelte. Ein Klecks kroch langsam über seine rechte Wange wie eine klumpige braune Träne. Wenigstens ist dieser Anfall nicht so schlimm wie der letzte, dachte Alayne, um sich Mut zu machen. Als das Zittern nachließ, waren zwei Wachen in himmelblauen Umhängen und silbernen Kettenhemden auf einen Wink Petyrs herbeigeeilt. »Bringt ihn zurück ins Bett, und lasst ihn zur Ader«, sagte der Lord Protektor, und der größere der beiden Männer nahm den Jungen auf die Arme. Ich könnte ihn selbst tragen, dachte Alayne. Er ist nicht schwerer als eine Puppe.
Colemon verweilte noch einen Moment, ehe er folgte. »Mylord, diese Verhandlungen sollten auf einen anderen Tag verschoben werden. Seit dem Tod von Lady Lysa sind die Anfälle seiner Lordschaft schlimmer geworden. Häufiger und stärker. Ich lasse das Kind so oft zur Ader, wie ich es nur wage, und ich mische Traumwein und Mohnblumenmilch, damit er schlafen kann, aber ... «
»Er schläft zwölf Stunden am Tag«, entgegnete Petyr. »Von Zeit zu Zeit brauche ich ihn wach.«
Der Maester kämmte sich das Haar mit den Fingern aus, und Haferbrei tropfte zu Boden. »Lady Lysa hat seiner Lordschaft stets die Brust gegeben, wenn er überreizt war. Erzmaester Ebros behauptet, Muttermilch habe viele heilsame Eigenschaften.«
»Ist das Euer Rat, Maester? Dass wir eine Amme für den Lord von Hohenehr und Hüter des Grünen Tals suchen sollen? Wann sollen wir ihn denn entwöhnen, an seinem Hochzeitstag? Auf diese Weise kann er von der Zitze seiner Amme gleich an die Zitze seiner Gemahlin wechseln.« Lord Petyrs Lachen ließ keinen Zweifel daran, was er von diesem Vorschlag hielt. »Nein, ich glaube nicht. Ich würde vorschlagen, Ihr findet einen anderen Weg. Der Junge mag doch Süßes, nicht wahr?«
»Süßes?«, fragte Colemon.
»Süßes. Kuchen und Kekse, Marmelade und Gelee, Honigwaben. Vielleicht gebt Ihr ihm ein wenig Schlafsüß in die Milch, habt Ihr das schon versucht? Nur eine Prise, um ihn zu beruhigen und dieses erbärmliche Schütteln zu verhindern.«
»Eine Prise?« Der Apfel in der Kehle des Maesters bewegte sich auf und ab, während er schluckte. »Eine kleine Prise ... vielleicht, vielleicht. Nicht zu viel und nicht zu oft, ja, das könnte ich probieren ... «
»Eine Prise«, sagte Lord Petyr, »bevor Ihr ihn zu dem Treffen mit den Lords bringt.«
»Wie Ihr befehlt, Mylord.« Der Maester eilte davon, und seine Kette klimperte leise bei jedem Schritt.
»Vater«, fragte Alayne, nachdem er gegangen war, »möchtet Ihr eine Schale Haferbrei zum Frühstück?«
»Ich verabscheue Haferbrei.« Er schaute sie mit Kleinfingers Augen an. »Lieber wäre mir ein Kuss zum Frühstück.«
Eine gute Tochter würde ihrem Vater einen Kuss nicht verweigern, also ging Alayne zu ihm, küsste ihn flüchtig und trocken auf die Wange und zog sich genauso schnell wieder zurück.
»Wie ... pflichtschuldig.« Kleinfinger lächelte mit dem Mund, aber nicht mit den Augen. »Nun, wie es der Zufall will, habe ich noch andere Pflichten für dich. Sag dem Koch, er möge etwas roten Wein mit Honig und Rosinen erhitzen. Unseren Gästen wird kalt sein nach dem langen Aufstieg, und der Durst wird sie plagen. Du wirst sie empfangen, wenn sie eintreffen, und ihnen Erfrischungen anbieten. Wein, Brot und Käse. Welche Käsesorten haben wir noch?«
»Den scharfen Weißen und den stinkenden Blauen.«
»Den Weißen. Und umziehen solltest du dich auch.«
Alayne blickte an ihrem Kleid herab und sah das tiefe Blau und das leuchtende Dunkelrot von Schnellwasser. »Ist es zu -«
»Es sieht zu sehr nach Tully aus. Die Lords der Deklaration würden wohl keinen großen Gefallen daran finden, meine Bastardtochter in den Kleidern meiner verstorbenen Gemahlin herumlaufen zu sehen. Such dir etwas anderes aus. Und muss ich dich daran erinnern, Himmelblau und Cremeweiß zu meiden?«
»Nein.« Himmelblau und Cremeweiß waren die Farben des Hauses Arryn. »Acht, habt Ihr gesagt ... Und Bronze Yohn ist bei ihnen?«
»Der Einzige, auf den es ankommt.«
»Bronze Yohn kennt mich«, erinnerte sie ihn. »Er war zu Gast in Winterfell, als sein Sohn nach Norden ritt, um das Schwarz anzulegen.« Sie hatte sich schrecklich in Ser Weymar verliebt, entsann sie sich schwach, vor langer, langer Zeit, und da war sie noch ein kleines dummes Mädchen gewesen. »Und er hat mich nicht nur bei dieser Gelegenheit gesehen. Lord Rois hat ... er hat Sansa Stark in Königsmund wiedergesehen, beim Turnier der Hand.«
Petyr legte ihr den Zeigefinger unter das Kinn. »Rois hat dieses hübsche Gesicht bestimmt schon gesehen, daran zweifele ich nicht, aber es war ein Gesicht unter tausend anderen. Ein Mann, der an einem Turnier teilnimmt, hat andere Sorgen als ein Kind unter den Zuschauern. Und in Winterfell war Sansa ein kleines Mädchen mit goldbraunem Haar. Meine Tochter ist eine große und hübsche Jungfrau, und ihr Haar ist schlicht braun. Die Menschen sehen, was sie erwarten, Alayne.« Er küsste sie auf die Nase. »Lass Leni im Solar anheizen. Ich werde unsere Lords der Deklaration dort empfangen.«
»Nicht in der Hohen Halle?«
»Nein. Bei den Göttern, sie dürfen mich nicht in der Nähe des Hohen Sitzes der Arryns sehen, sonst glauben sie am Ende, ich würde mich mit der Absicht tragen, mich dort hineinzusetzen. Hinterbacken, die so niedrig geboren sind wie meine, dürfen niemals nach einem so hohen Kissen streben.«
»Das Solar.« Sie hätte es an dieser Stelle gut sein lassen sollen, doch die Worte sprudelten einfach so aus ihr heraus. »Wenn Ihr ihnen Robert überlasst ... «
»... und das Grüne Tal?«
»Sie haben das Grüne Tal.«
»Oh, einen großen Teil davon, gewiss. Aber nicht das ganze. In Möwenstadt bin ich sehr beliebt, und ich habe auch einige Freunde von edler Geburt. Haindorf, Leiherlich, Lyonel Corbray ... wenngleich ich wohl einräumen muss, dass sie alle den Lords der Deklaration nicht das Wasser reichen können. Aber wohin sollten wir gehen, Alayne? Zurück zu meiner mächtigen Feste auf den Vier Fingern?«
Darüber hatte sie nachgedacht. »Joffrey hat Euch Harrenhal gegeben. Dort seid Ihr Lord aus eigenem Recht.«
»Dem Titel nach. Ich brauchte einen großen Sitz, um Lysa zu heiraten, und Casterlystein wollten die Lennisters nicht herausrücken.«
»Ja, aber dennoch gehört die Burg Euch.«
»Ach, und was für eine Burg ist das. Riesige Hallen und Turmruinen, Geister und zugiger Wind, das Ganze kaum zu heizen und mit Männern zu besetzen ... und dann wäre da noch diese Kleinigkeit mit dem Fluch.«
»Flüche gibt es doch nur in Liedern und Märchen.«
Das erheiterte ihn. »Hat schon jemand ein Lied über Gregor Clegane gemacht, der an einer Wunde stirbt, die ihm durch einen vergifteten Speer zugefügt wurde? Oder über diesen Söldner, der die Burg vor ihm gehalten hat und dem Ser Gregor Stück für Stück die Glieder hat abnehmen lassen? Der hatte die Burg von Ser Amory Lorch übernommen, welcher sie von Lord Tywin bekam. Den einen hat ein Bär getötet, dein Zwerg den anderen. Lady Whent ist ebenfalls tot, habe ich vernommen. Widerstens, Krafts, Eggs, Türmens... Harrenhal hat noch jede Hand vertrocknen lassen, die Anspruch darauf erhoben hat.«
»Dann gebt die Burg Lord Frey.«
Petyr lachte. »Vielleicht sollte ich das tun. Oder besser noch, unserer süßen Cersei. Obwohl ich über sie keine bösen Worte verlieren sollte, denn sie schickt mir prächtige Wandbehänge. Ist das nicht zu gütig von ihr?«
Bei der Erwähnung des Namens der Königin erstarrte sie. »Sie ist nicht gütig. Sie macht mir Angst. Falls sie erfährt, wo ich bin ... «
»... müsste ich sie vermutlich früher als geplant aus dem Spiel nehmen. Vorausgesetzt, sie steigt vorher nicht von selbst aus.« Petyr neckte sie mit einem kleinen Lächeln. »Im Spiel der Throne können selbst die schwächeren Figuren einen eigenen Willen entwickeln. Manchmal widersetzen sie sich, weigern sich, den Zug zu machen, den du ihnen zugedacht hast. Merk dir das gut, Alayne. Diese Lektion muss Cersei Lennister erst noch lernen. Nun, hast du nicht noch ein paar Pflichten zu erledigen?«
So war es in der Tat. Zuerst kümmerte sie sich um den gewürzten Wein, suchte einen passenden Laib Käse vom scharfen Weißen und befahl dem Koch, Brot für zwanzig zu backen, für den Fall, dass die Lords der Deklaration mehr Männer als erwartet mitbrachten. Wenn sie erst unser Brot und Salz gegessen haben, sind sie unsere Gäste und dürfen uns nichts mehr tun. Die Freys hatten die Gesetze der Gastfreundschaft gebrochen, indem sie ihre Hohe Mutter und ihren Bruder in den Zwillingen ermordeten, doch sie konnte nicht glauben, dass sich ein so edler Lord wie Yohn Rois zu solcherlei Niedertracht herablassen würde.
Dann war das Solar an der Reihe. Der Boden war mit einem myrischen Teppich ausgelegt, daher brauchte sie keine frischen Binsen zu streuen. Alayne bat zwei Diener, einen auf Böcken stehenden Tisch aufzustellen und acht der schweren lederbezogenen Eichenstühle heraufzubringen. Bei einer Festtafel hätte sie jeweils einen an die Stirnseiten und drei an die Längsseiten gestellt, doch dies war keine Feier. Sie wies die Männer an, sechs Stühle auf der einen und zwei auf der anderen Seite des Tisches zu platzieren. Inzwischen waren die Lords der Deklaration möglicherweise bei der Schneeburg angelangt. Selbst auf dem Rücken eines Maultiers dauerte der Aufstieg fast einen ganzen Tag. Zu Fuß brauchten die meisten mehrere Tage.
Vielleicht würden die Lords bis tief in die Nacht reden. Also brauchte sie frische Kerzen. Nachdem Leni ein Feuer angezündet hatte, schickte Alayne sie nach unten, um die duftenden Bienenwachskerzen zu holen, die Lord Wachslin Lady Lysa geschenkt hatte, als er um ihre Hand geworben hatte. Dann schaute sie noch einmal in der Küche vorbei, um nach dem Wein und dem Brot zu sehen. Die Vorbereitungen kamen gut voran, und sie hatte noch ausreichend Zeit zu baden, sich das Haar zu waschen und sich umzuziehen.
...
Übersetzung: Andreas Helweg
Vollständig durchgesehen und überarbeitet
von Sigrun Zühlke und Thomas Gießl
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006
by Verlagsgruppe Random House GmbH
- Autor: George R. R. Martin
- 2012, Neuveröffentlichung., 608 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Helweg, Andreas
- Übersetzer: Andreas Helweg
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442268605
- ISBN-13: 9783442268603
- Erscheinungsdatum: 19.03.2012

4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 179Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die dunkle Königin / Das Lied von Eis und Feuer Bd.8".
Kommentar verfassen- relevanteste Bewertung zuerst
- hilfreichste Bewertung zuerst
- neueste Bewertung zuerst
- beste Bewertung zuerst
- schlechteste Bewertung zuerst
- alle
- ausgezeichnet
- sehr gut
- gut
- weniger gut
- schlecht
-
5 Sterne
91 von 142 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Chris, 18.12.2010
Als Buch bewertetDer geniale Auftakt einer spannenden Sage. Ein meiner Meinung nach eher politisch gehaltener Fantasyroman, welcher aber durchaus sehr spannend ist. Besonders gelungen finde ich, dass jedes Kapitel den Namen des Protagonisten trägt aus dessen Sicht es geschrieben ist. Man bemerkt also ziemlich schnell, dass es hier keine reinen guten oder bösen Menschen gibt sondern jeder nur nach seiner eigenen moralischen Auffassung handelt die aber nicht in die eine noch in die andere Schublade zu stecken ist.
-
5 Sterne
64 von 102 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Nicole H., 15.06.2012
Als Buch bewertetIch bin ein großer Tolkien-Fan und daher oft sehr kritisch mit anderen Autoren, aber George R. R. Martin hat mich einfach überzeugt. Auch ohne intensive Nutzung stilistischer Mittel aus dem Genre Fantasy verfällt man sehr schnell der Verlockung dieser Geschichte. Auch der Sohn des Greifen ist wieder klasse geschrieben, auch hier gibt es wieder Wendungen, die vielleicht nicht ganz überraschend sind, aber trotzdem der Geschichte eine neue spannende Facette geben. Ein neuer Thronanwärter taucht auf, Tyrion gerät wieder in Schwierigkeiten, die Schlinge um Danaerys" zieht sich weiter zu und Lord Schnee geht seinen harten Weg weiter und das alles auf diese faszinierende schlichte und ergreifende, mitziehende Art des Autors. Dank an G. Martin auch für diesen tollen Roman...
-
5 Sterne
99 von 149 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
M., 05.10.2011
Als Buch bewertetGrandioser Auftakt in eine der besten Fantasy-Serien, dei ich je gelesen habe. Die einzelnen Kapitel werden jeweils aus der Sicht der einzelnen Protagonisten erzählt (was am Anfang ungewohnt ist, da man manchmal viel "springt") keine der Figuren ist nur klassisch "Gut" oder "Böse", sondern alle haben ihre Facetten, die mittelalterlich gehlatene Welt (keine Schußwaffen, kaum Magie) ist sehr realitätsnah (d.h. ungeschönt, kein heiles Auenland) gehalten und der Autor schreckt auch nicht davor zurück, Hauptpersonen mal sterben zu lassen. Für Freunde epischer Serien (und mt Geduld, es sind noch ein paar Bände angekündigt, und für den letzten Band brauchte es 5 Jahre) eine super-Empfehlung.
-
5 Sterne
98 von 153 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Nicole, 25.02.2011
Als Buch bewertetKeine albernen Zauberer, Orks oder Trolle, dafür aber jede Menge Intrigen und familiäre Tragödien und eine düstere Macht, die vom Norden her lauert... Einfach das Beste, was das Genre im Moment zu bieten hat! Mehr gibt's hier nicht zu sagen. Außer vielleicht, dass die Saga in den USA gerade fürs Fernsehen verfilmt wurde (mit Sean Bean, bekannt als Boromir aus der "Herr der Ringe"-Verfilmung, in der Hauptrolle). Ich hoffe, die Serie ist irgendwann auch in Deutschland zu sehen. Bis dahin empfehle ich, die Bücher zu lesen!!!
-
4 Sterne
35 von 54 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich
Belles Leseinsel, 25.11.2012
Als Buch bewertetGewohnt bildhaft, prall und fesselnd ist der Schreibstil. Und obwohl die gesamte Geschichte wieder sehr unterhaltsam, oft auch ein wenig rau und direkt erzählt wird, habe ich mir stellenweise doch etwas mehr Straffung der Geschehnisse gewünscht. Wobei die Story jetzt aber keineswegs als langatmig zu bezeichnen ist, bekommt man mit der Zeit dennoch das Gefühl, der Fortgang der Geschichte könnte etwas zügiger erzählt werden. Ein großes Plus sind wieder die Charaktere. Viele bleiben immer noch schwer einschätzbar, andere wachsen durch Geschehnisse über sich hinaus und entwickeln sich entsprechend weiter und einige agieren genauso, wie man sie bereits kennt und einzuschätzen gelernt hat. Durch diese vielen so unterschiedlichen Charaktere bleibt allein hierdurch die Geschichte immer spannend und stellenweise auch richtig überraschend.
18.50 €
18.50 €
12.40 €
Feuer und Blut - Aufstieg und Fall des Hauses Targaryen von Westeros
George R. R. Martin
26.80 €
16.50 €
18.50 €
17.40 €
15.50 €
17.50 €
20.60 €
17.50 €
18.50 €
24.70 €
12.10 €
17.50 €
30.90 €
12.40 €
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 179Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die dunkle Königin / Das Lied von Eis und Feuer Bd.8".
Kommentar verfassen