Die schöne Münchnerin / Mader, Hummel & Co. Bd.2
Kriminalroman
»Ragt aus der tristen bajuwarischen Massenware heraus wie ein nordfriesischer
Leuchtturm. Des bassd scho!« Peter M. Hetzel, Sat. 1
Leuchtturm. Des bassd scho!« Peter M. Hetzel, Sat. 1
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Taschenbuch
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die schöne Münchnerin / Mader, Hummel & Co. Bd.2 “
»Ragt aus der tristen bajuwarischen Massenware heraus wie ein nordfriesischer
Leuchtturm. Des bassd scho!« Peter M. Hetzel, Sat. 1
Leuchtturm. Des bassd scho!« Peter M. Hetzel, Sat. 1
Klappentext zu „Die schöne Münchnerin / Mader, Hummel & Co. Bd.2 “
Bisher zierte sie das Sommerloch der beliebtesten Boulevardzeitung und die berühmte Galerie Ludwigs I. in Nymphenburg: Die Schöne Münchnerin. Nun liegt sie leider auf dem Obduktionstisch von Gerichtsmedizinerin Dr. Fleischer: Die Frage, die sich alle stellen: Wurde die Schöne Münchnerin zum Schweigen gebracht, weil sie über die wahre Herkunft ihrer Nase Auskunft geben wollte? Chefinspektor Mader braucht die geballte Kraft seiner Assistenten Hummel, Dosi und Zankl, denn sein neuer Fall wird komplex...Lese-Probe zu „Die schöne Münchnerin / Mader, Hummel & Co. Bd.2 “
Die schöne Münchnerin von Harry KämmererWwwrrroooaaaaarrrrrrrrrrrrrrrr
Der Sound war unbeschreiblich. Hanke trat das Pedal voll durch, dann Gas zurück, Schalthebel vor, das Getriebe jaulte auf, der Maserati ging auf hundertzehn runter, Hanke stieg auf die Bremse, ließ sie los, gab am Scheitelpunkt der Kurve wieder Gas, die Hinterreifen drehten durch, griffen und katapultierten den Wagen aus der Neunzig-Grad-Kurve. Hankes Lederhandschuhhände hielten das Lenkrad ruhig und gelassen. Er lächelte. Was für ein geiles Auto! Gestern hatten sie es geliefert. Und heute war Sonntag und Kaiserwetter. Gut, dass die Kesselbergstraße am Wochenende für Motorräder gesperrt war. Und die hielten sich auch noch dran, ha! Na ja, vorhin hatte er noch zwei Typen auf einer alten Triumph gesehen. Die letzten Gesetzesbrecher. Wo käme man hin, wenn alles nach Vorschrift liefe? Bei ihm lief es gerade besonders gut - finanziell. Und definitiv nicht vorschriftsmäßig! No risk, no fun.
... mehr
Er schaltete den CD-Player an. Verdis Requiem erfüllte den Innenraum des Wagens mit Bombast. Dies irae. Tag des Zorns. Das passte zur Stimmung, die das Telefonat vorhin bei ihm ausgelöst hatte. Grasser hatte sie doch nicht alle! Sein ewiges Misstrauen. Wenn die Jungs das wahre Potenzial bei dem Geschäft nicht erkannten, dann musste er eben die Konsequenzen ziehen. ›Die Hosenscheißer! Und dieser blöde Sammer. Will mitspielen bei den Großen, und dann gibt er diesem Journalisten ein Interview. Was für ein Depp! Scheißt ins eigene Nest. Soll mal bei seiner kleinen Priener Praxis bleiben!‹ Aber den hatte er gut eingebremst, auf Spur gebracht. Hanke lachte. Das Chefmäßige war genau seins, das würde Grasser auch noch einsehen. Er schnaufte durch. Der Ärger hatte sein Testosteron in Wallung gebracht. Da war der Maserati genau das Richtige! Yeah! Er trat aufs Gas, und der Wagen machte einen Satz. Und morgen ab in den Urlaub, nach bella Italia. »In deine Heimat, Baby!«, sagte er zu seinem Wagen. »Drei Wochen!« Wann hatte er zum letzten Mal so lange Urlaub gemacht? Er brauchte dringend eine Auszeit. Dass sich sein Nebenjob so prächtig entwickelte, war nicht abzusehen gewesen. Kostete aber auch Zeit und Nerven. Doch der Einsatz lohnte sich. Spitzenrendite!
Er sah in den Rückspiegel. Was war das denn? Ein schwarzer BMW. Bisschen nah dran, die Proletenschleuder. Er tippte noch mal aufs Gas und gab Gummi. Aber die Kiste hielt mit. Am Ende würde der ihn überholen! Jetzt war der BMW ganz nah dran. ›Echt nicht!‹, dachte Hanke. Er schaltete einen Gang runter und gab Stoff. BROAAAARRRR ...
Auf der kurvenreichen Strecke würden allerdings nicht die PS darüber entscheiden, wer die Hosen anhat, sondern das Fahrkönnen. Das wusste Hanke. Aber er hatte keine Zweifel, wer der Bessere war. Blöde Frage. Er schnitt die nächste Kurve scharf an, schaltete einen Gang runter und beschleunigte aus der Kurve heraus. Von neunzig auf hundertvierzig. Weg waren sie. Er entspannte sich auf der Geraden und legte einen höheren Gang ein.
Nein, verdammt, jetzt tauchten sie schon wieder auf. Er spürte, dass seine Hände feucht wurden, trotz Lederhandschuhen. ›Hey, der Typ will's wissen‹, dachte er - »Komm schon, du Arsch!« - und drückte noch mehr aufs Gas. Der Maserati ging ab wie eine Rakete. Rein in die die nächste Kurve, nur Motorbremse, der Motor brüllte - Verdi auch -, und raus aus der Kurve, eine lange S-Kombination, die gerade noch hundertdreißig aushielt, dann wieder Gang runter, Drehzahl auf 8000. Kehre. Weiter den Berg hoch. Der verdammte BMW war immer noch da. Klebte geduckt auf der Straße, wie eine Raubkatze vor dem Sprung. ›Was will der von mir?!‹ Hankes Hände krallten sich ins Lenkrad, beinahe kam er von der Strecke ab, Steine spritzten an den Wagenboden. ›Cool bleiben, Alter, lass dich von dem Bauern nicht provozieren!‹ Er blieb nicht cool, denn jetzt war der BMW fast an seiner Stoßstange. Hinter der tiefgetönten Scheibe konnte er keinen Fahrer erkennen. »Du Arsch machst mir keine Kratzer in den Lack«, zischte Hanke und trat aufs Gas. Aber der BMW blieb dran. Panik verschleierte jetzt Hankes Blick. Der Typ meinte es ernst! Hanke schaltete einen Gang hoch und gab auf der langen Geraden Gas. Doch der BMW klebte wie Pech an seinem Heck. Hanke tippte aufs Bremspedal, das Bremslicht flammte auf. Sofort stieg der BMW-Fahrer in die Eisen, das pumpende ABS drückte die Wagenfront auf die Straße, der BMW kam ins Schlingern. »Siehst du wohl!«, sagte Hanke und konzentrierte sich wieder auf die Strecke vor ihm. Doch da sah er im Rückspiegel den BMW schon wieder näher kommen. Hanke schnitt scharf in die nächste Kurve, erwischte die Ideallinie, bremste ... ssssssssssssssssssssssssssshhhhh!!!!!!!!!!! Der Maserati rutschte übers nasse Laub, schoss geradeaus, Hanke riss das Lenkrad nach links, der Wagen glitt unbeirrt weiter. Der Tacho zeigte hundertzehn. Ungebremst passierte der Maserati das Bankett, ein gewaltiges Panorama öffnete sich, schneebedeckte Gipfel, Bäume in schillernden Herbstfarben, der weite Himmel.
Hankes Gedanken waren ganz klar. Er genoss die Aussicht. ›So schön ist die Welt‹, dachte er, ›die ich gleich verlasse.‹ Aber er hatte viel Spaß in ihr gehabt, sehr viel Geld verdient. In letzter Zeit waren die Geschäfte richtig gut gelaufen. Diese Ersatzteilconnection, großartig! Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, denn jetzt blitzte der Gedanke in seinem Kopf auf, dass der schwarze BMW etwas mit diesen Geschäften zu tun haben könnte. Kaum war der Gedanke da, war er schon hinfällig, denn der Maserati setzte zur Landung an. Der Verdi-Chor dröhnte ...
Pooootschhhhhhhhh... Die Airbags knallten raus. Aber kein Splittern, Bersten von Glas, keine brutalen kinetischen Energien, die den Motorblock nach hinten rammten und seine Beine zerquetschten, kein Dach, das abgerissen wurde wie ein Blatt von einem Zeichenblock. Nichts dergleichen. Der Maserati war genau in einen Moorsee geplumpst. Das Schicksal war gnädig gewesen. Der zähe Schlick hatte den Aufprall auf ein erträgliches Maß gemindert, der Vierpunktgurt und die Airbags hatten Hanke wohl behütet, ihm das Leben gerettet. Mit ein bisschen Glück war sogar der Wagen noch zu gebrauchen. Jetzt schnell das Gurtschloss öffnen. Doch seine Hände waren vor der Brust eingeklemmt. Die Airbags hatten ihn fest im Griff. Verdi dröhnte immer noch. Das Gluckern des schwarzen Wassers hörte Hanke nicht, aber er spürte es, das Wasser stand ihm bereits bis zum Hals. Schreien wäre jetzt angebracht, aber uncool. Er wusste, dass es sinnlos war. Wenn er wenigstens an die Anlage käme, um sie abzustellen. Keine Chance. Orchester und Chor schwollen noch einmal machtvoll an, als er das schwarze Wasser schluckte. So schmeckte also der Tod.
Dann verstummte auch Verdi.
Herbst
Oben an der Straße stand der schwarze BMW. Hanke hatte sich geirrt. Kein Typ. Zwei Typen: Jeans, Lederjacke, grobe Stiefel, dunkle Haare. Einer sah aus wie ein rumänischer Zuhälter: zurückgegelte, halblange schwarze Haare, Koteletten, Schnauzbart, Ohrring. Der andere war deutlich kleiner, hatte ein spitzbübisch-bleiches Gesicht, irgendwie verschoben, und die Mundpartie zeichnete sich durch eine leichte Hasenscharte aus, nur vage verdeckt von einem flunsigen, dunklen Oberlippenbart. Keine California-Dreamboys. Aber nicht auf den Mund gefallen: »El Condor pasa«, sagte der mit der Hasenscharte.
»Loki, du bist echt ein Arsch, musste das sein?«, blaffte der andere.
»Nenn mich nicht Loki! Für dich bin ich immer noch Ludwig!«
»Aber das musste wirklich nicht sein!«
»Helmut, sei mal nicht so pingelig. Ich hab ihn nicht mal berührt. Fährt wie ein Irrer.« Er kickte einen matschigen Laubflatschen von der Straße. »Es ist Herbst!«
Helmut schüttelte den Kopf. »Scheiße. Wir sollten ihn nur beschatten. Was sagen wir Grasser?«
»Dass es ein Unfall war.«
Sie sahen nach unten, wo gerade die letzten Zentimeter des roten Wagenhecks in der trüben Soße verschwanden.
»Schönheit ist vergänglich«, sagte Ludwig. »Was machen wir jetzt?«
»Den Umzugswagen bestellen. Hankes Bude ausräumen. «
»Helmut, altes transsilvanisches Schlitzohr. Wenn das deine Mama wüsste ...«
»Die freut sich über jeden Euro, den ich ihr schicke. Wir sagen es den Jungs, und dann gehen wir essen. Ich hab Hunger.«
»Wann ist die Sendung fällig?«
»Grasser hat die Details. Ich ruf ihn nachher an.«
Ludwig sah noch mal nach unten. »Du, wir könnten den Wagen doch wieder rausholen, wenn Gras über die Sache gewachsen ist.«
Spannweite
Hummel durchfurchte mit wütenden Schritten das Laub. Er war so was von sauer, auf die ganze Welt! Müsste er nicht auf Bajazzo aufpassen, wäre er in seiner dunklen Wohnung geblieben und hätte weitergegrübelt, wäre seinen dunklen Gedanken nachgehangen. Er hatte allen Grund dazu: Seine geliebte Beate, Wirtin seiner geliebten Stammkneipe Blackbox, heiratete! Und zwar nicht ihn! Mehr Tragik war nicht möglich. Und er sollte auch noch mit seiner Band auf ihrer Hochzeit spielen. Never! Obwohl, vielleicht erkannte sie im letzten Moment, wer für sie der Richtige war, wenn er auf der Trauung in der Kirche mit Samtstimme wie Jimmy Ruffin sang: No matter how strong a man is / Without love he walks in the dark / If love deserts him it will surely hurt him / Cause his weakness is his heart ...
Die Schönheit der herbstlichen Max-Anlagen ließ Hummel kalt. Bajazzo verschwand mit einer adretten Colliedame im Gebüsch. Die Zweige raschelten. ›Sogar der hat mehr Glück bei den Frauen als ich‹, dachte Hummel.
Sein Chef, Hauptkommissar Mader, saß derweil im Zug von Paris nach München. Ein Kurztrip, leider schon vorbei. Paris, die Stadt der Liebe und der Sehnsucht. Jetzt war er wieder in Deutschland, genauer gesagt bei Koblenz, und sah im Vorbeifahren die Surfer auf dem Rhein. Das braune Wasser glitzerte. Mader hauchte die klimaanlagentiefgekühlte Scheibe an und malte ein Fadenkreuz. Poffpoffpoff.
Dosi wärmte sich die Finger am tickenden Motor von Fränkis Triumph. Die schwarzen Helme hingen über den Rückspiegeln. Darin der Walchensee, psychedelisch verzerrt wie eine Landschaft von Dalí. In echt natürlich gleichmäßig, still, erhaben. Eine hochglanzpolierte Fläche, in der sich orange Wolken spiegelten. Vor grandioser Bergkulisse. Klarheit, Größe, Stille.
Zankl hatte es eng und heimelig. Mit seiner Frau Conny auf dem Sofa. Kompressionsstrümpfe und Fußballbauch. Nicht er. Sie. Er las ihr aus einem Schwangerschaftsratgeber vor.
Er senkte das Buch und fragte: »Conny-Schatz, wie sieht es aus mit einem Teechen?«
»Frank, blas mir den Schuh auf, ich will ein Bier! Und kein Jever Fun!«
Er sah sie entsetzt an. »Schatz, bist du wahnsinnig? Ich hab gelesen, dass gerade in der Frühphase schon ein kleiner Schluck ...«
»Pff, Frank! Weißt du, ich mach dir jetzt einen Tee zur Beruhigung. Damit du nachher fit bist für den Infoabend bei der Elterninitiative.«
Er lächelte seine Frau ergeben an und dachte: ›Wunderbar, damit sich die ungeborenen Kinder schon mal kennenlernen!‹
Die ganze Spannweite eines herbstlichen Sonntagnachmittags: Vorfreude - Melancholie, Fernweh - Heimweh, Weite - Nähe. Alles da.
Schneewittchen
»Den Abend hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt«, sagte Mader. Bajazzo nickte, als hätte er verstanden. Hummel zuckte mit den Schultern. Er hätte eh nichts Besseres vorgehabt. Er ging zum Rauchen auf den Balkon. Bajazzo leistete ihm Gesellschaft.
Milbertshofen, von Maklern gern als »Nordschwabing« bezeichnet. Echt nicht seine Ecke. Unten an der Ampel zur Schleißheimer Straße orgelten zwei tiefgelegte Golf ihre Leerlaufdrehzahl hoch, um dann bei Grün die Reifen pfeifen zu lassen. Gespitzte Dackelohren. Ein Motorrad schoss die Straße hoch und bremste scharf. Der Motor erstarb. Eine kompakte Person in schwarzem Leder stieg vom Bike und nahm den Helm ab. Dosi! Sie gab dem behelmten Fahrer durchs offene Visier Bussi aufs Nasi. Hummel flippte die Kippe über die Brüstung und ging zurück in das enge Apartment, wo sich die Kollegen von der Spurensicherung schon auf den Füßen standen. Neben dem Couchtisch lag das Opfer.
Opfer? Ein viel zu kühler Begriff für das, was dort zu sehen war - ein Engel. Anders konnte man es nicht sagen. Eine zauberhafte junge Frau, langes schwarzes Haar, riesige Augen im zarten, bleichen Gesicht. Aufgerissen vor Erstaunen.
© by List (TB)
Er schaltete den CD-Player an. Verdis Requiem erfüllte den Innenraum des Wagens mit Bombast. Dies irae. Tag des Zorns. Das passte zur Stimmung, die das Telefonat vorhin bei ihm ausgelöst hatte. Grasser hatte sie doch nicht alle! Sein ewiges Misstrauen. Wenn die Jungs das wahre Potenzial bei dem Geschäft nicht erkannten, dann musste er eben die Konsequenzen ziehen. ›Die Hosenscheißer! Und dieser blöde Sammer. Will mitspielen bei den Großen, und dann gibt er diesem Journalisten ein Interview. Was für ein Depp! Scheißt ins eigene Nest. Soll mal bei seiner kleinen Priener Praxis bleiben!‹ Aber den hatte er gut eingebremst, auf Spur gebracht. Hanke lachte. Das Chefmäßige war genau seins, das würde Grasser auch noch einsehen. Er schnaufte durch. Der Ärger hatte sein Testosteron in Wallung gebracht. Da war der Maserati genau das Richtige! Yeah! Er trat aufs Gas, und der Wagen machte einen Satz. Und morgen ab in den Urlaub, nach bella Italia. »In deine Heimat, Baby!«, sagte er zu seinem Wagen. »Drei Wochen!« Wann hatte er zum letzten Mal so lange Urlaub gemacht? Er brauchte dringend eine Auszeit. Dass sich sein Nebenjob so prächtig entwickelte, war nicht abzusehen gewesen. Kostete aber auch Zeit und Nerven. Doch der Einsatz lohnte sich. Spitzenrendite!
Er sah in den Rückspiegel. Was war das denn? Ein schwarzer BMW. Bisschen nah dran, die Proletenschleuder. Er tippte noch mal aufs Gas und gab Gummi. Aber die Kiste hielt mit. Am Ende würde der ihn überholen! Jetzt war der BMW ganz nah dran. ›Echt nicht!‹, dachte Hanke. Er schaltete einen Gang runter und gab Stoff. BROAAAARRRR ...
Auf der kurvenreichen Strecke würden allerdings nicht die PS darüber entscheiden, wer die Hosen anhat, sondern das Fahrkönnen. Das wusste Hanke. Aber er hatte keine Zweifel, wer der Bessere war. Blöde Frage. Er schnitt die nächste Kurve scharf an, schaltete einen Gang runter und beschleunigte aus der Kurve heraus. Von neunzig auf hundertvierzig. Weg waren sie. Er entspannte sich auf der Geraden und legte einen höheren Gang ein.
Nein, verdammt, jetzt tauchten sie schon wieder auf. Er spürte, dass seine Hände feucht wurden, trotz Lederhandschuhen. ›Hey, der Typ will's wissen‹, dachte er - »Komm schon, du Arsch!« - und drückte noch mehr aufs Gas. Der Maserati ging ab wie eine Rakete. Rein in die die nächste Kurve, nur Motorbremse, der Motor brüllte - Verdi auch -, und raus aus der Kurve, eine lange S-Kombination, die gerade noch hundertdreißig aushielt, dann wieder Gang runter, Drehzahl auf 8000. Kehre. Weiter den Berg hoch. Der verdammte BMW war immer noch da. Klebte geduckt auf der Straße, wie eine Raubkatze vor dem Sprung. ›Was will der von mir?!‹ Hankes Hände krallten sich ins Lenkrad, beinahe kam er von der Strecke ab, Steine spritzten an den Wagenboden. ›Cool bleiben, Alter, lass dich von dem Bauern nicht provozieren!‹ Er blieb nicht cool, denn jetzt war der BMW fast an seiner Stoßstange. Hinter der tiefgetönten Scheibe konnte er keinen Fahrer erkennen. »Du Arsch machst mir keine Kratzer in den Lack«, zischte Hanke und trat aufs Gas. Aber der BMW blieb dran. Panik verschleierte jetzt Hankes Blick. Der Typ meinte es ernst! Hanke schaltete einen Gang hoch und gab auf der langen Geraden Gas. Doch der BMW klebte wie Pech an seinem Heck. Hanke tippte aufs Bremspedal, das Bremslicht flammte auf. Sofort stieg der BMW-Fahrer in die Eisen, das pumpende ABS drückte die Wagenfront auf die Straße, der BMW kam ins Schlingern. »Siehst du wohl!«, sagte Hanke und konzentrierte sich wieder auf die Strecke vor ihm. Doch da sah er im Rückspiegel den BMW schon wieder näher kommen. Hanke schnitt scharf in die nächste Kurve, erwischte die Ideallinie, bremste ... ssssssssssssssssssssssssssshhhhh!!!!!!!!!!! Der Maserati rutschte übers nasse Laub, schoss geradeaus, Hanke riss das Lenkrad nach links, der Wagen glitt unbeirrt weiter. Der Tacho zeigte hundertzehn. Ungebremst passierte der Maserati das Bankett, ein gewaltiges Panorama öffnete sich, schneebedeckte Gipfel, Bäume in schillernden Herbstfarben, der weite Himmel.
Hankes Gedanken waren ganz klar. Er genoss die Aussicht. ›So schön ist die Welt‹, dachte er, ›die ich gleich verlasse.‹ Aber er hatte viel Spaß in ihr gehabt, sehr viel Geld verdient. In letzter Zeit waren die Geschäfte richtig gut gelaufen. Diese Ersatzteilconnection, großartig! Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, denn jetzt blitzte der Gedanke in seinem Kopf auf, dass der schwarze BMW etwas mit diesen Geschäften zu tun haben könnte. Kaum war der Gedanke da, war er schon hinfällig, denn der Maserati setzte zur Landung an. Der Verdi-Chor dröhnte ...
Pooootschhhhhhhhh... Die Airbags knallten raus. Aber kein Splittern, Bersten von Glas, keine brutalen kinetischen Energien, die den Motorblock nach hinten rammten und seine Beine zerquetschten, kein Dach, das abgerissen wurde wie ein Blatt von einem Zeichenblock. Nichts dergleichen. Der Maserati war genau in einen Moorsee geplumpst. Das Schicksal war gnädig gewesen. Der zähe Schlick hatte den Aufprall auf ein erträgliches Maß gemindert, der Vierpunktgurt und die Airbags hatten Hanke wohl behütet, ihm das Leben gerettet. Mit ein bisschen Glück war sogar der Wagen noch zu gebrauchen. Jetzt schnell das Gurtschloss öffnen. Doch seine Hände waren vor der Brust eingeklemmt. Die Airbags hatten ihn fest im Griff. Verdi dröhnte immer noch. Das Gluckern des schwarzen Wassers hörte Hanke nicht, aber er spürte es, das Wasser stand ihm bereits bis zum Hals. Schreien wäre jetzt angebracht, aber uncool. Er wusste, dass es sinnlos war. Wenn er wenigstens an die Anlage käme, um sie abzustellen. Keine Chance. Orchester und Chor schwollen noch einmal machtvoll an, als er das schwarze Wasser schluckte. So schmeckte also der Tod.
Dann verstummte auch Verdi.
Herbst
Oben an der Straße stand der schwarze BMW. Hanke hatte sich geirrt. Kein Typ. Zwei Typen: Jeans, Lederjacke, grobe Stiefel, dunkle Haare. Einer sah aus wie ein rumänischer Zuhälter: zurückgegelte, halblange schwarze Haare, Koteletten, Schnauzbart, Ohrring. Der andere war deutlich kleiner, hatte ein spitzbübisch-bleiches Gesicht, irgendwie verschoben, und die Mundpartie zeichnete sich durch eine leichte Hasenscharte aus, nur vage verdeckt von einem flunsigen, dunklen Oberlippenbart. Keine California-Dreamboys. Aber nicht auf den Mund gefallen: »El Condor pasa«, sagte der mit der Hasenscharte.
»Loki, du bist echt ein Arsch, musste das sein?«, blaffte der andere.
»Nenn mich nicht Loki! Für dich bin ich immer noch Ludwig!«
»Aber das musste wirklich nicht sein!«
»Helmut, sei mal nicht so pingelig. Ich hab ihn nicht mal berührt. Fährt wie ein Irrer.« Er kickte einen matschigen Laubflatschen von der Straße. »Es ist Herbst!«
Helmut schüttelte den Kopf. »Scheiße. Wir sollten ihn nur beschatten. Was sagen wir Grasser?«
»Dass es ein Unfall war.«
Sie sahen nach unten, wo gerade die letzten Zentimeter des roten Wagenhecks in der trüben Soße verschwanden.
»Schönheit ist vergänglich«, sagte Ludwig. »Was machen wir jetzt?«
»Den Umzugswagen bestellen. Hankes Bude ausräumen. «
»Helmut, altes transsilvanisches Schlitzohr. Wenn das deine Mama wüsste ...«
»Die freut sich über jeden Euro, den ich ihr schicke. Wir sagen es den Jungs, und dann gehen wir essen. Ich hab Hunger.«
»Wann ist die Sendung fällig?«
»Grasser hat die Details. Ich ruf ihn nachher an.«
Ludwig sah noch mal nach unten. »Du, wir könnten den Wagen doch wieder rausholen, wenn Gras über die Sache gewachsen ist.«
Spannweite
Hummel durchfurchte mit wütenden Schritten das Laub. Er war so was von sauer, auf die ganze Welt! Müsste er nicht auf Bajazzo aufpassen, wäre er in seiner dunklen Wohnung geblieben und hätte weitergegrübelt, wäre seinen dunklen Gedanken nachgehangen. Er hatte allen Grund dazu: Seine geliebte Beate, Wirtin seiner geliebten Stammkneipe Blackbox, heiratete! Und zwar nicht ihn! Mehr Tragik war nicht möglich. Und er sollte auch noch mit seiner Band auf ihrer Hochzeit spielen. Never! Obwohl, vielleicht erkannte sie im letzten Moment, wer für sie der Richtige war, wenn er auf der Trauung in der Kirche mit Samtstimme wie Jimmy Ruffin sang: No matter how strong a man is / Without love he walks in the dark / If love deserts him it will surely hurt him / Cause his weakness is his heart ...
Die Schönheit der herbstlichen Max-Anlagen ließ Hummel kalt. Bajazzo verschwand mit einer adretten Colliedame im Gebüsch. Die Zweige raschelten. ›Sogar der hat mehr Glück bei den Frauen als ich‹, dachte Hummel.
Sein Chef, Hauptkommissar Mader, saß derweil im Zug von Paris nach München. Ein Kurztrip, leider schon vorbei. Paris, die Stadt der Liebe und der Sehnsucht. Jetzt war er wieder in Deutschland, genauer gesagt bei Koblenz, und sah im Vorbeifahren die Surfer auf dem Rhein. Das braune Wasser glitzerte. Mader hauchte die klimaanlagentiefgekühlte Scheibe an und malte ein Fadenkreuz. Poffpoffpoff.
Dosi wärmte sich die Finger am tickenden Motor von Fränkis Triumph. Die schwarzen Helme hingen über den Rückspiegeln. Darin der Walchensee, psychedelisch verzerrt wie eine Landschaft von Dalí. In echt natürlich gleichmäßig, still, erhaben. Eine hochglanzpolierte Fläche, in der sich orange Wolken spiegelten. Vor grandioser Bergkulisse. Klarheit, Größe, Stille.
Zankl hatte es eng und heimelig. Mit seiner Frau Conny auf dem Sofa. Kompressionsstrümpfe und Fußballbauch. Nicht er. Sie. Er las ihr aus einem Schwangerschaftsratgeber vor.
Er senkte das Buch und fragte: »Conny-Schatz, wie sieht es aus mit einem Teechen?«
»Frank, blas mir den Schuh auf, ich will ein Bier! Und kein Jever Fun!«
Er sah sie entsetzt an. »Schatz, bist du wahnsinnig? Ich hab gelesen, dass gerade in der Frühphase schon ein kleiner Schluck ...«
»Pff, Frank! Weißt du, ich mach dir jetzt einen Tee zur Beruhigung. Damit du nachher fit bist für den Infoabend bei der Elterninitiative.«
Er lächelte seine Frau ergeben an und dachte: ›Wunderbar, damit sich die ungeborenen Kinder schon mal kennenlernen!‹
Die ganze Spannweite eines herbstlichen Sonntagnachmittags: Vorfreude - Melancholie, Fernweh - Heimweh, Weite - Nähe. Alles da.
Schneewittchen
»Den Abend hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt«, sagte Mader. Bajazzo nickte, als hätte er verstanden. Hummel zuckte mit den Schultern. Er hätte eh nichts Besseres vorgehabt. Er ging zum Rauchen auf den Balkon. Bajazzo leistete ihm Gesellschaft.
Milbertshofen, von Maklern gern als »Nordschwabing« bezeichnet. Echt nicht seine Ecke. Unten an der Ampel zur Schleißheimer Straße orgelten zwei tiefgelegte Golf ihre Leerlaufdrehzahl hoch, um dann bei Grün die Reifen pfeifen zu lassen. Gespitzte Dackelohren. Ein Motorrad schoss die Straße hoch und bremste scharf. Der Motor erstarb. Eine kompakte Person in schwarzem Leder stieg vom Bike und nahm den Helm ab. Dosi! Sie gab dem behelmten Fahrer durchs offene Visier Bussi aufs Nasi. Hummel flippte die Kippe über die Brüstung und ging zurück in das enge Apartment, wo sich die Kollegen von der Spurensicherung schon auf den Füßen standen. Neben dem Couchtisch lag das Opfer.
Opfer? Ein viel zu kühler Begriff für das, was dort zu sehen war - ein Engel. Anders konnte man es nicht sagen. Eine zauberhafte junge Frau, langes schwarzes Haar, riesige Augen im zarten, bleichen Gesicht. Aufgerissen vor Erstaunen.
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Autoren-Porträt von Harry Kämmerer
Harald Kämmerer, geboren 1967, aufgewachsen in Passau, lebt mit seiner Familie in München. Verlagsredakteur mit Herz für Musik, Literatur und Kabarett. Verfasser einer Dissertation zum Thema "Satire im 18. Jahrhundert" und der kultigen Krimis Isartod, Die Schöne Münchnerin, Heiligenblut und Pressing.
Bibliographische Angaben
- Autor: Harry Kämmerer
- 2013, 3. Aufl., 304 Seiten, Maße: 11,8 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: List TB.
- ISBN-10: 3548611583
- ISBN-13: 9783548611587
- Erscheinungsdatum: 08.08.2013
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