Die Sommertänzerin
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die letzten Tage des Sommers offenbaren eine Liebe, die gegen alle Regeln ist
England 1914. Clarissa Granville ist fast 17, als der Zauber ihrer Kindheit zu verblassen beginnt. An einem der letzten goldenen Tage trifft sie bei einer...
England 1914. Clarissa Granville ist fast 17, als der Zauber ihrer Kindheit zu verblassen beginnt. An einem der letzten goldenen Tage trifft sie bei einer...
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Produktinformationen zu „Die Sommertänzerin “
Die letzten Tage des Sommers offenbaren eine Liebe, die gegen alle Regeln ist
England 1914. Clarissa Granville ist fast 17, als der Zauber ihrer Kindheit zu verblassen beginnt. An einem der letzten goldenen Tage trifft sie bei einer Gartenparty auf Tom Cuthbert, den Sohn der Haushälterin. Sie verliebt sich Hals über Kopf. Tom ist attraktiv, intelligent und weiß genau, was er will. Und er will Clarissa. Während ihre Liebe langsam wächst, überschlagen sich die politischen Ereignisse, und schon bald wird die Welt von einem Krieg erschüttert, der auch das Leben des jungen Paares für immer verändern wird.
England 1914. Clarissa Granville ist fast 17, als der Zauber ihrer Kindheit zu verblassen beginnt. An einem der letzten goldenen Tage trifft sie bei einer Gartenparty auf Tom Cuthbert, den Sohn der Haushälterin. Sie verliebt sich Hals über Kopf. Tom ist attraktiv, intelligent und weiß genau, was er will. Und er will Clarissa. Während ihre Liebe langsam wächst, überschlagen sich die politischen Ereignisse, und schon bald wird die Welt von einem Krieg erschüttert, der auch das Leben des jungen Paares für immer verändern wird.
Klappentext zu „Die Sommertänzerin “
Die letzten Tage des Sommers offenbaren eine Liebe, die gegen alle Regeln istEngland 1914. Clarissa Granville ist fast 17, als der Zauber ihrer Kindheit zu verblassen beginnt. An einem der letzten goldenen Tage trifft sie bei einer Gartenparty auf Tom Cuthbert, den Sohn der Haushälterin. Sie verliebt sich Hals über Kopf. Tom ist attraktiv, intelligent und weiß genau, was er will. Und er will Clarissa. Während ihre Liebe langsam wächst, überschlagen sich die politischen Ereignisse, und schon bald wird die Welt von einem Krieg erschüttert, der auch das Leben des jungen Paares für immer verändern wird ...
Lese-Probe zu „Die Sommertänzerin “
Die Sommertänzerin von Judith Kinghorn1
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Ich war fast siebzehn, als der Zauber meiner Kindheit gebrochen wurde. Es war kein plötzliches Aufschrecken, kein plötzliches Erwachen, und auch die Erdachse hatte sich nicht plötzlich verschoben. Doch wir spürten die feinen Schwingungen des Wandels, und ich nahm eine Veränderung wahr, eine Neuausrichtung meiner Umlaufbahn. Der Sommer brach an und mit ihm - ohne dass einer von uns davon wusste - das Ende der belle époque.
Wenn ich meine Augen schließe, kann ich noch immer den Duft jenes Tages riechen: die Rosen hinter den geöffneten Fensterflügeln, den Lavendel im Ziergarten vor dem Haus, durch den ich laufe; das Gras, leuchtend grün und frisch gemäht. Ich kann den Regen auf meinem Gesicht spüren, meine Stimme hören, wie sie damals klang.
Wer genau zugegen war, erinnere ich mich nicht, nur dass noch andere Personen anwesend waren: meine drei Brüder mit ihren Freunden aus Cambridge und ein paar Ortsansässige, denke ich. Unsere pubertäre Konversation war noch frei von jeglicher zögerlicher Unsicherheit, und wir standen noch nicht am Abgrund, sondern rannten daran entlang, unbeeindruckt von dräuenden Wolken, sicher ob unseres festen Stands, der Sonne gewiss, begierig auf das nächste Kapitel in der ungeschriebenen Geschichte unseres Lebens. Eines Lebens, das wir uns gerade erst vorzustellen begannen, eines Lebens, das sich in alle Richtungen vor uns erstreckte und erst am weit entfernten Horizont verblasste. Sie sehen, es war noch Zeit. Die Zukunft - die Zukunft von uns allen - lag vor uns, schillernd vor Verheißung, voller unerschöpflicher Möglichkeiten.
Ich kann uns hören; kann hören, wie wir lachen.
An jenem Morgen, als sich die Wolken über uns zusammenballten, erschien mir das Spektrum an Erdfarben meiner Welt lebendiger denn je zuvor. Die Gärten in Deyning waren im Juni und Anfang Juli stets am prächtigsten, und genau dann, während jener wenigen kostbaren Hochsommerwochen, kam der Ort zu voller Geltung. Und obwohl Mama sich oft mit sorgenvollem Blick über die unentwegte Misshandlung ihrer geliebten Rosen beschwerte, kam mir jede einzelne wohlgepflegte Blüte, jeder beblätterte Zweig frisch und leuchtend vor. Vor der mit großen Steinplatten gepflasterten Terrasse erstreckte sich der Rasen wie ein weicher, welliger Teppich, und zwischen den moosbedeckten Stufen, die hinunter ins Gras führten, gediehen wilde Erdbeeren in Hülle und Fülle.
Noch heute kann ich ihre Süße schmecken.
Mama hatte uns einen Sturm prophezeit und uns mitgeteilt, dass unser Krocketturnier verschoben werden müsse, doch ihre Warnung war zu spät gekommen: Die Teilnehmer waren bereits eingetroffen. Und so standen wir schließlich alle im Festsaal, den meine Brüder und ich schlicht und einfach als den »großen Raum« bezeichneten, blickten durch die geöffneten Terrassentüren hinaus in den Garten und überlegten, ob das Turnier stattfinden oder ob man sich stattdessen aufs Kartenspielen verlegen solle. Henry, der älteste meiner drei großen Brüder, übernahm wie gewöhnlich das Kommando und stimmte dafür, dass wir in den bereits festgelegten Mannschaften mit dem Krocketspiel beginnen sollten. Doch kaum hatten wir uns mit unseren Schlägern auf dem Rasen aufgestellt, öffnete der Himmel mit einem widerhallenden Donner seine Schleusen, und wir rannten alle schreiend und bis auf die Knochen durchnässt zum Haus zurück.
»Henry wünscht, dass der Tee im großen Raum serviert wird, Mrs Cuthbert. Wir sind jetzt wieder drinnen«, sagte ich, während ich an der Dienstbotentür stand und mir die Haare auswrang.
Zum damaligen Zeitpunkt war Mrs Cuthbert erst seit wenigen Wochen unsere Haushälterin. Jahrelang war sie für Graf Deyning höchstpersönlich tätig gewesen, nicht nur in Deyning Park, das jetzt unser Zuhause war, sondern auch in seinem Anwesen in Northamptonshire. Es war ein großes Glück für uns gewesen, dass sich Mrs Cuthbert einverstanden erklärt hatte, nach dem Tod des alten Grafen nach Deyning zurückzukehren, und meine Mutter war hocherfreut, eine Haushälterin zu beschäftigen, die sich auf dem Besitz so gut auskannte. »Und mit tadellosem Stammbaum«, hatte meine Mutter bemerkt, und sofort hatte ich mir einen kleinen Rassehund mit Schürze und Servierhäubchen vorgestellt.
»Und für wie viele Personen, Miss?«, fragte Mrs Cuthbert nun und blickte mich lächelnd an.
»Äh ... vierzehn, glaube ich. Soll ich noch einmal nachzählen?«
»Aber nein, das ist nicht nötig. Ich werde selbst nachsehen.« Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. »Mein Tom leistet Ihnen heute Gesellschaft«, sagte sie dann.
»Tom? Ihr Tom?«
»Ja, er ist gestern nach Hause gekommen, und Ihre Mutter war so freundlich, ihn zu Ihrem kleinen Turnier einzuladen. Sind Sie einander denn nie vorgestellt worden?«
»Nein. Obwohl, ich bin mir nicht sicher. Ich glaube nicht ... «
Ich folgte Mrs Cuthbert den Gang entlang zum großen Raum, und ich erinnere mich daran, dass ich auf den rotschwarz gefliesten Boden blickte, wobei ich versuchte - wie ich es seit meiner Kindheit getan hatte -, nicht auf die schwarzen Fliesen zu treten. Es gelang mir nicht. Meine Füße waren zu groß geworden.
»Er ist nicht wie Ihre Brüder«, bemerkte Mrs Cuthbert und wandte sich zu mir um. »Er hat ein sanftes Gemüt.«
Im großen Raum hatten bereits alle an den vier zusammengeschobenen Kartentischen Platz genommen. Und auf einmal wurde ich eines neuen Gesichts gewahr, dessen dunkle, ernste Augen direkt auf mich gerichtet waren. Ich lächelte, als mich Mrs Cuthbert ihrem Sohn vorstellte, doch er erwiderte mein Lächeln nicht. Wie unhöflich, dachte ich, dann sagte ich »Hallo«, und er stand auf, noch immer ohne zu lächeln, sagte: »Erfreut, Sie kennenzulernen« und wandte den Blick ab.
Es traf mich nicht wie ein Blitzschlag; auch mein Herzschlag beschleunigte sich nicht, doch ich hatte das Gefühl, ihn zu kennen. Sein Gesicht schien mir vertraut: die Nase, die Augen, seine Statur.
Ich entschied mich, auf das Whist-Spiel zu verzichten. Meine drei Brüder hatten bereits die Karten ausgebreitet, und ich wusste, dass ich gegen sie keine Chance hatte. Also wanderte ich stattdessen ans andere Ende des Festsaals und setzte mich auf den Perserteppich vor dem Kamin. Während ich mit Caesar, Mamas Pekinesen, spielte, bemerkte ich, dass Tom Cuthbert mich anstarrte. Diesmal lächelte ich nicht, doch er wusste, dass ich ihn ertappt hatte. Auch als ich aufstand und den Raum erneut durchquerte, war mir bewusst, dass er mich beobachtete. Ich setzte mich in einen Sessel in der Nähe der Kartentische, nahm mir eine Zeitschrift und begann, sie durchzublättern. Als ich aufsah und zu ihm hinüberschaute, fing ich wieder seinen Blick auf. Diesmal lächelte er, und ich wusste auf einmal, dass dieses Lächeln etwas ganz Besonderes war und allein mir galt. Natürlich war mir nicht bewusst, wie er sich fühlen mochte; ich hatte keine Ahnung, wie unangenehm es ihm sein musste, dass seine Mutter uns den Tee servierte.
Meine Erziehung hatte mich auf ein bestimmtes Leben vorbereitet, ein Leben, in dem ich niemals meine Rolle oder die meiner Mitspieler infrage stellen musste, die mit mir die Bühne teilten. Es war damals eine durch und durch moderne Vorstellung, einer Tochter Bildung angedeihen zu lassen, und in den Augen meines Vaters ein völlig überflüssiger Aufwand. Also wurde ich zu Hause von einer Mademoiselle unterrichtet, einem kümmerlichen Vögelchen von Frau, deren Blässe und Zerbrechlichkeit ihrer Abneigung gegen frische Luft und Anfälligkeit für Zugwind geschuldet war. Ihre Lektionen das Leben betreffend hingen meist stark von der Temperatur ihres Herzens und der Außentemperatur ab. Männer, so hatte sie mir oft gesagt - gewöhnlich während des Arithmetikunterrichts und gewöhnlich mit einer Decke über den Knien -, waren Rohlinge, ungeschlachte Wesen, die sich schlichtweg vom Tier nicht weiterentwickelt hatten. Dennoch schienen Keats und Wordsworth eine vollkommen andere Seite in Mademoiselles komplexem Charakter zutage zu fördern, denn dann schlug sie mitunter die Decke zurück, kam auf die Füße und teilte mir mit, das Leben sei vörgäääbens, wenn man nie richtig geliebt habe. Doch nach jenem Sommer war Mademoiselle für immer aus meinem Leben verschwunden, denn man ging davon aus, dass ich nun genug gelernt hatte, um in vornehmer Gesellschaft Konversation zu betreiben, ohne komplett geistlos zu erscheinen.
Wie die Orchideen meiner Mutter war ich in einem äußerst geregelten Umfeld aufgewachsen, in einer Atmosphäre gleichbleibender Temperatur, geschützt vor plötzlichen Kälteeinbrüchen, klammen Fingern und bitterem Frost. Meinen drei Brüdern dagegen war erlaubt worden - man hatte sie sogar dazu ermutigt -, jenseits der Grenzen des Gewächshauses unbändige Triebe auszubilden und uneingeschränkt ihre Wurzeln in Englands Boden auszubreiten. Für ein Mädchen war das anders.
Heirat und Kinder, ein ordentliches Haus und ein gepflegter Garten galten als meine Bestimmung; ein Ehemann mit Vermögen war eine selbstverständliche Voraussetzung. Wie sonst auch sollte man ein solches Leben führen können? Ich war ein Mädchen aus den an London angrenzenden Grafschaften, glücklich darüber, Teil einer Familie zu sein, die ein angemessenes, ungestörtes Dasein genoss, ganz gleich, was für ein Wetter herrschte, wer zu Besuch kam oder was sich hinter dem weißen Tor zu unserem Anwesen abspielte, welches die Grenze zwischen meiner Welt und dem Rest des Universums darstellte.
Als ich jung war, hatte ich diese Grenze mitunter angestupst: Ich war die lange, buchengesäumte Zufahrt zum Tor entlanggewandert und hatte mich dann obendraufgesetzt. Damals herrschte nur wenig Verkehr auf der Straße, die an unseren Besitz angrenzte, doch gelegentlich rollte ein Omnibus oder ein neues Automobil vorbei, und ich hob die Hand und grüßte die unbekannten Gesichter, die mich im Vorbeiziehen anstarrten. Mir blieben diese flüchtigen Begegnungen im Gedächtnis - neue Freunde, die plötzlich auftauchten und im nächsten Augenblick schon wieder fort waren. Wohin waren sie gefahren? Was geschah mit ihnen? Erinnerten sie sich ebenfalls an jenen Moment? Fragten sie sich jemals, was aus mir geworden war, dem Mädchen auf dem Tor?
Am Abend, beim Dinner, wollte ich mich bei meiner Mutter über Tom Cuthbert erkundigen, doch sie wirkte zerstreut. Mit einem undeutbaren Ausdruck im Gesicht sah sie sich im Zimmer um, und ich fragte mich, ob sie wieder einmal über die Dienstboten nachdachte. Sie war gestern aus London zurückgekehrt, beladen mit Päckchen, versehen mit einer neuen Frisur, doch sichtbar aus der Fassung. »Es ist einfach unmöglich«, hatte sie im Flur verkündet und mit lauterer Stimme als gewöhnlich hinzugefügt: »Es ist einfach unmöglich, heutzutage annehmbares Personal zu finden. Und wenn es einem tatsächlich einmal gelingt, muss man es zwangsläufig einige Monate später ersetzen.« Ich konnte ihr keinen Vorwurf aus ihrer Verzweiflung machen: Schließlich war sie hauptsächlich nach London gereist, um Einstellungsgespräche mit einem zukünftigen Zimmermädchen, einem Butler und einem neuen Chauffeur zu führen. Sie war über Nacht geblieben, wie sie es recht häufig tat, und hatte den Komfort des Piccadilly Club genossen, zu dessen Mitgliedern sie zählte. Es wunderte mich nicht, dass sie den Zugfahrplan auf die Minute auswendig kannte, doch das ganze Hin und Her, so behauptete sie, mache ihr recht arg zu schaffen.
»Ich habe heute Mrs Cuthberts Sohn kennengelernt, Mama. Er heißt Tom, und er war fort ... ich weiß allerdings nicht, wo. «
»Er geht auf die Universität, Liebes«, erwiderte sie, ohne mich anzusehen.
»Und auf welche?«, fragte ich.
»Ha! Nun begeistere dich mal nicht allzu sehr für Tom, Schwesterchen«, mischte sich Henry ein, »ich nehme an, Mama erwartet, dass du deine Fühler ein wenig weiter nach oben ausstreckst.« Er lachte.
»Ich habe mich ja nur nach ihm erkundigt. Das ist alles. Er macht einen äußerst zurückhaltenden Eindruck auf mich ... nun, er hat ja auch nur seine Mutter.«
Henry blickte mich über den Tisch hinweg an. »Zurückhaltend? Meiner Ansicht nach verbirgt sich hinter der äußeren Bescheidenheit ein ziemliches Schlitzohr.«
»Ein Schlitzohr?«, wiederholte ich. »Das glaube ich nicht. Ich denke, er zieht es einfach vor, für sich zu sein ... anstatt mit Leuten wie uns. «
»So, so! Sie springt ihm also zur Seite! Das ist das erste Anzeichen, Schwesterchen, das erste Anzeichen.« George und William kicherten.
»Schluss mit der Neckerei, Henry! «, befahl Mama und blickte Unterstützung heischend zu meinem Vater. Mein Vater räusperte sich, als wolle er etwas sagen, doch er schwieg.
»Du bist doch nur eifersüchtig«, sagte ich und lächelte Henry gezwungen an. Das war eine meiner Standardantworten, wenn ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.
»Und warum um alles auf der Welt sollte ich eifersüchtig sein? Er ist ein Dienstbote, um Himmels willen!«
»Nein, das ist er nicht. Mama hat uns doch gerade erzählt, dass er die Universität besucht.«
»Na klar, dort lernt er, Silber zu polieren«, erwiderte Henry.
»Du bist eifersüchtig, weil er so viel besser aussieht als du und nicht so überheblich ist.« Ich starrte auf meinen Teller, dann fügte ich hinzu: »Mademoiselle sagte immer, Gentlemen, die das Bedürfnis verspüren, sich überall hervorzutun, haben für gewöhnlich ein kleines cerveau. «
»Pfff, Mademoiselle, gerade die wird es ja wissen... Und ja, du hast recht, ich bin eifersüchtig auf den Sohn unserer Haushälterin, weil ich nie das haben werde, was er hat, und weil ich nie der Bastard sein werde von ... «
»Henry! Es reicht«, fuhr mein Vater dazwischen. »Ich verbitte mir solche Ausdrücke an meinem Tisch. Außerdem bin ich der Ansicht, du solltest diese Art von Klatsch und Tratsch in Cambridge lassen. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Sir«, antwortete mein Bruder.
Und das war's.
Ich hegte keinen Zweifel daran, dass mein ältester Bruder jede Menge Klatsch und Tratsch kannte. Und mehr als das: Ich konnte mir gut vorstellen, dass auch über ihn und seinen Müßiggang zur Genüge geklatscht wurde. Jüngst schien er neue Freunde gefunden zu haben und verbrachte weit mehr Zeit in London als zu Hause oder in Cambridge. Jeder kannte Henry, und er, so hatte es den Anschein, wusste alles über alle. Seine Clique war nie auf Cambridge begrenzt gewesen. Zwei seiner engsten Schulfreunde waren nach Oxford gegangen, andere direkt zur Armee. Er war der extrovertierteste meiner drei Brüder; selbstsicher und beliebt, verfügte er über ausgezeichnete Beziehungen. Er sei eben gern auf dem Laufenden, pflegte er zu sagen, und ich stellte ihn mir oft vor, wie er von einem zum anderen lief und die Ohren aufsperrte.
Später am Abend fragte ich meinen Bruder, was er mit seiner Bemerkung gemeint hatte, aber er hielt sich an die Warnung meines Vaters. »Das war gedankenlos von mir, Schwesterchen. Es hatte nichts zu bedeuten«, sagte er.
Doch ich wusste, dass mehr dahintersteckte, und zwar etwas ganz Bestimmtes: etwas, das mein Vater nicht erwähnt hören wollte, schon gar nicht vor mir. Es hatte keinen Sinn, Henry weiter zu bedrängen; er würde sich niemals Papa widersetzen, ganz gleich, wie draufgängerisch er auch tat. Das wusste ich genau, obwohl ich damals noch ein Kind war. Doch als ich in jener Nacht in meinem Bett lag, grübelte ich weiter darüber nach. Ich fragte mich, wer für Tom Cuthberts Ausbildung aufkam, und dann fragte ich mich, ob ich Henry richtig verstanden hatte. Hatte er tatsächlich das Wort Bastard benutzt?
...
Übersetzung: Kristina Lake-Zapp
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 201 2
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Ich war fast siebzehn, als der Zauber meiner Kindheit gebrochen wurde. Es war kein plötzliches Aufschrecken, kein plötzliches Erwachen, und auch die Erdachse hatte sich nicht plötzlich verschoben. Doch wir spürten die feinen Schwingungen des Wandels, und ich nahm eine Veränderung wahr, eine Neuausrichtung meiner Umlaufbahn. Der Sommer brach an und mit ihm - ohne dass einer von uns davon wusste - das Ende der belle époque.
Wenn ich meine Augen schließe, kann ich noch immer den Duft jenes Tages riechen: die Rosen hinter den geöffneten Fensterflügeln, den Lavendel im Ziergarten vor dem Haus, durch den ich laufe; das Gras, leuchtend grün und frisch gemäht. Ich kann den Regen auf meinem Gesicht spüren, meine Stimme hören, wie sie damals klang.
Wer genau zugegen war, erinnere ich mich nicht, nur dass noch andere Personen anwesend waren: meine drei Brüder mit ihren Freunden aus Cambridge und ein paar Ortsansässige, denke ich. Unsere pubertäre Konversation war noch frei von jeglicher zögerlicher Unsicherheit, und wir standen noch nicht am Abgrund, sondern rannten daran entlang, unbeeindruckt von dräuenden Wolken, sicher ob unseres festen Stands, der Sonne gewiss, begierig auf das nächste Kapitel in der ungeschriebenen Geschichte unseres Lebens. Eines Lebens, das wir uns gerade erst vorzustellen begannen, eines Lebens, das sich in alle Richtungen vor uns erstreckte und erst am weit entfernten Horizont verblasste. Sie sehen, es war noch Zeit. Die Zukunft - die Zukunft von uns allen - lag vor uns, schillernd vor Verheißung, voller unerschöpflicher Möglichkeiten.
Ich kann uns hören; kann hören, wie wir lachen.
An jenem Morgen, als sich die Wolken über uns zusammenballten, erschien mir das Spektrum an Erdfarben meiner Welt lebendiger denn je zuvor. Die Gärten in Deyning waren im Juni und Anfang Juli stets am prächtigsten, und genau dann, während jener wenigen kostbaren Hochsommerwochen, kam der Ort zu voller Geltung. Und obwohl Mama sich oft mit sorgenvollem Blick über die unentwegte Misshandlung ihrer geliebten Rosen beschwerte, kam mir jede einzelne wohlgepflegte Blüte, jeder beblätterte Zweig frisch und leuchtend vor. Vor der mit großen Steinplatten gepflasterten Terrasse erstreckte sich der Rasen wie ein weicher, welliger Teppich, und zwischen den moosbedeckten Stufen, die hinunter ins Gras führten, gediehen wilde Erdbeeren in Hülle und Fülle.
Noch heute kann ich ihre Süße schmecken.
Mama hatte uns einen Sturm prophezeit und uns mitgeteilt, dass unser Krocketturnier verschoben werden müsse, doch ihre Warnung war zu spät gekommen: Die Teilnehmer waren bereits eingetroffen. Und so standen wir schließlich alle im Festsaal, den meine Brüder und ich schlicht und einfach als den »großen Raum« bezeichneten, blickten durch die geöffneten Terrassentüren hinaus in den Garten und überlegten, ob das Turnier stattfinden oder ob man sich stattdessen aufs Kartenspielen verlegen solle. Henry, der älteste meiner drei großen Brüder, übernahm wie gewöhnlich das Kommando und stimmte dafür, dass wir in den bereits festgelegten Mannschaften mit dem Krocketspiel beginnen sollten. Doch kaum hatten wir uns mit unseren Schlägern auf dem Rasen aufgestellt, öffnete der Himmel mit einem widerhallenden Donner seine Schleusen, und wir rannten alle schreiend und bis auf die Knochen durchnässt zum Haus zurück.
»Henry wünscht, dass der Tee im großen Raum serviert wird, Mrs Cuthbert. Wir sind jetzt wieder drinnen«, sagte ich, während ich an der Dienstbotentür stand und mir die Haare auswrang.
Zum damaligen Zeitpunkt war Mrs Cuthbert erst seit wenigen Wochen unsere Haushälterin. Jahrelang war sie für Graf Deyning höchstpersönlich tätig gewesen, nicht nur in Deyning Park, das jetzt unser Zuhause war, sondern auch in seinem Anwesen in Northamptonshire. Es war ein großes Glück für uns gewesen, dass sich Mrs Cuthbert einverstanden erklärt hatte, nach dem Tod des alten Grafen nach Deyning zurückzukehren, und meine Mutter war hocherfreut, eine Haushälterin zu beschäftigen, die sich auf dem Besitz so gut auskannte. »Und mit tadellosem Stammbaum«, hatte meine Mutter bemerkt, und sofort hatte ich mir einen kleinen Rassehund mit Schürze und Servierhäubchen vorgestellt.
»Und für wie viele Personen, Miss?«, fragte Mrs Cuthbert nun und blickte mich lächelnd an.
»Äh ... vierzehn, glaube ich. Soll ich noch einmal nachzählen?«
»Aber nein, das ist nicht nötig. Ich werde selbst nachsehen.« Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. »Mein Tom leistet Ihnen heute Gesellschaft«, sagte sie dann.
»Tom? Ihr Tom?«
»Ja, er ist gestern nach Hause gekommen, und Ihre Mutter war so freundlich, ihn zu Ihrem kleinen Turnier einzuladen. Sind Sie einander denn nie vorgestellt worden?«
»Nein. Obwohl, ich bin mir nicht sicher. Ich glaube nicht ... «
Ich folgte Mrs Cuthbert den Gang entlang zum großen Raum, und ich erinnere mich daran, dass ich auf den rotschwarz gefliesten Boden blickte, wobei ich versuchte - wie ich es seit meiner Kindheit getan hatte -, nicht auf die schwarzen Fliesen zu treten. Es gelang mir nicht. Meine Füße waren zu groß geworden.
»Er ist nicht wie Ihre Brüder«, bemerkte Mrs Cuthbert und wandte sich zu mir um. »Er hat ein sanftes Gemüt.«
Im großen Raum hatten bereits alle an den vier zusammengeschobenen Kartentischen Platz genommen. Und auf einmal wurde ich eines neuen Gesichts gewahr, dessen dunkle, ernste Augen direkt auf mich gerichtet waren. Ich lächelte, als mich Mrs Cuthbert ihrem Sohn vorstellte, doch er erwiderte mein Lächeln nicht. Wie unhöflich, dachte ich, dann sagte ich »Hallo«, und er stand auf, noch immer ohne zu lächeln, sagte: »Erfreut, Sie kennenzulernen« und wandte den Blick ab.
Es traf mich nicht wie ein Blitzschlag; auch mein Herzschlag beschleunigte sich nicht, doch ich hatte das Gefühl, ihn zu kennen. Sein Gesicht schien mir vertraut: die Nase, die Augen, seine Statur.
Ich entschied mich, auf das Whist-Spiel zu verzichten. Meine drei Brüder hatten bereits die Karten ausgebreitet, und ich wusste, dass ich gegen sie keine Chance hatte. Also wanderte ich stattdessen ans andere Ende des Festsaals und setzte mich auf den Perserteppich vor dem Kamin. Während ich mit Caesar, Mamas Pekinesen, spielte, bemerkte ich, dass Tom Cuthbert mich anstarrte. Diesmal lächelte ich nicht, doch er wusste, dass ich ihn ertappt hatte. Auch als ich aufstand und den Raum erneut durchquerte, war mir bewusst, dass er mich beobachtete. Ich setzte mich in einen Sessel in der Nähe der Kartentische, nahm mir eine Zeitschrift und begann, sie durchzublättern. Als ich aufsah und zu ihm hinüberschaute, fing ich wieder seinen Blick auf. Diesmal lächelte er, und ich wusste auf einmal, dass dieses Lächeln etwas ganz Besonderes war und allein mir galt. Natürlich war mir nicht bewusst, wie er sich fühlen mochte; ich hatte keine Ahnung, wie unangenehm es ihm sein musste, dass seine Mutter uns den Tee servierte.
Meine Erziehung hatte mich auf ein bestimmtes Leben vorbereitet, ein Leben, in dem ich niemals meine Rolle oder die meiner Mitspieler infrage stellen musste, die mit mir die Bühne teilten. Es war damals eine durch und durch moderne Vorstellung, einer Tochter Bildung angedeihen zu lassen, und in den Augen meines Vaters ein völlig überflüssiger Aufwand. Also wurde ich zu Hause von einer Mademoiselle unterrichtet, einem kümmerlichen Vögelchen von Frau, deren Blässe und Zerbrechlichkeit ihrer Abneigung gegen frische Luft und Anfälligkeit für Zugwind geschuldet war. Ihre Lektionen das Leben betreffend hingen meist stark von der Temperatur ihres Herzens und der Außentemperatur ab. Männer, so hatte sie mir oft gesagt - gewöhnlich während des Arithmetikunterrichts und gewöhnlich mit einer Decke über den Knien -, waren Rohlinge, ungeschlachte Wesen, die sich schlichtweg vom Tier nicht weiterentwickelt hatten. Dennoch schienen Keats und Wordsworth eine vollkommen andere Seite in Mademoiselles komplexem Charakter zutage zu fördern, denn dann schlug sie mitunter die Decke zurück, kam auf die Füße und teilte mir mit, das Leben sei vörgäääbens, wenn man nie richtig geliebt habe. Doch nach jenem Sommer war Mademoiselle für immer aus meinem Leben verschwunden, denn man ging davon aus, dass ich nun genug gelernt hatte, um in vornehmer Gesellschaft Konversation zu betreiben, ohne komplett geistlos zu erscheinen.
Wie die Orchideen meiner Mutter war ich in einem äußerst geregelten Umfeld aufgewachsen, in einer Atmosphäre gleichbleibender Temperatur, geschützt vor plötzlichen Kälteeinbrüchen, klammen Fingern und bitterem Frost. Meinen drei Brüdern dagegen war erlaubt worden - man hatte sie sogar dazu ermutigt -, jenseits der Grenzen des Gewächshauses unbändige Triebe auszubilden und uneingeschränkt ihre Wurzeln in Englands Boden auszubreiten. Für ein Mädchen war das anders.
Heirat und Kinder, ein ordentliches Haus und ein gepflegter Garten galten als meine Bestimmung; ein Ehemann mit Vermögen war eine selbstverständliche Voraussetzung. Wie sonst auch sollte man ein solches Leben führen können? Ich war ein Mädchen aus den an London angrenzenden Grafschaften, glücklich darüber, Teil einer Familie zu sein, die ein angemessenes, ungestörtes Dasein genoss, ganz gleich, was für ein Wetter herrschte, wer zu Besuch kam oder was sich hinter dem weißen Tor zu unserem Anwesen abspielte, welches die Grenze zwischen meiner Welt und dem Rest des Universums darstellte.
Als ich jung war, hatte ich diese Grenze mitunter angestupst: Ich war die lange, buchengesäumte Zufahrt zum Tor entlanggewandert und hatte mich dann obendraufgesetzt. Damals herrschte nur wenig Verkehr auf der Straße, die an unseren Besitz angrenzte, doch gelegentlich rollte ein Omnibus oder ein neues Automobil vorbei, und ich hob die Hand und grüßte die unbekannten Gesichter, die mich im Vorbeiziehen anstarrten. Mir blieben diese flüchtigen Begegnungen im Gedächtnis - neue Freunde, die plötzlich auftauchten und im nächsten Augenblick schon wieder fort waren. Wohin waren sie gefahren? Was geschah mit ihnen? Erinnerten sie sich ebenfalls an jenen Moment? Fragten sie sich jemals, was aus mir geworden war, dem Mädchen auf dem Tor?
Am Abend, beim Dinner, wollte ich mich bei meiner Mutter über Tom Cuthbert erkundigen, doch sie wirkte zerstreut. Mit einem undeutbaren Ausdruck im Gesicht sah sie sich im Zimmer um, und ich fragte mich, ob sie wieder einmal über die Dienstboten nachdachte. Sie war gestern aus London zurückgekehrt, beladen mit Päckchen, versehen mit einer neuen Frisur, doch sichtbar aus der Fassung. »Es ist einfach unmöglich«, hatte sie im Flur verkündet und mit lauterer Stimme als gewöhnlich hinzugefügt: »Es ist einfach unmöglich, heutzutage annehmbares Personal zu finden. Und wenn es einem tatsächlich einmal gelingt, muss man es zwangsläufig einige Monate später ersetzen.« Ich konnte ihr keinen Vorwurf aus ihrer Verzweiflung machen: Schließlich war sie hauptsächlich nach London gereist, um Einstellungsgespräche mit einem zukünftigen Zimmermädchen, einem Butler und einem neuen Chauffeur zu führen. Sie war über Nacht geblieben, wie sie es recht häufig tat, und hatte den Komfort des Piccadilly Club genossen, zu dessen Mitgliedern sie zählte. Es wunderte mich nicht, dass sie den Zugfahrplan auf die Minute auswendig kannte, doch das ganze Hin und Her, so behauptete sie, mache ihr recht arg zu schaffen.
»Ich habe heute Mrs Cuthberts Sohn kennengelernt, Mama. Er heißt Tom, und er war fort ... ich weiß allerdings nicht, wo. «
»Er geht auf die Universität, Liebes«, erwiderte sie, ohne mich anzusehen.
»Und auf welche?«, fragte ich.
»Ha! Nun begeistere dich mal nicht allzu sehr für Tom, Schwesterchen«, mischte sich Henry ein, »ich nehme an, Mama erwartet, dass du deine Fühler ein wenig weiter nach oben ausstreckst.« Er lachte.
»Ich habe mich ja nur nach ihm erkundigt. Das ist alles. Er macht einen äußerst zurückhaltenden Eindruck auf mich ... nun, er hat ja auch nur seine Mutter.«
Henry blickte mich über den Tisch hinweg an. »Zurückhaltend? Meiner Ansicht nach verbirgt sich hinter der äußeren Bescheidenheit ein ziemliches Schlitzohr.«
»Ein Schlitzohr?«, wiederholte ich. »Das glaube ich nicht. Ich denke, er zieht es einfach vor, für sich zu sein ... anstatt mit Leuten wie uns. «
»So, so! Sie springt ihm also zur Seite! Das ist das erste Anzeichen, Schwesterchen, das erste Anzeichen.« George und William kicherten.
»Schluss mit der Neckerei, Henry! «, befahl Mama und blickte Unterstützung heischend zu meinem Vater. Mein Vater räusperte sich, als wolle er etwas sagen, doch er schwieg.
»Du bist doch nur eifersüchtig«, sagte ich und lächelte Henry gezwungen an. Das war eine meiner Standardantworten, wenn ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.
»Und warum um alles auf der Welt sollte ich eifersüchtig sein? Er ist ein Dienstbote, um Himmels willen!«
»Nein, das ist er nicht. Mama hat uns doch gerade erzählt, dass er die Universität besucht.«
»Na klar, dort lernt er, Silber zu polieren«, erwiderte Henry.
»Du bist eifersüchtig, weil er so viel besser aussieht als du und nicht so überheblich ist.« Ich starrte auf meinen Teller, dann fügte ich hinzu: »Mademoiselle sagte immer, Gentlemen, die das Bedürfnis verspüren, sich überall hervorzutun, haben für gewöhnlich ein kleines cerveau. «
»Pfff, Mademoiselle, gerade die wird es ja wissen... Und ja, du hast recht, ich bin eifersüchtig auf den Sohn unserer Haushälterin, weil ich nie das haben werde, was er hat, und weil ich nie der Bastard sein werde von ... «
»Henry! Es reicht«, fuhr mein Vater dazwischen. »Ich verbitte mir solche Ausdrücke an meinem Tisch. Außerdem bin ich der Ansicht, du solltest diese Art von Klatsch und Tratsch in Cambridge lassen. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Sir«, antwortete mein Bruder.
Und das war's.
Ich hegte keinen Zweifel daran, dass mein ältester Bruder jede Menge Klatsch und Tratsch kannte. Und mehr als das: Ich konnte mir gut vorstellen, dass auch über ihn und seinen Müßiggang zur Genüge geklatscht wurde. Jüngst schien er neue Freunde gefunden zu haben und verbrachte weit mehr Zeit in London als zu Hause oder in Cambridge. Jeder kannte Henry, und er, so hatte es den Anschein, wusste alles über alle. Seine Clique war nie auf Cambridge begrenzt gewesen. Zwei seiner engsten Schulfreunde waren nach Oxford gegangen, andere direkt zur Armee. Er war der extrovertierteste meiner drei Brüder; selbstsicher und beliebt, verfügte er über ausgezeichnete Beziehungen. Er sei eben gern auf dem Laufenden, pflegte er zu sagen, und ich stellte ihn mir oft vor, wie er von einem zum anderen lief und die Ohren aufsperrte.
Später am Abend fragte ich meinen Bruder, was er mit seiner Bemerkung gemeint hatte, aber er hielt sich an die Warnung meines Vaters. »Das war gedankenlos von mir, Schwesterchen. Es hatte nichts zu bedeuten«, sagte er.
Doch ich wusste, dass mehr dahintersteckte, und zwar etwas ganz Bestimmtes: etwas, das mein Vater nicht erwähnt hören wollte, schon gar nicht vor mir. Es hatte keinen Sinn, Henry weiter zu bedrängen; er würde sich niemals Papa widersetzen, ganz gleich, wie draufgängerisch er auch tat. Das wusste ich genau, obwohl ich damals noch ein Kind war. Doch als ich in jener Nacht in meinem Bett lag, grübelte ich weiter darüber nach. Ich fragte mich, wer für Tom Cuthberts Ausbildung aufkam, und dann fragte ich mich, ob ich Henry richtig verstanden hatte. Hatte er tatsächlich das Wort Bastard benutzt?
...
Übersetzung: Kristina Lake-Zapp
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 201 2
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Autoren-Porträt von Judith Kinghorn
Judith Kinghorn wurde in Nortumberland geboren und ist schon seit ihrer frühesten Kindheit fasziniert von Büchern und dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie in Hampshire und lässt sich von ihrem alten viktorianischen Haus immer wieder zu neuen Geschichten inspirieren.
Bibliographische Angaben
- Autor: Judith Kinghorn
- 2012, 539 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Lake-Zapp, Kristina
- Übersetzer: Kristina Lake-Zapp
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442379091
- ISBN-13: 9783442379095
Rezension zu „Die Sommertänzerin “
"Dramatisch." Neue Woche
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