Die Insassen
Roman. Originalausgabe
Vier Insassen der Nervenklinik St. Ägidius bringen ihre Anstalt zunächst auf Kurs und anschließend an die Börse. Schließlich sind sie vom Fach - handelt es sich doch um drei ehemalige Topmanager und eine Chefsekretärin....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Insassen “
Vier Insassen der Nervenklinik St. Ägidius bringen ihre Anstalt zunächst auf Kurs und anschließend an die Börse. Schließlich sind sie vom Fach - handelt es sich doch um drei ehemalige Topmanager und eine Chefsekretärin. Ohnehin ist Exfinanzvorstand Dr. Wilhelm Löhring überzeugt, die Klinik sei seine eigene Firma. Sofort will er sein Unternehmen mithilfe der drei Insider flottmachen. Da im Zeitalter der anonymen digitalen Kommunikation und mit einer entsprechenden Reputation in der Wirtschafts-Community alles möglich ist, gerät der Börsengang zu einem vollen Erfolg. Spleen-Management: Drei durchgeknallte Topmanager und eine Chefsekretärin bringen ihre Anstalt an die Börse.
Klappentext zu „Die Insassen “
Vier Insassen der Nervenklinik St. Ägidius bringen ihre Anstalt zunächst auf Kurs und anschließend an die Börse. Schließlich sind sie vom Fach - handelt es sich doch um drei ehemalige Topmanager und eine Chefsekretärin. Ohnehin ist Exfinanzvorstand Dr. Wilhelm Löhring überzeugt, die Klinik sei seine eigene Firma. Sofort will er sein Unternehmen mithilfe der drei Insider flottmachen. Da im Zeitalter der anonymen digitalen Kommunikation und mit einer entsprechenden Reputation in der Wirtschafts-Community alles möglich ist, gerät der Börsengang zu einem vollen Erfolg.
Lese-Probe zu „Die Insassen “
Die Insassen von Katharina MünkAusgerastet - Vom Ende des Navigationssystems
Er hätte nie gedacht, dass ihm so etwas einmal passieren würde, von einem Tag auf den anderen, und dass all das, was sich innerhalb und außerhalb von St. Ägidius an Wahnsinn anschloss, überhaupt möglich sein konnte.
Flug LH 960 um 08.05 Uhr von Frankfurt nach München war überbucht und die Armlehne neben ihm schon belegt. Sie würde es wohl auch bleiben. Er schaute seinen Sitznachbarn nicht an, als er seine Zeitungen auf dem Sitz ablegte, um das Kabinenfach zu öffnen. Aber er spürte, dass dieser klein und von fülliger Statur war sein Oberkörper nahm Licht vom Fenster weg. Der klassische Gang-Kandidat eigentlich. Aber er saß am Fenster.
Zehn Minuten später hätte er ihm ins Gesicht schlagen können.
»Schön voll heute Morgen. Aber besser über den Wolken als überarbeitet, was?«
Der Unterarm auf der Lehne neben ihm hatte das Gespräch gleich nach Einklicken des Anschnallgurtes begonnen. Er schien auf der Suche nach Kontakt zu sein, nach was Gutem eben, wie ein Trüffelschwein im Spätherbst. Winter wollte lesen, nur lesen, in Ruhe gelassen werden, drei Wirtschaftsteile durcharbeiten, während dem Rest der Fluggäste im Schlaf die Kiefer herunterklappten und die Sportseiten der Zeitungen aus den Händen glitten. Er nickte kurz und schlug wortlos den ersten Wirtschaftsteil auf, mit einem Hieb aus dem Handgelenk, dass es nur so knallte. Der Unterarm zuckte zusammen, und vorerst blieb alles ruhig.
»Kaffee oder Tee?«
Das Parfüm der brünetten Stewardess kroch in seine Nase, als sie sich leicht zu ihm herunterbeugte. Sie roch, als wolle sie ihre Umgebung in einen kontrollierten Zustand der Bewusstlosigkeit versetzen. Aus dem Eiswürfelbehälter auf ihrem Wagen tropfte es auf
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seinen Unterarm. Er musste niesen und prustete mit der Luft ein »Nein« heraus.
»Vielleicht ein Sandwich? Pute oder Käse?« Sie zeigte auf ihre Kollegin am zweiten heranratternden Wagen.
Er schaute auf. Ihr Haarreif war aus Plastik, und ihr dunkelblaues Kostüm glänzte ein wenig an den stärker strapazierten Stellen.
»Verdammt noch mal, nein! Kann denn heute niemand mehr auch nur eine Stunde ohne Essen und Trinken auskommen?«
Ihre linke Augenbraue zog sich kaum merklich in die Höhe. Sie rollte weiter. Ihr Parfum blieb.
»Ist die Anästhesistin oder Stewardess?« Der Typ neben ihm wollte sich offenbar auf Winters Gemütslage einpendeln. Er war aus irgendeinem Grund unruhig und schnipste mit dem Zeigefinger ständig am Nagelbett seines Daumens.
»Lassen Sie sich doch ruhig betäuben und schließen noch einmal kurz die Augen«, erwiderte Winter, ohne aufzusehen und um Kontrolle bemüht. Er litt bereits jetzt. Es fing wieder an.
»Schlafen? Oh nein, wer weiß, was ich da alles verpasse. Ich unterhalte mich lieber ein bisschen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Haben Sie auch in München zu tun?«
»Sehe ich etwa nach Bad Tölz aus?« Das kam gefaucht. Vor lauter Unsicherheit schallendes Gelächter beim Dicken, sein Bauch vor den Wolken am Kabinenfenster zuckte.
»Wunderbar, die Kurse liegen im Keller, die Weltwirtschaft steht vor der größten Krise seit den zwanziger Jahren, und Sie behalten Ihren Humor. Chapeau! Soll ich Ihnen das alles mal aus meiner Sicht schildern?«
Nach zwanzig Minuten Monolog über alternative Energien zückte sein Nachbar die Visitenkarte und forderte die von Winter ein nur darum schien es ihm gegangen zu sein. Ein Sammler eben. Winter hatte die letzten zwanzig Minuten in tiefer Resignation verbracht und konterte jetzt wortlos mit Stahlstich in Lucida Console, 11 Punkt. Der Mann neben ihm setzte seine Brille auf die äußerste Spitze seiner Nase, blickte über den Rand, las wie beim augenärztlichen Sehtest laut vor und ließ sich dabei jedes Wort auf der Zunge zergehen: »Keith Winter, Beteiligungsmanager, Benderman Ley.« Er schien wie vom Donner gerührt, während er den mittleren Knopf seines Sakkos zuknöpfte: »Das sind Sie? Toll, dass ich Sie einmal persönlich kennenlernen darf. Man erfährt von Ihnen ja sonst nur aus der Zeitung. Oh, da können Sie mir gleich einige Fragen sozusagen aus erster Hand beantworten.«
Dieser Mensch war eine Landplage, indiskret, ignorant und penetrant, war mit Sicherheit Basic-Tarif-gebucht, nicht erstattbar. Winter ließ den Blick in Richtung Kabinendecke wandern. Er konnte nicht weg, war angeschnallt, ausgeliefert, Schulter an Schulter, hörte ihn, roch ihn, spürte ihn. Es war fürchterlich, nicht zum Aushalten. Ihm wurde wieder heiß, sein Puls stieg, die Haarpartie an seinem Hinterkopf fing an, sich zu kringeln kein gutes Zeichen. Hastig und um Kontrolle bemüht fingerte er in seiner Hosentasche nach seinem Nasenspray und einem Kaugummi.
Als der Flieger aufsetzte, war Winter, noch bevor die Anschnalllichter erloschen, an der Ablage. Dieser Vorsprung von circa drei Sekunden verschaffte ihm eine Position zweieinhalb Meter weiter vorne, näher am Ausgang, und er fühlte sich komfortabler. Business, er würde das nächste Mal wieder Business buchen lassen, um halbwegs abgeschirmt zu sein von jeglicher Art von Intimitäten und Konversationszappeleien. Business, hundertprozentig, auch auf Kurzstrecke, ausnahmslos. Plötzlich sah er nur noch Schwarz. Sein Vordermann im Gang hatte seinen ledernen Kleidersack so schwungvoll über die Schulter geworfen, dass es Winter fast die Brille vom Gesicht gerissen hätte, und jetzt bückte er sich auch noch, streckte sein Hinterteil in pikanter Höhe gegen Winter und lugte durch das nächste Fenster: »Scheiß Außenposition.«
Die Schnellen standen im Gang, die Langsameren mit eingezogenen Köpfen über ihren Sitzen, während sie sich an den Polstern der Vorderreihe festklammerten, dass ihre Fingerkuppen weiß wurden. Die Handys piepsten, blinkten, vibrierten wie im Spielerparadies, verschafften Ablenkung. Winter hatte sein Blackberry bereits nach Aufsetzen der Räder gecheckt und starrte nun über zerknautschte, zugemüllte Sitzreihen hinweg. Bei all dem Herumgehopse quer durch die Welt würde es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er vergessene Schuhe unter den Sitzen entdeckte, während die Besitzer sich auf die Socken gemacht hatten, zum nächsten Termin eilend. Winter hinterließ seine Zeitungen stets sauber gefaltet im Rückenlehnenfach und sonst nichts, gar nichts.
Im Bus stand das deutsche Wirtschaftsleben mit kleinen Augen und schlechtem Atem wie im Viehtransporter, und am Terminal rannte es dann völlig enthemmt durch die sich öffnenden Türen. Winter rannte mit. Sein Kopf schaltete dabei auf Autopilot, und er steuerte auf das grüne und orange Leuchten der Mietwagenschalter am Ende der Ankunftshalle zu. Er hatte momentan nur zwei kurzfristige Zielvorgaben: Wagen und weg.
Die drei Repräsentanten der Finanzinvestoren, die er treffen würde, waren hungrig wie die Wölfe und träumten selbst in diesen Zeiten von einem ordentlichen Emissionsvolumen oder zumindest von der Übernahme des Managements, das einen kürzeren Atem als sie selbst haben sollte. Daran würde die Krise nichts ändern. Die Deals mit der Hoffnung auf bessere Zeiten waren schon wieder in vollem Gange. Die drei waren sozusagen seine Patienten in Sachen Geld, und ihrer Situation und Seelenlage galt es nun gerecht zu werden. Dabei war er lediglich Besitzer einiger namhafter Chips in ihrer Lieblingsfarbe, wenn auch teilweise behaftet mit nicht unerheblichen Schulden und Risiken. Aber die ganze Welt war schon wieder besoffen.
© 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
»Vielleicht ein Sandwich? Pute oder Käse?« Sie zeigte auf ihre Kollegin am zweiten heranratternden Wagen.
Er schaute auf. Ihr Haarreif war aus Plastik, und ihr dunkelblaues Kostüm glänzte ein wenig an den stärker strapazierten Stellen.
»Verdammt noch mal, nein! Kann denn heute niemand mehr auch nur eine Stunde ohne Essen und Trinken auskommen?«
Ihre linke Augenbraue zog sich kaum merklich in die Höhe. Sie rollte weiter. Ihr Parfum blieb.
»Ist die Anästhesistin oder Stewardess?« Der Typ neben ihm wollte sich offenbar auf Winters Gemütslage einpendeln. Er war aus irgendeinem Grund unruhig und schnipste mit dem Zeigefinger ständig am Nagelbett seines Daumens.
»Lassen Sie sich doch ruhig betäuben und schließen noch einmal kurz die Augen«, erwiderte Winter, ohne aufzusehen und um Kontrolle bemüht. Er litt bereits jetzt. Es fing wieder an.
»Schlafen? Oh nein, wer weiß, was ich da alles verpasse. Ich unterhalte mich lieber ein bisschen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Haben Sie auch in München zu tun?«
»Sehe ich etwa nach Bad Tölz aus?« Das kam gefaucht. Vor lauter Unsicherheit schallendes Gelächter beim Dicken, sein Bauch vor den Wolken am Kabinenfenster zuckte.
»Wunderbar, die Kurse liegen im Keller, die Weltwirtschaft steht vor der größten Krise seit den zwanziger Jahren, und Sie behalten Ihren Humor. Chapeau! Soll ich Ihnen das alles mal aus meiner Sicht schildern?«
Nach zwanzig Minuten Monolog über alternative Energien zückte sein Nachbar die Visitenkarte und forderte die von Winter ein nur darum schien es ihm gegangen zu sein. Ein Sammler eben. Winter hatte die letzten zwanzig Minuten in tiefer Resignation verbracht und konterte jetzt wortlos mit Stahlstich in Lucida Console, 11 Punkt. Der Mann neben ihm setzte seine Brille auf die äußerste Spitze seiner Nase, blickte über den Rand, las wie beim augenärztlichen Sehtest laut vor und ließ sich dabei jedes Wort auf der Zunge zergehen: »Keith Winter, Beteiligungsmanager, Benderman Ley.« Er schien wie vom Donner gerührt, während er den mittleren Knopf seines Sakkos zuknöpfte: »Das sind Sie? Toll, dass ich Sie einmal persönlich kennenlernen darf. Man erfährt von Ihnen ja sonst nur aus der Zeitung. Oh, da können Sie mir gleich einige Fragen sozusagen aus erster Hand beantworten.«
Dieser Mensch war eine Landplage, indiskret, ignorant und penetrant, war mit Sicherheit Basic-Tarif-gebucht, nicht erstattbar. Winter ließ den Blick in Richtung Kabinendecke wandern. Er konnte nicht weg, war angeschnallt, ausgeliefert, Schulter an Schulter, hörte ihn, roch ihn, spürte ihn. Es war fürchterlich, nicht zum Aushalten. Ihm wurde wieder heiß, sein Puls stieg, die Haarpartie an seinem Hinterkopf fing an, sich zu kringeln kein gutes Zeichen. Hastig und um Kontrolle bemüht fingerte er in seiner Hosentasche nach seinem Nasenspray und einem Kaugummi.
Als der Flieger aufsetzte, war Winter, noch bevor die Anschnalllichter erloschen, an der Ablage. Dieser Vorsprung von circa drei Sekunden verschaffte ihm eine Position zweieinhalb Meter weiter vorne, näher am Ausgang, und er fühlte sich komfortabler. Business, er würde das nächste Mal wieder Business buchen lassen, um halbwegs abgeschirmt zu sein von jeglicher Art von Intimitäten und Konversationszappeleien. Business, hundertprozentig, auch auf Kurzstrecke, ausnahmslos. Plötzlich sah er nur noch Schwarz. Sein Vordermann im Gang hatte seinen ledernen Kleidersack so schwungvoll über die Schulter geworfen, dass es Winter fast die Brille vom Gesicht gerissen hätte, und jetzt bückte er sich auch noch, streckte sein Hinterteil in pikanter Höhe gegen Winter und lugte durch das nächste Fenster: »Scheiß Außenposition.«
Die Schnellen standen im Gang, die Langsameren mit eingezogenen Köpfen über ihren Sitzen, während sie sich an den Polstern der Vorderreihe festklammerten, dass ihre Fingerkuppen weiß wurden. Die Handys piepsten, blinkten, vibrierten wie im Spielerparadies, verschafften Ablenkung. Winter hatte sein Blackberry bereits nach Aufsetzen der Räder gecheckt und starrte nun über zerknautschte, zugemüllte Sitzreihen hinweg. Bei all dem Herumgehopse quer durch die Welt würde es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er vergessene Schuhe unter den Sitzen entdeckte, während die Besitzer sich auf die Socken gemacht hatten, zum nächsten Termin eilend. Winter hinterließ seine Zeitungen stets sauber gefaltet im Rückenlehnenfach und sonst nichts, gar nichts.
Im Bus stand das deutsche Wirtschaftsleben mit kleinen Augen und schlechtem Atem wie im Viehtransporter, und am Terminal rannte es dann völlig enthemmt durch die sich öffnenden Türen. Winter rannte mit. Sein Kopf schaltete dabei auf Autopilot, und er steuerte auf das grüne und orange Leuchten der Mietwagenschalter am Ende der Ankunftshalle zu. Er hatte momentan nur zwei kurzfristige Zielvorgaben: Wagen und weg.
Die drei Repräsentanten der Finanzinvestoren, die er treffen würde, waren hungrig wie die Wölfe und träumten selbst in diesen Zeiten von einem ordentlichen Emissionsvolumen oder zumindest von der Übernahme des Managements, das einen kürzeren Atem als sie selbst haben sollte. Daran würde die Krise nichts ändern. Die Deals mit der Hoffnung auf bessere Zeiten waren schon wieder in vollem Gange. Die drei waren sozusagen seine Patienten in Sachen Geld, und ihrer Situation und Seelenlage galt es nun gerecht zu werden. Dabei war er lediglich Besitzer einiger namhafter Chips in ihrer Lieblingsfarbe, wenn auch teilweise behaftet mit nicht unerheblichen Schulden und Risiken. Aber die ganze Welt war schon wieder besoffen.
© 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
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Autoren-Porträt von Katharina Münk
Münk, KatharinaKatharina Münk ist neben ihrer Autorentätigkeit Personal Coach für Fach- und Führungskräfte und lebt mit ihrem Mann in Hamburg. Ihr erster Roman 'Die Insassen' (2009) wurde ein Bestseller. Ihr Name ist ein Pseudonym.
Bibliographische Angaben
- Autor: Katharina Münk
- 2009, 5. Aufl., 220 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423247525
- ISBN-13: 9783423247528
Rezension zu „Die Insassen “
»›Die Insassen‹ sind federleicht formuliert, herrlich verseucht mit großkotzigen Anglizismen - und doch erschreckend nah an der Realität. Siehe Finanzkrise.«General-Anzeiger 20.02.2010
Kommentare zu "Die Insassen"
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