Die dunkle Seite
Ein ermordeter Gemüsehändler in Köln wird für Privatdetektivin Vera Gemini zum Verhängnis. Eigentlich soll sie im Auftrag eines Klienten einen schon vor Jahren verschwundenen Bankräuber suchen. Doch dann entdeckt sie unglaubliche Zusammenhänge zwischen...
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Ein ermordeter Gemüsehändler in Köln wird für Privatdetektivin Vera Gemini zum Verhängnis. Eigentlich soll sie im Auftrag eines Klienten einen schon vor Jahren verschwundenen Bankräuber suchen. Doch dann entdeckt sie unglaubliche Zusammenhänge zwischen dem Mordopfer, dem Gesuchten und ihrem Klienten. Vera wird in ein Verbrechen verstrickt, das vor acht Jahren in Kuwait begann. Dort hatten drei Söldner der Amerikaner in den letzten Tagen des Golfkriegs in der Wüste ein Geheimnis zurückgelassen. Ein Geheimnis, das Blutzoll fordert.
"Spannung pur."
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"Spannung pur!" -- Bild
"Schätzing hat sein Thema im Griff, er entwickelt geschickt seine Charaktere, er flicht Aktion und Spannung ein in die Betrachtung einer zerrissenen Wirklichkeit voller Täuschungen. Dabei ist ein bis ins Detail wohlüberlegtes Buch entstanden. Schätzing ist ein ausgezeichneter Erzähler." -- Kölnische Rundschau
Die dunkle Seite von Frank Schätzing
LESEPROBE
Vorwort
1997 beschäftigte ich mich mitFBI-Akten, mit dem Innenleben von Serienkillern und Psychopathen. Michinteressierte die Auflösung der Grenze zwischen Gut und Böse. Weniger, wasdiese Leute taten, sondern was sie dazu brachte, es zu tun. Wann wird aus einemMenschen ein Monster? Ein unerreichter Meister in der Darstellung solcherPersönlichkeiten ist Thomas Harris, der Erfinder des Hannibal Lecter aus »Das Schweigen der Lämmer« - wenngleich Charismatiker wie der Menschen fressende Doktor im wahrenLeben selten vorkommen. Echte Serienkiller sind meist unauffällige,zurückgezogen lebende Existenzen, oft stark gehemmt, bisweilen mit körperlichenMakeln behaftet. Manche erweisen sich im Gespräch als intelligent undkultiviert, viele bleiben nach umfangreichen psychologischen Tests, was sievon Anfang an schienen: dumm und brutal. Mario Adorfs unvergessene Darstellungdes Bruno in »Nachts, wenn der Teufel kam« entspricht dem Prototyp desSerienkillers weit mehr als der geniale Sir Anthony Hopkins in seiner größten Rolle.
Die schillernden Charaktere findensich denn auch weniger unter den klassischen Serienkillern als unter deneiskalt kalkulierenden Verbrechern. Richtig spannend wird es jedoch, wennbeide Welten ineinandergleiten. Dann begegnet uns derperfideste Tätertyp: der psychopathische Verbrecher.
Tatsächlich ist fast jederSerienkiller ein Psychopath (oder Psychotiker). Noch lange nicht jederPsychopath ist jedoch ein Serienkiller im klassischen Sinne, auch wenn ermehrfach tötet. Vielfach verbinden die psychopathischen Verbrecher ihre Lust amTöten mit der Erreichung definierter Ziele. Wer beispielsweise seine halbeFamilie mit der Kettensäge meuchelt, um in den Besitz einer größeren Erbschaftzu gelangen, ist zweifellos Urheber einer Mordserie, fällt jedoch nicht in dieKategorie des Serientäters, der immer wieder dasselbe Programm abspult. Einechter Serienkiller mag als Kind so oft vom Vater mit der Kettensäge bedrohtworden sein, bis er selber zu dem wurde, was er am meisten fürchtete. Erkompensiert seine Vergangenheit, indem er Männer zerstückelt, die seinem Vaterähnlich sehen, ohne sein Problem damit zu lösen. Im Gegenteil! Die Abständezwischen seinen Taten werden kürzer, er braucht die Kompensation immerhäufiger, ohne jemals dauerhafte Befriedigung zu erlangen. Sein Handeln istkeinem Fortschrittsgedanken unterworfen, sondern eine Tretmühle. Fortwährendversucht er sich von der Vaterfigur zu befreien, immer wieder scheitert er. Erist wie ein Fixer, der Mord ist der Schuss, den er sich setzt, das Procedereidentisch.
Viele Serienkiller leiden unterihren Taten. Andere befriedigen einfach nur ausgeprägte sadistische Neigungen.Mitunter fällt die Antwort auf die Frage nach dem Warum erschreckend einfachaus: Weil es dem Täter Spaß gemacht hat. So oder so aber ist der klassischeSerienkiller im Grunde seines Wesens durchschaubar. Kennt man seinen innerenAntrieb, kann man seine Folgeverbrechen prognostizieren und muss ihn »nur«noch fassen. Diese Erkenntnis hat den Beruf des Profilershervorgebracht, der in »Die dunkle Seite« bereits auftritt, aber Mitte derNeunziger noch nicht so hieß (zumindest hierzulande nicht, den Begriff hörteich erst später). Der Profiler versucht, den Täterbzw. seine Deformation über seine Taten kennenzulernen,um ihn den Fahndern beschreiben zu können - oder, wie es das FBI formuliert:»Willst du den Künstler verstehen, musst du sein Werk betrachten.«
Im Falle des Burschen, der erbenwill, liegt der Fall schon schwieriger. Auch er mordet immer auf die gleicheWeise, allerdings mit einem klaren, nachgerade konservativ anmutenden Ziel.Seinen Morden liegt ein raffiniert geplantes Verbrechen zugrunde, jede Tatbringt ihn dem Ziel ein bisschen näher. Auffällig ist nur, dass er dieKettensäge als Mord- und Folterinstrument benutzt. Wozu? Ein bisschen Arsentäte es ebenso. Dass er trotzdem mit geradezu ritueller Brutalität vorgeht,verdankt sich seinen Anlagen. Tatsächlich weist er Züge eines Serienkillersauf, ist seine frühe Vergangenheit die Geschichte einer schweren Deformation.Allerdings ist er nicht Sklave eines Kompensationzwangs,sondern er beherrscht seine Triebe. Erst die Zweckgerichtetheit seinesUnterfangens erlaubt es ihm, den tief sitzenden Sadismus, den alten Hass, diekindliche Verzweiflung ins Spiel zu bringen. Anders als beim klassischenSerienkiller, dessen Enttarnung aus der Frage »Woher kommst du?« resultiert, stellt sich beim Erbschleicher mit derKettensäge auch die Frage »Wohin willst du?«.
Mit diesem Tätertypus tun sich dieErmittler naturgemäß schwer. Er neigt zu Variantenreichtum, und wahrscheinlich wirder nach Erhalt der Erbschaft nicht weiter morden. »Die dunkle Seite« schildertdie Jagd auf einen solchen Mörder - augenscheinlich ein Wahnsinniger, dessenTaten bei näherer Betrachtung durchaus Sinn ergeben. Bis zum Schluss bleibt ergesichtslos, während zugleich immer klarer wird, dass er sich in kein gängigesRaster zwängen lässt. Parallel dazu tritt die seelische Blockade derDetektivin, die fast nur über Computer mit der Außenwelt verbunden ist undplötzlich gegen ein archaisch mordendes Monster antreten muss, immer offenerzutage.
Mich interessierte beim Schreibender schmale Grat, auf dem wir alle balancieren - bis hin zum Punkt derGrenzüberschreitung. Mittlerweile glaube ich allerdings nicht mehr, dass esdiesen einen definierten Punkt überhaupt gibt. Vielmehr zieht sich zwischendem, was wir als »Gut« und »Böse« definieren, ein ausgedehntes Niemandslanddahin, in das jeder schon mal irgendwie geraten ist, sei es in Gedanken oder durchTaten. Die unangenehme Erkenntnis daraus: In jedem von uns wohnt ein Ungeheuer,das wir ständig in Schach halten müssen. Die positive Schlussfolgerung:Solange man im Niemandsland bleibt, gibt es jederzeit eine Chance zur Rückkehr.Kinder loten das Land aus, indem sie Fliegen die Flügel ausreißen. Andereprügeln sich gerne. Wir werden ins Niemandsland hineingeboren, es ist eine ArtTrainingscamp unserer frühen Jahre. Auf welcher Seite davon wir später leben, wooft wir dorthin zurückkehren, entscheidet sich in der Kindheit und in unserenJugendjahren. Der kleine Diebstahl, die locker sitzende Faust, dieSteuerunterschlagung oder einfach nur die Notlüge, all das gehört insNiemandsland. Nur die wenigsten geraten gänzlich auf die dunkle Seite. Von dortallerdings führt selten ein Weg zurück. Zumal sich einige dort sichtlich wohlfühlen: »Komm auf die dunkle Seite der Macht« hat schon DarthVader lustvoll gekeucht, und tatsächlich geht es bei Gewaltverbrechen meist umMachtausübung.
Zugleich ist »Die dunkle Seite« einBuch über die Allmacht der Bilder geworden und damit in gewisser Weise derVorläufer von »Lautlos«. Sein und Schein vermischen sich, Menschen reduzierensich auf Menschendaten, Kriege auf Videospiele, Kommunikation auf denAustausch von Dateien, ohne dass man noch zu sagen vermag, mit wem man gerade kommuniziert.Als ich »Die dunkle Seite« 1997 schrieb, verlegte ich die Handlungzwei Jahre in die Zukunft. Mittlerweile ist die Technologie im Buch überholt -am grundsätzlichen Problem, dass der technisierte Mensch sich im Zustand ständigerÜberforderung selbst hinterherhastet, hat sich indes nichtsgeändert.
In einer solchen Geschichte, sollteman meinen, gibt es wenig zu lachen. Beim Überarbeiten des Manuskripts für die vorliegendeAusgabe fiel mir tatsächlich auf, dass »Die dunkle Seite« damals einen Wandelin meiner Arbeit darstellte. Was »Tod und Teufel«, »Mordshunger« und die Kurzgeschichtenmiteinander verbunden hatte, war der Humor. Die Grundstimmung in »Die dunkleSeite« ist weit düsterer, der Tonfall härter. An sich bin ich ein positiverMensch, ein hoffnungsloser Optimist, also versuchte ich die Zeit zu rekonstruieren,in der ich das Buch geschrieben hatte - und erinnerte mich, wochenlangschreckliche Zahnschmerzen gehabt zu haben, die in einer komplizierten undlangwierigen Kieferoperation gipfelten. Gleich im Jahr darauf ließ ich mein Gebissrichten und traf Vorsorge, in Zukunft von solcher Not verschont zu bleiben.Seitdem sind die Zahnschmerzen ausgeblieben. »Lautlos«, drei Jahre nach »Diedunkle Seite« erschienen, war dann auch promptlustiger.
Ursache und Wirkung?
Mein Zahnarzt weist darauf hin, ichhabe im Vollbesitz eines gesunden Gebisses die halbe Welt zerstört, 2004 in »DerSchwarm«. Offenbar waren 1997 doch allein die Psychopathen schuld - sieverstehen eben einfach keinen Spaß.
Frank Schätzing,Februar 2007
© GoldmannVerlag
Frank Schätzing lebt und arbeitet in Köln.
Auszeichnungen
2002 KölnLiteraturPreis
2004 Corine in der Sparte Belletristik
2005 Kurd-Laßwitz-Preis für Der Schwarm als bester Science-Fiction-Roman des Jahres
Deutscher Science Fiction Preis für Der Schwarm
Goldene Feder für Der Schwarm
Deutscher Krimi Preis für Der Schwarm
2006 Dr. Kurt Neven DuMont Medaille der Westdeutschen Akademie für Kommunikation
2007 »Stein im Brett« Preis des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler e.V. (BDG)
2007 Premio Bancarella
2009 Elisabeth-Mann-Borgese-Meerespreis
2011 Deutscher Meerespreis
2021 Bayerischer Buchpreis: Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten
- Autor: Frank Schätzing
- 2007, 537 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 344245879X
- ISBN-13: 9783442458790
- Erscheinungsdatum: 12.02.2007
4.5 von 5 Sternen
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