Die Hebamme von Wien
Historischer Roman
Wien 1683: Die junge Hebamme Anna und ihre Tante Theresa helfen den Frauen der Stadt bei schwierigen Geburten. Dem Prediger Abraham a Santa Clara ist ihre Arbeit verdächtig: Kann es mit rechten Dingen zugehen, dass sie so oft Mutter und Kind retten...
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Produktinformationen zu „Die Hebamme von Wien “
Wien 1683: Die junge Hebamme Anna und ihre Tante Theresa helfen den Frauen der Stadt bei schwierigen Geburten. Dem Prediger Abraham a Santa Clara ist ihre Arbeit verdächtig: Kann es mit rechten Dingen zugehen, dass sie so oft Mutter und Kind retten können? Ist da Hexen werk im Spiel? Doch ehe er die Hebammen auf den Scheiterhaufen bringen kann, überfallen die Türken die Stadt. Und es gibt einen Mann, der Anna liebt und die beiden Frauen unbedingt retten will.
Klappentext zu „Die Hebamme von Wien “
Wien 1683. Die junge Hebamme Anna und ihre Tante Theresa helfen den Frauen der Stadt bei schwierigen Geburten. Dem Prediger Abraham a Santa Clara ist ihre Arbeit verdächtig: Kann es mit rechten Dingen zugehen, dass sie so oft Mutter und Kind retten können? Ist da Hexenwerk im Spiel? Doch ehe er die Hebammen auf den Scheiterhaufen bringen kann, überfallen die Türken die Stadt. Und es gibt einen Mann, der Anna liebt und die beiden Frauen unbedingt retten will.Lese-Probe zu „Die Hebamme von Wien “
Die Hebamme von Wien von Beate Maly1
Jänner 1683
Die Fensterläden klapperten, und die neuen, sündhaft teuren Glasscheiben vibrierten bedrohlich in ihren massiven Bleirahmen. Warum setzten Stürme oft so unerwartet ein? Noch vor wenigen Stunden war der Himmel wolkenlos und sternenklar gewesen, nichts hatte auf das kommende Unwetter hingedeutet. Hoffentlich hielten die Scheiben dem Schneesturm stand. Anna hatte vergangenen Sommer darauf bestanden, die grünen Butzengläser, von denen man wusste, dass sie robust genug waren, um Schnee, Eis und Wind zu trotzen, gegen diese hellen, zerbrechlich wirkenden Fensterscheiben einzutauschen. Jetzt lag sie wach in ihrem Bett und warf ängstliche Blicke in die Dunkelheit, als könnte sie auf diese Weise das kostbare Material vor dem Zerbrechen bewahren. Eine neue Sturmböe warf sich mit aller Gewalt gegen das Fenster. Anna begann zu zittern. Das hatte sie wieder einmal von ihrem Starrsinn. Warum hatte sie sich auch unbedingt gegen den Willen ihrer Tante durchsetzen müssen?
Ein dunkler Körper plumpste auf ihre Decke und schlich sich schnurrend in Richtung Kopfkissen. »Du mochtest die Butzengläser, nicht wahr?« Die schwarze Katze streckte sich behaglich aus, scheinbar völlig unbeeindruckt von dem Unwetter. »Du denkst, es geschieht mir ganz recht, wenn ich 5jetzt nicht schlafen kann?« Die Katze stieß mit ihrem rabenschwarzen Kopf gegen Annas Hand, die ganz automatisch mit dem Streicheln begann. »Du hast ja recht, das grüne Waldglas war praktisch, aber es machte das Zimmer so dunkel. Und du weißt, wie sehr ich die Dunkelheit hasse.« Die Katze schnurrte zustimmend.
Plötzlich mischte sich in den Lärm des Sturms noch ein weiteres Geräusch. Jemand pochte wie wild gegen die Haustür. Oder war es doch das Geräusch zerbrechenden Glases? Anna setzte sich auf. Nein,
... mehr
es bestand kein Zweifel, das Klopfen kam eindeutig von unten, und es waren die ungeduldigen Fäuste eines Menschen. Bekam etwa die Goldschmiedin schon ihr Kind? Es wäre um vier Wochen zu früh. Blitzschnell sprang die Katze vom Bett und schlüpfte zur Tür hinaus.
Ein weiteres Geräusch drang herauf, die Stimme ihrer Tante Theresa. »Ist ja gut, ich komme schon!«, rief ihre Tante. Offenbar hatte der Lärm sie geweckt, und nun kletterte sie die enge Holztreppe hinunter. Anna schlüpfte ebenfalls aus dem Bett, wickelte sich die Decke um die Schultern und hockte sich auf den oberen Treppenabsatz. Ja, sie war eine fürchterlich neugierige Person. Sie wusste das, sah sich aber außerstande, daran etwas zu ändern. Anna beobachtete ihre Tante, die an der letzten Glut im Ofen eine Kerze entzündete.
Das Pochen war noch so heftig wie zuvor. »Ich komme schon!«, rief die alte Frau jetzt ungehalten. Kraftvoll schob sie den schweren Riegel zurück und öffnete die Haustür. Ein heftiger Windstoß, gefolgt von feinen Schneeflocken, riss ihr die Tür aus der Hand, eiskalte Luft fegte ins Haus und ließ die massige Holztür gegen die Hausmauer krachen.
Augenblicklich schob sich ein hagerer Junge herein. Er war in einen viel zu dünnen Mantel gehüllt, der ihm sicher seit Jahren zu klein war. Seine schlaksigen Arme und Beine waren damit nur notdürftig vor der Kälte geschützt, die nackte Haut, die hervorlugte, war blaugefroren. Theresa versuchte, die Tür wieder zu schließen, was wegen des Windes gar nicht so einfach war. Sie kannte den Jungen vom Sehen, hatte aber keine Ahnung, was er von ihr wollte.
»Die Hafnerin liegt in den Wehen und braucht Eure Hilfe!«, keuchte der Bursche, dabei trat er von einem Fuß auf den anderen, rieb seine eisigen Finger gegeneinander, formte zwei hohle Fäuste und blies hinein, um etwas Wärme in seine Glieder zu bringen.
»Die Hafnerin?«, fragte Theresa erstaunt. »Die Hafnerin wird doch von Gudrun betreut. Sie hat ihr schon bei den ersten fünf Kindern beigestanden. Du hast die falschen Hebammen aus dem Schlaf gerissen!« Verärgert wandte Theresa sich wieder zur Tür und wollte sie öffnen, um den Jungen auf die Straße hinauszuschieben.
»Halt!«, rief dieser und drängte zurück in die Stube. »Die Hebamme ist schon seit gestern bei der Meisterin, aber sie kann ihr nicht helfen. Der Meister hat mich geschickt, denn der Bäckermeister Wandel behauptet, Ihr seid die Einzigen, die Mutter und Kind noch retten können.«
Theresa zog die Augenbrauen finster zusammen. »Wollt Ihr uns Hebammen gegeneinander ausspielen? Meine Nichte und ich können auch nicht mehr machen, als Gudrun bereits tut. Der gute Wandel soll den Teig für seine Semmeln gewissenhaft abwiegen und uns Hebammen in Ruhe arbeiten lassen. Und jetzt verschwinde und richte deinem Meister einen schönen Gruß von mir aus! «
»Ich darf nicht ohne Euch zurückkommen!«, rief der Junge. In seiner Stimme lag Verzweiflung. »Der Meister würde mich sofort wieder herschicken, und dann verbringe ich die ganze Nacht in der eisigen Kälte auf der Straße. Gudrun hat gesagt, die Hafnerin und ihr Kind werden sterben, weil seit Stunden nichts weitergeht. Das Kind steckt fest. Bitte kommt mit!«
»Gudrun ist eine erfahrene Hebamme, sie weiß, was sie tut. Bestimmt unternimmt sie alles, was möglich ist.« Theresas Gesicht nahm einen drohenden Ausdruck an. »Und jetzt lass uns endlich weiterschlafen.«
Der Junge überlegte panisch, wie er die Hebamme dazu bewegen könnte, ihn zu begleiten, doch es fiel ihm nichts Rechtes ein. Egal, was in dieser Nacht geschah, sein Lehrherr würde auch ihm die Schuld daran geben.
Währenddessen wurde es Anna auf den kalten Stufen immer unbequemer. Sie hielt es auf ihrem heimlichen Lauschposten nicht mehr aus und schlich, beinahe so geräuschlos wie die schwarze Katze, die Treppe hinunter. Selbst die alte, knarrende Holztreppe schwieg unter ihren nackten Füßen, die sich mittlerweile wie Eisklumpen anfühlten.
»Ist die Hafnerin bei Bewusstsein?«, fragte sie und ließ damit Theresa und den Jungen gleichzeitig zusammenfahren. Der Junge sah Anna an, als wäre sie ein Gespenst, das aus den Wänden dieses kleinen Hauses gestiegen war, um unschuldige Lehrlinge zu erschrecken.
Nach einem kurzen Augenblick der Überraschung fuhr Theresa ihre Nichte verärgert an: »Was machst du hier unten?« Anna lächelte. »Wie soll man schlafen, wenn du den armen Jungen so anschreist.«
»Ich schreie nicht«, sagte Theresa betont leise und sichtlich beleidigt. »Du hast schon wieder keine Schuhe an und wirst dir den Tod holen. Wir sind ohnehin fertig. Der Bursche geht wieder.« Manchmal sprach Theresa mit Anna wie mit einem kleinen Kind. Dabei war sie mit ihren dreiundzwanzig Jahren schon lange erwachsen und seit vier Jahren eine ehrbare Witwe.
»Vielleicht können wir Gudrun unterstützen und der Hafnerin helfen«, sagte sie in vorsichtigem Ton, um ihre Tante nicht noch mehr zu verstimmen. Die Sache mit den Schuhen ignorierte sie.
»Zu viele Köche verderben den Brei, und zu viele Hebammen bringen einander auf den Scheiterhaufen«, zischte Theresa.
Anna machte einen Schritt auf ihre Tante zu, nahm sie beim Arm und zog sie zur Seite. »Denkst du nicht, dass wir die Pflicht haben, es zu versuchen?«, flüsterte sie so leise, dass nur Theresa sie verstehen konnte.
Ein verächtliches Schnaufen war die Antwort. »Wenn ich das Wort Pflicht nur höre, kommt mir schon das Abendessen hoch!«
Neue Hoffnung schöpfend, machte der Junge einen weiteren Schritt in die Stube, um nur ja nicht wieder auf die Straße geschoben zu werden.
»Ich finde, wir müssen es probieren.« Anna warf ihrer Tante einen vielsagenden Blick zu, den nur sie verstehen konnte.
Die Hände in die Hüften gestemmt, richtete Theresa sich auf. Die Jahre hatten ihrer Figur nicht viel anhaben können, sie war nach wie vor groß und schlank. Bloß das allmählich ergrauende Haar und zahlreiche Fältchen im Gesicht verrieten ihr Alter.
»Willst du mir vorschreiben, was ich zu tun habe?«
»Das würde ich niemals wagen.« Etwas in Annas Stimme deutete darauf hin, dass sie ihre Antwort nicht ganz ernst meinte. Ausdruckslos hielt sie dem ärgerlichen Blick der Tante stand.
»Man übernimmt keine Geburt, bei der eine andere Hebamme schon ihre Hände im Spiel hatte«, erklärte Theresa. Anna wusste, wie groß die Gefahr war, die Schuld für eine Totgeburt zugeschoben zu bekommen, und wie leicht ihr Berufsstand in Verruf geraten konnte. Erst vorige Woche hatte man in Wiener Neustadt eine Hebamme vor den Richter gebracht, weil die Frau eines angesehenen Bürgers bei der Geburt gestorben war.
Schließlich seufzte Theresa laut und sagte in resigniertem Tonfall: »Meinetwegen. Sehen wir uns die Hafnerin an.«
Der Junge verstand nicht, was hier eben vorgefallen war, aber er machte sich auch nicht die Mühe, länger darüber nachzudenken. Vielleicht hatte sein Lehrherr ja recht mit der Behauptung, dass Denken nicht seine Stärke war. Erleichtert machte sich der Bursche mit der guten Nachricht, die Hebamme komme gleich, auf den beschwerlichen Weg zurück zum Hafnersteig.
© Ullstein Verlag
Ein weiteres Geräusch drang herauf, die Stimme ihrer Tante Theresa. »Ist ja gut, ich komme schon!«, rief ihre Tante. Offenbar hatte der Lärm sie geweckt, und nun kletterte sie die enge Holztreppe hinunter. Anna schlüpfte ebenfalls aus dem Bett, wickelte sich die Decke um die Schultern und hockte sich auf den oberen Treppenabsatz. Ja, sie war eine fürchterlich neugierige Person. Sie wusste das, sah sich aber außerstande, daran etwas zu ändern. Anna beobachtete ihre Tante, die an der letzten Glut im Ofen eine Kerze entzündete.
Das Pochen war noch so heftig wie zuvor. »Ich komme schon!«, rief die alte Frau jetzt ungehalten. Kraftvoll schob sie den schweren Riegel zurück und öffnete die Haustür. Ein heftiger Windstoß, gefolgt von feinen Schneeflocken, riss ihr die Tür aus der Hand, eiskalte Luft fegte ins Haus und ließ die massige Holztür gegen die Hausmauer krachen.
Augenblicklich schob sich ein hagerer Junge herein. Er war in einen viel zu dünnen Mantel gehüllt, der ihm sicher seit Jahren zu klein war. Seine schlaksigen Arme und Beine waren damit nur notdürftig vor der Kälte geschützt, die nackte Haut, die hervorlugte, war blaugefroren. Theresa versuchte, die Tür wieder zu schließen, was wegen des Windes gar nicht so einfach war. Sie kannte den Jungen vom Sehen, hatte aber keine Ahnung, was er von ihr wollte.
»Die Hafnerin liegt in den Wehen und braucht Eure Hilfe!«, keuchte der Bursche, dabei trat er von einem Fuß auf den anderen, rieb seine eisigen Finger gegeneinander, formte zwei hohle Fäuste und blies hinein, um etwas Wärme in seine Glieder zu bringen.
»Die Hafnerin?«, fragte Theresa erstaunt. »Die Hafnerin wird doch von Gudrun betreut. Sie hat ihr schon bei den ersten fünf Kindern beigestanden. Du hast die falschen Hebammen aus dem Schlaf gerissen!« Verärgert wandte Theresa sich wieder zur Tür und wollte sie öffnen, um den Jungen auf die Straße hinauszuschieben.
»Halt!«, rief dieser und drängte zurück in die Stube. »Die Hebamme ist schon seit gestern bei der Meisterin, aber sie kann ihr nicht helfen. Der Meister hat mich geschickt, denn der Bäckermeister Wandel behauptet, Ihr seid die Einzigen, die Mutter und Kind noch retten können.«
Theresa zog die Augenbrauen finster zusammen. »Wollt Ihr uns Hebammen gegeneinander ausspielen? Meine Nichte und ich können auch nicht mehr machen, als Gudrun bereits tut. Der gute Wandel soll den Teig für seine Semmeln gewissenhaft abwiegen und uns Hebammen in Ruhe arbeiten lassen. Und jetzt verschwinde und richte deinem Meister einen schönen Gruß von mir aus! «
»Ich darf nicht ohne Euch zurückkommen!«, rief der Junge. In seiner Stimme lag Verzweiflung. »Der Meister würde mich sofort wieder herschicken, und dann verbringe ich die ganze Nacht in der eisigen Kälte auf der Straße. Gudrun hat gesagt, die Hafnerin und ihr Kind werden sterben, weil seit Stunden nichts weitergeht. Das Kind steckt fest. Bitte kommt mit!«
»Gudrun ist eine erfahrene Hebamme, sie weiß, was sie tut. Bestimmt unternimmt sie alles, was möglich ist.« Theresas Gesicht nahm einen drohenden Ausdruck an. »Und jetzt lass uns endlich weiterschlafen.«
Der Junge überlegte panisch, wie er die Hebamme dazu bewegen könnte, ihn zu begleiten, doch es fiel ihm nichts Rechtes ein. Egal, was in dieser Nacht geschah, sein Lehrherr würde auch ihm die Schuld daran geben.
Währenddessen wurde es Anna auf den kalten Stufen immer unbequemer. Sie hielt es auf ihrem heimlichen Lauschposten nicht mehr aus und schlich, beinahe so geräuschlos wie die schwarze Katze, die Treppe hinunter. Selbst die alte, knarrende Holztreppe schwieg unter ihren nackten Füßen, die sich mittlerweile wie Eisklumpen anfühlten.
»Ist die Hafnerin bei Bewusstsein?«, fragte sie und ließ damit Theresa und den Jungen gleichzeitig zusammenfahren. Der Junge sah Anna an, als wäre sie ein Gespenst, das aus den Wänden dieses kleinen Hauses gestiegen war, um unschuldige Lehrlinge zu erschrecken.
Nach einem kurzen Augenblick der Überraschung fuhr Theresa ihre Nichte verärgert an: »Was machst du hier unten?« Anna lächelte. »Wie soll man schlafen, wenn du den armen Jungen so anschreist.«
»Ich schreie nicht«, sagte Theresa betont leise und sichtlich beleidigt. »Du hast schon wieder keine Schuhe an und wirst dir den Tod holen. Wir sind ohnehin fertig. Der Bursche geht wieder.« Manchmal sprach Theresa mit Anna wie mit einem kleinen Kind. Dabei war sie mit ihren dreiundzwanzig Jahren schon lange erwachsen und seit vier Jahren eine ehrbare Witwe.
»Vielleicht können wir Gudrun unterstützen und der Hafnerin helfen«, sagte sie in vorsichtigem Ton, um ihre Tante nicht noch mehr zu verstimmen. Die Sache mit den Schuhen ignorierte sie.
»Zu viele Köche verderben den Brei, und zu viele Hebammen bringen einander auf den Scheiterhaufen«, zischte Theresa.
Anna machte einen Schritt auf ihre Tante zu, nahm sie beim Arm und zog sie zur Seite. »Denkst du nicht, dass wir die Pflicht haben, es zu versuchen?«, flüsterte sie so leise, dass nur Theresa sie verstehen konnte.
Ein verächtliches Schnaufen war die Antwort. »Wenn ich das Wort Pflicht nur höre, kommt mir schon das Abendessen hoch!«
Neue Hoffnung schöpfend, machte der Junge einen weiteren Schritt in die Stube, um nur ja nicht wieder auf die Straße geschoben zu werden.
»Ich finde, wir müssen es probieren.« Anna warf ihrer Tante einen vielsagenden Blick zu, den nur sie verstehen konnte.
Die Hände in die Hüften gestemmt, richtete Theresa sich auf. Die Jahre hatten ihrer Figur nicht viel anhaben können, sie war nach wie vor groß und schlank. Bloß das allmählich ergrauende Haar und zahlreiche Fältchen im Gesicht verrieten ihr Alter.
»Willst du mir vorschreiben, was ich zu tun habe?«
»Das würde ich niemals wagen.« Etwas in Annas Stimme deutete darauf hin, dass sie ihre Antwort nicht ganz ernst meinte. Ausdruckslos hielt sie dem ärgerlichen Blick der Tante stand.
»Man übernimmt keine Geburt, bei der eine andere Hebamme schon ihre Hände im Spiel hatte«, erklärte Theresa. Anna wusste, wie groß die Gefahr war, die Schuld für eine Totgeburt zugeschoben zu bekommen, und wie leicht ihr Berufsstand in Verruf geraten konnte. Erst vorige Woche hatte man in Wiener Neustadt eine Hebamme vor den Richter gebracht, weil die Frau eines angesehenen Bürgers bei der Geburt gestorben war.
Schließlich seufzte Theresa laut und sagte in resigniertem Tonfall: »Meinetwegen. Sehen wir uns die Hafnerin an.«
Der Junge verstand nicht, was hier eben vorgefallen war, aber er machte sich auch nicht die Mühe, länger darüber nachzudenken. Vielleicht hatte sein Lehrherr ja recht mit der Behauptung, dass Denken nicht seine Stärke war. Erleichtert machte sich der Bursche mit der guten Nachricht, die Hebamme komme gleich, auf den beschwerlichen Weg zurück zum Hafnersteig.
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Autoren-Porträt von Beate Maly
Maly, Beate Beate Maly, geboren in Wien, ist Bestsellerautorin zahlreicher Kinderbücher, Sachbücher und historischer Romane. Ihr Herz schlägt neben Büchern für Frauen, die entgegen aller Widerstände um ihr Glück kämpfen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Beate Maly
- 2008, 6. Aufl., 496 Seiten, Maße: 11,9 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548280048
- ISBN-13: 9783548280042
- Erscheinungsdatum: 05.12.2008
Kommentare zu "Die Hebamme von Wien"
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