Die Logik des Verrücktseins
Der Psychiater Dr. med. Markus Preiter leuchtet in unsere scheinbar so rätselhafte Psyche und stellt eine kühne These auf: Anhand der »Logik« psychischer Störungen könne er den Bauplan der Seele aufzeichnen. Dafür nimmt...
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Produktinformationen zu „Die Logik des Verrücktseins “
Der Psychiater Dr. med. Markus Preiter leuchtet in unsere scheinbar so rätselhafte Psyche und stellt eine kühne These auf: Anhand der »Logik« psychischer Störungen könne er den Bauplan der Seele aufzeichnen. Dafür nimmt er uns mit auf eine bewegende Entdeckungsreise in unser eigenes Inneres.Ein bei aller wissenschaftlicher Fundiertheit zutiefst menschliches Buch, das von dem faszinierenden Grundriss unserer Psyche erzählt - aber auch von ihrer Zerbrechlichkeit.
»Der evolutionäre Blick ermöglicht nicht nur Fachleuten, sondern auch Betroffenen und jedem interessierten Leser, den geheimen Sinn psychischer Erkrankungen zu entschlüsseln.« Dr. med. Hans-Peter Unger, Psychiater und Autor des Bestsellers »Bevor der Job krank macht«
Dieses Buch hat Sensationskraft. Der Psychiater Dr. med. Markus Preiter behauptet: Die Seele hat einen wohlgeordneten, klar strukturierten Aufbau, der sich ausgerechnet anhand von psychiatrischen Erkrankungen erklären lässt. Durch die »Logik« seelischer Störungen wird sichtbar, wie sich die menschliche Psyche in der Evolution Schritt für Schritt entwickelte und wie uns diese Millionen Jahre dauernde Entwicklung heute noch prägt.
Psychische Erkrankungen sind mitnichten so unbegreiflich oder unheimlich, wie gemeinhin angenommen wird. Geistige Gesundheit und geistiges »Verrückt-Sein« liegen vielmehr näher beieinander, als wir wahrhaben wollen. So wie auch in der Formel 1 immer schnellere Autos das Risiko erhöhen, aus der Kurve getragen zu werden, stieg im Laufe der Menschheitsgeschichte das psychopathologische »Unfallrisiko«. Die Gefahr, psychisch aus dem Gleichgewicht zu geraten, ist der Preis, den wir für eine immer differenziertere Gehirn- und Gefühlsentwicklung bezahlen.
Ein kluges, unbequemes Buch, das die menschliche Seele in völlig neuem Licht erscheinen lässt und uns herausfordert, viele unserer Grundannahmen über uns selbst infrage zu stellen.
Ein Psychiater erstellt erstmals eine Seelenlandkarte
Mit der Evolutionstheorie den Sinn psychischer Erkrankungen entschlüsseln
Die eigene Psyche besser verstehen
Ein kluges, unbequemes Buch, das die menschliche Seele in völlig neuem Licht erscheinen lässt
»Der evolutionäre Blick ermöglicht nicht nur Fachleuten, sondern auch Betroffenen und jedem interessierten Leser, den geheimen Sinn psychischer Erkrankungen zu entschlüsseln.« Dr. med. Hans-Peter Unger, Psychiater und Autor des Bestsellers »Bevor der Job krank macht«
Dieses Buch hat Sensationskraft. Der Psychiater Dr. med. Markus Preiter behauptet: Die Seele hat einen wohlgeordneten, klar strukturierten Aufbau, der sich ausgerechnet anhand von psychiatrischen Erkrankungen erklären lässt. Durch die »Logik« seelischer Störungen wird sichtbar, wie sich die menschliche Psyche in der Evolution Schritt für Schritt entwickelte und wie uns diese Millionen Jahre dauernde Entwicklung heute noch prägt.
Psychische Erkrankungen sind mitnichten so unbegreiflich oder unheimlich, wie gemeinhin angenommen wird. Geistige Gesundheit und geistiges »Verrückt-Sein« liegen vielmehr näher beieinander, als wir wahrhaben wollen. So wie auch in der Formel 1 immer schnellere Autos das Risiko erhöhen, aus der Kurve getragen zu werden, stieg im Laufe der Menschheitsgeschichte das psychopathologische »Unfallrisiko«. Die Gefahr, psychisch aus dem Gleichgewicht zu geraten, ist der Preis, den wir für eine immer differenziertere Gehirn- und Gefühlsentwicklung bezahlen.
Ein kluges, unbequemes Buch, das die menschliche Seele in völlig neuem Licht erscheinen lässt und uns herausfordert, viele unserer Grundannahmen über uns selbst infrage zu stellen.
Ein Psychiater erstellt erstmals eine Seelenlandkarte
Mit der Evolutionstheorie den Sinn psychischer Erkrankungen entschlüsseln
Die eigene Psyche besser verstehen
Ein kluges, unbequemes Buch, das die menschliche Seele in völlig neuem Licht erscheinen lässt
Klappentext zu „Die Logik des Verrücktseins “
Ein Buch über Verrückte was hat das mit mir zu tun? Ein Psychiater leuchtet in unsere scheinbar so rätselhafte Psyche und behauptet: Die Seele hat einen wohlgeordneten Aufbau. Psychische Erkrankungen sind mitnichten mysteriös, sondern lassen sich durch die Entstehungsgeschichte der Menschheit logisch erklären. Ein Buch, das die menschliche Seele in ganz neuem Licht erscheinen lässt. Eine sensationell neue Sicht auf unser Innenleben: Warum fühlen wir? Wie entstehen seelische Erkrankungen? Ein Psychiater leuchtet in unsere scheinbar so rätselhafte Psyche und erstellt eine Landkarte. Dr. med. Preiter behauptet: Die Seele hat einen wohlgeordneten Aufbau. Neurosen, Paranoia oder Schizophrenie sind mitnichten unbegreiflich oder mysteriös. Durch die Entstehungsgeschichte des Menschen lassen sie sich ganz logisch erklären. Mithilfe der Evolutions forschung wird sichtbar: Psychiatrische Erkrankungen sind mitnichten so unbegreiflich oder unheimlich, wie viele denken oder wie man glauben könnte, wenn man sieht, wie unbeholfen die herkömmliche Psychiatrie oft im Nebel stochert und statt Ursachenklärung reine Symptombekämpfung betreibt. Markus Preiter behauptet: Die Psyche hat einen wohlgeordneten Aufbau. Psychopathologie ist keine ganz anders geartete Parallelwelt zur Normal funktion des Gesunden. Psychopathologie ist in weiten Aspekten nichts anderes als das unnötige Steckenbleiben in einer gesunden, lösungsorientierten Normalfunktion. Sie folgt in ihrer kausalen Entstehung den Bewältigungsstrategien, die der Gesunde ebenfalls permanent benutzt, der sie aber, anders als der Kranke, auch wieder verlassen kann. Die Krankheitsbilder, wie sie der Psychiater bei seiner täglichen Arbeit sieht, sind in Verbindung mit der Evolutionstheorie der Schlüssel zum Verständnis unserer eigenen Seele. Dieses aufregende Sachbuch macht sichtbar, dass es eine Logik hinter typischen seelischen
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Schwierigkeiten (von Alltagsproblemen bis hin zu psychiatrischen Fällen) und damit auch einen evolutionären guten Grund für sie gibt.
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Lese-Probe zu „Die Logik des Verrücktseins “
Die Logik des Verrücktseins von Markus Preiter Vorüberlegungen
Die unheimliche Faszination der Psychiatrie und der Blindflug der Psychiater
Psychiatrie: Vermutlich löst keine Fachdisziplin der Medizin eine vergleichbare Fülle an negativen Assoziationen aus. Laien denken an: verrückt sein, irre sein, wahnsinnig sein, Klapsmühle, Gummizelle, Elektroschocks, wegsperren, wegspritzen. Selbst ein zentraler und, in den Augen der in der Psychiatrie arbeitenden Menschen, hilfreicher Pfeiler der Behandlung, nämlich die Psychopharmakotherapie, besitzt für viele Außenstehende eine bedrohliche Aura. Es wird befürchtet, dass Medikamente durchgehend süchtig machen, die Persönlichkeit verändern und unnötig »ruhigstellen«. Gleichzeitig übt die Psychiatrie auf viele Menschen eine schwer beschreibbare, etwas unheimliche Faszination aus. Was geht hinter den Türen psychiatrischer Abteilungen vor? Wie ist es wohl, verrückt zu sein? Kann man einen »Verrückten« überhaupt verstehen und heilen? Ist Verrückt- sein ansteckend? Wie läuft eine Therapie in der Psychiatrie überhaupt ab? Gleicht sie einer Gehirnwäsche und werden die Patienten statt gesund zu Schatten ihrer Selbst?
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Meistens werden Menschen ganz plötzlich und unmittelbar mit der Psychiatrie konfrontiert. Sei es als Betroffener, als Angehöriger oder als Freund. Zuvor war Psychiatrie immer etwas für die anderen - ausgeschlossen, dass man damit überhaupt einmal etwas zu tun haben könnte. Gerade stand man selbst doch mitten im Leben und plötzlich ist man oder soll man krank sein? Oder die Eltern oder das Kind oder der Freund? Fragen tauchen auf, mit denen man sich nie vorher beschäftigt hat. Wie heißt meine Krankheit? Wie lange dauert eine psychiatrische Behandlung? Wie lange muss man im Krankenhaus bleiben? Müssen Medikamente wirklich sein? Wobei sollen sie helfen? Ist nicht eine alleinige Psychotherapie viel wichtiger als »medikamentöses Ruhigstellen«? Was sind die Nebenwirkungen einer medikamentösen Behandlung? Werde ich, mein Vater, meine Tochter, mein Freund wieder ganz der oder die Alte werden? Muss man für den Rest seines Lebens Medikamente nehmen? Was kann ein aktueller Auslöser der psychischen Erkrankung sein? An welcher Hürde des Lebens ist die Seele in dieses beängstigende Straucheln gekommen und hat, stolpernd, Symptome entwickelt wie Schlafstörungen, depressive Stimmung, rastlose Unruhe oder Stimmenhören?
Alle diese Fragen sind im Einzelfall zu entscheiden und werden von den Professionellen, den Ärzten und Psychologen, aufgrund ihrer Erfahrung und Ausbildung für jeden Patienten hoffentlich hilfreich beantwortet.
Was weiß die Psychiatrie eigentlich über »Verrücktsein«?
Das große Rätsel jedoch »Was ist das überhaupt: Psychisch-krank- Sein, und welche Beziehung besteht zum ›normalen‹ psychischen Befinden?«, bleibt in der Regel unbeantwortet oder wird irritierenderweise von Behandler zu Behandler unterschiedlich beantwortet. Warum kann sich ein Mensch überhaupt vom Geheimdienst verfolgt und von den Nachbarn beobachtet fühlen? Wie kann das sein, dass jemand Stimmen hört, die ihm Befehle geben? Warum wird ein Mensch lebensmüde und will sich umbringen? Warum hat jemand plötzlich panische Angst wie aus dem Nichts? Warum ist es möglich, dass ein Mensch gestern noch zu Tode betrübt war und heute himmelhoch jauchzend ist? Wie ist das Auftreten von Krankheiten, die die Fachleute Psychose, Depression, Manie, bipolare Erkrankung, Phobien oder Angsterkrankung nennen, zu verstehen und wie sind diese »Verrückungen« verwoben mit dem Menschsein selbst? Die Lösung dieses Rätsels ist das Thema dieses Buches.
Patienten und Angehörige erhalten je nach Behandler unterschiedliche Antworten auf ihre Fragen nach der Verbindung von psychisch krank und »normal« sein. Einer spricht von einer Störung der Menge an Neurotransmitter, ein anderer von Disharmonie im Zusammenspiel einzelner Strukturen des Gehirns, ein Dritter sieht die Ursache von psychischen Erkrankungen in der lebensgeschichtlichen Entwicklung und insbesondere in den Ereignissen der ersten Lebensjahre, ein Vierter favorisiert das gesellschaftliche Gefüge als »Krankmacher«, ein Fünfter macht die Gene verantwortlich, ein Sechster sieht ein Zusammenspiel aller genannter Faktoren als die Ursache an, ein Siebter hält das Auftreten psychischer Auffälligkeiten für generell unverständlich und unerklärlich. Und die Patienten, die Angehörigen, die Freunde sind ratlos. Welche Erklärung sollen sie favorisieren? Jede Erklärung wird doch in ihrer Bedeutung anscheinend durch eine andere entkräftet.
Diese auch für Fachleute verwirrende Erklärungsfülle hängt mit der hohen Komplexität des Themas zusammen. Derzeitig werden zum Verständnis des Auftretens psychopathologischer Auffälligkeiten die Bedingungen herangezogen, welche gegenwärtig auf den einzelnen Patienten Einfluss nehmen. Dies sind nun einmal unsere Lebenserfahrungen, unsere aktuelle Lebenssituation, der gesellschaftliche Kontext, in dem wir uns bewegen, und nicht zuletzt auch der Einfluss unseres Erbgutes. Diesen unterschiedlichen Einflussfaktoren jeweilig folgend, haben sich unterschiedliche psychiatrische Schulen mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die menschliche Psychopathologie entwickelt. Jede Schule verfolgt für sich ein eigenes Erklärungsmodell und favorisiert ihr Modell unter Diskriminierung anderer Modelle als Hauptentstehungsursache psychopathologischer Phänomene. Welches Modell man als Behandler bevorzugt, ist eher »Geschmackssache« als wissenschaftlich fundiertes Urteil. Eines dieser Erklärungsmodelle zu verstehen und zu durchdringen, ist bereits so komplex, dass es für sich schon die ganze Aufmerksamkeit eines Professionellen beansprucht. Diese Spezialisierung führt zu fruchtbaren Erkenntnisgewinnen innerhalb der verschiedenen Theoriemodelle, hat aber, wie ich in meiner vieljährigen Arbeit als klinisch tätiger Psychiater zu beobachten meine, für das Fachgebiet Psychiatrie einen entscheidenden Preis: Über weite Strecken der psychiatrischen Ausbildung und Tätigkeit gelingt es den Behandlern im klinischen Alltag nicht, in einem praktisch umsetzbaren Maße die verschiedenen Erklärungsmodelle für die Patienten und Angehörigen verständlich miteinander zu verbinden. So wird sicherlich gut »technisch« behandelt, oft gelingt es jedoch nicht, das Phänomen Psychopathologie den Patienten und ihren Angehörigen oder Freunden »begreifbar « zu machen. Begreifbar im Sinne von berühren und umgreifen des entscheidenden Sachverhaltes: »Psychische Krankheit und ihr Verhältnis zur psychischen Gesundheit des Menschen«. Dadurch bleiben die psychopathologischen Symptome für die Patienten, ihre Angehörigen und selbst für viele Behandler in einer finsteren Aura des Unheimlichen und Bedrohlichen stecken. Symptome werden dann nicht verstanden, sondern werden, von ihnen Abstand nehmend, technisch durch die Behandler gesammelt, kategorisiert, katalogisiert und schließlich diagnostiziert.
So bleibt die Psychiatrie, trotz aller außerordentlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse und Neuerungen in interessanten Einzel- fragen, in der Gesamtschau des Menschen für viele Außen- und leider auch Innenstehende dunkel und vage.
Aus »seelischer Krankheit« Rückschlüsse auf seelische Gesundheit ziehen
Aus dieser Erklärungs- und Verständnislücke ergab sich für mich der Ausgangspunkt für dieses Buch. Viele Psychiater und andere Berufsgruppen innerhalb der Psychiatrie haben aufgrund des verzweigten Zuganges zum Krankheitsverständnis, wie ich behaupte, keine Vorstellung über ein in meinen Augen wichtiges und für die Arbeit mit Patienten eigentlich unerlässliches Gebiet: nämlich über die allgemein gültige seelische Funktionsweise des Menschen. Der Begriff des »Seelischen« ist mit Bedacht gewählt. Ich benutze ihn hier und in der Folge nicht in seiner transzendenten Bedeutung, sondern in seiner Abgrenzung zum Begriff des »Psychischen«. Mit dem Begriff »Psyche« wird schnell das »Psycho-pathologische« assoziiert, das psychisch Kranke. Dagegen verstehe ich den Begriff des »Seelischen« losgelöst von einer Pathologie. Es gibt Psychopathologie, aber keine Seelenpathologie.
Dieses von mir unterstellte, unvollständige Verständnis des Kerninteresses im eigenen Fachgebiet, nämlich die jeweilige Funktions- weise des Gesunden, ist innerhalb der medizinischen Fachrichtungen, zu denen die Psychiatrie ja gehört, ausschließlich ein Phänomen der Psychiatrie. Sie steht deshalb, verglichen mit den anderen medizinischen Disziplinen, merkwürdig isoliert da. Überall in der Medizin lernen Ärzte aus den Krankheitsprozessen Neues über die Funktionsweise des Gesunden. So verstehen Kardiologen z.B., wie die für eine harmonische Arbeitsweise des Herzens notwendige Reizleitung im Herzen funktioniert, aus dem klinischen Phänomen der Reizleitungsstörungen heraus. Die Entwicklung einer Behandlungsmöglichkeit von Herzrhythmusstörungen durch einen künstlichen Herzschrittmacher etwa ist erst aus der beschriebenen Synthese von Krankheit und Funktionsverständnis des gesunden Herzens möglich geworden. Erkenntnisgewinn und Therapie erwachsen in der Psychiatrie allerdings nicht auf diese Weise. In ihr werden vielmehr die psychopathologischen Phänomene vorwiegend nicht als Chiffren des Strukturaufbaus der menschlichen Seele verstanden, sondern als bedeutungsfreies Krankheitskriterium.
Auch die erfolgte Erweiterung psychiatrischer Erkenntnis um psychotherapeutisches Wissen, wie es durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie festgeschrieben ist, verändert diese Problematik nur graduell. Die beiden großen psychotherapeutischen Ausrichtungen, die Verhaltenstherapie wie auch die Tiefenpsychologie, bieten zwar einen Verständnishintergrund, sind in ihrer Deutungskraft und Therapiemöglichkeit aber nur auf spezielle psychiatrische Krankheitsbilder anzuwenden. Ein im gesamten klinischen Alltag und der Arbeit mit den Patienten und Angehörigen anzuwendendes, Krankheitsgruppen übergreifendes Verständnis sämtlicher psychopathologischer Phänomene fehlt und wird erstaunlicherweise kaum vermisst. Man gibt sich zufrieden mit der Symptomoberfläche und verweigert den Blick in die Strukturtiefe des Menschen. Dies erfolgt im gesamten Fachgebiet einschließlich des akademischen Betriebes an den Universitätskliniken so systematisch, dass ein Verdrängungsmechanismus konstatiert werden muss: Die Psychiatrie leidet auf Kosten der Patienten an einer Erkenntnisschwäche, welche meiner Meinung nach in einer Erkenntnisphobie, bezogen auf die eigenen Möglichkeiten des Fachgebietes, begründet ist. Die psychopathologischen Phänomene sind nämlich, konsequent interpretiert, in ihrer Deutungs- und Aussagekraft über den Menschen in seinem Sein beängstigende Vorboten eines zu meidenden Selbsterkenntniswissens, welches in der Lage ist, das Selbstverständnis der Behandler und ihre eigene seelische Stabilität bedrohlich zu unterspülen. Der Blick in die Erkenntnistiefe wird phobisch gemieden, da nur so die letztlich künstliche Dichotomie zwischen Gesundheit und Krankheit - und zwischen Patient und Behandler - aufrechterhalten werden kann. Dass Selbsterkenntnis nicht nur Gefahrenmomente birgt, sondern auch Reifungs- und Wachstumsimpulse bereitstellt, bleibt in dieser Arbeitsweise der Psychiatrie leider allzu oft unerkannt und ungenutzt.
Die psychopathologischen Erkenntnisschätze zu heben, überlässt die Psychiatrie deshalb leider anderen, z.B. naturalistischen Philosophen1, die aber gar nicht mit Patienten arbeiten und deshalb ihre eigenen Modellvorstellungen nicht fruchtbar durch die Patientenarbeit evaluieren und modifizieren können. Da die klinisch tätigen Behandler hingegen täglich mit psychisch kranken Menschen umgehen dürfen und müssen, bauen sie unbewusst einen Erkenntnisvermeidungsschutz auf, der sie davor bewahrt, das Seelenlabyrinth menschlicher Psychopathologie zu betreten und sich darin unter Umständen zu verirren. Leider sind sie deshalb aber auch keine gut informierten Pfadfinder, welche ihre Patienten aufgrund ihres Spezialwissens ruhigen Schrittes aus dem Seelenlabyrinth herausführen könnten. Dafür benötigten sie Wissen über den Strukturaufbau des Labyrinths, in das sie sich nicht wirklich hineinwagen können, da das Fachgebiet selbst in den letzten 150 Jahren seiner Existenz als medizinische Disziplin keinen anerkannten Grundriss des Labyrinths entwickelt hat und in der psychiatrischen Ausbildung an die Ärzte vermittelt. Der für die nicht nur deutsche Psychiatrie in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wirkende, bedeutende Kliniker und psychopathologische Forscher Kurt Schneider hat in einem ähnlichen Zusammenhang einmal darauf hingewiesen, dass es deshalb »die Psychiatrie « gar nicht gebe, sondern nur »den Psychiater«, da sich jeder über die Jahre sein eigenes und ganz persönliches Abbild des Fachgebietes Psychiatrie erarbeitet.
Jeder Kliniker findet, wenn er sich darauf einlässt, mühselig nach Jahren seinen individuellen Weg durch das »Unterholz« psychiatrischer Interpretationsmöglichkeiten. Viele gehen dabei unnötige Umwege, manche verirren sich resigniert im Gestrüpp der Alternativen. Mit den Fragen von Patienten, Angehörigen oder am Psychopathologischen interessierten Laien sind Psychiater aus den genannten Gründen oft überfordert, da sie keine Strukturvorstellungen entwickeln und diese oft als unnötige Theorielast empfinden. Ich bin überzeugt, dass z.B. der fatale Ausschluss von Angehörigen aus dem therapeutischen Prozess, wie er im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts über weite Strecken stattgefunden hat, ebenso wie die unfruchtbare, teilweise verbissen ideologisch geführte Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen psychiatrischen und psychotherapeutischen Schulen im gleichen Zeitraum, letztlich auch mit dieser Sprachlosigkeit in strukturellen Fragen in Zusammenhang stand und bis heute in abgeschwächter Form steht.
Damit bleibt die Psychiatrie als naturwissenschaftlich anthropologische Disziplin weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und fi ndet sich abgesondert hinter den Türen der Krankenhausabteilungen und Arztpraxen wieder, in denen sie arbeitet. Sie beschäftigt sich ausschließlich mit Kranken und hat doch eigentlich auch den bisher gesund Gebliebenen vieles zu sagen.
Der fehlende Grundriss der menschlichen Seele
Dieses Buch versucht als Gegenentwurf und Ergänzung behilflich zu sein, um das unstrukturierte »Zettelkastendenken« der Psychiatrie und ihrer Schulen, in dem die einzelnen Krankheitsbilder bezugslos nebeneinander aufbewahrt sind, in ein systematisiertes »periodisches System« der Seele zu überführen und zeitraubende Umwege zum Strukturverständnis zu vermeiden. Ähnlich wie das Periodensystem der Chemie die stoffliche Welt in einen Bezug zueinander setzt und Reaktionsmuster und Wechselwirkungen erklärt bzw. vorhersagt, möchte ich mit meinem übergreifenden Erklärungsmodell die verschiedenen Interpretationshorizonte, derer sich die Psychiatrie bedient, auf ein gemeinsames Verständnisfundament stellen und sie damit in Bezug zueinander setzen. Ich bin mir bewusst, dass auch die in der Folge beschriebene Sichtweise eine Verkürzung darstellt und Wichtiges unter den Tisch fallen lässt. Auch hier besteht eine Parallele zum Periodensystem der Chemie. Es beschreibt zwar eine höhere Ordnung der stofflichen Welt, anderes Wissen geht aber in diesem System verloren oder wird nicht präsent. Die Farbe von Gold etwa ist dem Periodensystem nicht zu entnehmen, auch nicht die ästhetische Präsenz, die dieses Metall ausübt, und schon gar nicht die unter Umständen ambivalenten Gefühle, die ein verschenkter goldener Ring auslösen kann.
Das im Verlauf des Buches entwickelte Basismodell verzichtet ebenfalls auf Teilwissen zugunsten des Überblicks. Dabei soll und kann es kein Lehrbuch sein. Es möchte nicht katalogisiert einzelne Krankheitsbilder, wie die Schizophrenie oder die Depression, ausführen und erläutern. Vielmehr möchte es Menschen, die mit psychisch Kranken beruflich arbeiten, und interessierten medizinischen Laien Anregung sein, sich den psychopathologischen Phänomenen einmal anders als in dem herkömmlichen Dualismus von Krankheit versus Gesundheit anzunähern. Es soll Verständnis dafür geweckt werden, was jenseits des Einzelfalles eigentlich hinter den sogenannten psychopathologischen Auffälligkeiten des Menschen generell steht. Dieses Verständnis ist, dem Thema des Buches folgend, deckungsgleich mit Selbsterkenntnis für den Leser. Das berühmte Bild »La Reproduction Interdite« von René Magritte zeigt einen jungen Mann, der mit dem Rücken zum Bildbetrachter vor einem Spiegel steht. Der Spiegel jedoch zeigt dabei nicht, wie zu erwarten wäre, das Gesicht des Mannes, sondern seinen Hinterkopf. Die Beschäftigung mit der menschlichen Psychopathologie, wie wir sie im Verlauf des Buches kennenlernen werden, gleicht ebenso einem Blick in den Spiegel. Dort gibt es überraschende Ansichten unserer selbst, die ansonsten uneinsehbar blieben. Möglich werden somit - für alle, die sich darauf einlassen wollen - Selbsteinsichten.
Die Evolutionstheorie als Kompass
Der Leser wird während der Lektüre des Buches in Verbindung mit seinen eigenen Lebenserfahrungen den fehlenden Labyrinthgrundriss der menschlichen Seele anhand einiger psychopathologischer Phänomene in Ansätzen skizzieren lernen. Was üblicherweise als Psychopathologie bezeichnet wird, ist nämlich nichts anderes als eine spezifische Verdichtung des menschlichen Seins und seiner Funktionsweise, die im Gehirn lokalisiert ist. Dafür ist es aber notwendig, dass der Leser nicht nur in das Buch, sondern im Verlauf der Lektüre auch immer wieder in sich selbst blickt. Sorgen, Ängste, Nöte und Glücksgefühle kennt jeder Mensch, und die Beschäftigung mit diesen persönlichen Erfahrungen ist eine Brücke zum Erleben, wie es sich in psychopathologischen Phänomenen komprimiert. Wenn wir zu dieser Selbstbeschäftigung bereit sind, können wir uns gemeinsam fruchtbar immer tiefer in das Labyrinth der Pathologieerkenntnis und der Selbsterkenntnis vorwagen.
Um dies möglichst gefahrlos und mit der erforderlichen Nüchternheit eines professionellen Höhlenforschers tun zu können, werden wir uns allerdings mit einem verloren gegangenen Hilfsmittel ausrüsten müssen, das uns immer Orientierung geben kann und das, wie ich eingestehen muss, von der aktuellen Mainstream-Psychiatrie in keiner Weise genutzt wird. Wir werden einen Orientierungskompass einsetzen, mit dessen Hilfe wir ruhigen Schrittes in das Labyrinth eintreten und mit dem wir uns beharrlich weiter hineinwagen können.
Copyright © 2010 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Meistens werden Menschen ganz plötzlich und unmittelbar mit der Psychiatrie konfrontiert. Sei es als Betroffener, als Angehöriger oder als Freund. Zuvor war Psychiatrie immer etwas für die anderen - ausgeschlossen, dass man damit überhaupt einmal etwas zu tun haben könnte. Gerade stand man selbst doch mitten im Leben und plötzlich ist man oder soll man krank sein? Oder die Eltern oder das Kind oder der Freund? Fragen tauchen auf, mit denen man sich nie vorher beschäftigt hat. Wie heißt meine Krankheit? Wie lange dauert eine psychiatrische Behandlung? Wie lange muss man im Krankenhaus bleiben? Müssen Medikamente wirklich sein? Wobei sollen sie helfen? Ist nicht eine alleinige Psychotherapie viel wichtiger als »medikamentöses Ruhigstellen«? Was sind die Nebenwirkungen einer medikamentösen Behandlung? Werde ich, mein Vater, meine Tochter, mein Freund wieder ganz der oder die Alte werden? Muss man für den Rest seines Lebens Medikamente nehmen? Was kann ein aktueller Auslöser der psychischen Erkrankung sein? An welcher Hürde des Lebens ist die Seele in dieses beängstigende Straucheln gekommen und hat, stolpernd, Symptome entwickelt wie Schlafstörungen, depressive Stimmung, rastlose Unruhe oder Stimmenhören?
Alle diese Fragen sind im Einzelfall zu entscheiden und werden von den Professionellen, den Ärzten und Psychologen, aufgrund ihrer Erfahrung und Ausbildung für jeden Patienten hoffentlich hilfreich beantwortet.
Was weiß die Psychiatrie eigentlich über »Verrücktsein«?
Das große Rätsel jedoch »Was ist das überhaupt: Psychisch-krank- Sein, und welche Beziehung besteht zum ›normalen‹ psychischen Befinden?«, bleibt in der Regel unbeantwortet oder wird irritierenderweise von Behandler zu Behandler unterschiedlich beantwortet. Warum kann sich ein Mensch überhaupt vom Geheimdienst verfolgt und von den Nachbarn beobachtet fühlen? Wie kann das sein, dass jemand Stimmen hört, die ihm Befehle geben? Warum wird ein Mensch lebensmüde und will sich umbringen? Warum hat jemand plötzlich panische Angst wie aus dem Nichts? Warum ist es möglich, dass ein Mensch gestern noch zu Tode betrübt war und heute himmelhoch jauchzend ist? Wie ist das Auftreten von Krankheiten, die die Fachleute Psychose, Depression, Manie, bipolare Erkrankung, Phobien oder Angsterkrankung nennen, zu verstehen und wie sind diese »Verrückungen« verwoben mit dem Menschsein selbst? Die Lösung dieses Rätsels ist das Thema dieses Buches.
Patienten und Angehörige erhalten je nach Behandler unterschiedliche Antworten auf ihre Fragen nach der Verbindung von psychisch krank und »normal« sein. Einer spricht von einer Störung der Menge an Neurotransmitter, ein anderer von Disharmonie im Zusammenspiel einzelner Strukturen des Gehirns, ein Dritter sieht die Ursache von psychischen Erkrankungen in der lebensgeschichtlichen Entwicklung und insbesondere in den Ereignissen der ersten Lebensjahre, ein Vierter favorisiert das gesellschaftliche Gefüge als »Krankmacher«, ein Fünfter macht die Gene verantwortlich, ein Sechster sieht ein Zusammenspiel aller genannter Faktoren als die Ursache an, ein Siebter hält das Auftreten psychischer Auffälligkeiten für generell unverständlich und unerklärlich. Und die Patienten, die Angehörigen, die Freunde sind ratlos. Welche Erklärung sollen sie favorisieren? Jede Erklärung wird doch in ihrer Bedeutung anscheinend durch eine andere entkräftet.
Diese auch für Fachleute verwirrende Erklärungsfülle hängt mit der hohen Komplexität des Themas zusammen. Derzeitig werden zum Verständnis des Auftretens psychopathologischer Auffälligkeiten die Bedingungen herangezogen, welche gegenwärtig auf den einzelnen Patienten Einfluss nehmen. Dies sind nun einmal unsere Lebenserfahrungen, unsere aktuelle Lebenssituation, der gesellschaftliche Kontext, in dem wir uns bewegen, und nicht zuletzt auch der Einfluss unseres Erbgutes. Diesen unterschiedlichen Einflussfaktoren jeweilig folgend, haben sich unterschiedliche psychiatrische Schulen mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die menschliche Psychopathologie entwickelt. Jede Schule verfolgt für sich ein eigenes Erklärungsmodell und favorisiert ihr Modell unter Diskriminierung anderer Modelle als Hauptentstehungsursache psychopathologischer Phänomene. Welches Modell man als Behandler bevorzugt, ist eher »Geschmackssache« als wissenschaftlich fundiertes Urteil. Eines dieser Erklärungsmodelle zu verstehen und zu durchdringen, ist bereits so komplex, dass es für sich schon die ganze Aufmerksamkeit eines Professionellen beansprucht. Diese Spezialisierung führt zu fruchtbaren Erkenntnisgewinnen innerhalb der verschiedenen Theoriemodelle, hat aber, wie ich in meiner vieljährigen Arbeit als klinisch tätiger Psychiater zu beobachten meine, für das Fachgebiet Psychiatrie einen entscheidenden Preis: Über weite Strecken der psychiatrischen Ausbildung und Tätigkeit gelingt es den Behandlern im klinischen Alltag nicht, in einem praktisch umsetzbaren Maße die verschiedenen Erklärungsmodelle für die Patienten und Angehörigen verständlich miteinander zu verbinden. So wird sicherlich gut »technisch« behandelt, oft gelingt es jedoch nicht, das Phänomen Psychopathologie den Patienten und ihren Angehörigen oder Freunden »begreifbar « zu machen. Begreifbar im Sinne von berühren und umgreifen des entscheidenden Sachverhaltes: »Psychische Krankheit und ihr Verhältnis zur psychischen Gesundheit des Menschen«. Dadurch bleiben die psychopathologischen Symptome für die Patienten, ihre Angehörigen und selbst für viele Behandler in einer finsteren Aura des Unheimlichen und Bedrohlichen stecken. Symptome werden dann nicht verstanden, sondern werden, von ihnen Abstand nehmend, technisch durch die Behandler gesammelt, kategorisiert, katalogisiert und schließlich diagnostiziert.
So bleibt die Psychiatrie, trotz aller außerordentlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse und Neuerungen in interessanten Einzel- fragen, in der Gesamtschau des Menschen für viele Außen- und leider auch Innenstehende dunkel und vage.
Aus »seelischer Krankheit« Rückschlüsse auf seelische Gesundheit ziehen
Aus dieser Erklärungs- und Verständnislücke ergab sich für mich der Ausgangspunkt für dieses Buch. Viele Psychiater und andere Berufsgruppen innerhalb der Psychiatrie haben aufgrund des verzweigten Zuganges zum Krankheitsverständnis, wie ich behaupte, keine Vorstellung über ein in meinen Augen wichtiges und für die Arbeit mit Patienten eigentlich unerlässliches Gebiet: nämlich über die allgemein gültige seelische Funktionsweise des Menschen. Der Begriff des »Seelischen« ist mit Bedacht gewählt. Ich benutze ihn hier und in der Folge nicht in seiner transzendenten Bedeutung, sondern in seiner Abgrenzung zum Begriff des »Psychischen«. Mit dem Begriff »Psyche« wird schnell das »Psycho-pathologische« assoziiert, das psychisch Kranke. Dagegen verstehe ich den Begriff des »Seelischen« losgelöst von einer Pathologie. Es gibt Psychopathologie, aber keine Seelenpathologie.
Dieses von mir unterstellte, unvollständige Verständnis des Kerninteresses im eigenen Fachgebiet, nämlich die jeweilige Funktions- weise des Gesunden, ist innerhalb der medizinischen Fachrichtungen, zu denen die Psychiatrie ja gehört, ausschließlich ein Phänomen der Psychiatrie. Sie steht deshalb, verglichen mit den anderen medizinischen Disziplinen, merkwürdig isoliert da. Überall in der Medizin lernen Ärzte aus den Krankheitsprozessen Neues über die Funktionsweise des Gesunden. So verstehen Kardiologen z.B., wie die für eine harmonische Arbeitsweise des Herzens notwendige Reizleitung im Herzen funktioniert, aus dem klinischen Phänomen der Reizleitungsstörungen heraus. Die Entwicklung einer Behandlungsmöglichkeit von Herzrhythmusstörungen durch einen künstlichen Herzschrittmacher etwa ist erst aus der beschriebenen Synthese von Krankheit und Funktionsverständnis des gesunden Herzens möglich geworden. Erkenntnisgewinn und Therapie erwachsen in der Psychiatrie allerdings nicht auf diese Weise. In ihr werden vielmehr die psychopathologischen Phänomene vorwiegend nicht als Chiffren des Strukturaufbaus der menschlichen Seele verstanden, sondern als bedeutungsfreies Krankheitskriterium.
Auch die erfolgte Erweiterung psychiatrischer Erkenntnis um psychotherapeutisches Wissen, wie es durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie festgeschrieben ist, verändert diese Problematik nur graduell. Die beiden großen psychotherapeutischen Ausrichtungen, die Verhaltenstherapie wie auch die Tiefenpsychologie, bieten zwar einen Verständnishintergrund, sind in ihrer Deutungskraft und Therapiemöglichkeit aber nur auf spezielle psychiatrische Krankheitsbilder anzuwenden. Ein im gesamten klinischen Alltag und der Arbeit mit den Patienten und Angehörigen anzuwendendes, Krankheitsgruppen übergreifendes Verständnis sämtlicher psychopathologischer Phänomene fehlt und wird erstaunlicherweise kaum vermisst. Man gibt sich zufrieden mit der Symptomoberfläche und verweigert den Blick in die Strukturtiefe des Menschen. Dies erfolgt im gesamten Fachgebiet einschließlich des akademischen Betriebes an den Universitätskliniken so systematisch, dass ein Verdrängungsmechanismus konstatiert werden muss: Die Psychiatrie leidet auf Kosten der Patienten an einer Erkenntnisschwäche, welche meiner Meinung nach in einer Erkenntnisphobie, bezogen auf die eigenen Möglichkeiten des Fachgebietes, begründet ist. Die psychopathologischen Phänomene sind nämlich, konsequent interpretiert, in ihrer Deutungs- und Aussagekraft über den Menschen in seinem Sein beängstigende Vorboten eines zu meidenden Selbsterkenntniswissens, welches in der Lage ist, das Selbstverständnis der Behandler und ihre eigene seelische Stabilität bedrohlich zu unterspülen. Der Blick in die Erkenntnistiefe wird phobisch gemieden, da nur so die letztlich künstliche Dichotomie zwischen Gesundheit und Krankheit - und zwischen Patient und Behandler - aufrechterhalten werden kann. Dass Selbsterkenntnis nicht nur Gefahrenmomente birgt, sondern auch Reifungs- und Wachstumsimpulse bereitstellt, bleibt in dieser Arbeitsweise der Psychiatrie leider allzu oft unerkannt und ungenutzt.
Die psychopathologischen Erkenntnisschätze zu heben, überlässt die Psychiatrie deshalb leider anderen, z.B. naturalistischen Philosophen1, die aber gar nicht mit Patienten arbeiten und deshalb ihre eigenen Modellvorstellungen nicht fruchtbar durch die Patientenarbeit evaluieren und modifizieren können. Da die klinisch tätigen Behandler hingegen täglich mit psychisch kranken Menschen umgehen dürfen und müssen, bauen sie unbewusst einen Erkenntnisvermeidungsschutz auf, der sie davor bewahrt, das Seelenlabyrinth menschlicher Psychopathologie zu betreten und sich darin unter Umständen zu verirren. Leider sind sie deshalb aber auch keine gut informierten Pfadfinder, welche ihre Patienten aufgrund ihres Spezialwissens ruhigen Schrittes aus dem Seelenlabyrinth herausführen könnten. Dafür benötigten sie Wissen über den Strukturaufbau des Labyrinths, in das sie sich nicht wirklich hineinwagen können, da das Fachgebiet selbst in den letzten 150 Jahren seiner Existenz als medizinische Disziplin keinen anerkannten Grundriss des Labyrinths entwickelt hat und in der psychiatrischen Ausbildung an die Ärzte vermittelt. Der für die nicht nur deutsche Psychiatrie in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wirkende, bedeutende Kliniker und psychopathologische Forscher Kurt Schneider hat in einem ähnlichen Zusammenhang einmal darauf hingewiesen, dass es deshalb »die Psychiatrie « gar nicht gebe, sondern nur »den Psychiater«, da sich jeder über die Jahre sein eigenes und ganz persönliches Abbild des Fachgebietes Psychiatrie erarbeitet.
Jeder Kliniker findet, wenn er sich darauf einlässt, mühselig nach Jahren seinen individuellen Weg durch das »Unterholz« psychiatrischer Interpretationsmöglichkeiten. Viele gehen dabei unnötige Umwege, manche verirren sich resigniert im Gestrüpp der Alternativen. Mit den Fragen von Patienten, Angehörigen oder am Psychopathologischen interessierten Laien sind Psychiater aus den genannten Gründen oft überfordert, da sie keine Strukturvorstellungen entwickeln und diese oft als unnötige Theorielast empfinden. Ich bin überzeugt, dass z.B. der fatale Ausschluss von Angehörigen aus dem therapeutischen Prozess, wie er im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts über weite Strecken stattgefunden hat, ebenso wie die unfruchtbare, teilweise verbissen ideologisch geführte Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen psychiatrischen und psychotherapeutischen Schulen im gleichen Zeitraum, letztlich auch mit dieser Sprachlosigkeit in strukturellen Fragen in Zusammenhang stand und bis heute in abgeschwächter Form steht.
Damit bleibt die Psychiatrie als naturwissenschaftlich anthropologische Disziplin weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und fi ndet sich abgesondert hinter den Türen der Krankenhausabteilungen und Arztpraxen wieder, in denen sie arbeitet. Sie beschäftigt sich ausschließlich mit Kranken und hat doch eigentlich auch den bisher gesund Gebliebenen vieles zu sagen.
Der fehlende Grundriss der menschlichen Seele
Dieses Buch versucht als Gegenentwurf und Ergänzung behilflich zu sein, um das unstrukturierte »Zettelkastendenken« der Psychiatrie und ihrer Schulen, in dem die einzelnen Krankheitsbilder bezugslos nebeneinander aufbewahrt sind, in ein systematisiertes »periodisches System« der Seele zu überführen und zeitraubende Umwege zum Strukturverständnis zu vermeiden. Ähnlich wie das Periodensystem der Chemie die stoffliche Welt in einen Bezug zueinander setzt und Reaktionsmuster und Wechselwirkungen erklärt bzw. vorhersagt, möchte ich mit meinem übergreifenden Erklärungsmodell die verschiedenen Interpretationshorizonte, derer sich die Psychiatrie bedient, auf ein gemeinsames Verständnisfundament stellen und sie damit in Bezug zueinander setzen. Ich bin mir bewusst, dass auch die in der Folge beschriebene Sichtweise eine Verkürzung darstellt und Wichtiges unter den Tisch fallen lässt. Auch hier besteht eine Parallele zum Periodensystem der Chemie. Es beschreibt zwar eine höhere Ordnung der stofflichen Welt, anderes Wissen geht aber in diesem System verloren oder wird nicht präsent. Die Farbe von Gold etwa ist dem Periodensystem nicht zu entnehmen, auch nicht die ästhetische Präsenz, die dieses Metall ausübt, und schon gar nicht die unter Umständen ambivalenten Gefühle, die ein verschenkter goldener Ring auslösen kann.
Das im Verlauf des Buches entwickelte Basismodell verzichtet ebenfalls auf Teilwissen zugunsten des Überblicks. Dabei soll und kann es kein Lehrbuch sein. Es möchte nicht katalogisiert einzelne Krankheitsbilder, wie die Schizophrenie oder die Depression, ausführen und erläutern. Vielmehr möchte es Menschen, die mit psychisch Kranken beruflich arbeiten, und interessierten medizinischen Laien Anregung sein, sich den psychopathologischen Phänomenen einmal anders als in dem herkömmlichen Dualismus von Krankheit versus Gesundheit anzunähern. Es soll Verständnis dafür geweckt werden, was jenseits des Einzelfalles eigentlich hinter den sogenannten psychopathologischen Auffälligkeiten des Menschen generell steht. Dieses Verständnis ist, dem Thema des Buches folgend, deckungsgleich mit Selbsterkenntnis für den Leser. Das berühmte Bild »La Reproduction Interdite« von René Magritte zeigt einen jungen Mann, der mit dem Rücken zum Bildbetrachter vor einem Spiegel steht. Der Spiegel jedoch zeigt dabei nicht, wie zu erwarten wäre, das Gesicht des Mannes, sondern seinen Hinterkopf. Die Beschäftigung mit der menschlichen Psychopathologie, wie wir sie im Verlauf des Buches kennenlernen werden, gleicht ebenso einem Blick in den Spiegel. Dort gibt es überraschende Ansichten unserer selbst, die ansonsten uneinsehbar blieben. Möglich werden somit - für alle, die sich darauf einlassen wollen - Selbsteinsichten.
Die Evolutionstheorie als Kompass
Der Leser wird während der Lektüre des Buches in Verbindung mit seinen eigenen Lebenserfahrungen den fehlenden Labyrinthgrundriss der menschlichen Seele anhand einiger psychopathologischer Phänomene in Ansätzen skizzieren lernen. Was üblicherweise als Psychopathologie bezeichnet wird, ist nämlich nichts anderes als eine spezifische Verdichtung des menschlichen Seins und seiner Funktionsweise, die im Gehirn lokalisiert ist. Dafür ist es aber notwendig, dass der Leser nicht nur in das Buch, sondern im Verlauf der Lektüre auch immer wieder in sich selbst blickt. Sorgen, Ängste, Nöte und Glücksgefühle kennt jeder Mensch, und die Beschäftigung mit diesen persönlichen Erfahrungen ist eine Brücke zum Erleben, wie es sich in psychopathologischen Phänomenen komprimiert. Wenn wir zu dieser Selbstbeschäftigung bereit sind, können wir uns gemeinsam fruchtbar immer tiefer in das Labyrinth der Pathologieerkenntnis und der Selbsterkenntnis vorwagen.
Um dies möglichst gefahrlos und mit der erforderlichen Nüchternheit eines professionellen Höhlenforschers tun zu können, werden wir uns allerdings mit einem verloren gegangenen Hilfsmittel ausrüsten müssen, das uns immer Orientierung geben kann und das, wie ich eingestehen muss, von der aktuellen Mainstream-Psychiatrie in keiner Weise genutzt wird. Wir werden einen Orientierungskompass einsetzen, mit dessen Hilfe wir ruhigen Schrittes in das Labyrinth eintreten und mit dem wir uns beharrlich weiter hineinwagen können.
Copyright © 2010 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Markus Preiter
Dr. med. Markus Preiter, geb. 1965, ist stellvertretender Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Asklepios Klinik Harburg in Hamburg. Seit Jahren erforscht er die Bedeutsamkeit evolutionärer Prozesse für die menschliche Psychopathologie.
Bibliographische Angaben
- Autor: Markus Preiter
- 2012, 2, 351 Seiten, Maße: 15,4 x 22,1 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: Kösel
- ISBN-10: 3466308860
- ISBN-13: 9783466308866
Rezension zu „Die Logik des Verrücktseins “
"Das wissenschaftlich fundierte, aber zutiefst menschliche Buch lässt unsere Seele in völlig neuem Licht erscheinen." Ausgezeichnet als Buch des Monats
Kommentar zu "Die Logik des Verrücktseins"
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