Die Geheimnisse des Nicholas Flamel Band 6: Die silberne Magierin
Das furiose Finale der Erfolgsreihe!
Nach schweren Zerwürfnissen sind die Zwillinge Josh und Sophie nun endlich wieder vereint. Während Nicholas und Perenelle Flamel mit ihren letzten verbleibenden Kräften versuchen, die moderne Welt vor...
Nach schweren Zerwürfnissen sind die Zwillinge Josh und Sophie nun endlich wieder vereint. Während Nicholas und Perenelle Flamel mit ihren letzten verbleibenden Kräften versuchen, die moderne Welt vor...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
18.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Geheimnisse des Nicholas Flamel Band 6: Die silberne Magierin “
Das furiose Finale der Erfolgsreihe!
Nach schweren Zerwürfnissen sind die Zwillinge Josh und Sophie nun endlich wieder vereint. Während Nicholas und Perenelle Flamel mit ihren letzten verbleibenden Kräften versuchen, die moderne Welt vor den Monstern zu retten, die auf Alcatraz freigesetzt wurden, reisen Josh und Sophie 10.000 Jahre weit in die Vergangenheit. Hier - auf der legendären Insel Danu Talis wird sich das Schicksal aller Zeiten entscheiden. Denn hier begann alles und hier wird alles enden. In der letzten Entscheidungsschlacht der Unsterblichen - müssen Josh und Sophie endgültig für sich bestimmen, auf welcher Seite sie stehen. Auf Danu Talis wird sich zeigen, wer von ihnen auserkoren ist, die Welt zu retten - und wer, sie zu zerstören.
Nach schweren Zerwürfnissen sind die Zwillinge Josh und Sophie nun endlich wieder vereint. Während Nicholas und Perenelle Flamel mit ihren letzten verbleibenden Kräften versuchen, die moderne Welt vor den Monstern zu retten, die auf Alcatraz freigesetzt wurden, reisen Josh und Sophie 10.000 Jahre weit in die Vergangenheit. Hier - auf der legendären Insel Danu Talis wird sich das Schicksal aller Zeiten entscheiden. Denn hier begann alles und hier wird alles enden. In der letzten Entscheidungsschlacht der Unsterblichen - müssen Josh und Sophie endgültig für sich bestimmen, auf welcher Seite sie stehen. Auf Danu Talis wird sich zeigen, wer von ihnen auserkoren ist, die Welt zu retten - und wer, sie zu zerstören.
Klappentext zu „Die Geheimnisse des Nicholas Flamel Band 6: Die silberne Magierin “
Das furiose Finale der Erfolgsreihe!Nach schweren Zerwürfnissen sind die Zwillinge Josh und Sophie nun endlich wieder vereint. Während Nicholas und Perenelle Flamel mit ihren letzten verbleibenden Kräften versuchen, die moderne Welt vor den Monstern zu retten, die auf Alcatraz freigesetzt wurden, reisen Josh und Sophie 10.000 Jahre weit in die Vergangenheit. Hier auf der legendären Insel Danu Talis wird sich das Schicksal aller Zeiten entscheiden. Denn hier begann alles und hier wird alles enden. In der letzten Entscheidungsschlacht der Unsterblichen müssen Josh und Sophie endgültig für sich bestimmen, auf welcher Seite sie stehen. Auf Danu Talis wird sich zeigen, wer von ihnen auserkoren ist, die Welt zu retten und wer, sie zu zerstören.
Lese-Probe zu „Die Geheimnisse des Nicholas Flamel Band 6: Die silberne Magierin “
Die silberne Magierin von Michael Scott ... mehr
Zu bestimmten Zeiten im Jahr - bei der Herbst- und Früh- lings-Tagundnachtgleiche und während einer Sonnen- oder Mondfinsternis - zitterte das Glas und zeigte Szenen von Zeiten und Orten jenseits allen Begreifens, exotische Welten aus Metall und Chitin, Orte, über denen keine Sterne am Himmel standen, nur eine unbewegliche schwarze Sonne. Generationen von Gelehrten versuchten zeitlebens hinter die Bedeutung dieser Szenen zu kommen, doch selbst Abraham der Weise konnte ihnen ihr Geheimnis nicht entlocken.
Eines Tages dann, als Quetzalcoatl, ein Angehöriger des Älteren Geschlechts, den Spiegel gerade rücken wollte, stieß er mit der Hand an den Rahmen. Er spürte einen Stich, und als er die Hand überrascht zurückzog, sah er, dass er sich verletzt hatte. Ein Tropfen Blut spritzte auf das Kristallglas und plötzlich wurde es klar. Die Oberfläche kräuselte sich unter dem Blut, das in einer dünnen, knisternden Wellenlinie darüberlief. In diesem Moment sah Quetzalcoatl Unbegreifliches:
... die Insel Danu Talis im Herzen eines riesigen Reiches, das sich über die gesamte Erdkugel erstreckt ...
... die Insel Danu Talis brennend und zerstört, entzweigerissen von Erdbeben, die Prachtstraßen und all die herrlichen Gebäude vom Meer verschluckt ...
... die Insel Danu Talis, gerade noch unter einer dünnen Eisschicht zu erkennen. Riesige Wale mit spitzen Schnauzen lassen sich über der begrabenen Stadt treiben ...
... die Stadt Danu Talis, strahlend und golden inmitten einer endlosen Wüste ...
Der Ältere stahl den Spiegel an diesem Tag und brachte ihn nie zurück.
Jetzt breitete Quetzalcoatl, schlank und mit weißem Bart, ein blaues Samttuch über einen einfachen Holztisch. Er strich den Stoff glatt und entfernte mit den schwarzen Fingernägeln Flusen und Staubkörnchen. Dann legte er den rechteckigen Spiegel mit dem schwarzen Rand mitten auf den Tisch und wischte ihn mit der Manschette seines weißen Leinenhemdes vorsichtig ab. Der Spiegel reflektierte nicht das Gesicht des Älteren mit der Hakennase; die polierte Oberfläche kräuselte sich und zeigte eine graue, rauchige Landschaft.
Quetzalcoatl beugte sich darüber, zog eine Nadel aus seinem Hemdärmel und stach sich damit in die fleischige Daumenkuppe.
»Ha! Mir juckt der Daumen schon ...«, murmelte er in der uralten Sprache der Tolteken. Langsam bildete sich ein rubinroter Blutstropfen auf seiner glatten Haut. »... sicher naht ein Sündensohn.«
Er hielt die Hand über den Spiegel und ließ den Blutstropfen darauffallen. Sofort zitterte das Glas und schimmerte ölig in allen Farben des Regenbogens. Roter Rauch stieg auf, dann ordneten sich die Farben zu Bildern.
Jahrtausendelanges Experimentieren und Unmengen von Blut - wobei das Wenigste von ihm stammte - hatten den Älteren in die Lage versetzt, sich die Bilder zunutze zu machen. Er hatte das Glas mit so viel Blut versorgt, dass er inzwischen überzeugt war, der Spiegel sei ein fühlendes, lebendiges Wesen.
Quetzalcoatl starrte auf das Glas und murmelte: »Bring mich nach San Francisco.«
Das Bild im Spiegel verschwamm, dann floss weißes und graues Licht darüber und plötzlich schwebte Quetzalcoatl hoch über der Stadt und blickte hinunter auf die Bucht.
»Warum brennt es da unten nicht?«, überlegte er laut. »Warum sind keine Ungeheuer auf den Straßen?«
Er hatte den unsterblichen Humani Machiavelli und Billy the Kid erlaubt, nach San Francisco zurückzugehen, damit sie die Kreaturen auf der Gefängnisinsel Alcatraz auf die Stadt losließen. Hatten sie ihre Mission nicht erfüllt? Oder war er zu spät gekommen?
Das Bild im Glas veränderte sich. Es zeigte die langgestreckte Insel und Quetzalcoatl entdeckte Bewegung im Wasser. Etwas schwamm durch die Bucht. Es kam von Alcatraz und hielt auf die Stadt zu. Quetzalcoatl rieb sich die Hände. Nein, er war nicht zu spät gekommen, sondern gerade rechtzeitig, um Zeuge einer netten kleinen Chaosveranstaltung zu werden. Es war lange her, seit er das letzte Mal die Zerstörung einer Stadt miterlebt hatte, und er liebte solche Spektakel.
Plötzlich flackerte das farbige Bild und verschwand dann. Der Ältere stach sich noch zweimal mit der Nadel in den Finger und ließ nährendes Blut auf das Glas tropfen. Es kam wieder Leben in den Spiegel, und erneut erschien das Bild der Stadt, gestochen scharf und dreidimensional. Quetzalcoatl konzentrierte sich, das Bild verschob sich nach unten und seine Aufmerksamkeit wurde auf aufgewühltes Wasser mit weißen Schaumkronen gelenkt. Unter der Oberfläche lauerte etwas Riesiges: eine Seeschlange. Der Ältere kniff die Augen zusammen. Es war schwierig, Einzelheiten zu erkennen, da die Kreatur sich hin und her wand, aber wie es aussah, hatte sie mehr als einen Kopf. Er nickte zufrieden. Das gefiel ihm. Eine nette Idee. Und es ergab einen Sinn, dass die Meereswesen zuerst in die Stadt geschickt wurden. Als er sich vorstellte, wie die Monster durch die Straßen toben würden, lächelte er und zeigte dabei seine spitzen Zähne.
Quetzalcoatl beobachtete die Seeschlange, wie sie über die Bucht schoss und sich auf einen der Piers zuringelte, die in die Bay hineinragten. Er runzelte kurz die Stirn und nickte dann erneut. Sie würde am Embarcadero an Land kriechen. Ausgezeichnet! Das bedeutete jede Menge Touristen, jede Menge Öffentlichkeit.
Das Licht veränderte sich. Ganz schwach konnte er einen rotblauen, öligen Fleck auf dem Wasser ausmachen und stellte verdutzt fest, dass die Schlange direkt darauf zuhielt.
Ohne es zu merken, senkte Quetzalcoatl den Kopf noch weiter. Seine Hakennase berührte fast den Spiegel. Er konnte das Meer jetzt riechen, Salz mit einer winzigen Spur Fisch und Tang ... und noch etwas. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Eine Stadt sollte nach Metall und Autoabgasen riechen, nach verbranntem Essen und zu vielen ungewaschenen Körpern. Doch was er da roch, waren Düfte, die in einer Stadt nichts verloren hatten: das herbe Aroma von Minze, das blumige von grünem Tee und die Süße von Anis.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, als die riesige Kreatur - es war der Lotan - sich aus dem Wasser erhob und sieben Köpfe auf den bewegten, rotblauen Fleck zuschossen. Jetzt erkannte Quetzalcoatl die Auradüfte und -farben: Das Rot war Prometheus und das Blau der unsterbliche Humani Niten. Und der eklige Minzegeruch in der Luft konnte nur von einem einzigen Mann stammen: von Nicholas Flamel, dem unsterblichen Alchemysten.
Dann sah Quetzalcoatl sie auch am Ende des Piers stehen. Und ja, die Frau war ebenfalls da, die Zauberin Perenelle, mit der er nur schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Automatisch ging seine Zunge zu der Lücke in seinem Gebiss, wo sie ihm einen seiner großen schwarzen Backenzähne ausgeschlagen
hatte. Das war nicht gut. Das war alles andere als gut. Ein abtrünniger Älterer und drei der gefährlichsten Humani im ganzen Schattenreich ...
Quetzalcoatl grub seine rasiermesserscharfen Fingernägel in die Handflächen. Dünnes Blut tropfte auf den Spiegel und sorgte dafür, dass die Bilder nicht verschwanden. Gebannt und ohne zu blinzeln schaute er darauf.
... der Lotan wendet sich den Auren zu und will sie sich einverleiben ...
... die Kreatur erhebt sich aus dem Wasser, balanciert auf ihrem Schwanz, alle sieben Köpfe schießen nach vorn, die Mäuler weit aufgerissen ...
... ein grüner Feuerblitz und der überwältigende Gestank von Minze ...
»Nein!«, rief der Ältere, als er mit ansehen musste, wie der Lotan sich in ein kleines, blau geädertes Ei verwandelte. Er sah, wie das Ei in die ausgestreckte Hand des Alchemysten fiel. Flamel warf es triumphierend in die Luft ... und eine über ihm kreisende Möwe schnappte danach und verschluckte es ganz.
»Nein! Neineineineinein ...« Quetzalcoatl brüllte seine Wut hinaus. Sein Gesicht färbte sich dunkel, verzerrte sich und wurde zu dem eindimensionalen Bild einer Schlange, das die Maya und die Azteken zu Tode erschreckt hatte. Aus seinem Mund ragten unregelmäßige Zähne, die Augen wurden schmaler und das dunkle Haar bildete einen Stachelkranz um sein Gesicht. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Das alte Holz brach und nur seinen blitzschnellen Reflexen verdankte er es, dass der Spiegel nicht auf den Boden fiel und zersprang.
So schnell, wie sie gekommen war, verrauchte seine Wut auch wieder.
Quetzalcoatl atmete tief durch, fuhr sich mit der Hand durch sein störrisches Haar und glättete es. Billy und Machiavelli hätten nichts anderes zu tun brauchen, als ein paar Ungeheuer auf die Stadt loszulassen - drei oder vier hätten genügt. Zwei wären okay gewesen, für den Anfang hätte selbst eines gereicht, möglichst ein großes mit Schuppen und vielen Zähnen. Aber sie hatten versagt und würden für ihr Versagen bezahlen - falls sie überlebten!
Er musste die Bestien von der Insel holen, doch das würde ihm nur gelingen, wenn er den Flamels und ihren unsterblichen Freunden etwas zu tun gab.
Wie es aussah, musste Quetzalcoatl die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen. Der Ältere lächelte plötzlich und entblößte seine nadelspitzen Zähne. Er hatte in seinem Schattenreich ein paar Schmusetiere gesammelt - die Humani würden sie Monster nennen -, die konnte er zum Spielen freilassen. Allerdings würde der Alchemyst zweifellos genauso mit ihnen umspringen wie mit dem Lotan. Nein, er brauchte etwas Größeres, etwas entschieden Eindrucksvolleres als ein paar räudige Monster.
Quetzalcoatl suchte sein Handy. Es lag auf dem Küchentisch. Die Nummer in Los Angeles wusste er auswendig. Es läutete fünfzehnmal, bevor abgenommen wurde. Eine krächzende Stimme meldete sich.
»Hast du den Beutel mit den Zähnen noch, den ich dir vor zigtausend Jahren verkauft habe?«, begann Quetzalcoatl ohne Einleitung. »Ich möchte ihn zurückkaufen. - Warum? Ich brauche ihn, um den Flamels eine Lektion zu erteilen ... Und außerdem will ich, dass sie beschäftigt sind, während ich unsere Kreaturen von der Insel hole«, fügte er hastig hinzu. »Wie viel willst du für den Beutel haben? - Nichts?! - Ja, natürlich
kannst du zuschauen. Wir treffen uns dann am Vista Point. Ich sorge dafür, dass keine Humani in der Nähe sind.«
Quetzalcoatl beendete das Gespräch. »Sicher naht ein Sündensohn ...«, murmelte er vor sich hin. »Und er ist auf dem Weg zu dir, Alchemyst. Auf dem Weg zu dir.«
[...]
Hinter ihnen regte sich etwas, und als sie sich umdrehten, stellten sie fest, dass sie nicht allein auf dem Hügel waren. Dr. John Dee kauerte auf Händen und Knien und starrte mit großen Augen in den Himmel. Hinter ihm saß im Schneidersitz Virginia Dare. Der Wind strich über ihr kohlschwarzes Haar.
»Ein Vimana«, flüsterte Dee. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eines mit eigenen Augen sehe.« Ehrfürchtig betrachtete er das Flugobjekt, das rasch näher kam.
»Sind wir in einem Schattenreich?«, fragte Josh und schaute von Viriginia zu Dee.
Die Frau schüttelte leicht den Kopf. »Nein, das ist kein Schattenreich.«
Josh stand auf, schirmte seine Augen mit der Hand ab und beobachtete das Flugzeug fasziniert. Als es näher kam, sah er, dass es aus einer Art milchigem Kristall war. Rundherum lief ein breites goldenes Band. Die fliegende Untertasse neigte sich nach vorn und schoss im Senkrechtflug nach unten. Die Luft war erfüllt von einem leisen Unterschall-Dröhnen, aus dem ein tiefes Grollen wurde, als das Gefährt wenige Zentimeter über der Grasnarbe in der Luft stehen blieb.
Sophie erhob sich ebenfalls und stellte sich neben ihren Zwillingsbruder. »Es ist wunderschön«, wisperte sie. »Wie ein Edelstein.« Der schillernde Kristall war makellos. In das goldene Band waren winzige Buchstaben aus einer Art Stabschrift eingraviert.
»Wo sind wir, Josh?«, fragte Sophie ihren Bruder leise.
Josh schüttelte den Kopf. »Die Frage ist nicht, wo ... sondern wann«, murmelte er. »Vimanas kommen in den allerältesten Mythen vor.«
Vollkommen geräuschlos klappte die obere Hälfte des Ovals auf. Ein Seitenteil unten glitt zurück und gab den Blick frei auf das blendend weiße Innere.
Ein Mann und eine Frau erschienen in der Öffnung.
Beide waren groß und schlank und tief gebräunt. Sie trugen weiße Keramikrüstungen, in die Muster, Piktogramme und Hieroglyphen aus unzähligen unterschiedlichen Schriften eingraviert waren. Das dunkle Haar der Frau war raspelkurz geschnitten, der Schädel des Mannes völlig kahl geschoren. Beide hatten leuchtend blaue Augen, und wenn sie lächelten, zeigten sie kleine, strahlend weiße Zähne. Nur die Schneidezähne waren unnatürlich lang und spitz. Hand in Hand stiegen sie aus dem Vimana und kamen über die Wiese. Die Blüten aus Glas und Harz schmolzen unter ihren Füßen und wurden zu winzigen Kügelchen.
Sophie und Josh wichen instinktiv einen Schritt zurück. Sie blinzelten gegen die tief stehende Sonne und die blendende Spiegelung der Rüstungen und versuchten, die Gesichter des Paares zu erkennen. Die beiden hatten etwas unheimlich Vertrautes an sich ...
Plötzlich keuchte Dee, krümmte sich und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. »Meine Gebieter«, hauchte er, »vergebt mir.«
Das Paar ignorierte ihn und ging einfach weiter. Es hatte nur Augen für die Zwillinge. Als ihre Köpfe die Sonne verdeckten, zeigten sie ihr Gesicht, umgeben von einem Lichthof.
»Sophie!«, sagte der Mann und seine Augen strahlten vor Freude.
»Josh!« Die Frau schüttelte leicht den Kopf und lächelte. »Wir haben auf euch gewartet.«
»Mom? Dad?«, kam es wie aus einem Mund von den Zwillingen. Sie wichen noch einen Schritt zurück.
Das Paar verneigte sich in aller Form. »An diesem Ort nennt man uns Isis und Osiris. Willkommen auf Danu Talis, Kinder.« Die beiden streckten die Hände aus. »Willkommen zu Hause.«
Die Zwillinge blickten sich mit großen Augen an. Vor Schreck und Verwirrung brachten sie den Mund nicht mehr zu. Sophie griff nach dem Arm ihres Bruders. Obwohl sie in der vergangenen Woche ganz Außergewöhnliches erlebt hatten, war das jetzt fast zu viel. Sie versuchte, Worte zu bilden und Fragen zu stellen, doch ihr Mund war trocken, und sie hatte das Gefühl, als sei ihre Zunge dick und geschwollen.
Josh ließ den Blick immer wieder zwischen seinem Vater und seiner Mutter hin und her wandern. Was er da sah, ergab einfach keinen Sinn. Das Paar sah aus wie seine Eltern, Richard und Sara Newman. Die beiden redeten auch wie sie, keine Frage, aber seine Eltern waren in Utah ... Erst vor ein paar Tagen hatte er mit seinem Vater telefoniert. Sie hatten über einen gehörnten Dinosaurier aus der Kreidezeit gesprochen.
»Ich weiß, dass das ein bisschen viel ist«, meinte Richard Newman - Osiris - und grinste.
»Aber glaubt uns«, fuhr Sara - Isis - fort, »ihr werdet bald alles verstehen.« Ihre Stimme klang beruhigend und sie lächelte den Jungen und das Mädchen an. »Euer ganzes Leben war auf diesen Augenblick ausgerichtet. Das ist euer Schicksal, Kinder. Das ist euer Tag. Und was haben wir immer über den Tag gesagt?«, fragte sie und lächelte wieder.
»Carpe diem«, antworteten beide automatisch. »Nutze den Tag.«
»Was -«, begann Josh.
Isis hob die Hand. »Alles zu seiner Zeit. Aber glaubt uns - diese Zeit ist gut. Es ist die beste. Ihr seid zehntausend Jahre in die Vergangenheit gereist.«
Wieder blickten Sophie und Josh sich an. Nach allem, was sie durchgemacht hatten, hätten sie sich eigentlich freuen sollen, wieder bei ihren Eltern zu sein, aber irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Sie hatten hundert Fragen ...
Dr. John Dee rappelte sich auf und klopfte sich penibel den Staub aus den Kleidern, bevor er an den Zwillingen vorbeiging und sich tief vor dem Paar in den weißen Rüstungen verneigte. »Meine Gebieter, es ist mir eine Ehre - eine große Ehre -, Euch wieder gegenübertreten zu dürfen.« Er hob den Kopf und blickte von einem zum anderen. »Ich war maßgeblich daran beteiligt, dass die legendären Zwillinge jetzt vor Euch stehen. Das wisst Ihr sicherlich zu schätzen.«
Osiris schaute Dee mit einer Andeutung des Lächelns an, das er den Zwillingen geschenkt hatte. »Ah, der verlässliche Dr. Dee, der geborene Opportunist ...« Er streckte die rechte Hand aus, drehte den Handrücken nach oben und der Magier beeilte sich, sie mit beiden Händen zu ergreifen und die Finger zu küssen. »... und von jeher ein Idiot.«
Dee blickte rasch auf und wollte zurückweichen, doch Osiris hielt seine Hand fest. »Ich war immer -«, begann der Magier alarmiert.
»... ein Idiot«, ergänzte Isis.
Ein Schatten glitt über Osiris' Gesicht, und als er die spitzen weißen Zähne entblößte, wurde es von einem Augenblick zum nächsten zu einer Maske des Grauens. Unvermittelt legte
der kahl geschorene Mann die Hände so um Dees Kopf, dass die Daumen auf den Wangenknochen des Unsterblichen ruhten. Dann hob er den Magier hoch, bis er keinen Boden mehr unter den Füßen hatte. »Und was nützt uns ein Idiot ... oder schlimmer noch, ein fehlerhaftes Werkzeug!« Osiris' blaue Augen waren auf einer Höhe mit denen des Magiers. »Erinnerst du dich an den Tag, an dem ich dich unsterblich gemacht habe, Dee?«, flüsterte er.
Der Doktor versuchte, sich zu befreien. Seine Augen waren vor Entsetzen plötzlich ganz groß. »Nein«, keuchte er.
»Als ich dir sagte, ich könnte dich wieder sterblich machen? «, fuhr Osiris fort. Dann flüsterte er: »Athanasia-aisanatha «, und schleuderte den Magier von sich.
Dee segelte durch die Luft, und bis er Virginia Dare vor die Füße fiel, war er ein alter Mann, ein verschrumpeltes Lumpenbündel. Das Gesicht war voller Runzeln, ganze Strähnen grauen Haars lagen um ihn herum auf dem seidigen Gras, die Augen waren milchig weiß, die Lippen blau.
Entsetzt blickten Sophie und Josh auf den eben noch energiegeladenen Mann. Er war jetzt unvorstellbar alt, dem Tod näher als dem Leben, aber sich seiner selbst und seiner Umgebung immer noch bewusst. Sophie wandte sich wieder dem Mann zu, der aussah wie ihr Vater, dessen Stimme klang wie die ihres Vaters ... und musste feststellen, dass er ihr vollkommen fremd war. Ihr Vater - Richard Newman - war ein liebevoller, freundlicher Mensch. Zu einer solchen Grausamkeit wäre er nie fähig gewesen.
Osiris sah Sophies Gesichtsausdruck. »Bilde dir ein Urteil, wenn du sämtliche Fakten kennst«, sagte er. Sein Ton war eisig.
»Du hast die Erfahrung noch nicht gemacht, Sophie, aber es gibt Zeiten, in denen Mitleid eine Schwäche ist«, ergänzte Isis.
Sophie schüttelte den Kopf. Das sah sie nicht so. Und obwohl die Frau mit der Stimme von Sara Newman redete, sagte Sophies Gefühl ihr, dass sie nicht ihre Mutter war. Diese kannte Sophie nur als einen der freundlichsten und herzlichsten Menschen überhaupt.
»Mitleid hat der Doktor noch nie verdient. Auf seiner Suche nach dem Codex hat er Tausende umgebracht. Seinen Ambitionen fielen ganze Nationen zum Opfer. Dieser Mann hätte euch beide ohne mit der Wimper zu zucken ermordet. Du musst dir immer vor Augen halten, dass nicht alle Ungeheuer aussehen wie Bestien, Sophie. Verschwende dein Mitgefühl nicht auf Kreaturen wie Dr. John Dee.«
Noch während die Frau sprach, fing Sophie schwache Erinnerungsfetzen der Hexe von Endor zu dem Paar auf, das als Isis und Osiris bekannt war. Die Hexe verachtete beide.
Unter gewaltiger Anstrengung hob Dee die linke Hand und wies auf seine Gebieter. »Ich habe Euch jahrhundertelang gedient ...«, krächzte er. Die Anstrengung war zu groß und er fiel zurück ins Gras. Unter der runzligen Kopfhaut zeichnete sich die Form seines Schädels deutlich ab.
Isis ignorierte ihn. Sie wandte sich an Virginia Dare, die während der ganzen Zeit unbewegt dagesessen hatte. »Unsterbliche, die Welt wird sich über alle Maßen verändern. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und wer gegen uns ist, wird sterben. Wo stehst du, Virginia Dare?«
Die Frau erhob sich anmutig. Mit der linken Hand ließ sie locker ihre hölzerne Flöte herumwirbeln. Ein einzelner Ton blieb wie ein Glitzern in der Luft hängen. »Der Doktor hat mir eine Welt versprochen«, sagte sie. »Was bietet ihr mir?«
Isis machte eine Bewegung und ihre Rüstung reflektierte das Sonnenlicht blendend weiß. »Willst du etwa mit uns verhandeln? « Die Stimme der Älteren war lauter geworden. »Vergiss es. Das lässt deine Situation nicht zu.«
Virginia ließ die Flöte erneut herumwirbeln und die Luft zitterte von einem überirdischen Pfeifen. Die gläsernen Blumen ringsherum zerfielen zu Staub. »Ich bin nicht Dee«, stellte Virginia eiskalt klar. »Ich habe keinen Respekt vor euch und mag euch auch nicht. Und ganz bestimmt habe ich keine Angst vor euch.« Sie neigte den Kopf zur Seite und blickte von Isis zu Osiris. »Und ihr solltet euch immer vor Augen halten, was mit dem letzten Älteren passiert ist, der mir gedroht hat.«
»Du kannst deine Welt haben«, versicherte Osiris rasch und legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter.
Übersetzung: Ursula Höfker
© 2013 für die deutschsprachige Ausgabe cbj, München
Zu bestimmten Zeiten im Jahr - bei der Herbst- und Früh- lings-Tagundnachtgleiche und während einer Sonnen- oder Mondfinsternis - zitterte das Glas und zeigte Szenen von Zeiten und Orten jenseits allen Begreifens, exotische Welten aus Metall und Chitin, Orte, über denen keine Sterne am Himmel standen, nur eine unbewegliche schwarze Sonne. Generationen von Gelehrten versuchten zeitlebens hinter die Bedeutung dieser Szenen zu kommen, doch selbst Abraham der Weise konnte ihnen ihr Geheimnis nicht entlocken.
Eines Tages dann, als Quetzalcoatl, ein Angehöriger des Älteren Geschlechts, den Spiegel gerade rücken wollte, stieß er mit der Hand an den Rahmen. Er spürte einen Stich, und als er die Hand überrascht zurückzog, sah er, dass er sich verletzt hatte. Ein Tropfen Blut spritzte auf das Kristallglas und plötzlich wurde es klar. Die Oberfläche kräuselte sich unter dem Blut, das in einer dünnen, knisternden Wellenlinie darüberlief. In diesem Moment sah Quetzalcoatl Unbegreifliches:
... die Insel Danu Talis im Herzen eines riesigen Reiches, das sich über die gesamte Erdkugel erstreckt ...
... die Insel Danu Talis brennend und zerstört, entzweigerissen von Erdbeben, die Prachtstraßen und all die herrlichen Gebäude vom Meer verschluckt ...
... die Insel Danu Talis, gerade noch unter einer dünnen Eisschicht zu erkennen. Riesige Wale mit spitzen Schnauzen lassen sich über der begrabenen Stadt treiben ...
... die Stadt Danu Talis, strahlend und golden inmitten einer endlosen Wüste ...
Der Ältere stahl den Spiegel an diesem Tag und brachte ihn nie zurück.
Jetzt breitete Quetzalcoatl, schlank und mit weißem Bart, ein blaues Samttuch über einen einfachen Holztisch. Er strich den Stoff glatt und entfernte mit den schwarzen Fingernägeln Flusen und Staubkörnchen. Dann legte er den rechteckigen Spiegel mit dem schwarzen Rand mitten auf den Tisch und wischte ihn mit der Manschette seines weißen Leinenhemdes vorsichtig ab. Der Spiegel reflektierte nicht das Gesicht des Älteren mit der Hakennase; die polierte Oberfläche kräuselte sich und zeigte eine graue, rauchige Landschaft.
Quetzalcoatl beugte sich darüber, zog eine Nadel aus seinem Hemdärmel und stach sich damit in die fleischige Daumenkuppe.
»Ha! Mir juckt der Daumen schon ...«, murmelte er in der uralten Sprache der Tolteken. Langsam bildete sich ein rubinroter Blutstropfen auf seiner glatten Haut. »... sicher naht ein Sündensohn.«
Er hielt die Hand über den Spiegel und ließ den Blutstropfen darauffallen. Sofort zitterte das Glas und schimmerte ölig in allen Farben des Regenbogens. Roter Rauch stieg auf, dann ordneten sich die Farben zu Bildern.
Jahrtausendelanges Experimentieren und Unmengen von Blut - wobei das Wenigste von ihm stammte - hatten den Älteren in die Lage versetzt, sich die Bilder zunutze zu machen. Er hatte das Glas mit so viel Blut versorgt, dass er inzwischen überzeugt war, der Spiegel sei ein fühlendes, lebendiges Wesen.
Quetzalcoatl starrte auf das Glas und murmelte: »Bring mich nach San Francisco.«
Das Bild im Spiegel verschwamm, dann floss weißes und graues Licht darüber und plötzlich schwebte Quetzalcoatl hoch über der Stadt und blickte hinunter auf die Bucht.
»Warum brennt es da unten nicht?«, überlegte er laut. »Warum sind keine Ungeheuer auf den Straßen?«
Er hatte den unsterblichen Humani Machiavelli und Billy the Kid erlaubt, nach San Francisco zurückzugehen, damit sie die Kreaturen auf der Gefängnisinsel Alcatraz auf die Stadt losließen. Hatten sie ihre Mission nicht erfüllt? Oder war er zu spät gekommen?
Das Bild im Glas veränderte sich. Es zeigte die langgestreckte Insel und Quetzalcoatl entdeckte Bewegung im Wasser. Etwas schwamm durch die Bucht. Es kam von Alcatraz und hielt auf die Stadt zu. Quetzalcoatl rieb sich die Hände. Nein, er war nicht zu spät gekommen, sondern gerade rechtzeitig, um Zeuge einer netten kleinen Chaosveranstaltung zu werden. Es war lange her, seit er das letzte Mal die Zerstörung einer Stadt miterlebt hatte, und er liebte solche Spektakel.
Plötzlich flackerte das farbige Bild und verschwand dann. Der Ältere stach sich noch zweimal mit der Nadel in den Finger und ließ nährendes Blut auf das Glas tropfen. Es kam wieder Leben in den Spiegel, und erneut erschien das Bild der Stadt, gestochen scharf und dreidimensional. Quetzalcoatl konzentrierte sich, das Bild verschob sich nach unten und seine Aufmerksamkeit wurde auf aufgewühltes Wasser mit weißen Schaumkronen gelenkt. Unter der Oberfläche lauerte etwas Riesiges: eine Seeschlange. Der Ältere kniff die Augen zusammen. Es war schwierig, Einzelheiten zu erkennen, da die Kreatur sich hin und her wand, aber wie es aussah, hatte sie mehr als einen Kopf. Er nickte zufrieden. Das gefiel ihm. Eine nette Idee. Und es ergab einen Sinn, dass die Meereswesen zuerst in die Stadt geschickt wurden. Als er sich vorstellte, wie die Monster durch die Straßen toben würden, lächelte er und zeigte dabei seine spitzen Zähne.
Quetzalcoatl beobachtete die Seeschlange, wie sie über die Bucht schoss und sich auf einen der Piers zuringelte, die in die Bay hineinragten. Er runzelte kurz die Stirn und nickte dann erneut. Sie würde am Embarcadero an Land kriechen. Ausgezeichnet! Das bedeutete jede Menge Touristen, jede Menge Öffentlichkeit.
Das Licht veränderte sich. Ganz schwach konnte er einen rotblauen, öligen Fleck auf dem Wasser ausmachen und stellte verdutzt fest, dass die Schlange direkt darauf zuhielt.
Ohne es zu merken, senkte Quetzalcoatl den Kopf noch weiter. Seine Hakennase berührte fast den Spiegel. Er konnte das Meer jetzt riechen, Salz mit einer winzigen Spur Fisch und Tang ... und noch etwas. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Eine Stadt sollte nach Metall und Autoabgasen riechen, nach verbranntem Essen und zu vielen ungewaschenen Körpern. Doch was er da roch, waren Düfte, die in einer Stadt nichts verloren hatten: das herbe Aroma von Minze, das blumige von grünem Tee und die Süße von Anis.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, als die riesige Kreatur - es war der Lotan - sich aus dem Wasser erhob und sieben Köpfe auf den bewegten, rotblauen Fleck zuschossen. Jetzt erkannte Quetzalcoatl die Auradüfte und -farben: Das Rot war Prometheus und das Blau der unsterbliche Humani Niten. Und der eklige Minzegeruch in der Luft konnte nur von einem einzigen Mann stammen: von Nicholas Flamel, dem unsterblichen Alchemysten.
Dann sah Quetzalcoatl sie auch am Ende des Piers stehen. Und ja, die Frau war ebenfalls da, die Zauberin Perenelle, mit der er nur schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Automatisch ging seine Zunge zu der Lücke in seinem Gebiss, wo sie ihm einen seiner großen schwarzen Backenzähne ausgeschlagen
hatte. Das war nicht gut. Das war alles andere als gut. Ein abtrünniger Älterer und drei der gefährlichsten Humani im ganzen Schattenreich ...
Quetzalcoatl grub seine rasiermesserscharfen Fingernägel in die Handflächen. Dünnes Blut tropfte auf den Spiegel und sorgte dafür, dass die Bilder nicht verschwanden. Gebannt und ohne zu blinzeln schaute er darauf.
... der Lotan wendet sich den Auren zu und will sie sich einverleiben ...
... die Kreatur erhebt sich aus dem Wasser, balanciert auf ihrem Schwanz, alle sieben Köpfe schießen nach vorn, die Mäuler weit aufgerissen ...
... ein grüner Feuerblitz und der überwältigende Gestank von Minze ...
»Nein!«, rief der Ältere, als er mit ansehen musste, wie der Lotan sich in ein kleines, blau geädertes Ei verwandelte. Er sah, wie das Ei in die ausgestreckte Hand des Alchemysten fiel. Flamel warf es triumphierend in die Luft ... und eine über ihm kreisende Möwe schnappte danach und verschluckte es ganz.
»Nein! Neineineineinein ...« Quetzalcoatl brüllte seine Wut hinaus. Sein Gesicht färbte sich dunkel, verzerrte sich und wurde zu dem eindimensionalen Bild einer Schlange, das die Maya und die Azteken zu Tode erschreckt hatte. Aus seinem Mund ragten unregelmäßige Zähne, die Augen wurden schmaler und das dunkle Haar bildete einen Stachelkranz um sein Gesicht. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Das alte Holz brach und nur seinen blitzschnellen Reflexen verdankte er es, dass der Spiegel nicht auf den Boden fiel und zersprang.
So schnell, wie sie gekommen war, verrauchte seine Wut auch wieder.
Quetzalcoatl atmete tief durch, fuhr sich mit der Hand durch sein störrisches Haar und glättete es. Billy und Machiavelli hätten nichts anderes zu tun brauchen, als ein paar Ungeheuer auf die Stadt loszulassen - drei oder vier hätten genügt. Zwei wären okay gewesen, für den Anfang hätte selbst eines gereicht, möglichst ein großes mit Schuppen und vielen Zähnen. Aber sie hatten versagt und würden für ihr Versagen bezahlen - falls sie überlebten!
Er musste die Bestien von der Insel holen, doch das würde ihm nur gelingen, wenn er den Flamels und ihren unsterblichen Freunden etwas zu tun gab.
Wie es aussah, musste Quetzalcoatl die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen. Der Ältere lächelte plötzlich und entblößte seine nadelspitzen Zähne. Er hatte in seinem Schattenreich ein paar Schmusetiere gesammelt - die Humani würden sie Monster nennen -, die konnte er zum Spielen freilassen. Allerdings würde der Alchemyst zweifellos genauso mit ihnen umspringen wie mit dem Lotan. Nein, er brauchte etwas Größeres, etwas entschieden Eindrucksvolleres als ein paar räudige Monster.
Quetzalcoatl suchte sein Handy. Es lag auf dem Küchentisch. Die Nummer in Los Angeles wusste er auswendig. Es läutete fünfzehnmal, bevor abgenommen wurde. Eine krächzende Stimme meldete sich.
»Hast du den Beutel mit den Zähnen noch, den ich dir vor zigtausend Jahren verkauft habe?«, begann Quetzalcoatl ohne Einleitung. »Ich möchte ihn zurückkaufen. - Warum? Ich brauche ihn, um den Flamels eine Lektion zu erteilen ... Und außerdem will ich, dass sie beschäftigt sind, während ich unsere Kreaturen von der Insel hole«, fügte er hastig hinzu. »Wie viel willst du für den Beutel haben? - Nichts?! - Ja, natürlich
kannst du zuschauen. Wir treffen uns dann am Vista Point. Ich sorge dafür, dass keine Humani in der Nähe sind.«
Quetzalcoatl beendete das Gespräch. »Sicher naht ein Sündensohn ...«, murmelte er vor sich hin. »Und er ist auf dem Weg zu dir, Alchemyst. Auf dem Weg zu dir.«
[...]
Hinter ihnen regte sich etwas, und als sie sich umdrehten, stellten sie fest, dass sie nicht allein auf dem Hügel waren. Dr. John Dee kauerte auf Händen und Knien und starrte mit großen Augen in den Himmel. Hinter ihm saß im Schneidersitz Virginia Dare. Der Wind strich über ihr kohlschwarzes Haar.
»Ein Vimana«, flüsterte Dee. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eines mit eigenen Augen sehe.« Ehrfürchtig betrachtete er das Flugobjekt, das rasch näher kam.
»Sind wir in einem Schattenreich?«, fragte Josh und schaute von Viriginia zu Dee.
Die Frau schüttelte leicht den Kopf. »Nein, das ist kein Schattenreich.«
Josh stand auf, schirmte seine Augen mit der Hand ab und beobachtete das Flugzeug fasziniert. Als es näher kam, sah er, dass es aus einer Art milchigem Kristall war. Rundherum lief ein breites goldenes Band. Die fliegende Untertasse neigte sich nach vorn und schoss im Senkrechtflug nach unten. Die Luft war erfüllt von einem leisen Unterschall-Dröhnen, aus dem ein tiefes Grollen wurde, als das Gefährt wenige Zentimeter über der Grasnarbe in der Luft stehen blieb.
Sophie erhob sich ebenfalls und stellte sich neben ihren Zwillingsbruder. »Es ist wunderschön«, wisperte sie. »Wie ein Edelstein.« Der schillernde Kristall war makellos. In das goldene Band waren winzige Buchstaben aus einer Art Stabschrift eingraviert.
»Wo sind wir, Josh?«, fragte Sophie ihren Bruder leise.
Josh schüttelte den Kopf. »Die Frage ist nicht, wo ... sondern wann«, murmelte er. »Vimanas kommen in den allerältesten Mythen vor.«
Vollkommen geräuschlos klappte die obere Hälfte des Ovals auf. Ein Seitenteil unten glitt zurück und gab den Blick frei auf das blendend weiße Innere.
Ein Mann und eine Frau erschienen in der Öffnung.
Beide waren groß und schlank und tief gebräunt. Sie trugen weiße Keramikrüstungen, in die Muster, Piktogramme und Hieroglyphen aus unzähligen unterschiedlichen Schriften eingraviert waren. Das dunkle Haar der Frau war raspelkurz geschnitten, der Schädel des Mannes völlig kahl geschoren. Beide hatten leuchtend blaue Augen, und wenn sie lächelten, zeigten sie kleine, strahlend weiße Zähne. Nur die Schneidezähne waren unnatürlich lang und spitz. Hand in Hand stiegen sie aus dem Vimana und kamen über die Wiese. Die Blüten aus Glas und Harz schmolzen unter ihren Füßen und wurden zu winzigen Kügelchen.
Sophie und Josh wichen instinktiv einen Schritt zurück. Sie blinzelten gegen die tief stehende Sonne und die blendende Spiegelung der Rüstungen und versuchten, die Gesichter des Paares zu erkennen. Die beiden hatten etwas unheimlich Vertrautes an sich ...
Plötzlich keuchte Dee, krümmte sich und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. »Meine Gebieter«, hauchte er, »vergebt mir.«
Das Paar ignorierte ihn und ging einfach weiter. Es hatte nur Augen für die Zwillinge. Als ihre Köpfe die Sonne verdeckten, zeigten sie ihr Gesicht, umgeben von einem Lichthof.
»Sophie!«, sagte der Mann und seine Augen strahlten vor Freude.
»Josh!« Die Frau schüttelte leicht den Kopf und lächelte. »Wir haben auf euch gewartet.«
»Mom? Dad?«, kam es wie aus einem Mund von den Zwillingen. Sie wichen noch einen Schritt zurück.
Das Paar verneigte sich in aller Form. »An diesem Ort nennt man uns Isis und Osiris. Willkommen auf Danu Talis, Kinder.« Die beiden streckten die Hände aus. »Willkommen zu Hause.«
Die Zwillinge blickten sich mit großen Augen an. Vor Schreck und Verwirrung brachten sie den Mund nicht mehr zu. Sophie griff nach dem Arm ihres Bruders. Obwohl sie in der vergangenen Woche ganz Außergewöhnliches erlebt hatten, war das jetzt fast zu viel. Sie versuchte, Worte zu bilden und Fragen zu stellen, doch ihr Mund war trocken, und sie hatte das Gefühl, als sei ihre Zunge dick und geschwollen.
Josh ließ den Blick immer wieder zwischen seinem Vater und seiner Mutter hin und her wandern. Was er da sah, ergab einfach keinen Sinn. Das Paar sah aus wie seine Eltern, Richard und Sara Newman. Die beiden redeten auch wie sie, keine Frage, aber seine Eltern waren in Utah ... Erst vor ein paar Tagen hatte er mit seinem Vater telefoniert. Sie hatten über einen gehörnten Dinosaurier aus der Kreidezeit gesprochen.
»Ich weiß, dass das ein bisschen viel ist«, meinte Richard Newman - Osiris - und grinste.
»Aber glaubt uns«, fuhr Sara - Isis - fort, »ihr werdet bald alles verstehen.« Ihre Stimme klang beruhigend und sie lächelte den Jungen und das Mädchen an. »Euer ganzes Leben war auf diesen Augenblick ausgerichtet. Das ist euer Schicksal, Kinder. Das ist euer Tag. Und was haben wir immer über den Tag gesagt?«, fragte sie und lächelte wieder.
»Carpe diem«, antworteten beide automatisch. »Nutze den Tag.«
»Was -«, begann Josh.
Isis hob die Hand. »Alles zu seiner Zeit. Aber glaubt uns - diese Zeit ist gut. Es ist die beste. Ihr seid zehntausend Jahre in die Vergangenheit gereist.«
Wieder blickten Sophie und Josh sich an. Nach allem, was sie durchgemacht hatten, hätten sie sich eigentlich freuen sollen, wieder bei ihren Eltern zu sein, aber irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Sie hatten hundert Fragen ...
Dr. John Dee rappelte sich auf und klopfte sich penibel den Staub aus den Kleidern, bevor er an den Zwillingen vorbeiging und sich tief vor dem Paar in den weißen Rüstungen verneigte. »Meine Gebieter, es ist mir eine Ehre - eine große Ehre -, Euch wieder gegenübertreten zu dürfen.« Er hob den Kopf und blickte von einem zum anderen. »Ich war maßgeblich daran beteiligt, dass die legendären Zwillinge jetzt vor Euch stehen. Das wisst Ihr sicherlich zu schätzen.«
Osiris schaute Dee mit einer Andeutung des Lächelns an, das er den Zwillingen geschenkt hatte. »Ah, der verlässliche Dr. Dee, der geborene Opportunist ...« Er streckte die rechte Hand aus, drehte den Handrücken nach oben und der Magier beeilte sich, sie mit beiden Händen zu ergreifen und die Finger zu küssen. »... und von jeher ein Idiot.«
Dee blickte rasch auf und wollte zurückweichen, doch Osiris hielt seine Hand fest. »Ich war immer -«, begann der Magier alarmiert.
»... ein Idiot«, ergänzte Isis.
Ein Schatten glitt über Osiris' Gesicht, und als er die spitzen weißen Zähne entblößte, wurde es von einem Augenblick zum nächsten zu einer Maske des Grauens. Unvermittelt legte
der kahl geschorene Mann die Hände so um Dees Kopf, dass die Daumen auf den Wangenknochen des Unsterblichen ruhten. Dann hob er den Magier hoch, bis er keinen Boden mehr unter den Füßen hatte. »Und was nützt uns ein Idiot ... oder schlimmer noch, ein fehlerhaftes Werkzeug!« Osiris' blaue Augen waren auf einer Höhe mit denen des Magiers. »Erinnerst du dich an den Tag, an dem ich dich unsterblich gemacht habe, Dee?«, flüsterte er.
Der Doktor versuchte, sich zu befreien. Seine Augen waren vor Entsetzen plötzlich ganz groß. »Nein«, keuchte er.
»Als ich dir sagte, ich könnte dich wieder sterblich machen? «, fuhr Osiris fort. Dann flüsterte er: »Athanasia-aisanatha «, und schleuderte den Magier von sich.
Dee segelte durch die Luft, und bis er Virginia Dare vor die Füße fiel, war er ein alter Mann, ein verschrumpeltes Lumpenbündel. Das Gesicht war voller Runzeln, ganze Strähnen grauen Haars lagen um ihn herum auf dem seidigen Gras, die Augen waren milchig weiß, die Lippen blau.
Entsetzt blickten Sophie und Josh auf den eben noch energiegeladenen Mann. Er war jetzt unvorstellbar alt, dem Tod näher als dem Leben, aber sich seiner selbst und seiner Umgebung immer noch bewusst. Sophie wandte sich wieder dem Mann zu, der aussah wie ihr Vater, dessen Stimme klang wie die ihres Vaters ... und musste feststellen, dass er ihr vollkommen fremd war. Ihr Vater - Richard Newman - war ein liebevoller, freundlicher Mensch. Zu einer solchen Grausamkeit wäre er nie fähig gewesen.
Osiris sah Sophies Gesichtsausdruck. »Bilde dir ein Urteil, wenn du sämtliche Fakten kennst«, sagte er. Sein Ton war eisig.
»Du hast die Erfahrung noch nicht gemacht, Sophie, aber es gibt Zeiten, in denen Mitleid eine Schwäche ist«, ergänzte Isis.
Sophie schüttelte den Kopf. Das sah sie nicht so. Und obwohl die Frau mit der Stimme von Sara Newman redete, sagte Sophies Gefühl ihr, dass sie nicht ihre Mutter war. Diese kannte Sophie nur als einen der freundlichsten und herzlichsten Menschen überhaupt.
»Mitleid hat der Doktor noch nie verdient. Auf seiner Suche nach dem Codex hat er Tausende umgebracht. Seinen Ambitionen fielen ganze Nationen zum Opfer. Dieser Mann hätte euch beide ohne mit der Wimper zu zucken ermordet. Du musst dir immer vor Augen halten, dass nicht alle Ungeheuer aussehen wie Bestien, Sophie. Verschwende dein Mitgefühl nicht auf Kreaturen wie Dr. John Dee.«
Noch während die Frau sprach, fing Sophie schwache Erinnerungsfetzen der Hexe von Endor zu dem Paar auf, das als Isis und Osiris bekannt war. Die Hexe verachtete beide.
Unter gewaltiger Anstrengung hob Dee die linke Hand und wies auf seine Gebieter. »Ich habe Euch jahrhundertelang gedient ...«, krächzte er. Die Anstrengung war zu groß und er fiel zurück ins Gras. Unter der runzligen Kopfhaut zeichnete sich die Form seines Schädels deutlich ab.
Isis ignorierte ihn. Sie wandte sich an Virginia Dare, die während der ganzen Zeit unbewegt dagesessen hatte. »Unsterbliche, die Welt wird sich über alle Maßen verändern. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und wer gegen uns ist, wird sterben. Wo stehst du, Virginia Dare?«
Die Frau erhob sich anmutig. Mit der linken Hand ließ sie locker ihre hölzerne Flöte herumwirbeln. Ein einzelner Ton blieb wie ein Glitzern in der Luft hängen. »Der Doktor hat mir eine Welt versprochen«, sagte sie. »Was bietet ihr mir?«
Isis machte eine Bewegung und ihre Rüstung reflektierte das Sonnenlicht blendend weiß. »Willst du etwa mit uns verhandeln? « Die Stimme der Älteren war lauter geworden. »Vergiss es. Das lässt deine Situation nicht zu.«
Virginia ließ die Flöte erneut herumwirbeln und die Luft zitterte von einem überirdischen Pfeifen. Die gläsernen Blumen ringsherum zerfielen zu Staub. »Ich bin nicht Dee«, stellte Virginia eiskalt klar. »Ich habe keinen Respekt vor euch und mag euch auch nicht. Und ganz bestimmt habe ich keine Angst vor euch.« Sie neigte den Kopf zur Seite und blickte von Isis zu Osiris. »Und ihr solltet euch immer vor Augen halten, was mit dem letzten Älteren passiert ist, der mir gedroht hat.«
»Du kannst deine Welt haben«, versicherte Osiris rasch und legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter.
Übersetzung: Ursula Höfker
© 2013 für die deutschsprachige Ausgabe cbj, München
... weniger
Autoren-Porträt von Michael Scott
Michael Scott ist einer der erfolgreichsten und profiliertesten Autoren Irlands und ein international anerkannter Fachmann für mythen- und kulturgeschichtliche Themen. Seine zahlreichen Fantasy- und Science-Fiction-Romane für Jugendliche wie für Erwachsene sind in mehr als zwanzig Ländern veröffentlicht. Michael Scott lebt und schreibt in Dublin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michael Scott
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2013, 544 Seiten, Maße: 16 x 23,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Höfker, Ursula
- Übersetzer: Ursula Höfker
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570154343
- ISBN-13: 9783570154342
Rezension zu „Die Geheimnisse des Nicholas Flamel Band 6: Die silberne Magierin “
"Der finale Band (...) ist unglaublich spannend und bildet ein würdiges Ende der komplexen, fantastischen, witzigen und absolut lesenswerten Reihe."
Kommentare zu "Die Geheimnisse des Nicholas Flamel Band 6: Die silberne Magierin"
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Geheimnisse des Nicholas Flamel Band 6: Die silberne Magierin".
Kommentar verfassen